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CRUISER April 2024

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Nachrichtenübermittlung cruiser4 Gefahr für die Community Warum der politische Rechtsruck uns alle angeht28 Gefahr für Fabrikanten «Bidermann und die Brandstifter» im Pfauen32 Gefahr für Schwule Warum GRINDR keine gute Sache istKUNST, KULTUR & LEBENSSTIL FÜR DIE LGBT*-COMMUNITYSEIT 1986 DAS ÄLTESTE QUEERE MAGAZIN DER SCHWEIZ – APRIL 2024 CHF 8.10

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SHOW- & MUSICAL-HIGHLIGHTSmusical.ch18. – 23. Juni 2024 Musical Theater Basel16. Oktober – 03. November 2024 Theater 11 Zürich 06. November – 22. Dezember 2024 Musical Theater Basel09. – 21. April 2024 Theater 11 Zürich10. Juli – 24. August 2024 Seebühne Thun17.–20. Oktober 2024 Hallenstadion Zürich 19.–22. Dezember 2024 Hallenstadion ZürichDIE THUNERSEESPIELE WERDEN UNTERSTÜTZT VON:4 POLITIK GEFAHR VON RECHTSAUSSEN12 SPRACHE DER SINN DES GENDERNS14 KINO 27. PINK APPLE FILMFESTIVAL18 KULTUR BUCHTIPP20 BÜHNE EIN KLASSIKER IM BERNHARD THEATER24 KOLUMNE MICHI RÜEGG26 KULTUR BUCHTIPP28 KULTUR SCHAUSPIELHAUS32 SEXUALITÄT MODERNES DATEN34 RATGEBER DR. GAYCRUISER MAGAZIN PRINTISSN 1420-214x (1986 – 1998) | ISSN 1422-9269 (1998 – 2000) | ISSN 2235-7203 (Ab 2000) Herausgeber & Verleger medienHay GmbHInfos an die Redaktion redaktion@cruisermagazin.chChefredaktor Haymo Empl Stv. Chefredaktorin Birgit Kawohl Bildredaktion Haymo Empl, Astrid Affolter. Alle Bilder mit Genehmigung der Urheber*innen.Art Direktion Astrid AffolterAgenturen SDA, KeystoneAutor*innen Vinicio Albani, Madlaina Caflisch, Haymo Empl, Valeria Heintges, Birgit Kawohl, Michi RüeggKorrektorat | Lektorat Birgit KawohlAnzeigen anzeigen@cruisermagazin.chChristina Kipshoven | Telefon +41 (0)31 534 18 30Druck werk zwei Print+Medien Konstanz GmbHREDAKTION UND VERLAGSADRESSECruiser | Clausiusstrasse 42, 8006 Zürichredaktion@cruisermagazin.chHaftungsausschluss, Gerichtsstand und weiterführende Angaben auf www.cruisermagazin.ch Der nächste Cruiser erscheint am 3. Mai 2024Unsere Kolumnist*innen widerspiegeln nicht die Meinung der Redaktion. Sie sind in der Themenwahl, politischer /religiöser Gesinnung sowie der Wortwahl im Rahmen der Gesetzgebung frei. Wir vom Cruiser setzen auf eine grösst mögliche Diversität in Bezug auf Gender und Sexualität sowie die Auseinandersetzung mit diesen Themen. Wir vermeiden darum sprachliche Eingriffe in die Formulierungen unserer Autor*innen. Die von den Schreibenden gewählten Bezeichnungen können daher zum Teil von herkömmlichen Schreibweisen abweichen. Geschlechtspronomen werden ent spre chend implizit eingesetzt, der Oberbegriff Trans* beinhaltet die ent- sprechenden Bezeichnungen gemäss Medienguide «Transgender Network Schweiz».Cruiser wurde als einzige LGBT*-Publikation als «kulturell relevant» eingestuft und wird daher in der Schweize rischen Nationalbibliothek, der ZB Zürich sowie in der deutschen Nationalbibliothek archi viert. Cruiser ist zudem via SMD (schweizerische Mediendatenbank) allen Medienschaffenden zugänglich.ANZEIGEDomenico ist ein wahrer Bär und bereits aus seinem Winterschlaf erwacht. Er begrüsst den Frühling mit einem breiten, und mega sympa-thischen Lächeln. IMPRESSUM EDITORIALLiebe Lesende – der Frühling ist da! In einer Zeit, in der unsere Gemeinschaft mit Herausforderungen konfrontiert ist, ist es entscheidend, kritisch über die Werkzeuge unserer Vernetzung nachzudenken, politischen Bedrohungen entgegenzutreten und die Kraft von Sprache und Humor zu erkennen. All das gibt’s in diesem Cruiser. Aber der Reihe nach:GRINDR, trotz seiner Vorteile für schnelle Verbindungen, birgt Risiken, die von Datenschutzbedenken bis zu einer Kultur der Oberflächlichkeit reichen. Darum: Finger weg. (Seite 32) Gleichzeitig stellt die AfD in Deutschland eine unmittel-bare Gefahr für unsere Rechte und Errungenschaften dar, mit ihrer feindseligen Haltung gegenüber der LGBT*-Community: Das AfD-Gedankengut ist längst auch in der Schweiz angekommen. Wir schauen uns diese ungute Entwicklung ab Seite 4 etwas genauer an. Die AfD ist weit weg von Inklusion – aber vielleicht schaffen wir es mit der Sprache? Denn die Bedeutung des Genderns könnte ein Schritt sein hin zu einer inklusiveren Gesellschaft, die alle Identitäten respektiert. Und damit diese Nummer nicht ganz so dramatisch ausfällt: Ab Seite 20 erzählt uns Michi Rüegg, warum wir «Ein Käfig voller Narren» schauen gehen sollten. Lasst uns also kritisch, wachsam und gleich zeitig offen für Freude und Humor sein. Denn eben: Der Frühling ist da!Herzlich; Haymo EmplChefredaktor

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SHOW- & MUSICAL-HIGHLIGHTSmusical.ch18. – 23. Juni 2024 Musical Theater Basel16. Oktober – 03. November 2024 Theater 11 Zürich 06. November – 22. Dezember 2024 Musical Theater Basel09. – 21. April 2024 Theater 11 Zürich10. Juli – 24. August 2024 Seebühne Thun17.–20. Oktober 2024 Hallenstadion Zürich 19.–22. Dezember 2024 Hallenstadion ZürichDIE THUNERSEESPIELE WERDEN UNTERSTÜTZT VON:4 POLITIK GEFAHR VON RECHTSAUSSEN12 SPRACHE DER SINN DES GENDERNS14 KINO 27. PINK APPLE FILMFESTIVAL18 KULTUR BUCHTIPP20 BÜHNE EIN KLASSIKER IM BERNHARD THEATER24 KOLUMNE MICHI RÜEGG26 KULTUR BUCHTIPP28 KULTUR SCHAUSPIELHAUS32 SEXUALITÄT MODERNES DATEN34 RATGEBER DR. GAYCRUISER MAGAZIN PRINTISSN 1420-214x (1986 – 1998) | ISSN 1422-9269 (1998 – 2000) | ISSN 2235-7203 (Ab 2000) Herausgeber & Verleger medienHay GmbHInfos an die Redaktion redaktion@cruisermagazin.chChefredaktor Haymo Empl Stv. Chefredaktorin Birgit Kawohl Bildredaktion Haymo Empl, Astrid Affolter. Alle Bilder mit Genehmigung der Urheber*innen.Art Direktion Astrid AffolterAgenturen SDA, KeystoneAutor*innen Vinicio Albani, Madlaina Caflisch, Haymo Empl, Valeria Heintges, Birgit Kawohl, Michi RüeggKorrektorat | Lektorat Birgit KawohlAnzeigen anzeigen@cruisermagazin.chChristina Kipshoven | Telefon +41 (0)31 534 18 30Druck werk zwei Print+Medien Konstanz GmbHREDAKTION UND VERLAGSADRESSECruiser | Clausiusstrasse 42, 8006 Zürichredaktion@cruisermagazin.chHaftungsausschluss, Gerichtsstand und weiterführende Angaben auf www.cruisermagazin.ch Der nächste Cruiser erscheint am 3. Mai 2024Unsere Kolumnist*innen widerspiegeln nicht die Meinung der Redaktion. Sie sind in der Themenwahl, politischer /religiöser Gesinnung sowie der Wortwahl im Rahmen der Gesetzgebung frei. Wir vom Cruiser setzen auf eine grösst mögliche Diversität in Bezug auf Gender und Sexualität sowie die Auseinandersetzung mit diesen Themen. Wir vermeiden darum sprachliche Eingriffe in die Formulierungen unserer Autor*innen. Die von den Schreibenden gewählten Bezeichnungen können daher zum Teil von herkömmlichen Schreibweisen abweichen. Geschlechtspronomen werden ent spre chend implizit eingesetzt, der Oberbegriff Trans* beinhaltet die ent- sprechenden Bezeichnungen gemäss Medienguide «Transgender Network Schweiz».Cruiser wurde als einzige LGBT*-Publikation als «kulturell relevant» eingestuft und wird daher in der Schweize rischen Nationalbibliothek, der ZB Zürich sowie in der deutschen Nationalbibliothek archi viert. Cruiser ist zudem via SMD (schweizerische Mediendatenbank) allen Medienschaffenden zugänglich.ANZEIGEDomenico ist ein wahrer Bär und bereits aus seinem Winterschlaf erwacht. Er begrüsst den Frühling mit einem breiten, und mega sympa-thischen Lächeln. IMPRESSUM EDITORIALLiebe Lesende – der Frühling ist da! In einer Zeit, in der unsere Gemeinschaft mit Herausforderungen konfrontiert ist, ist es entscheidend, kritisch über die Werkzeuge unserer Vernetzung nachzudenken, politischen Bedrohungen entgegenzutreten und die Kraft von Sprache und Humor zu erkennen. All das gibt’s in diesem Cruiser. Aber der Reihe nach:GRINDR, trotz seiner Vorteile für schnelle Verbindungen, birgt Risiken, die von Datenschutzbedenken bis zu einer Kultur der Oberflächlichkeit reichen. Darum: Finger weg. (Seite 32) Gleichzeitig stellt die AfD in Deutschland eine unmittel-bare Gefahr für unsere Rechte und Errungenschaften dar, mit ihrer feindseligen Haltung gegenüber der LGBT*-Community: Das AfD-Gedankengut ist längst auch in der Schweiz angekommen. Wir schauen uns diese ungute Entwicklung ab Seite 4 etwas genauer an. Die AfD ist weit weg von Inklusion – aber vielleicht schaffen wir es mit der Sprache? Denn die Bedeutung des Genderns könnte ein Schritt sein hin zu einer inklusiveren Gesellschaft, die alle Identitäten respektiert. Und damit diese Nummer nicht ganz so dramatisch ausfällt: Ab Seite 20 erzählt uns Michi Rüegg, warum wir «Ein Käfig voller Narren» schauen gehen sollten. Lasst uns also kritisch, wachsam und gleich zeitig offen für Freude und Humor sein. Denn eben: Der Frühling ist da!Herzlich; Haymo EmplChefredaktor

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4 5CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024POLITIKGEFAHR VON RECHTSAUSSEN«Ich bin nicht queer»VON BIRGIT KAWOHLIm Nachbarland Deutschland ruckelt’s momentan ganz gewaltig. Und damit meine ich vorerst nicht die ruckeligen Fahrten der Deutschen Bahn – wenn sie denn überhaupt stattnden – oder die ru-ckeligen Abfertigungen an diversen deut-schen Flughäfen – falls ausnahmsweise nicht gestreikt wird. Nein, es geht mehr um das allgemeine politische Bild, welches sich dort zur Zeit zeigt. Auf die Regierung (eine Koalition aus SPD, FDP und Grünen) wird ohne Unterlass und häug leider auch ohne Sinn und Verstand geschimpft, die Opposi-tion im Bundestag betont, um wie viel bes-ser sie alles machen würde, und die als Wer hat’s gesagt? Da kommen einem spontan Ideen. An die Frau der Filmemacherin Bossard, Alice Weidel, denkt man sicherlich nicht sofort.ANZEIGErechtsextrem eingestufte AfD (Alternative für Deutschland) kann Stimme um Stimme dazugewinnen. So zum Beispiel in einer Wiederholungswahl zum Bundestag in Ber-lin, in der Anfang Februar in mehreren hun-dert Wahlkreisen die Wähler*innen noch-mals an die Wahlurne gebeten wurden. Alle schauten gebannt in die Bundeshauptstadt in der Honung, dass sich die Demonstra-tionen gegen Rechts, gegen Hass und Ge-walt, gegen Diskriminierung und Intole-ranz, zu denen sich seit Anfang des Jahres mehrere Hunderttausende Bürger*innen auf die Strassen begeben hatten, im Wahler-gebnis niederschlügen.«Deutschland. Aber normal.»Hm, muss man danach konstatieren, ausge-wirkt haben sie sich vielleicht. Aber sicher-lich nicht so, wie es sich die Demokraten gewünscht haben: Bei den Zweitstimmen konnte die AfD in den Bezirken mit Wahl-wiederholung um satte 5.6 Prozentpunkte zulegen, wohingegen die SPD 7.8 % und die FDP 5.8 % verloren. Eine klare Klatsche ge-gen die Regierungsparteien und auch gegen die engagierten Menschen, die in Regen und Schnee auf die Strasse gegangen sind.Wenn man sich unter den Demons-trierenden umhört, zeigen sich diese vor al-lem wegen der Intoleranz gegenüber jegli-chem Anderssein besorgt. Dazu gehört zum einen sicherlich der von einem Geheimtref-fen der AfD und ultrarechten Christdemo-kraten an die Öentlichkeit gedrungene Plan der «Remigration» von nicht-deut-schen Personen. Erinnert uns das an etwas? Irgendwie schon, oder? Der Gegenansatz «Nie wieder ist jetzt» ist sicherlich berech-tigt, wirkt aber irgendwie auch hilos gegen eine Partei, die dabei ist, die sozialen Me-dien im Handstreich zu erobern und damit Menschen anzusprechen, die bisher als un-erreichbar für politische Informationen – oder müsste man hier besser sagen: Indokt-rinationen? – schienen.Viel bezeichnender ist hingegen der Wahlspruch der AfD bei den vergangenen Bundestagswahlen: «Deutschland. Aber nor-mal.» Ein Wahlslogan, der in der heutigen ➔ München, Deutschland: Poster und Teilnehmer einer Demonstration gegen die AfD-Partei in München am 21. Januar 2024.Wenn man sich unter den De-monstrierenden umhört, zeigen sich diese vor allem wegen der Intoleranz gegenüber jeglichem Anderssein besorgt.Riesenauswahl. Immer. Günstig. ottos.ch 69.90 statt 99.90 stapelbarMadeiraGarnitur: 240/180 x 72 x 70 cm, Hocker: 38 x 40 x 38 cm, Tisch mit Glasplatte: 145 x 68 x 70 cm999.- statt 1399.- 799.- statt 999.- individuell zusammenstellbarLEGNO MASSICCIOBOIS MASSIFMASSIVHOLZGartenlounge Venedig Gestell Aluminium mit Teakholzablagen, Kissen Polyester grau, Bank: 120 x 80 x 70 cm, Beistellelement mit Kissen, verstellbar: 70 x 39 x 70 cm, Liege: 190 x 80 x 89 cmTischgarniturCamaro Kunststofflatten Polywood grau, Gestell Aluminium anthrazitinkl. 4 Stühle, Tisch: 150 x 74 x 90 cm499.- statt 699.- Set 5-teilig399.- statt 499.- Stuhl Jojo Textilene anthrazit, Gestell Aluminium anthrazitGartenlounge Rhonda Gestell Metall, Kissen Polyester grau, Bank: 121 x 84 x 70 cm, Sessel: 62 x 84 x 70 cm, Beistelltisch klein: Ø 49 cm, Höhe: 43 cm, Beistelltisch gross: Ø 70 cm, Höhe: 35 cm

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4 5CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024POLITIKGEFAHR VON RECHTSAUSSEN«Ich bin nicht queer»VON BIRGIT KAWOHLIm Nachbarland Deutschland ruckelt’s momentan ganz gewaltig. Und damit meine ich vorerst nicht die ruckeligen Fahrten der Deutschen Bahn – wenn sie denn überhaupt stattnden – oder die ru-ckeligen Abfertigungen an diversen deut-schen Flughäfen – falls ausnahmsweise nicht gestreikt wird. Nein, es geht mehr um das allgemeine politische Bild, welches sich dort zur Zeit zeigt. Auf die Regierung (eine Koalition aus SPD, FDP und Grünen) wird ohne Unterlass und häug leider auch ohne Sinn und Verstand geschimpft, die Opposi-tion im Bundestag betont, um wie viel bes-ser sie alles machen würde, und die als Wer hat’s gesagt? Da kommen einem spontan Ideen. An die Frau der Filmemacherin Bossard, Alice Weidel, denkt man sicherlich nicht sofort.ANZEIGErechtsextrem eingestufte AfD (Alternative für Deutschland) kann Stimme um Stimme dazugewinnen. So zum Beispiel in einer Wiederholungswahl zum Bundestag in Ber-lin, in der Anfang Februar in mehreren hun-dert Wahlkreisen die Wähler*innen noch-mals an die Wahlurne gebeten wurden. Alle schauten gebannt in die Bundeshauptstadt in der Honung, dass sich die Demonstra-tionen gegen Rechts, gegen Hass und Ge-walt, gegen Diskriminierung und Intole-ranz, zu denen sich seit Anfang des Jahres mehrere Hunderttausende Bürger*innen auf die Strassen begeben hatten, im Wahler-gebnis niederschlügen.«Deutschland. Aber normal.»Hm, muss man danach konstatieren, ausge-wirkt haben sie sich vielleicht. Aber sicher-lich nicht so, wie es sich die Demokraten gewünscht haben: Bei den Zweitstimmen konnte die AfD in den Bezirken mit Wahl-wiederholung um satte 5.6 Prozentpunkte zulegen, wohingegen die SPD 7.8 % und die FDP 5.8 % verloren. Eine klare Klatsche ge-gen die Regierungsparteien und auch gegen die engagierten Menschen, die in Regen und Schnee auf die Strasse gegangen sind.Wenn man sich unter den Demons-trierenden umhört, zeigen sich diese vor al-lem wegen der Intoleranz gegenüber jegli-chem Anderssein besorgt. Dazu gehört zum einen sicherlich der von einem Geheimtref-fen der AfD und ultrarechten Christdemo-kraten an die Öentlichkeit gedrungene Plan der «Remigration» von nicht-deut-schen Personen. Erinnert uns das an etwas? Irgendwie schon, oder? Der Gegenansatz «Nie wieder ist jetzt» ist sicherlich berech-tigt, wirkt aber irgendwie auch hilos gegen eine Partei, die dabei ist, die sozialen Me-dien im Handstreich zu erobern und damit Menschen anzusprechen, die bisher als un-erreichbar für politische Informationen – oder müsste man hier besser sagen: Indokt-rinationen? – schienen.Viel bezeichnender ist hingegen der Wahlspruch der AfD bei den vergangenen Bundestagswahlen: «Deutschland. Aber nor-mal.» Ein Wahlslogan, der in der heutigen ➔ München, Deutschland: Poster und Teilnehmer einer Demonstration gegen die AfD-Partei in München am 21. Januar 2024.Wenn man sich unter den De-monstrierenden umhört, zeigen sich diese vor allem wegen der Intoleranz gegenüber jeglichem Anderssein besorgt.Riesenauswahl. Immer. Günstig. ottos.ch 69.90 statt 99.90 stapelbarMadeiraGarnitur: 240/180 x 72 x 70 cm, Hocker: 38 x 40 x 38 cm, Tisch mit Glasplatte: 145 x 68 x 70 cm999.- statt 1399.- 799.- statt 999.- individuell zusammenstellbarLEGNO MASSICCIOBOIS MASSIFMASSIVHOLZGartenlounge Venedig Gestell Aluminium mit Teakholzablagen, Kissen Polyester grau, Bank: 120 x 80 x 70 cm, Beistellelement mit Kissen, verstellbar: 70 x 39 x 70 cm, Liege: 190 x 80 x 89 cmTischgarniturCamaro Kunststofflatten Polywood grau, Gestell Aluminium anthrazitinkl. 4 Stühle, Tisch: 150 x 74 x 90 cm499.- statt 699.- Set 5-teilig399.- statt 499.- Stuhl Jojo Textilene anthrazit, Gestell Aluminium anthrazitGartenlounge Rhonda Gestell Metall, Kissen Polyester grau, Bank: 121 x 84 x 70 cm, Sessel: 62 x 84 x 70 cm, Beistelltisch klein: Ø 49 cm, Höhe: 43 cm, Beistelltisch gross: Ø 70 cm, Höhe: 35 cm

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6 7CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024ANZEIGEAber gerade die AfD-Wunschkanzle-rin ist ja das beste Beispiel für verschobene Wahrnehmungen und verdrehte Interpre-tationen der rechtsextremen Partei.Die Liaison Sarah Bossard – Alice WeidelWeidel (*1979) lebt seit vielen Jahren zusam-men mit der Schweizer Filmproduzentin Sarah Bossard (*1982) und deren beiden Söhnen zusammen in der Schweiz (als Mig-rantin!). Bossard, die ihre Wurzeln in Sri Lanka hat, ist keine Unbekannte in der Schweizer Kulturszene und u.a. verant-wortlich für Filmhits wie «Die göttliche Ordnung» oder «Papa Moll». Diese Konstel-lation kann einem durchaus zu denken ge-ben, denn Alice Weidel ist nicht einfach ir-gendein Parteimitglied: Eingetreten in die AfD ist sie im Jahr 2013, schon zwei Jahre später wird sie zum Mitglied des Bundes-vorstands, zur Zeit hat sie gemeinsam mit Tino Chrupalla den Fraktionsvorsitz der Partei im Bundestag inne – um nur wenige Stationen ihres nahezu kometenhaften Auf-stiegs zu nennen. Und wie obiger Kanzle-Zeit nahezu absurd wirkt, denn wer oder was ist bitte schön «normal»? Für die AfD ist dies selbstverständlich einfach zu beant-worten, denn normal ist, wer dem «deut-schen Ideal» entspricht. Und ja, Anklänge an die Zeit zwischen 1933 und 1945 sind da-bei durchaus erwünscht. Denn eine Partei, die von «Biodeutschen» spricht und alle an-deren remigieren will, die sich die Frau hin-term Herd vorstellt, Gendern als woke Scheisse abtut und es als Gefahr ansieht, wenn Kinder Bücher von Dragqueens vor-gelesen bekommen, hat sicherlich eine an-dere Normalität im Auge, als die Durch-schnittsbürger*innen. Schwul = pädophilGanz eng verbunden mit dem letztgenann-ten Punkt kommt die AfD mit einem weite-ren hanebüchenen Vorurteil um die Ecke, das mir auch bei zigmaligem Durchdenkopf-gehenlassen nicht logischer wird. Gemeint ist die (u. a. auf Wahlplakaten in Bayern) pro-pagierte Aussage, dass schwule Männer grösstenteils Pädophile sind. Wie der Jour-nalist Sebastian Ahlefeld in der Berliner Zei-rinnen-Spruch zeigt, ist ihr Machthunger noch lange nicht gestillt.Um in einer von Männern dominier-ten Partei so weit nach oben zu kommen und dort auch über Jahre zu verharren – aus ser Weidel lässt sich spontan nach dem Rückzug von Frauke Petry keine weitere be-kannte AfD-Frau nennen, auch wenn Beat-rix von Storch das gerne für sich reklamie-ren würde –, muss man schon einiges zu tung im Juni letzten Jahres untersucht hat, vermittelt ein Plakat mit der Aufschrift «Hände weg von unseren Kindern! Gender-propaganda verbieten!» den Eindruck, dass sich ein Schwuler (Klischee Schminke und aufgespritzte Lippen) mit einem hämischen Lachen an einem Jungen vergreift. Eigent-lich darf man einen solchen Schwachsinn gar nicht kommentieren, trotzdem kann ich den Hinweis nicht unterdrücken, dass der überwiegende Teil der (bekannten) Opfer von Pädophilen (noch) Mädchen sind. So verzeichnet statista.com für das Jahr 2022 für Deutschland insgesamt 17 168 polizeilich er-fassste Opfer, von denen knapp 13 000 (mit-hin etwa drei Viertel) Mädchen waren! Wie da die Schwulen ins Spiel kommen, müsste mir nun eine geschulte AfD-Kraft, wie zum Beispiel Alice Weidel, erklären, die man im letzten September auf einem bayerischen Volksfest in Gillamoos sogar als «eventuell zukünftige Kanzlerin» ankündigte, was Frau Weidel sich gerne gefallen liess. Für diese Po-pularität biedert sie sich mittlerweile sogar dem Rechtsaussen Björn Höcke an («Ohne Höcke geht es nicht.», so Weidel). bieten haben, und das ist in Bezug auf die rechtsextreme Partei mitnichten ein Lob. Bossard und Weidel lebten schon Jah-re vor der Zustimmung zur Ehe für alle in einer eingetragenen Partnerschaft, zu-nächst in Biel, seit 2019 nun in Einsiedeln. Dort ziehen sie gemeinsam die beiden leib-lichen Söhne von Bossard gross und treten ansonsten wenig als Paar in Erscheinung. Erziehung der Söhne mit Hilfe von «Leih-Vätern»Eine gegen Migration wetternde Rechts-Nationale wohnt als Migrantin in einem an-deren Land? Ein hohes Tier der deutschen Partei mit einer immer wieder vehementen und lautstarken Positionierung gegen Queers lebt in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung? Und stärker noch: Die AfD ist die Partei, die sich am stärksten für die kon-servativen Werte der «klassischen» Familie einsetzt, die sich gegen «Früh- und Hyper-sexualisierung» und gegen «Genderismus» einsetzt und Weidel / Bossard ziehen ge-meinsam zwei Söhne gross (zu denen es of-Eine gegen Migration wetternde Rechts-Nationale wohnt als Mi-grantin in einem anderen Land? Ein hohes Tier der deutschen Partei mit einer immer wieder vehementen und lautstarken Po-sitionierung gegen Queers lebt in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung?POLITIKGEFAHR VON RECHTSAUSSENfenbar biologische Väter gibt)? Da fragt man sich schon, wie das alles zusammenpasst und wie vor allem Sarah Bossard mit diesen Widersprüchen umgeht und sich dabei noch im Spiegel ins Gesicht blicken kann. Alice Weidel klärt diesen Widerspruch für sich ganz elegant, indem sie nämlich klarstellt, dass ihr Familienleben zwar in der Kernfamilie keine Männer enthält, dass die-se aber den beiden Söhnen mitnichten vor-enthalten würden, denn diese hätte ein Recht auf Fussball und schnelle Autos, was sie (als Frauen) nicht leisten könnten. Über-nommen werde dieser Part dann u. a. von den biologischen Vätern oder anderen Män-nern. Dieser argumentative Purzelbaum wird von Patrick Wielowiejski auf gender-blog.de genauer analysiert. Weidel hält sich mit dieser Interpretation ihrer Lebenssituati-on an die AfD-Familienwerte und kann ent-spannt ihren eigenen Bedürfnissen nachge-hen. An dieser Stelle zeigt sich einmal mehr, dass unter den AfD-Wählerinnen nicht die hellsten Kerzen sein können, sonst müsste es spätestens hier einen Aufschrei geben. ➔Links: Berlin, Deutschland, 16. Januar 2024. Dr. Alice Weidel, Vorsitzende der AFD-Fraktion, während einer Pressekonferenz im Deutschen Bundestag. Rechts: Sarah Bossard vor einem romatischen Sonnenunter- oder aufgang. Irgendwie schaut sie kritisch in die Kamera.POLITIKGEFAHR VON RECHTSAUSSENBild Sarah Bossard © InstagramDoppelabend von La Ribot und Fabce Mazliah‹LIVEinguished›Konzept und Choreogphie: La Ribot‹e End of ings: e ings of Ends›Konzept und Choreogphie: Fabce Mazliah Basler Version und Uuühng STOWECHSBAAB 24.4.24eater-basel.ch/stowechsel

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6 7CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024ANZEIGEAber gerade die AfD-Wunschkanzle-rin ist ja das beste Beispiel für verschobene Wahrnehmungen und verdrehte Interpre-tationen der rechtsextremen Partei.Die Liaison Sarah Bossard – Alice WeidelWeidel (*1979) lebt seit vielen Jahren zusam-men mit der Schweizer Filmproduzentin Sarah Bossard (*1982) und deren beiden Söhnen zusammen in der Schweiz (als Mig-rantin!). Bossard, die ihre Wurzeln in Sri Lanka hat, ist keine Unbekannte in der Schweizer Kulturszene und u.a. verant-wortlich für Filmhits wie «Die göttliche Ordnung» oder «Papa Moll». Diese Konstel-lation kann einem durchaus zu denken ge-ben, denn Alice Weidel ist nicht einfach ir-gendein Parteimitglied: Eingetreten in die AfD ist sie im Jahr 2013, schon zwei Jahre später wird sie zum Mitglied des Bundes-vorstands, zur Zeit hat sie gemeinsam mit Tino Chrupalla den Fraktionsvorsitz der Partei im Bundestag inne – um nur wenige Stationen ihres nahezu kometenhaften Auf-stiegs zu nennen. Und wie obiger Kanzle-Zeit nahezu absurd wirkt, denn wer oder was ist bitte schön «normal»? Für die AfD ist dies selbstverständlich einfach zu beant-worten, denn normal ist, wer dem «deut-schen Ideal» entspricht. Und ja, Anklänge an die Zeit zwischen 1933 und 1945 sind da-bei durchaus erwünscht. Denn eine Partei, die von «Biodeutschen» spricht und alle an-deren remigieren will, die sich die Frau hin-term Herd vorstellt, Gendern als woke Scheisse abtut und es als Gefahr ansieht, wenn Kinder Bücher von Dragqueens vor-gelesen bekommen, hat sicherlich eine an-dere Normalität im Auge, als die Durch-schnittsbürger*innen. Schwul = pädophilGanz eng verbunden mit dem letztgenann-ten Punkt kommt die AfD mit einem weite-ren hanebüchenen Vorurteil um die Ecke, das mir auch bei zigmaligem Durchdenkopf-gehenlassen nicht logischer wird. Gemeint ist die (u. a. auf Wahlplakaten in Bayern) pro-pagierte Aussage, dass schwule Männer grösstenteils Pädophile sind. Wie der Jour-nalist Sebastian Ahlefeld in der Berliner Zei-rinnen-Spruch zeigt, ist ihr Machthunger noch lange nicht gestillt.Um in einer von Männern dominier-ten Partei so weit nach oben zu kommen und dort auch über Jahre zu verharren – aus ser Weidel lässt sich spontan nach dem Rückzug von Frauke Petry keine weitere be-kannte AfD-Frau nennen, auch wenn Beat-rix von Storch das gerne für sich reklamie-ren würde –, muss man schon einiges zu tung im Juni letzten Jahres untersucht hat, vermittelt ein Plakat mit der Aufschrift «Hände weg von unseren Kindern! Gender-propaganda verbieten!» den Eindruck, dass sich ein Schwuler (Klischee Schminke und aufgespritzte Lippen) mit einem hämischen Lachen an einem Jungen vergreift. Eigent-lich darf man einen solchen Schwachsinn gar nicht kommentieren, trotzdem kann ich den Hinweis nicht unterdrücken, dass der überwiegende Teil der (bekannten) Opfer von Pädophilen (noch) Mädchen sind. So verzeichnet statista.com für das Jahr 2022 für Deutschland insgesamt 17 168 polizeilich er-fassste Opfer, von denen knapp 13 000 (mit-hin etwa drei Viertel) Mädchen waren! Wie da die Schwulen ins Spiel kommen, müsste mir nun eine geschulte AfD-Kraft, wie zum Beispiel Alice Weidel, erklären, die man im letzten September auf einem bayerischen Volksfest in Gillamoos sogar als «eventuell zukünftige Kanzlerin» ankündigte, was Frau Weidel sich gerne gefallen liess. Für diese Po-pularität biedert sie sich mittlerweile sogar dem Rechtsaussen Björn Höcke an («Ohne Höcke geht es nicht.», so Weidel). bieten haben, und das ist in Bezug auf die rechtsextreme Partei mitnichten ein Lob. Bossard und Weidel lebten schon Jah-re vor der Zustimmung zur Ehe für alle in einer eingetragenen Partnerschaft, zu-nächst in Biel, seit 2019 nun in Einsiedeln. Dort ziehen sie gemeinsam die beiden leib-lichen Söhne von Bossard gross und treten ansonsten wenig als Paar in Erscheinung. Erziehung der Söhne mit Hilfe von «Leih-Vätern»Eine gegen Migration wetternde Rechts-Nationale wohnt als Migrantin in einem an-deren Land? Ein hohes Tier der deutschen Partei mit einer immer wieder vehementen und lautstarken Positionierung gegen Queers lebt in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung? Und stärker noch: Die AfD ist die Partei, die sich am stärksten für die kon-servativen Werte der «klassischen» Familie einsetzt, die sich gegen «Früh- und Hyper-sexualisierung» und gegen «Genderismus» einsetzt und Weidel / Bossard ziehen ge-meinsam zwei Söhne gross (zu denen es of-Eine gegen Migration wetternde Rechts-Nationale wohnt als Mi-grantin in einem anderen Land? Ein hohes Tier der deutschen Partei mit einer immer wieder vehementen und lautstarken Po-sitionierung gegen Queers lebt in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung?POLITIKGEFAHR VON RECHTSAUSSENfenbar biologische Väter gibt)? Da fragt man sich schon, wie das alles zusammenpasst und wie vor allem Sarah Bossard mit diesen Widersprüchen umgeht und sich dabei noch im Spiegel ins Gesicht blicken kann. Alice Weidel klärt diesen Widerspruch für sich ganz elegant, indem sie nämlich klarstellt, dass ihr Familienleben zwar in der Kernfamilie keine Männer enthält, dass die-se aber den beiden Söhnen mitnichten vor-enthalten würden, denn diese hätte ein Recht auf Fussball und schnelle Autos, was sie (als Frauen) nicht leisten könnten. Über-nommen werde dieser Part dann u. a. von den biologischen Vätern oder anderen Män-nern. Dieser argumentative Purzelbaum wird von Patrick Wielowiejski auf gender-blog.de genauer analysiert. Weidel hält sich mit dieser Interpretation ihrer Lebenssituati-on an die AfD-Familienwerte und kann ent-spannt ihren eigenen Bedürfnissen nachge-hen. An dieser Stelle zeigt sich einmal mehr, dass unter den AfD-Wählerinnen nicht die hellsten Kerzen sein können, sonst müsste es spätestens hier einen Aufschrei geben. ➔Links: Berlin, Deutschland, 16. Januar 2024. Dr. Alice Weidel, Vorsitzende der AFD-Fraktion, während einer Pressekonferenz im Deutschen Bundestag. Rechts: Sarah Bossard vor einem romatischen Sonnenunter- oder aufgang. Irgendwie schaut sie kritisch in die Kamera.POLITIKGEFAHR VON RECHTSAUSSENBild Sarah Bossard © InstagramDoppelabend von La Ribot und Fabce Mazliah‹LIVEinguished›Konzept und Choreogphie: La Ribot‹e End of ings: e ings of Ends›Konzept und Choreogphie: Fabce Mazliah Basler Version und Uuühng STOWECHSBAAB 24.4.24eater-basel.ch/stowechsel

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8 9CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024Die AfD als Partei der Sicherheit für LesbenDer grösste Feind aller Lesben, das weiss nun jedes Kind, sind muslimische Männer, die sich – was auch sonst? – in Gangs herumtrei-ben und schwache Frauen überfallen. Daher ist es nur logisch, dass Frau Weidel bei der AfD ihre Heimat sucht, denn (nur) die bietet ihr ausreichend Schutz vor den Mus limen (die sie ja gerne mit gezückten Messern in Verbindung bringt). Sie äusserte sich bereits im Bundestagswahlkampf im Jahr 2017 dies-bezüglich ganz eindeutig, wie Wielowiejski recherchiert hat: «Muslimische Gangs ma-chen in letzter Zeit förmlich Jagd auf Homo-sexuelle und das mitten in Deutschland, und das ist ein Skandal!» An anderer Stelle (in ei-nem Interview für die Schwulenzeitschrift «Männer») zieht sie daraus dann auch die folgerichtige Konklusion: «Die AfD ist die einzige echte Schutzmacht für Schwule und Lesben in Deutschland.»Man kann sich schon fragen, welche braune Brille sie im Wahlkampf und im In-terview aufhatte, dass ihr oensichtlich nicht klar ist, dass sich gerne Neo-Nazis, zu denen mittlerweile auch (mindestens) der rechte Flügel der AfD zu zählen ist, zum «Schwulenklatschen» verabreden und dass diese weit entfernt davon sind, Schwule und andere Queers im Ausgang zu beschützen.Andererseits ist nicht ganz klar, war-um sich Weidel vor den Lesben jagenden muslimischen Gangs überhaupt fürch- tet, denn im ARD-Sommerinterview vom 10. September 2023 verkündete sie voll-mundig: «Ich bin nicht queer.»Genderwahn und andere FeindbilderWas heisst das nun? Zählen Lesben nicht zu den Queers oder ist sie nicht lesbisch? Wenn sie das Erste meint, wie deniert sich dann queer? Meint sie das Zweite, was sagt dann Sarah Bossard dazu, die sich oensichtlich ganz als Frau an Alices Seite versteht. Dass die AfD sich klar gegen die Community und deren Forderungen stellt, wird immer wieder deutlich. Hier nur ein paar Beispiele: Im Mai 2020 beschliesst die Bundesregierung ein Verbot von Konver-sionstherapien, die einzige Gegenstimme liefert die AfD. Wie die hessische SPD-Abgeordnete Dagmar Schmidt auf ihrer Homepage no-tiert, will die AfD in üringen auf Initiative von Beatrix von Storch eine Zählung von Ho-mosexuellen. Kurze Zwischenfrage an Frau v. Storch: Wozu? Soll daraufhin eine Anpas-sung des Kulturangebots erfolgen oder will man die Artikelauswahl in Supermärkten verändern? (Schwule trinken ja dauernd Prosecco, das muss eingeplant werden.) Weidels Parteikollege omas Ehr-horn bezeichnete 2017 die gleichgeschlecht-liche Ehe als einen Schritt hin auf dem Weg zum «eigenen Volkstod», zu dem Weidel ja dann oensichtlich selbst einiges beiträgt.Im oben erwähnten Sommerinterview beklagt Alice Weidel sich schliesslich darü-ber, dass man sich «jetzt ein Mal im Jahr das Geschlecht aussuchen solle». Hintergrund war die Erleichterung für Transgender eine Änderung ihres Geschlechtseintrags vor-nehmen zu lassen.Neben dem immer wieder Diskussio-nen in konservativen Kreisen verursachen-den Streitpunkt der Akzeptanz der Ehe von Homosexuellen, die durchaus auch von ein-zelnen Abgeordneten aus den christlichen Parteien kritisch gesehen wird, stechen bei der AfD aber weitere beschämende Forde-rungen und Ansichten hervor. So trachtet man danach, das Allgemeine Gleichbe-handlungsgesetz (AGG) abzuschaen und damit LGBT*s wieder der oenen Diskrimi-nierungen preiszugeben. Welche Folgen das haben könnte, kann man daran ablesen, dass so Kündigungen aufgrund der sexuel-len Orientierung möglich wären oder sich ein*e Mediziner*in weigern könnte, eine trans Person zu behandeln, ohne zur Re-chenschaft gezogen werden zu können. Wenn man sich nur diese zwei Aspekte in Bezug auf die Haltung der AfD zum e-ma Homosexualität anschaut, wird klar, wie beschämend und widerlich die Verlogen-heit Weidels ist. Araber*innen sind Straftäter, Politiker*innen SchweineUnd erneut stellt sich die Frage: Wie kann man mit jemandem zusammenleben, der die eigenen Werte oenbar so hintergeht? Ganz davon abgesehen, dass Sarah Bossard auch optisch weit davon entfernt ist, dem AfD-Ideal zu entsprechen. Weidel schimpft und kämpft immer wieder gegen alles, was nicht «biodeutsch» (auch so ein wunderbares AfD-ANZEIGECRUISER SOMMER 2017➔«Was geht mich meine Gesundheit an!» Wilhelm Nietzsche Wir sind die erste Adresse für diskrete Beratung in allen Gesundheitsfragen.Stampfenbachstr. 7, 8001 Zürich, Tel. 044 252 44 20, Fax 044 252 44 21 leonhards-apotheke@bluewin.ch, www.leonhards.apotheke.chIhr Gesu ndheits-Coach .Wort) ist. Hat sie ihrer Partnerin mal ins Ge-sicht geschaut? Wo sind denn da die blonden Haare und das europäische Aussehen? Es kann natürlich auch ein Phänomen sein, das schon Heinrich Himmler – der Reichsführer SS unter den Nationalsozialis-ten und damit Hauptverantwortlicher für das Funktionieren des Unrechtstaates – in einer seinen beiden Posener Reden im Ok-tober 1943 beschreibt: Alle seien wunderbar für die Ausrottung und Vernichtung der Ju-den. Wenn es aber darum gehe, selbst Hand anzulegen und sich aktiv für das Erreichen dieses nationalsozialistischen Ziels einzu-setzen, kenne jeder den einen Juden, der ganz famos und ein feiner Kerl sei, weswe-gen man diesen einen von der Vernichtung ausnehmen müsse. Ja, das Verurteilen ist einfach, solange niemand im persönlichen Umfeld betroen ist, das merkte schon der NS-Chedeologe vor achtzig Jahren. Wenn man Weidel hier als blind be-zeichnen mag, wirkt das Verhalten von Bos-sard jedoch nahezu absurd. Wie kann ich denn als oenbar Betroene mit jemandem zusammenleben, der mich in öentlichen Reden, wo immer es geht, diskriminiert und diskreditiert? Da mag sie vielleicht einwenden, dass Weidel, wenn es um Migration geht, vor al-lem gegen den Zuzug von Menschen von an-deren Kontinenten kämpft (gerne spricht diese von der «Festung Europa», die man bewahren müsse), die zudem nicht christli-chen Glaubens sind. Trotzdem muss man sich einfach nur manchen Redeauszug nochmals ins Gedächtnis rufen, um die Bösartigkeit und geballte Vorurteilskraft wahrzunehmen. So sagte Weidel in einer denkwürdigen Rede am 16. Mai 2018: «Bur-kas, Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse werden unseren Wohlstand, das Wirt-schaftswachstum und vor allem den Sozial-staat nicht sichern.» Da bekam so manche*r Zuhörer*in spontan das Kotzen, wie die ve-hementen Reaktionen im Bundestag zeigen. Nutzung der sozialen MedienBereits oben wurde auf die grosse Populari-tät der AfD in der deutschen Bevölkerung hingewiesen, von denen oenbar ein Gross-teil gerne seine Stimme einer Partei gibt, durch deren Wahlsieg der eigene Lebens-standard sinken würde. Wie kann das sein?Eine nicht zu unterschätzende Macht sind in diesem Zusammenhang sicherlich die sozialen Medien, die die AfD besser als jede andere deutsche Partei zu nutzen weiss. Am 13. Februar widmet sich Alexan-dra Ringendahl im Kölner Stadtanzeiger dem ema AfD und TikTok und oenbart dabei Erschreckendes. Ganz allgemein kann man festhalten, dass zwei Drittel aller Jugend-lichen ab 14 Jahren TikTok nutzen. Jede*r 4. Jugendliche*r informiert sich dabei über das aktuelle Tagesgeschehen auf dieser Plattform, womit TikTok Platz 3 der genutz-ten Info-Kanäle belegt. Diese Macht der Einussnahme auf Jugendliche (und er-wachsene nicht gut Gebildete) muss man sich einmal vorstellen. Wenn man sich dann noch die Follo-wer-Zahlen von Bundestag-Mitgliedern an-schaut, ist der Schock noch grösser, denn die AfD verzeichnet die meisten Follower aller Bundestagparteien und sechs der zehn beliebtesten Politiker*innenaccounts gehö-ren AfDler*innen. Auch Alice Weidel weiss sich hier in Szene zu setzen und liefert mit der «privaten Alice» das «volle[…] Kontrastprogramm» zur Politik-Weidel, wie Peter Tiede am 10. Feb-ruar 2024 auf bild.de analysiert. Man muss sich die Augen reiben, wenn man sie in ei-nem Video gemeinsam mit ihrer Partnerin beim ausgelassenen Cardancing sieht. Ist sie’s wirklich? Ja, sie ist’s. Was Tiede zu dem wohlüberlegten Schluss kommen lässt: «Ihr Geheimnis: Sie passt nicht zu sich selbst.»Jugendliche Zuschauer*innen gewin-nen hier spontan den Eindruck einer lässi-gen, coolen Abgeordneten, die ihr Leben geniesst und nah am Puls der Zeit ist. Das Abgleichen mit Äusserungen im Bundestag erfolgt natürlich nicht und zack! hat die AfD schon wieder eine Stimme gewonnen.Bossard gibt sich offen und tolerantZu sich selbst passt die Weidel also eher nicht, dann aber vielleicht doch zu Sarah Bossard? Diese gibt sich, wie die Schweizer Medien an und für sich, in Bezug auf ihre Partnerschaft extrem zurückhaltend. Kaum ndet man private Fotos (weswegen das oben erwähnte Video umso auälliger ist).Im Jahr 2021 konnten vor der Abstim-mung zur Ehe für alle die geneigten Leser*innen im Tages-Anzeiger vom 24. Sep- tember ein Interview mit Sarah Bossard le-sen, in dem mit keiner Silbe erwähnt wird, mit wem genau Sarah Bossard liiert ist – der pure Name sagt vielleicht nicht allen Schweizer*innen spontan etwas. Michèle ➔ 29KulturFreitag, 24. September 2021Michèle BinswangerFrau Bossard, Sie leben in einereingetragenen Partnerschaftund haben zwei gemeinsameKinder.Die Kampagne desKomitees gegen die Ehe für allezielt auf lesbische Paare wie Sie.Was löst das in Ihnen aus?Die Kampagne ist nicht nur ge-schmacklos, sondern geht an un-serer Lebenswirklichkeit völligvorbei. Ich hätte mir gewünscht,dass sich das Komitee näher mitden Menschen und Lebenskon-stellationen beschäftigt hätte,auf denen es herumhackt. Aberdas zeigt auch, was in den Köpfenmancher Menschen immer nochvorgeht. Gerade auch darum istdie Ehe für alle ein wichtigerSchritt, um das zu ändern.Die Gegner der Ehe füralle argumentieren, es geheum ein Programm zur«Überwindung der natürlichenGeschlechterordnung»:Was entgegnen Sie darauf?Das Argument kann stimmen.Aber was verlieren wir, wennmanche die natürlichen Ge-schlechterrollen nicht beibehal-ten? Waswird denn anders? Jedersoll doch nach seiner Fassonglücklich sein. Wenn man daranglaubt, dass Jungs nur zu Män-nern werden können, die spätereine Familie ernähren, und Mäd-chen zu Frauen, die zwischenKindern und einem 20-Prozent-Job wählen dürfen, dann kannman dieses Argument für starkhalten. Aber welchen Sinn machtdas? Wir stehen doch längst aneinem anderen Punkt mit sovielen alleinerziehenden Mütternoder Vätern. Da ist es doch einMuss, dass wir uns über die soge-nannt natürlichen Geschlechter-rollen hinaus unterstützen. Egalin welcher Form.Im Kontext der Ehe-für-alle-Kampagne zeigt sich dasweitverbreitete Vorurteil,alle Homosexuellen ticktenpolitisch gleich, nämlichlinks-progressiv. Was haltenSie davon?Das kann auf Leute, die laut sind,und auf Lobbyverbände zutref-fen. Aber es gibt doch viele, dienicht laut und progressiv sind,sondern einfach nur ihr Lebenleben und in Ruhe gelassen wer-den wollen. Ichglaube auch nichtdaran, dass sich die Gruppe, überdie wir nun sprechen, hauptsäch-lich über ihre sexuelle Orientie-rung definiert und dies zumLebensinhalt macht. Was manaber auch nicht verkennen darf,ist, dass es immer noch Übergriffeauf schwule und lesbische Paaregibt, was wieder dazu berechtigt,laut zu sein,damit die nächste Ge-neration mit einem anderenMindset aufwächst.Die Schweiz ist familienpoli-tisch konservativ.Spüren Sie inIhrem Alltag Vorbehalte gegenIhreLebensweise? Wie äusserndie sich?Nein. Jedenfalls nicht direkt.Washintenrum geredet wird, steht aufeinem anderen Blatt. Natürlichkennt uns jeder. Die meisten fin-den es spannend, begegnen unsmit Neugier und Fragen, was wirsehr begrüssen. Solche Gesprächeführen immer wieder zu interes-santen Diskussionen, und manbekommt vielleicht eher einenEinblick, wie denn andere Ehenaussehen. Und am Ende sind die-se doch gar nicht so anders. Ichbin natürlich gespannt, wie es dieKinder erleben über die Jahre.Sie haben vorherin Biel gelebt,jetzt in der konservativerenInnerschweiz: Macht das einenUnterschied?Wir fühlen uns hier sehr wohl,und mich zieht nichts mehr zu-rück nach Biel, wo ich auch auf-gewachsen bin. Uns kennt hierjeder, und ich muss weniger er-klären.Allen ist unsere familiäreSituation bekannt, und es gibtkeinen Erklärungsbedarf beineuen Begegnungen.Was würden Sie sich für diekünftigen Debatten zu diesenThemen wünschen?Ich wünsche mir wie alle MütterIdentität und Stabilität fürmeine Kinder. Das heisst offensein, wenn Leute fragen, ehrlichsein mit den Kindern, nichtdie Herkunft oder auch dieVerhältnisseverleugnen. Die De-batte um die gleichberechtigteEhe für alle wird hoffentlichhier enden. Denn ähnlich demFrauenstimmrecht wird sichdiese Entwicklung nicht auf-halten lassen. Und wenn wiruns nicht weiterentwickeln wür-den, dann wären Scheidungenauch nie möglich gewesen.Aber sicher hat es Freiheit undGleichberechtigung für die Frau-en gebracht und bekräftigt dasRecht auf ein selbstbestimmtesLeben.«Viele Schwule und Lesbenmöchten einfach ihre Ruhe»Ehe für alle Sarah Bossard ist Filmemacherin und die Partnerin der deutschen AfD-Politikerin Alice Weidel.Warum sie die Gegenkampagne zur Ehe für alle schrecklich findet und welchen Vorurteilen sie im Alltag begegnet.«Jeder soll doch nach seiner Fasson glücklich sein»: Filmemacherin Sarah Bossard. Foto: PDIn der Redaktion gab es im Vor-feld dieser Geschichte einen Ein-wurf von eher sachfremderSeite:Negroni, wäre das nicht eigent-lich ein Sommergetränk? Kämedie Story nicht deshalb zu spät,wo sich doch draussen schon dieersten Blätter, nun ja, negroniroteinfärben? Da muss man ganzklar sagen: nein, keinesfalls.Denn der Negroni hat sich nichtnur längst von einem italieni-schen zu einem internationalenCocktail ausgewachsen, sondernauch vom Terrassendrink zumGanzjahresgetränk – für jedesWetter, jeden Anlass, jede Uhr-zeit, na ja fast.Aber er passt mit den starkenHustensaft-Kräuternoten dessüssen Wermuts jedenfalls ei-gentlich sogar fast besser in diekalte Jahreszeit. Und seine rost-rote Farbe hat ja auch gar nichtsvon der künstlich leuchtendenAperol-Sommerfrische, ist eherdunkel und wärmend. EinNegroni auf dem Tisch ist wie einGlutnest mit Eiswürfeln, und vonder Ferne sieht er manchmal auswie eine tief stehende Winter-sonne.Schmeckt sehnsuchtsvollDie Lockdown-Monate habenihm Auftrieb verpasst – aufInstagram wurde das genussvol-le Mixen und Schwenken vonNegronis zuletzt jedenfalls einregelrechtes Massenphänomen.Gerade US-Intellektuelle wie derRegisseur Paul Feig oder Schau-spieler Stanley Tucci oder die gutgekleidete Sympathisantensze-ne um das New Yorker Stil-Ma-gazin «The Rake» übertrumpf-ten sich in den letzten Monatenmit ihrer öffentlichen Negroni-InszenierungKeinesfalls ist der Negroni einsüsser Cocktail wie etwa der Cos-mopolitan, der im Zuge des «Sexand the City»- Erfolges mindes-tens ein Jahrzehnt lang zum ur-banen Drink Nummer eins ge-worden war. Nein, der Negronipasst vermutlich auch deshalb sogut in unsere Zeit, weil er bitter-würzig und sehnsuchtsvollschmeckt und kein Gewese umZubereitung und Auftritt macht.Er ist unisex zu geniessen undirgendwie auch demokratischmit seinen drei gleichen Einhei-ten aus Campari, süssem Wer-mut und Gin. Dazu ein kleinesStück Orange, ein Old-Fashio-ned-Glas, ein grosser Eiswürfel– fertig.Der Ort ist entscheidendTrotzdem sollte man sich einenNegroni lieber zubereiten lassen.Das gilt im Grunde für alleDrinks: Im Mixen daheim liegtauf Dauer kein Segen. Beim Sel-bermachen fällt einem schliess-lich erst so richtig peinlich auf,was für eine gewaltige MengeAlkohol das ist, die man daverrührt.Der New Yorker Publizist MattHranek hat die Negroni-Hot-spots der Welt besucht und deut-lich herausarbeitet, dass einenguten von einem sehr gutenNegroni vor allem eines unter-scheidet: der Ort, an dem manihn geniesst. Die Bar Basso inMailand etwa ist ein Negroni-Wallfahrtsort, weil dort der«Sbagliato» erfunden wurde –eine Variation, bei der der Gindurch Prosecco ersetzt und dasGanze in einem grotesk riesigenGlas serviert wird. Die Erzählun-gen von diesen mondänen Tre-sen sind genau wie der Negroniselbst – ein bisschen sentimen-tal, ein bisschen angeschickert,aber immer geistreich und nie-mals banal.Max ScharniggNegroni foreverHerausragender LieblingsdrinkNach einem Glas Negroni will man nicht mehr arbeiten, nach zwei kann man nicht mehr.Irgendwie demokratisch:Der Negroni. Foto: Getty ImagesSeit 15 Jahren auf dem FilmsetSarah Bossard, geboren inSri Lanka, wuchs im Appenzellund in Biel auf und verbrachteihre Jugend mit Breakdance«und anderem Unfug», wie sieselbst schreibt. Sie studierte Filmam Columbia College Hollywoodin Los Angeles und ist seit 15Jahren auf dem Filmset zu Hause.Sie war Produktionsleiterin beiFilmen wie «Die göttliche Ord-nung», «Gotthard», «Papa Moll»und «Zwingli». Ihre letzte Arbeit,die SRF-Serie «Neumatt», feiertam Zurich Film Festival Premiere.Heute ist sie zudem Mutter vonzwei Söhnen, die ihre leiblichenKinder sind. Sie ist verheiratet mitder deutschen Politikerin AliceWeidel. (mcb)Grosses Interview im September 2021 zur «Ehe für alle» mit Weidels Lebensgefährtin Sarah Bossard. In diesem Gespräch gibt sich die Filmemacherin betont offen und liberal.Das Verhalten von Bossard wirkt nahezu absurd. Wie kann ich denn als offenbar Betroffene mit jemandem zusammenleben, der mich in öffentlichen Reden, wo immer es geht, diskriminiert und diskreditiert?POLITIKGEFAHR VON RECHTSAUSSENBild © Tages-Anzeiger vom 24. September 2021POLITIKGEFAHR VON RECHTSAUSSEN

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8 9CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024Die AfD als Partei der Sicherheit für LesbenDer grösste Feind aller Lesben, das weiss nun jedes Kind, sind muslimische Männer, die sich – was auch sonst? – in Gangs herumtrei-ben und schwache Frauen überfallen. Daher ist es nur logisch, dass Frau Weidel bei der AfD ihre Heimat sucht, denn (nur) die bietet ihr ausreichend Schutz vor den Mus limen (die sie ja gerne mit gezückten Messern in Verbindung bringt). Sie äusserte sich bereits im Bundestagswahlkampf im Jahr 2017 dies-bezüglich ganz eindeutig, wie Wielowiejski recherchiert hat: «Muslimische Gangs ma-chen in letzter Zeit förmlich Jagd auf Homo-sexuelle und das mitten in Deutschland, und das ist ein Skandal!» An anderer Stelle (in ei-nem Interview für die Schwulenzeitschrift «Männer») zieht sie daraus dann auch die folgerichtige Konklusion: «Die AfD ist die einzige echte Schutzmacht für Schwule und Lesben in Deutschland.»Man kann sich schon fragen, welche braune Brille sie im Wahlkampf und im In-terview aufhatte, dass ihr oensichtlich nicht klar ist, dass sich gerne Neo-Nazis, zu denen mittlerweile auch (mindestens) der rechte Flügel der AfD zu zählen ist, zum «Schwulenklatschen» verabreden und dass diese weit entfernt davon sind, Schwule und andere Queers im Ausgang zu beschützen.Andererseits ist nicht ganz klar, war-um sich Weidel vor den Lesben jagenden muslimischen Gangs überhaupt fürch- tet, denn im ARD-Sommerinterview vom 10. September 2023 verkündete sie voll-mundig: «Ich bin nicht queer.»Genderwahn und andere FeindbilderWas heisst das nun? Zählen Lesben nicht zu den Queers oder ist sie nicht lesbisch? Wenn sie das Erste meint, wie deniert sich dann queer? Meint sie das Zweite, was sagt dann Sarah Bossard dazu, die sich oensichtlich ganz als Frau an Alices Seite versteht. Dass die AfD sich klar gegen die Community und deren Forderungen stellt, wird immer wieder deutlich. Hier nur ein paar Beispiele: Im Mai 2020 beschliesst die Bundesregierung ein Verbot von Konver-sionstherapien, die einzige Gegenstimme liefert die AfD. Wie die hessische SPD-Abgeordnete Dagmar Schmidt auf ihrer Homepage no-tiert, will die AfD in üringen auf Initiative von Beatrix von Storch eine Zählung von Ho-mosexuellen. Kurze Zwischenfrage an Frau v. Storch: Wozu? Soll daraufhin eine Anpas-sung des Kulturangebots erfolgen oder will man die Artikelauswahl in Supermärkten verändern? (Schwule trinken ja dauernd Prosecco, das muss eingeplant werden.) Weidels Parteikollege omas Ehr-horn bezeichnete 2017 die gleichgeschlecht-liche Ehe als einen Schritt hin auf dem Weg zum «eigenen Volkstod», zu dem Weidel ja dann oensichtlich selbst einiges beiträgt.Im oben erwähnten Sommerinterview beklagt Alice Weidel sich schliesslich darü-ber, dass man sich «jetzt ein Mal im Jahr das Geschlecht aussuchen solle». Hintergrund war die Erleichterung für Transgender eine Änderung ihres Geschlechtseintrags vor-nehmen zu lassen.Neben dem immer wieder Diskussio-nen in konservativen Kreisen verursachen-den Streitpunkt der Akzeptanz der Ehe von Homosexuellen, die durchaus auch von ein-zelnen Abgeordneten aus den christlichen Parteien kritisch gesehen wird, stechen bei der AfD aber weitere beschämende Forde-rungen und Ansichten hervor. So trachtet man danach, das Allgemeine Gleichbe-handlungsgesetz (AGG) abzuschaen und damit LGBT*s wieder der oenen Diskrimi-nierungen preiszugeben. Welche Folgen das haben könnte, kann man daran ablesen, dass so Kündigungen aufgrund der sexuel-len Orientierung möglich wären oder sich ein*e Mediziner*in weigern könnte, eine trans Person zu behandeln, ohne zur Re-chenschaft gezogen werden zu können. Wenn man sich nur diese zwei Aspekte in Bezug auf die Haltung der AfD zum e-ma Homosexualität anschaut, wird klar, wie beschämend und widerlich die Verlogen-heit Weidels ist. Araber*innen sind Straftäter, Politiker*innen SchweineUnd erneut stellt sich die Frage: Wie kann man mit jemandem zusammenleben, der die eigenen Werte oenbar so hintergeht? Ganz davon abgesehen, dass Sarah Bossard auch optisch weit davon entfernt ist, dem AfD-Ideal zu entsprechen. Weidel schimpft und kämpft immer wieder gegen alles, was nicht «biodeutsch» (auch so ein wunderbares AfD-ANZEIGECRUISER SOMMER 2017➔«Was geht mich meine Gesundheit an!» Wilhelm Nietzsche Wir sind die erste Adresse für diskrete Beratung in allen Gesundheitsfragen.Stampfenbachstr. 7, 8001 Zürich, Tel. 044 252 44 20, Fax 044 252 44 21 leonhards-apotheke@bluewin.ch, www.leonhards.apotheke.chIhr Gesu ndheits-Coach .Wort) ist. Hat sie ihrer Partnerin mal ins Ge-sicht geschaut? Wo sind denn da die blonden Haare und das europäische Aussehen? Es kann natürlich auch ein Phänomen sein, das schon Heinrich Himmler – der Reichsführer SS unter den Nationalsozialis-ten und damit Hauptverantwortlicher für das Funktionieren des Unrechtstaates – in einer seinen beiden Posener Reden im Ok-tober 1943 beschreibt: Alle seien wunderbar für die Ausrottung und Vernichtung der Ju-den. Wenn es aber darum gehe, selbst Hand anzulegen und sich aktiv für das Erreichen dieses nationalsozialistischen Ziels einzu-setzen, kenne jeder den einen Juden, der ganz famos und ein feiner Kerl sei, weswe-gen man diesen einen von der Vernichtung ausnehmen müsse. Ja, das Verurteilen ist einfach, solange niemand im persönlichen Umfeld betroen ist, das merkte schon der NS-Chedeologe vor achtzig Jahren. Wenn man Weidel hier als blind be-zeichnen mag, wirkt das Verhalten von Bos-sard jedoch nahezu absurd. Wie kann ich denn als oenbar Betroene mit jemandem zusammenleben, der mich in öentlichen Reden, wo immer es geht, diskriminiert und diskreditiert? Da mag sie vielleicht einwenden, dass Weidel, wenn es um Migration geht, vor al-lem gegen den Zuzug von Menschen von an-deren Kontinenten kämpft (gerne spricht diese von der «Festung Europa», die man bewahren müsse), die zudem nicht christli-chen Glaubens sind. Trotzdem muss man sich einfach nur manchen Redeauszug nochmals ins Gedächtnis rufen, um die Bösartigkeit und geballte Vorurteilskraft wahrzunehmen. So sagte Weidel in einer denkwürdigen Rede am 16. Mai 2018: «Bur-kas, Kopftuchmädchen und alimentierte Messermänner und sonstige Taugenichtse werden unseren Wohlstand, das Wirt-schaftswachstum und vor allem den Sozial-staat nicht sichern.» Da bekam so manche*r Zuhörer*in spontan das Kotzen, wie die ve-hementen Reaktionen im Bundestag zeigen. Nutzung der sozialen MedienBereits oben wurde auf die grosse Populari-tät der AfD in der deutschen Bevölkerung hingewiesen, von denen oenbar ein Gross-teil gerne seine Stimme einer Partei gibt, durch deren Wahlsieg der eigene Lebens-standard sinken würde. Wie kann das sein?Eine nicht zu unterschätzende Macht sind in diesem Zusammenhang sicherlich die sozialen Medien, die die AfD besser als jede andere deutsche Partei zu nutzen weiss. Am 13. Februar widmet sich Alexan-dra Ringendahl im Kölner Stadtanzeiger dem ema AfD und TikTok und oenbart dabei Erschreckendes. Ganz allgemein kann man festhalten, dass zwei Drittel aller Jugend-lichen ab 14 Jahren TikTok nutzen. Jede*r 4. Jugendliche*r informiert sich dabei über das aktuelle Tagesgeschehen auf dieser Plattform, womit TikTok Platz 3 der genutz-ten Info-Kanäle belegt. Diese Macht der Einussnahme auf Jugendliche (und er-wachsene nicht gut Gebildete) muss man sich einmal vorstellen. Wenn man sich dann noch die Follo-wer-Zahlen von Bundestag-Mitgliedern an-schaut, ist der Schock noch grösser, denn die AfD verzeichnet die meisten Follower aller Bundestagparteien und sechs der zehn beliebtesten Politiker*innenaccounts gehö-ren AfDler*innen. Auch Alice Weidel weiss sich hier in Szene zu setzen und liefert mit der «privaten Alice» das «volle[…] Kontrastprogramm» zur Politik-Weidel, wie Peter Tiede am 10. Feb-ruar 2024 auf bild.de analysiert. Man muss sich die Augen reiben, wenn man sie in ei-nem Video gemeinsam mit ihrer Partnerin beim ausgelassenen Cardancing sieht. Ist sie’s wirklich? Ja, sie ist’s. Was Tiede zu dem wohlüberlegten Schluss kommen lässt: «Ihr Geheimnis: Sie passt nicht zu sich selbst.»Jugendliche Zuschauer*innen gewin-nen hier spontan den Eindruck einer lässi-gen, coolen Abgeordneten, die ihr Leben geniesst und nah am Puls der Zeit ist. Das Abgleichen mit Äusserungen im Bundestag erfolgt natürlich nicht und zack! hat die AfD schon wieder eine Stimme gewonnen.Bossard gibt sich offen und tolerantZu sich selbst passt die Weidel also eher nicht, dann aber vielleicht doch zu Sarah Bossard? Diese gibt sich, wie die Schweizer Medien an und für sich, in Bezug auf ihre Partnerschaft extrem zurückhaltend. Kaum ndet man private Fotos (weswegen das oben erwähnte Video umso auälliger ist).Im Jahr 2021 konnten vor der Abstim-mung zur Ehe für alle die geneigten Leser*innen im Tages-Anzeiger vom 24. Sep- tember ein Interview mit Sarah Bossard le-sen, in dem mit keiner Silbe erwähnt wird, mit wem genau Sarah Bossard liiert ist – der pure Name sagt vielleicht nicht allen Schweizer*innen spontan etwas. Michèle ➔ 29KulturFreitag, 24. September 2021Michèle BinswangerFrau Bossard, Sie leben in einereingetragenen Partnerschaftund haben zwei gemeinsameKinder.Die Kampagne desKomitees gegen die Ehe für allezielt auf lesbische Paare wie Sie.Was löst das in Ihnen aus?Die Kampagne ist nicht nur ge-schmacklos, sondern geht an un-serer Lebenswirklichkeit völligvorbei. Ich hätte mir gewünscht,dass sich das Komitee näher mitden Menschen und Lebenskon-stellationen beschäftigt hätte,auf denen es herumhackt. Aberdas zeigt auch, was in den Köpfenmancher Menschen immer nochvorgeht. Gerade auch darum istdie Ehe für alle ein wichtigerSchritt, um das zu ändern.Die Gegner der Ehe füralle argumentieren, es geheum ein Programm zur«Überwindung der natürlichenGeschlechterordnung»:Was entgegnen Sie darauf?Das Argument kann stimmen.Aber was verlieren wir, wennmanche die natürlichen Ge-schlechterrollen nicht beibehal-ten? Waswird denn anders? Jedersoll doch nach seiner Fassonglücklich sein. Wenn man daranglaubt, dass Jungs nur zu Män-nern werden können, die spätereine Familie ernähren, und Mäd-chen zu Frauen, die zwischenKindern und einem 20-Prozent-Job wählen dürfen, dann kannman dieses Argument für starkhalten. Aber welchen Sinn machtdas? Wir stehen doch längst aneinem anderen Punkt mit sovielen alleinerziehenden Mütternoder Vätern. Da ist es doch einMuss, dass wir uns über die soge-nannt natürlichen Geschlechter-rollen hinaus unterstützen. Egalin welcher Form.Im Kontext der Ehe-für-alle-Kampagne zeigt sich dasweitverbreitete Vorurteil,alle Homosexuellen ticktenpolitisch gleich, nämlichlinks-progressiv. Was haltenSie davon?Das kann auf Leute, die laut sind,und auf Lobbyverbände zutref-fen. Aber es gibt doch viele, dienicht laut und progressiv sind,sondern einfach nur ihr Lebenleben und in Ruhe gelassen wer-den wollen. Ichglaube auch nichtdaran, dass sich die Gruppe, überdie wir nun sprechen, hauptsäch-lich über ihre sexuelle Orientie-rung definiert und dies zumLebensinhalt macht. Was manaber auch nicht verkennen darf,ist, dass es immer noch Übergriffeauf schwule und lesbische Paaregibt, was wieder dazu berechtigt,laut zu sein,damit die nächste Ge-neration mit einem anderenMindset aufwächst.Die Schweiz ist familienpoli-tisch konservativ.Spüren Sie inIhrem Alltag Vorbehalte gegenIhreLebensweise? Wie äusserndie sich?Nein. Jedenfalls nicht direkt.Washintenrum geredet wird, steht aufeinem anderen Blatt. Natürlichkennt uns jeder. Die meisten fin-den es spannend, begegnen unsmit Neugier und Fragen, was wirsehr begrüssen. Solche Gesprächeführen immer wieder zu interes-santen Diskussionen, und manbekommt vielleicht eher einenEinblick, wie denn andere Ehenaussehen. Und am Ende sind die-se doch gar nicht so anders. Ichbin natürlich gespannt, wie es dieKinder erleben über die Jahre.Sie haben vorherin Biel gelebt,jetzt in der konservativerenInnerschweiz: Macht das einenUnterschied?Wir fühlen uns hier sehr wohl,und mich zieht nichts mehr zu-rück nach Biel, wo ich auch auf-gewachsen bin. Uns kennt hierjeder, und ich muss weniger er-klären.Allen ist unsere familiäreSituation bekannt, und es gibtkeinen Erklärungsbedarf beineuen Begegnungen.Was würden Sie sich für diekünftigen Debatten zu diesenThemen wünschen?Ich wünsche mir wie alle MütterIdentität und Stabilität fürmeine Kinder. Das heisst offensein, wenn Leute fragen, ehrlichsein mit den Kindern, nichtdie Herkunft oder auch dieVerhältnisseverleugnen. Die De-batte um die gleichberechtigteEhe für alle wird hoffentlichhier enden. Denn ähnlich demFrauenstimmrecht wird sichdiese Entwicklung nicht auf-halten lassen. Und wenn wiruns nicht weiterentwickeln wür-den, dann wären Scheidungenauch nie möglich gewesen.Aber sicher hat es Freiheit undGleichberechtigung für die Frau-en gebracht und bekräftigt dasRecht auf ein selbstbestimmtesLeben.«Viele Schwule und Lesbenmöchten einfach ihre Ruhe»Ehe für alle Sarah Bossard ist Filmemacherin und die Partnerin der deutschen AfD-Politikerin Alice Weidel.Warum sie die Gegenkampagne zur Ehe für alle schrecklich findet und welchen Vorurteilen sie im Alltag begegnet.«Jeder soll doch nach seiner Fasson glücklich sein»: Filmemacherin Sarah Bossard. Foto: PDIn der Redaktion gab es im Vor-feld dieser Geschichte einen Ein-wurf von eher sachfremderSeite:Negroni, wäre das nicht eigent-lich ein Sommergetränk? Kämedie Story nicht deshalb zu spät,wo sich doch draussen schon dieersten Blätter, nun ja, negroniroteinfärben? Da muss man ganzklar sagen: nein, keinesfalls.Denn der Negroni hat sich nichtnur längst von einem italieni-schen zu einem internationalenCocktail ausgewachsen, sondernauch vom Terrassendrink zumGanzjahresgetränk – für jedesWetter, jeden Anlass, jede Uhr-zeit, na ja fast.Aber er passt mit den starkenHustensaft-Kräuternoten dessüssen Wermuts jedenfalls ei-gentlich sogar fast besser in diekalte Jahreszeit. Und seine rost-rote Farbe hat ja auch gar nichtsvon der künstlich leuchtendenAperol-Sommerfrische, ist eherdunkel und wärmend. EinNegroni auf dem Tisch ist wie einGlutnest mit Eiswürfeln, und vonder Ferne sieht er manchmal auswie eine tief stehende Winter-sonne.Schmeckt sehnsuchtsvollDie Lockdown-Monate habenihm Auftrieb verpasst – aufInstagram wurde das genussvol-le Mixen und Schwenken vonNegronis zuletzt jedenfalls einregelrechtes Massenphänomen.Gerade US-Intellektuelle wie derRegisseur Paul Feig oder Schau-spieler Stanley Tucci oder die gutgekleidete Sympathisantensze-ne um das New Yorker Stil-Ma-gazin «The Rake» übertrumpf-ten sich in den letzten Monatenmit ihrer öffentlichen Negroni-InszenierungKeinesfalls ist der Negroni einsüsser Cocktail wie etwa der Cos-mopolitan, der im Zuge des «Sexand the City»- Erfolges mindes-tens ein Jahrzehnt lang zum ur-banen Drink Nummer eins ge-worden war. Nein, der Negronipasst vermutlich auch deshalb sogut in unsere Zeit, weil er bitter-würzig und sehnsuchtsvollschmeckt und kein Gewese umZubereitung und Auftritt macht.Er ist unisex zu geniessen undirgendwie auch demokratischmit seinen drei gleichen Einhei-ten aus Campari, süssem Wer-mut und Gin. Dazu ein kleinesStück Orange, ein Old-Fashio-ned-Glas, ein grosser Eiswürfel– fertig.Der Ort ist entscheidendTrotzdem sollte man sich einenNegroni lieber zubereiten lassen.Das gilt im Grunde für alleDrinks: Im Mixen daheim liegtauf Dauer kein Segen. Beim Sel-bermachen fällt einem schliess-lich erst so richtig peinlich auf,was für eine gewaltige MengeAlkohol das ist, die man daverrührt.Der New Yorker Publizist MattHranek hat die Negroni-Hot-spots der Welt besucht und deut-lich herausarbeitet, dass einenguten von einem sehr gutenNegroni vor allem eines unter-scheidet: der Ort, an dem manihn geniesst. Die Bar Basso inMailand etwa ist ein Negroni-Wallfahrtsort, weil dort der«Sbagliato» erfunden wurde –eine Variation, bei der der Gindurch Prosecco ersetzt und dasGanze in einem grotesk riesigenGlas serviert wird. Die Erzählun-gen von diesen mondänen Tre-sen sind genau wie der Negroniselbst – ein bisschen sentimen-tal, ein bisschen angeschickert,aber immer geistreich und nie-mals banal.Max ScharniggNegroni foreverHerausragender LieblingsdrinkNach einem Glas Negroni will man nicht mehr arbeiten, nach zwei kann man nicht mehr.Irgendwie demokratisch:Der Negroni. Foto: Getty ImagesSeit 15 Jahren auf dem FilmsetSarah Bossard, geboren inSri Lanka, wuchs im Appenzellund in Biel auf und verbrachteihre Jugend mit Breakdance«und anderem Unfug», wie sieselbst schreibt. Sie studierte Filmam Columbia College Hollywoodin Los Angeles und ist seit 15Jahren auf dem Filmset zu Hause.Sie war Produktionsleiterin beiFilmen wie «Die göttliche Ord-nung», «Gotthard», «Papa Moll»und «Zwingli». Ihre letzte Arbeit,die SRF-Serie «Neumatt», feiertam Zurich Film Festival Premiere.Heute ist sie zudem Mutter vonzwei Söhnen, die ihre leiblichenKinder sind. Sie ist verheiratet mitder deutschen Politikerin AliceWeidel. (mcb)Grosses Interview im September 2021 zur «Ehe für alle» mit Weidels Lebensgefährtin Sarah Bossard. In diesem Gespräch gibt sich die Filmemacherin betont offen und liberal.Das Verhalten von Bossard wirkt nahezu absurd. Wie kann ich denn als offenbar Betroffene mit jemandem zusammenleben, der mich in öffentlichen Reden, wo immer es geht, diskriminiert und diskreditiert?POLITIKGEFAHR VON RECHTSAUSSENBild © Tages-Anzeiger vom 24. September 2021POLITIKGEFAHR VON RECHTSAUSSEN

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10 11CRUISER APRIL 2024Eintri freiKommt reinim Löwenbräukunst, Limmatstrasse 270, 8005 Zürich, Di/Mi/Fr/Sa/So 11–18, Do 11–20 Uhr, migrosmuseum.chBLISSTarek Lakhrissi10.2.–20.5.24ANZEIGEBinswanger fragt die Filmemacherin zu ihrer Meinung bezüglich der Ehe für alle (positiv), zur Argumentation der Ehe-Geg-ner* innen (jede*r soll denken, was er*sie will) und zu links-progressiven Meinungs-vertre ter*innen (blablabla). In diesem Zu-sammenhang weist Bossard darauf hin, dass es immer noch Angrie gegenüber Schwulen und Lesben gebe, dass diese mit Vorurteilen zu kämpfen hätten. Etwas, was man im Hause Bossard-Weidel oenbar schon selbst zu spüren bekommen hat, denn der Umzug von Biel nach Einsiedeln erfolgte wohl aufgrund von verbalen An-grien gegenüber den Jungs des Paares. An dieser Stelle hätten die Leser*innen sicherlich eine klare Nachfrage erwartet: Wie kann man von Toleranz und Gleichbe-rechtigung schwafeln, wenn man das Bett mit einer AfD-Partei-Ikone teilt? Es wird nicht einmal erwähnt, welcher Partei Weidel angehört. Klar, dann hätte Bossard sicherlich ihr Gut zum Druck verweigert. Aber: so what? So gibt man ihr eine Platt-form, auf der sie glaubwürdig wirkend in einem seriösen Blatt, das sich sogar den An-schein einer links-liberalen Gesinnung gibt, darstellen kann, wie oen und tolerant sie gemeinsam mit ihrer Partnerin lebt. Ge-toppt wird das übrigens durch die hervor-stechende Bildunterschrift: «Jeder soll doch nach seiner Fasson glücklich sein.» Gute Sarah, möchte man da schreien, wirf das mal bei einem AfD-Parteitag in eine Dis-kussion ein und freue dich auf die Reaktion. Ein (fiktiver) Blick hinter die GardinenÜber was unterhält man sich da so am Abendbrottisch bei Bossard-Weidel? Wei-del: «Man müsste dieses ganze ausländi-sche Gesocks auf Gummibooten im Mittel-meer aussetzen.» Bossard: «Ja, Liebe, möchtest du auch noch ein Glacé zum Des-sert?» Oder an anderer Stelle: «Diese perver-sen Schwulen sollte man nicht mehr in öf-fentliche Saunen lassen.» Bossard darauf, leicht abwesend: «Du, die Jungs haben mor-gen einen Fussballmatch. Welchen unserer Leih-Väter schicken wir mit dorthin?»Darüber haben sich oenbar schon mehr Menschen als die Autorin dieses Arti-kels Gedanken gemacht, denn die Punk-Band «Broilers» hat den beiden Frauen im Jahr 2021 auf dem Album «Puro Amor» ein eigenes Lied – und ein dazu gehöriges Vi-deo – mit dem Titel «Alice und Sarah» ge-widmet, aus dem hier ein Auszug folgt:«Manchmal liegst du des Nachts wachSchaust sie anWenn sie schläftDu siehst den blonden Paum über ihrem MundDein Mädchen kann so friedlich seinUnd dann denkst du an die Feuern, die sie legtHol' deine Frau ab, SarahSie redet wieder NazidreckNimm sie fest in den ArmNimm ihr die Streichhölzer weg.»Ja, Sarah, mach’ endlich mal was! Bossard und Weidel beim TikTok-Cardancen. Wer will nicht durch solch eine coole Abgeordnete vertreten werden?Verurteilen ist einfach, solange niemand im persön-lichen Umfeld betroffen ist.Bild © Screenshot YouTubePOLITIKGEFAHR VON RECHTSAUSSENANZEIGE30 TableenPrEP für 50 CHFIm Webshop oder direkt in der Apotheke!Seminarstr. 1 8057 Zürich 044 361 61 61www.swissprep.ch→

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10 11CRUISER APRIL 2024Eintri freiKommt reinim Löwenbräukunst, Limmatstrasse 270, 8005 Zürich, Di/Mi/Fr/Sa/So 11–18, Do 11–20 Uhr, migrosmuseum.chBLISSTarek Lakhrissi10.2.–20.5.24ANZEIGEBinswanger fragt die Filmemacherin zu ihrer Meinung bezüglich der Ehe für alle (positiv), zur Argumentation der Ehe-Geg-ner* innen (jede*r soll denken, was er*sie will) und zu links-progressiven Meinungs-vertre ter*innen (blablabla). In diesem Zu-sammenhang weist Bossard darauf hin, dass es immer noch Angrie gegenüber Schwulen und Lesben gebe, dass diese mit Vorurteilen zu kämpfen hätten. Etwas, was man im Hause Bossard-Weidel oenbar schon selbst zu spüren bekommen hat, denn der Umzug von Biel nach Einsiedeln erfolgte wohl aufgrund von verbalen An-grien gegenüber den Jungs des Paares. An dieser Stelle hätten die Leser*innen sicherlich eine klare Nachfrage erwartet: Wie kann man von Toleranz und Gleichbe-rechtigung schwafeln, wenn man das Bett mit einer AfD-Partei-Ikone teilt? Es wird nicht einmal erwähnt, welcher Partei Weidel angehört. Klar, dann hätte Bossard sicherlich ihr Gut zum Druck verweigert. Aber: so what? So gibt man ihr eine Platt-form, auf der sie glaubwürdig wirkend in einem seriösen Blatt, das sich sogar den An-schein einer links-liberalen Gesinnung gibt, darstellen kann, wie oen und tolerant sie gemeinsam mit ihrer Partnerin lebt. Ge-toppt wird das übrigens durch die hervor-stechende Bildunterschrift: «Jeder soll doch nach seiner Fasson glücklich sein.» Gute Sarah, möchte man da schreien, wirf das mal bei einem AfD-Parteitag in eine Dis-kussion ein und freue dich auf die Reaktion. Ein (fiktiver) Blick hinter die GardinenÜber was unterhält man sich da so am Abendbrottisch bei Bossard-Weidel? Wei-del: «Man müsste dieses ganze ausländi-sche Gesocks auf Gummibooten im Mittel-meer aussetzen.» Bossard: «Ja, Liebe, möchtest du auch noch ein Glacé zum Des-sert?» Oder an anderer Stelle: «Diese perver-sen Schwulen sollte man nicht mehr in öf-fentliche Saunen lassen.» Bossard darauf, leicht abwesend: «Du, die Jungs haben mor-gen einen Fussballmatch. Welchen unserer Leih-Väter schicken wir mit dorthin?»Darüber haben sich oenbar schon mehr Menschen als die Autorin dieses Arti-kels Gedanken gemacht, denn die Punk-Band «Broilers» hat den beiden Frauen im Jahr 2021 auf dem Album «Puro Amor» ein eigenes Lied – und ein dazu gehöriges Vi-deo – mit dem Titel «Alice und Sarah» ge-widmet, aus dem hier ein Auszug folgt:«Manchmal liegst du des Nachts wachSchaust sie anWenn sie schläftDu siehst den blonden Paum über ihrem MundDein Mädchen kann so friedlich seinUnd dann denkst du an die Feuern, die sie legtHol' deine Frau ab, SarahSie redet wieder NazidreckNimm sie fest in den ArmNimm ihr die Streichhölzer weg.»Ja, Sarah, mach’ endlich mal was! Bossard und Weidel beim TikTok-Cardancen. Wer will nicht durch solch eine coole Abgeordnete vertreten werden?Verurteilen ist einfach, solange niemand im persön-lichen Umfeld betroffen ist.Bild © Screenshot YouTubePOLITIKGEFAHR VON RECHTSAUSSENANZEIGE30 TableenPrEP für 50 CHFIm Webshop oder direkt in der Apotheke!Seminarstr. 1 8057 Zürich 044 361 61 61www.swissprep.ch→

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12 13CRUISER APRIL 2024ANZEIGEein Projekt der Evangelisch-methodistischeKirche… so farbig wie dein Glaube!Gemeinschaft. Gott. Weiteregenbogenkirche.chSPRACHEDER SINN DES GENDERNSSPRACHEDER SINN DES GENDERNSEin Schlüssel zurinklusiven GesellschaftBeim Cruiser erhalten wir immer wieder Mails – oft geht es ums Gendern. Daher gehen wir der Frage nach, wie sinnig oder unsinnig dies ist.VON HAYMO EMPLDie Diskussion um geschlechter-gerechte Sprache ist in den vergan-genen Jahren intensiver geworden. Sie betrit nicht nur Akademiker*innen und Sprachwissenschaftler*innen, sondern auch die breite Öentlichkeit und ganz be-sonders die LGBT*-Community. Denn: Be-sonders für «unsere» Gemeinschaft stellt das Gendern eine wichtige Facette der sozi-alen Anerkennung und Gleichberechtigung dar. Das wenigstens ist die Intention des Genderns und des damit verbundenen Gen-dersterns.Die Evolution der SpracheSprache lebt. Sie entwickelt sich ständig wei-ter und passt sich den gesellschaftlichen Veränderungen an. Dieser dynamische Pro-zess spiegelt die Vielfalt und Komplexität menschlicher Erfahrungen wider. In der De-batte um das Gendern geht es daher nicht nur um die Anpassung sprachlicher Struk-turen, sondern vielmehr um die Anerken-nung und Sichtbarmachung von Vielfalt in der Gesellschaft.Gendern schat Sichtbarkeit für jene, die sich ausserhalb der traditionellen Ge-schlechterkategorien verorten. Durch den bewussten Einsatz einer inklusiven Spra-che werden alle Geschlechtsidentitäten an-erkannt und wertgeschätzt. Dies ist ein we-sentlicher Schritt zur Reduzierung von Diskriminierung und zur Förderung von Gleichberechtigung.Anerkennung der IdentitätFür Mitglieder der LGBT*-Community be-deutet das Gendern eine Form der Anerken-nung ihrer Identitäten und Lebensrealitä-ten. Es geht darum, ein gesellschaftliches Klima zu schaen, in dem sich alle Men-schen unabhängig von ihrer Geschlechts-identität oder sexuellen Orientierung res-pektiert und einbezogen fühlen.In Zürich, wie auch in anderen Teilen der Schweiz und der Welt, sind Initiativen und Bemühungen zur Förderung geschlech-tergerechter Sprache ein Zeichen für den so-zialen Wandel. Die Stadt Zürich inkludierte intern seit Jahrzehnten Männer und Frauen in der Sprache; bereits in den sehr frühen 1990er-Jahren erstellte beispielsweise das Mittelschul- und Berufsbildungsamt (MBA) entsprechende Sprachrichtlinien. Nun sind es fast alle Bildungseinrichtungen, Unter-nehmen und Medien welche vermehrt be-sagte Sprachrichtlinien umsetzen, die das Gendern berücksichtigen. Diese Entwick-lungen zeigen, dass ein Bewusstsein für die Bedeutung einer inklusiven Sprache wächst. Cruiser befolgt unter anderem die Sprach-richtlinien des TGNS (Trans Gender Net-work Schweiz). Und was spricht gegen das Gendern?Trotz der positiven Entwicklungen stösst das Gendern auch auf Widerstand und Kri-tik. Einige sehen darin eine unnötige Kom-plizierung der Sprache oder argumentieren, dass die geschlechtergerechte Sprachver-wendung politisch motiviert sei. Diese Kri-tikpunkte führen oft zu hitzigen Debatten und zeigen, wie tiefgreifend die Auseinan-dersetzung mit Sprache und Identität in un-serer Gesellschaft verankert ist.Ein Hauptkritikpunkt ist die vermeint-liche Beeinträchtigung der Sprachästhetik und Lesbarkeit. Gerne genommen ist bei-spielsweise die Begründung: «Die Einfüh-rung von Gendersternchen und anderen Symbolen erschwert das üssige Lesen und wirkt sich negativ auf die Schönheit unserer Sprache aus.» Diese Sichtweise spiegelt die Bedenken vieler wider, die glauben, dass ge-schlechtergerechte Sprache den natürli-chen Rhythmus und Fluss der Sprache stört. Die Bewahrung traditioneller Sprachnor-men ist ein weiteres zentrales Argument ge-gen das Gendern. «Sprache ist das Erbe un-serer Kultur», argumentiert der Linguist Prof. Dr. Heinrich Müller in einem entspre-chenden Onlineartikel zum ema Gen-dern. «Und jede künstliche Modikation gefährdet dieses fragile Konstrukt.» Kritiker*innen befürchten, dass durch das Gendern die historisch gewachsenen Strukturen der Sprache untergraben werden.Die praktische Umsetzung des Gen-derns stösst ebenfalls auf Kritik. In der mündlichen Kommunikation, so argumen-tieren einige, ist es schwierig, geschlechter-gerechte Formen klar zu artikulieren. «Wie soll das Gendersternchen ausgesprochen werden?», fragt Dr. Stefan Weiss, ein Experte für phonetische Linguistik. «Die praktische Anwendung in der Alltagssprache wirft sig-nikante Fragen auf, die bisher unbeant-wortet bleiben.»Politische und ideologische EinwändeEinige Gegner*innen des Genderns sehen darin eine Überpolitisierung der Sprache. «Sprache sollte nicht zum Spielball poli-tischer Interessen werden», so eine eben-falls gängige Argumentation gegen das Gendern. Und oft hören wir beim Cruiser auch: «Die Forderung nach geschlechterge-rechter Sprache kommt einer ideologischen Agenda gleich, die individuelle Freiheiten einschränkt.»Die Debatte um geschlechtergerechte Sprache berührt grundlegende Fragen der Sprachentwicklung, der sozialen Gerech-tigkeit und der kulturellen Identität. Die Stellvertretende Chefredaktorin vom Crui-ser und hauptberuich Deutschlehrerin an einem deutschen Gymnasium – Birgit Ka-wohl – meint dazu: «Wir müssen einen Mit-telweg nden, der sowohl die Notwendig-keit von Inklusion als auch die Bewahrung unserer sprachlichen Traditionen berück-sichtigt und vor allem die Menschen nicht komplett überfordert. Überforderung führt zu Intoleranz und das schadet der Commu-nity nur.»Die Auseinandersetzung mit ge-schlechtergerechter Sprache ist ein klares Zeichen für die laufenden Veränderungen in unserer Gesellschaft. Es bleibt abzuwar-ten, wie sich diese Debatte weiterentwi-ckeln wird und welche Lösungen gefunden werden können, um die Vielfalt der Pers-pektiven zu würdigen und eine Sprache zu schaen, die alle einschliesst.Die Zukunft der geschlechtergerechten Sprache sieht vielversprechend aus. Mit zu-nehmender Sensibilisierung für die emen Gleichberechtigung und Diversität wird das Gendern zu einem integralen Bestandteil unserer Kommunikation. Dieser Wandel er-fordert Zeit und Geduld, aber die positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft sind un-übersehbar. Und daher wird es im Cruiser auch bis auf Weiteres immer mal wieder den Stern geben. Zudem ist ein Stern doch ei-gentlich etwas Schönes, oder? Kaum etwas hat die Menschen in den letzten Jahren in Bezug auf Sprache so beschäftigt wie das Gendern. Inzwischen ist daraus ein regelrechter Glaubenskrieg geworden.Es geht darum, ein gesellschaft-liches Klima zu schaffen, in dem sich alle Menschen unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung res-pektiert und einbezogen fühlen.

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12 13CRUISER APRIL 2024ANZEIGEein Projekt der Evangelisch-methodistischeKirche… so farbig wie dein Glaube!Gemeinschaft. Gott. Weiteregenbogenkirche.chSPRACHEDER SINN DES GENDERNSSPRACHEDER SINN DES GENDERNSEin Schlüssel zurinklusiven GesellschaftBeim Cruiser erhalten wir immer wieder Mails – oft geht es ums Gendern. Daher gehen wir der Frage nach, wie sinnig oder unsinnig dies ist.VON HAYMO EMPLDie Diskussion um geschlechter-gerechte Sprache ist in den vergan-genen Jahren intensiver geworden. Sie betrit nicht nur Akademiker*innen und Sprachwissenschaftler*innen, sondern auch die breite Öentlichkeit und ganz be-sonders die LGBT*-Community. Denn: Be-sonders für «unsere» Gemeinschaft stellt das Gendern eine wichtige Facette der sozi-alen Anerkennung und Gleichberechtigung dar. Das wenigstens ist die Intention des Genderns und des damit verbundenen Gen-dersterns.Die Evolution der SpracheSprache lebt. Sie entwickelt sich ständig wei-ter und passt sich den gesellschaftlichen Veränderungen an. Dieser dynamische Pro-zess spiegelt die Vielfalt und Komplexität menschlicher Erfahrungen wider. In der De-batte um das Gendern geht es daher nicht nur um die Anpassung sprachlicher Struk-turen, sondern vielmehr um die Anerken-nung und Sichtbarmachung von Vielfalt in der Gesellschaft.Gendern schat Sichtbarkeit für jene, die sich ausserhalb der traditionellen Ge-schlechterkategorien verorten. Durch den bewussten Einsatz einer inklusiven Spra-che werden alle Geschlechtsidentitäten an-erkannt und wertgeschätzt. Dies ist ein we-sentlicher Schritt zur Reduzierung von Diskriminierung und zur Förderung von Gleichberechtigung.Anerkennung der IdentitätFür Mitglieder der LGBT*-Community be-deutet das Gendern eine Form der Anerken-nung ihrer Identitäten und Lebensrealitä-ten. Es geht darum, ein gesellschaftliches Klima zu schaen, in dem sich alle Men-schen unabhängig von ihrer Geschlechts-identität oder sexuellen Orientierung res-pektiert und einbezogen fühlen.In Zürich, wie auch in anderen Teilen der Schweiz und der Welt, sind Initiativen und Bemühungen zur Förderung geschlech-tergerechter Sprache ein Zeichen für den so-zialen Wandel. Die Stadt Zürich inkludierte intern seit Jahrzehnten Männer und Frauen in der Sprache; bereits in den sehr frühen 1990er-Jahren erstellte beispielsweise das Mittelschul- und Berufsbildungsamt (MBA) entsprechende Sprachrichtlinien. Nun sind es fast alle Bildungseinrichtungen, Unter-nehmen und Medien welche vermehrt be-sagte Sprachrichtlinien umsetzen, die das Gendern berücksichtigen. Diese Entwick-lungen zeigen, dass ein Bewusstsein für die Bedeutung einer inklusiven Sprache wächst. Cruiser befolgt unter anderem die Sprach-richtlinien des TGNS (Trans Gender Net-work Schweiz). Und was spricht gegen das Gendern?Trotz der positiven Entwicklungen stösst das Gendern auch auf Widerstand und Kri-tik. Einige sehen darin eine unnötige Kom-plizierung der Sprache oder argumentieren, dass die geschlechtergerechte Sprachver-wendung politisch motiviert sei. Diese Kri-tikpunkte führen oft zu hitzigen Debatten und zeigen, wie tiefgreifend die Auseinan-dersetzung mit Sprache und Identität in un-serer Gesellschaft verankert ist.Ein Hauptkritikpunkt ist die vermeint-liche Beeinträchtigung der Sprachästhetik und Lesbarkeit. Gerne genommen ist bei-spielsweise die Begründung: «Die Einfüh-rung von Gendersternchen und anderen Symbolen erschwert das üssige Lesen und wirkt sich negativ auf die Schönheit unserer Sprache aus.» Diese Sichtweise spiegelt die Bedenken vieler wider, die glauben, dass ge-schlechtergerechte Sprache den natürli-chen Rhythmus und Fluss der Sprache stört. Die Bewahrung traditioneller Sprachnor-men ist ein weiteres zentrales Argument ge-gen das Gendern. «Sprache ist das Erbe un-serer Kultur», argumentiert der Linguist Prof. Dr. Heinrich Müller in einem entspre-chenden Onlineartikel zum ema Gen-dern. «Und jede künstliche Modikation gefährdet dieses fragile Konstrukt.» Kritiker*innen befürchten, dass durch das Gendern die historisch gewachsenen Strukturen der Sprache untergraben werden.Die praktische Umsetzung des Gen-derns stösst ebenfalls auf Kritik. In der mündlichen Kommunikation, so argumen-tieren einige, ist es schwierig, geschlechter-gerechte Formen klar zu artikulieren. «Wie soll das Gendersternchen ausgesprochen werden?», fragt Dr. Stefan Weiss, ein Experte für phonetische Linguistik. «Die praktische Anwendung in der Alltagssprache wirft sig-nikante Fragen auf, die bisher unbeant-wortet bleiben.»Politische und ideologische EinwändeEinige Gegner*innen des Genderns sehen darin eine Überpolitisierung der Sprache. «Sprache sollte nicht zum Spielball poli-tischer Interessen werden», so eine eben-falls gängige Argumentation gegen das Gendern. Und oft hören wir beim Cruiser auch: «Die Forderung nach geschlechterge-rechter Sprache kommt einer ideologischen Agenda gleich, die individuelle Freiheiten einschränkt.»Die Debatte um geschlechtergerechte Sprache berührt grundlegende Fragen der Sprachentwicklung, der sozialen Gerech-tigkeit und der kulturellen Identität. Die Stellvertretende Chefredaktorin vom Crui-ser und hauptberuich Deutschlehrerin an einem deutschen Gymnasium – Birgit Ka-wohl – meint dazu: «Wir müssen einen Mit-telweg nden, der sowohl die Notwendig-keit von Inklusion als auch die Bewahrung unserer sprachlichen Traditionen berück-sichtigt und vor allem die Menschen nicht komplett überfordert. Überforderung führt zu Intoleranz und das schadet der Commu-nity nur.»Die Auseinandersetzung mit ge-schlechtergerechter Sprache ist ein klares Zeichen für die laufenden Veränderungen in unserer Gesellschaft. Es bleibt abzuwar-ten, wie sich diese Debatte weiterentwi-ckeln wird und welche Lösungen gefunden werden können, um die Vielfalt der Pers-pektiven zu würdigen und eine Sprache zu schaen, die alle einschliesst.Die Zukunft der geschlechtergerechten Sprache sieht vielversprechend aus. Mit zu-nehmender Sensibilisierung für die emen Gleichberechtigung und Diversität wird das Gendern zu einem integralen Bestandteil unserer Kommunikation. Dieser Wandel er-fordert Zeit und Geduld, aber die positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft sind un-übersehbar. Und daher wird es im Cruiser auch bis auf Weiteres immer mal wieder den Stern geben. Zudem ist ein Stern doch ei-gentlich etwas Schönes, oder? Kaum etwas hat die Menschen in den letzten Jahren in Bezug auf Sprache so beschäftigt wie das Gendern. Inzwischen ist daraus ein regelrechter Glaubenskrieg geworden.Es geht darum, ein gesellschaft-liches Klima zu schaffen, in dem sich alle Menschen unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung res-pektiert und einbezogen fühlen.

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14 15CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024RUBRIKENTITELRUBRIKENUNTERTITELKINO27. PINK APPLE FILMFESTIVALVON MADLAINA CAFLISCHIm «Internationalen Wettbewerb» wer-den inhaltlich und formal besonders bemerkenswerte Filme gezeigt, auch im «Kurzlmwettbewerb» bestimmt eine Fachjury den Siegerlm aus einem der drei Wettbewerbsprogramme und das Publi-kum entscheidet, wer den ZKB Publikums-preis für den besten Spiellm sowie den besten Dokumentarlm erhalten wird. Wie immer wird das Filmprogramm von thema-tischen Schwerpunkten umrahmt:BisexualitätDiese vielfältige sexuelle Orientierung steht oft im Schatten der Missverständnisse und Vorurteile – in der breiten Gesellschaft, aber auch innerhalb der LGBT*-Community. In ei-ner Welt, die oft strikt in hetero- und homose-xuellen Kategorien denkt, will das Pink Apple einen Beitrag dazu leisten, dass Bi- und Pansexualität im Alltag sichtbarer und akzep-tierter werden. Dazu gehören eine Podiums-diskussion mit anschliessendem oenen Aus-tausch sowie eine Auswahl aktueller Filme.Am diesjährigen Pink Apple Filmfestival in Zürich und Frauenfeld laufen wieder rund 80 Filme über die Leinwand. Die Auswahl ist vielversprechend.Das 27. Pink Apple wird politisch, persönlich und intimRemember, Broken Crayons Colour Too (2023 – Schweiz) Shannet, eine Schwarze trans Frau aus Jamaika in der nächtlichen Dunkelheit einer modernen Stadt.Während sie durch die leeren Strassen wandert, wird sie von Erinnerungen heimgesucht. Verloren und gefangen in einem endlosen Tunnel, verwandeln sich die schrecklichen Erinnerungen schliesslich in Musik.Die georgische Regieperson Naveriani ist am Pink Apple keine Unbekannte. Sie erhält dieses Jahr den «Golden Apple».Coming-outDas Coming-out gehört zum Weg einer je-den queeren Person. Und auch wer es schon hinter sich hat, muss sich immer wieder ou-ten: am Arbeitsplatz, in der Schule, in der neuen Nachbarschaft. Umso wichtiger sind dabei unterstützende Personen im sozialen Umfeld. Besonders Jugendliche sehen sich häug mit dem Coming-out, aber auch mit möglicher Ablehnung ihrer Mitmenschen konfrontiert. Mit dem Verein du-bist-du legt das Pink Apple dieses Jahr einen Fokus auf das Outing und die bestmögliche Unterstüt-zung durch das Umfeld und befasst sich mit den Herausforderungen eines Outings am Arbeitsplatz.BacklashAm diesjährigen Festival geht es jedoch nicht nur um das private Queersein, sondern auch um seine politische Komponente. Viele Rech-te wurden in den letzten Jahren erkämpft, aber Zeit sich auszuruhen bleibt kaum, denn in Ländern auf der ganzen Welt werden sie wieder infrage gestellt. Umso wichtiger also, dass die Community dagegenhält und weiter-hin präsent ist. Eine Podiumsdiskussion mit Politiker*innen versucht, diese Tendenzen einzuordnen. Passende Filme stehen eben-falls auf dem Programm. Denn Selbstbestim-mung heisst, mit dem eigenen Körper tun zu können, was mensch möchte!FetischSelbstbestimmung ist natürlich auch beim Sex das Zauberwort, zum Beispiel in Form eines Fetischs. Am Festival werden ver-schiedene Vorlieben vorgestellt und die Besucher*innen können sich neben thema-tischen Dokumentarlmen sowie einem eigenen Kurzlmprogramm in einem Bon-dage-Workshop in die Welt des lustvollen Fesselns begeben.Golden Apple Award 2024 – Elene NaverianiDie georgische Regieperson Elene Naveriani prägt seit dem Abschluss des Filmstudiums in Genf das internationale queere Film-schaen. Elene praktiziert ein Kino des Wi-derstands, macht unsichtbare Geschichten sichtbar und ungehörte Stimmen hörbar. Marginalisierte Menschen werden nicht nur inkludiert, sondern sind die zentralen Akteur*innen in Elenes Filmen. Mit Georgi-en als Sehnsuchtsort wird die Diskrepanz zwischen der harschen Realität und den in-timsten Wünschen spürbar. Mit Filmen wie «Wet Sand» (2021), «I am Truly A Drop Of Sun on Earth» (2017) und «Red Ants Bite» (2019) sprengt Elene Grenzen, auch inner-halb der LGBT*-Community. Für diese aus-serordentlichen Verdienste verleihen wir Elene Naveriani den Golden Apple 2024. Ele-ne Naveriani nimmt den Golden Apple im Anschluss an die Vorführung der drei Kurz-lme «Red Ants Bite», «Father Bless Us» und «Les Évangiles d'Anasyrma» entgegen. ➔ANZEIGEKAMMERSPIELE SEEB DAS THEATERERLEBNIS IN BACHENBÜLACH!INFOS & TICKETSkammerspiele.ch +41 44 860 71 47Bild links © Thomas Nolf / Bild rechts © Khatia (Juda) Psuturi

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14 15CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024RUBRIKENTITELRUBRIKENUNTERTITELKINO27. PINK APPLE FILMFESTIVALVON MADLAINA CAFLISCHIm «Internationalen Wettbewerb» wer-den inhaltlich und formal besonders bemerkenswerte Filme gezeigt, auch im «Kurzlmwettbewerb» bestimmt eine Fachjury den Siegerlm aus einem der drei Wettbewerbsprogramme und das Publi-kum entscheidet, wer den ZKB Publikums-preis für den besten Spiellm sowie den besten Dokumentarlm erhalten wird. Wie immer wird das Filmprogramm von thema-tischen Schwerpunkten umrahmt:BisexualitätDiese vielfältige sexuelle Orientierung steht oft im Schatten der Missverständnisse und Vorurteile – in der breiten Gesellschaft, aber auch innerhalb der LGBT*-Community. In ei-ner Welt, die oft strikt in hetero- und homose-xuellen Kategorien denkt, will das Pink Apple einen Beitrag dazu leisten, dass Bi- und Pansexualität im Alltag sichtbarer und akzep-tierter werden. Dazu gehören eine Podiums-diskussion mit anschliessendem oenen Aus-tausch sowie eine Auswahl aktueller Filme.Am diesjährigen Pink Apple Filmfestival in Zürich und Frauenfeld laufen wieder rund 80 Filme über die Leinwand. Die Auswahl ist vielversprechend.Das 27. Pink Apple wird politisch, persönlich und intimRemember, Broken Crayons Colour Too (2023 – Schweiz) Shannet, eine Schwarze trans Frau aus Jamaika in der nächtlichen Dunkelheit einer modernen Stadt.Während sie durch die leeren Strassen wandert, wird sie von Erinnerungen heimgesucht. Verloren und gefangen in einem endlosen Tunnel, verwandeln sich die schrecklichen Erinnerungen schliesslich in Musik.Die georgische Regieperson Naveriani ist am Pink Apple keine Unbekannte. Sie erhält dieses Jahr den «Golden Apple».Coming-outDas Coming-out gehört zum Weg einer je-den queeren Person. Und auch wer es schon hinter sich hat, muss sich immer wieder ou-ten: am Arbeitsplatz, in der Schule, in der neuen Nachbarschaft. Umso wichtiger sind dabei unterstützende Personen im sozialen Umfeld. Besonders Jugendliche sehen sich häug mit dem Coming-out, aber auch mit möglicher Ablehnung ihrer Mitmenschen konfrontiert. Mit dem Verein du-bist-du legt das Pink Apple dieses Jahr einen Fokus auf das Outing und die bestmögliche Unterstüt-zung durch das Umfeld und befasst sich mit den Herausforderungen eines Outings am Arbeitsplatz.BacklashAm diesjährigen Festival geht es jedoch nicht nur um das private Queersein, sondern auch um seine politische Komponente. Viele Rech-te wurden in den letzten Jahren erkämpft, aber Zeit sich auszuruhen bleibt kaum, denn in Ländern auf der ganzen Welt werden sie wieder infrage gestellt. Umso wichtiger also, dass die Community dagegenhält und weiter-hin präsent ist. Eine Podiumsdiskussion mit Politiker*innen versucht, diese Tendenzen einzuordnen. Passende Filme stehen eben-falls auf dem Programm. Denn Selbstbestim-mung heisst, mit dem eigenen Körper tun zu können, was mensch möchte!FetischSelbstbestimmung ist natürlich auch beim Sex das Zauberwort, zum Beispiel in Form eines Fetischs. Am Festival werden ver-schiedene Vorlieben vorgestellt und die Besucher*innen können sich neben thema-tischen Dokumentarlmen sowie einem eigenen Kurzlmprogramm in einem Bon-dage-Workshop in die Welt des lustvollen Fesselns begeben.Golden Apple Award 2024 – Elene NaverianiDie georgische Regieperson Elene Naveriani prägt seit dem Abschluss des Filmstudiums in Genf das internationale queere Film-schaen. Elene praktiziert ein Kino des Wi-derstands, macht unsichtbare Geschichten sichtbar und ungehörte Stimmen hörbar. Marginalisierte Menschen werden nicht nur inkludiert, sondern sind die zentralen Akteur*innen in Elenes Filmen. Mit Georgi-en als Sehnsuchtsort wird die Diskrepanz zwischen der harschen Realität und den in-timsten Wünschen spürbar. Mit Filmen wie «Wet Sand» (2021), «I am Truly A Drop Of Sun on Earth» (2017) und «Red Ants Bite» (2019) sprengt Elene Grenzen, auch inner-halb der LGBT*-Community. Für diese aus-serordentlichen Verdienste verleihen wir Elene Naveriani den Golden Apple 2024. Ele-ne Naveriani nimmt den Golden Apple im Anschluss an die Vorführung der drei Kurz-lme «Red Ants Bite», «Father Bless Us» und «Les Évangiles d'Anasyrma» entgegen. ➔ANZEIGEKAMMERSPIELE SEEB DAS THEATERERLEBNIS IN BACHENBÜLACH!INFOS & TICKETSkammerspiele.ch +41 44 860 71 47Bild links © Thomas Nolf / Bild rechts © Khatia (Juda) Psuturi

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16 17CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024KINO27. PINK APPLE FILMFESTIVALKINO27. PINK APPLE FILMFESTIVALPas de vagues 2024 – Frankreich Schweizer Premiere Julien ist ein engagierter Gymnasiallehrer, der von seinen Schü-ler*innen geschätzt wird – aber nicht als schwul geoutet ist. Sein Leben nimmt eine unerwartete Wendung, als eine Schü lerin ihm Belästigung vorwirft und so eine unaufhaltsame Kette von Ereig-nissen in Gang setzt, die Julien nicht nur von seinen Schüler*innen, sondern auch von seinen Kolleg*innen isoliert. Trotz seiner Un-schuld entzündet sich die Situation schnell, was ihn vor ein kom-plexes moralisches und beruiches Dilemma stellt und die Ab-gründe des französischen Rechtssystems aufzeigt.Der spannungsgeladene Film lädt zum Nachdenken über die verheerenden Folgen von Gerüchten und unbegründeten Anschul-digungen ein. Der Fall beruht auf wahren Begebenheiten und spie-gelt damit aktuelle gesellschaftliche Probleme wider.Darklands 2023 – Belgien / Dänemark Weltpremiere (Im Fokus: Fetisch) Alljährlich pilgern tausende Besucher*innen nach Antwerpen zum grössten Indoor-Gay-Fetisch-Event der Welt, um in einen Kos-mos unvergleichlicher Faszination abzuheben. Durch die Augen von Mastermind und Organisator Jeroen und seiner Schwester, der heterosexuellen Nathalie, gewährt der feinfühlige Dokumentar-lm einen noch nie dagewesenen Insiderblick in ihre bemerkens-werte Reise, auf der sie Tabus herausfordern und das Publikum mit einer aussergewöhnlichen Erfahrung, die keine Grenzen kennt, im wahrsten Sinne fesseln. In «Darklands» werden sensible emen wie sexuelle Identität und Fetisch auf eindringliche, aber nicht-explizite Weise angesprochen und verlockende Geheimnisse rund um das Festival und seine Entstehungsgeschichte enthüllt.Desire Lines 2024 – USASchweizer PremiereAhmad stöbert in den Akten des Queer Archives von Chicago, um seine Homosexualität als trans Mann besser einzuordnen. Bei den Recherchen vermischt er Fakten mit Fiktion und taucht in Fanta-siewelten ein, in denen er sich die schwulen Badehäuser der 70er-und 80er-Jahre durch eine transmaskuline Linse neu vorstellt. Unterstützt wird er von Kieran, einem non-binären Archivar in sei-nen Zwanzigern. Eine generationenübergreifende Freundschaft entsteht, als Ahmad und Kieran durch ihre gemeinsame Faszina-tion für Lou Sullivan, einen schwulen trans Aktivisten, noch enger zusammenwachsen. Der hybride Spiellm ist ein zärtlicher Lie-besbrief an die schwule trans Community und das Vermächtnis, das Lou Sullivan und viele andere Namenlose hinterlassen haben.Young Hearts 2024 – Niederlande / Belgien Schweizer Premiere (Eröffnungsfilm)Als Elias, 14, den gleichaltrigen neuen Nachbarn Alexander ken-nenlernt, verstehen sich die beiden auf Anhieb. Die Gefühle, die in Elias aufkeimen, behält er jedoch lieber für sich – erst recht, als Alexander ohne zu zögern erzählt, dass er auf Jungs steht. Aus Angst vor den Reaktionen seines Umfelds verstrickt er sich in ein Netz aus Lügen, bis er sich nicht mehr anders zu helfen weiss, als Alex zurückzustossen. Erst als ihn sein Grossvater mit seinem Lie-beskummer konfrontiert, önet sich Elias und erkennt, dass er mit allen Mitteln um Alexs Herz kämpfen will. In seinem Debütlm erzählt Anthony Schatteman von einer ergreifenden Jugendliebe zwischen zwei Jungs, aus der sich das Coming-out ganz natürlich entwickelt. Voller Optimismus und Herzenswärme hat «Young Hearts» das Zeug zum KlassikerThrouple 2024 – USA)Michael hat Angst davor, seine musikalischen Träume zu verfolgen und romantische Intimität zuzulassen. Die Flucht in eine heile Welt ermöglicht ihm seine beste Freundin, die selbst darauf be-dacht ist, mit ihrer neuen Freundin endlich alles richtig zu ma-chen. Als Michael ein frisch verheiratetes Paar kennenlernt, das eine zwangslose Begegnung sucht, gehen die drei Männer eine in-tensivere Beziehung ein, die verletzlicher ist, als jeder von ihnen es je erwartet hätte. Solange Michael aber mit sich selbst hadert, wird ihr Glück zu dritt auf eine harte Probe gestellt.Endlich wird mit «rouple» eine Liebeskomödie erzählt, welche die Entstehung einer Dreierbeziehung mit allen Facetten einzufangen weiss und gesellschaftsnormative Konventionen auf eine sexy Art und Weise sprengt.Totems 2023 – Frankreich (Schweizer Premiere)Nach Bastiens Tod beschliessen seine Freund*innen, seine Dildo-sammlung vor seiner Mutter zu verstecken. Eine Geschichte über Freundschaft, Liebe und Abschied.Piss off 2019 – USA (Im Fokus: Fetisch)Diese Doku gibt einen einmaligen Einblick in den Fetisch «Wasser-sport & Piss-Spiele». Der Fetisch wird dabei zu einer Performance-Kunst.Remember, Broken Crayons Colour Too 2023 – SchweizShannet, eine Schwarze trans Frau aus Jamaika, schildert ihren Weg der Heilung, während sie durch die leeren Strassen Zürichs wandelt. Ami d'ami 2023 – Kanada (Schweizer Premiere – Im Fokus: Bisexualität)Jules ist bi, auch wenn er bisher nur mit Frauen geschlafen hat. nach einer Trennung ist er bereit für seine erste Erfahrung mit ei-nem Mann. 27. Pink Apple FilmfestivalZürich: 23. April bis 2. Mai 2024 / Frauenfeld: 3. Mai bis 5. Mai 2024Das vollständige Programm steht ab 5. April 2024 zur Verfügung unter: pinkapple.ch. Der Ticketvorverkauf startet am 16. April 2024.Maschile Plurale 2024 – ItalienSchweizer PremiereDrei Jahre sind seit Denis' Tod vergangen, bis sich Antonio und Luca zum ersten Mal wiedersehen. Die magische Dreiecksbezie-hung von damals hat oene Wunden hinterlassen, und doch hat Luca sein neues Glück mit Tancredi gefunden, während Antonio zum Back-Inuencer mit eigener Konditorei avanciert ist. Dass zwischen den beiden immer noch eine besondere Anziehung be-steht, ist oensichtlich, doch deutet Antonio Lucas Zuneigung ganz anders und setzt alles daran, dessen Beziehung zu Tancredi zu sabotieren. Wird Antonio lernen loszulassen? In der fulminanten und ebenso witzigen Fortsetzung von «Maschile Singulare», dem italienischen Highlight am Pink Apple 2022, dreht das Beziehungsrad weiter, wird die Backkunst profes-sioneller und ndet die Leidenschaft für Mascarpone-Desserts einen neuen Höhepunkt.SpielfilmeKurzfilmePas de vagues © ZVG / Maschile Plurale © ZVG / Darklands © ZVGYoung Hearts © Thomas Nolf / Desire Lines © Marie Hinson, JulesRosskam / Throuple © ZVG

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16 17CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024KINO27. PINK APPLE FILMFESTIVALKINO27. PINK APPLE FILMFESTIVALPas de vagues 2024 – Frankreich Schweizer Premiere Julien ist ein engagierter Gymnasiallehrer, der von seinen Schü-ler*innen geschätzt wird – aber nicht als schwul geoutet ist. Sein Leben nimmt eine unerwartete Wendung, als eine Schü lerin ihm Belästigung vorwirft und so eine unaufhaltsame Kette von Ereig-nissen in Gang setzt, die Julien nicht nur von seinen Schüler*innen, sondern auch von seinen Kolleg*innen isoliert. Trotz seiner Un-schuld entzündet sich die Situation schnell, was ihn vor ein kom-plexes moralisches und beruiches Dilemma stellt und die Ab-gründe des französischen Rechtssystems aufzeigt.Der spannungsgeladene Film lädt zum Nachdenken über die verheerenden Folgen von Gerüchten und unbegründeten Anschul-digungen ein. Der Fall beruht auf wahren Begebenheiten und spie-gelt damit aktuelle gesellschaftliche Probleme wider.Darklands 2023 – Belgien / Dänemark Weltpremiere (Im Fokus: Fetisch) Alljährlich pilgern tausende Besucher*innen nach Antwerpen zum grössten Indoor-Gay-Fetisch-Event der Welt, um in einen Kos-mos unvergleichlicher Faszination abzuheben. Durch die Augen von Mastermind und Organisator Jeroen und seiner Schwester, der heterosexuellen Nathalie, gewährt der feinfühlige Dokumentar-lm einen noch nie dagewesenen Insiderblick in ihre bemerkens-werte Reise, auf der sie Tabus herausfordern und das Publikum mit einer aussergewöhnlichen Erfahrung, die keine Grenzen kennt, im wahrsten Sinne fesseln. In «Darklands» werden sensible emen wie sexuelle Identität und Fetisch auf eindringliche, aber nicht-explizite Weise angesprochen und verlockende Geheimnisse rund um das Festival und seine Entstehungsgeschichte enthüllt.Desire Lines 2024 – USASchweizer PremiereAhmad stöbert in den Akten des Queer Archives von Chicago, um seine Homosexualität als trans Mann besser einzuordnen. Bei den Recherchen vermischt er Fakten mit Fiktion und taucht in Fanta-siewelten ein, in denen er sich die schwulen Badehäuser der 70er-und 80er-Jahre durch eine transmaskuline Linse neu vorstellt. Unterstützt wird er von Kieran, einem non-binären Archivar in sei-nen Zwanzigern. Eine generationenübergreifende Freundschaft entsteht, als Ahmad und Kieran durch ihre gemeinsame Faszina-tion für Lou Sullivan, einen schwulen trans Aktivisten, noch enger zusammenwachsen. Der hybride Spiellm ist ein zärtlicher Lie-besbrief an die schwule trans Community und das Vermächtnis, das Lou Sullivan und viele andere Namenlose hinterlassen haben.Young Hearts 2024 – Niederlande / Belgien Schweizer Premiere (Eröffnungsfilm)Als Elias, 14, den gleichaltrigen neuen Nachbarn Alexander ken-nenlernt, verstehen sich die beiden auf Anhieb. Die Gefühle, die in Elias aufkeimen, behält er jedoch lieber für sich – erst recht, als Alexander ohne zu zögern erzählt, dass er auf Jungs steht. Aus Angst vor den Reaktionen seines Umfelds verstrickt er sich in ein Netz aus Lügen, bis er sich nicht mehr anders zu helfen weiss, als Alex zurückzustossen. Erst als ihn sein Grossvater mit seinem Lie-beskummer konfrontiert, önet sich Elias und erkennt, dass er mit allen Mitteln um Alexs Herz kämpfen will. In seinem Debütlm erzählt Anthony Schatteman von einer ergreifenden Jugendliebe zwischen zwei Jungs, aus der sich das Coming-out ganz natürlich entwickelt. Voller Optimismus und Herzenswärme hat «Young Hearts» das Zeug zum KlassikerThrouple 2024 – USA)Michael hat Angst davor, seine musikalischen Träume zu verfolgen und romantische Intimität zuzulassen. Die Flucht in eine heile Welt ermöglicht ihm seine beste Freundin, die selbst darauf be-dacht ist, mit ihrer neuen Freundin endlich alles richtig zu ma-chen. Als Michael ein frisch verheiratetes Paar kennenlernt, das eine zwangslose Begegnung sucht, gehen die drei Männer eine in-tensivere Beziehung ein, die verletzlicher ist, als jeder von ihnen es je erwartet hätte. Solange Michael aber mit sich selbst hadert, wird ihr Glück zu dritt auf eine harte Probe gestellt.Endlich wird mit «rouple» eine Liebeskomödie erzählt, welche die Entstehung einer Dreierbeziehung mit allen Facetten einzufangen weiss und gesellschaftsnormative Konventionen auf eine sexy Art und Weise sprengt.Totems 2023 – Frankreich (Schweizer Premiere)Nach Bastiens Tod beschliessen seine Freund*innen, seine Dildo-sammlung vor seiner Mutter zu verstecken. Eine Geschichte über Freundschaft, Liebe und Abschied.Piss off 2019 – USA (Im Fokus: Fetisch)Diese Doku gibt einen einmaligen Einblick in den Fetisch «Wasser-sport & Piss-Spiele». Der Fetisch wird dabei zu einer Performance-Kunst.Remember, Broken Crayons Colour Too 2023 – SchweizShannet, eine Schwarze trans Frau aus Jamaika, schildert ihren Weg der Heilung, während sie durch die leeren Strassen Zürichs wandelt. Ami d'ami 2023 – Kanada (Schweizer Premiere – Im Fokus: Bisexualität)Jules ist bi, auch wenn er bisher nur mit Frauen geschlafen hat. nach einer Trennung ist er bereit für seine erste Erfahrung mit ei-nem Mann. 27. Pink Apple FilmfestivalZürich: 23. April bis 2. Mai 2024 / Frauenfeld: 3. Mai bis 5. Mai 2024Das vollständige Programm steht ab 5. April 2024 zur Verfügung unter: pinkapple.ch. Der Ticketvorverkauf startet am 16. April 2024.Maschile Plurale 2024 – ItalienSchweizer PremiereDrei Jahre sind seit Denis' Tod vergangen, bis sich Antonio und Luca zum ersten Mal wiedersehen. Die magische Dreiecksbezie-hung von damals hat oene Wunden hinterlassen, und doch hat Luca sein neues Glück mit Tancredi gefunden, während Antonio zum Back-Inuencer mit eigener Konditorei avanciert ist. Dass zwischen den beiden immer noch eine besondere Anziehung be-steht, ist oensichtlich, doch deutet Antonio Lucas Zuneigung ganz anders und setzt alles daran, dessen Beziehung zu Tancredi zu sabotieren. Wird Antonio lernen loszulassen? In der fulminanten und ebenso witzigen Fortsetzung von «Maschile Singulare», dem italienischen Highlight am Pink Apple 2022, dreht das Beziehungsrad weiter, wird die Backkunst profes-sioneller und ndet die Leidenschaft für Mascarpone-Desserts einen neuen Höhepunkt.SpielfilmeKurzfilmePas de vagues © ZVG / Maschile Plurale © ZVG / Darklands © ZVGYoung Hearts © Thomas Nolf / Desire Lines © Marie Hinson, JulesRosskam / Throuple © ZVG

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18 19CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024KULTURBUCHTIPPBUCHTIPPGebrand Bakker: Der Sohn des Friseurs. Suhrkamp Verlag 2024.Preis CHF 37.90 ISBN 978-3-528-43158-0VON BIRGIT KAWOHLIn den Niederlanden wurde der Roman als ein «echter Bakker» angekündigt. Da nie-derländische Autor*innen im deutsch-sprachigen Raum tendenziell nicht so be-kannt sind, lässt sich mit dieser Aussage zunächst einmal wenig anfangen. Nach dem Lesen des knapp 300 Seiten umfassenden Werks hat man aber eine Ahnung davon, wa-rum Bakker in seiner Heimat (geboren 1962 in Wieringerwaard, heute lebt er in Amster-dam und zeitweise in der Eifel in Deutsch-land) ein Name ist, den Leser*innen kennen. Überhaupt ist Bakker eine interessante Per-sönlichkeit: Er hat Sprachwissenschaften in Amsterdam studiert, was für die Tätigkeiten als Schriftsteller und Übersetzer durchaus naheliegt, aber er verfügt zudem über ein Diplom als Gärtner und arbeitet zeitweilig auch als Eisschnelllauftrainer. Man kann wohl sagen, dass er sich nicht einfach auf eine Sache festlegen lässt und damit einen weiten Blick auf die Welt hat.Dies zeigt auch sein neuer Roman, der in den Niederlanden und auf Teneria spielt. Simon stammt aus einer Familie von Friseuren. Er hat diese Tradition übernom-men und führt den von seinem Grossvater geerbten Salon mit Liebe weiter. Mittler-weile ist er Mitte vierzig und hat sich in sei-nem ruhigen Leben eingerichtet. Er bedient ausgewählte Kunden, geht regelmässig schwimmen, trit hin und wieder einen Mann... Dieses dahinplätschernde Leben ändert sich dann durch zwei Faktoren: Zum einen bittet ihn seine Mutter als ehrenamt-licher Betreuer beim Behindertenschwim-men einzuspringen, zum anderen bringt ihn ein Kunde, der Schriftsteller ist, dazu, sich mit der eigenen familiären Vergangen-heit zu beschäftigen. Sein Vater ist 1977, da-mals war Simon noch nicht einmal gebo-ren, bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen. Dieses Flugzeugunglück wirft auch noch mehrere Jahrzehnte später Fra-gen auf. Warum sass sein Vater in diesem Flugzeug nach Spanien? Schliesslich hatte er niemandem etwas davon gesagt und auch der zeitgleich verschwundene Prakti-kant lässt sich nicht logisch erklären. Dass der Vater dann nirgendwo oziell vermerkt ist, ist ebenfalls merkwürdig. Simon gräbt sich immer mehr in das Unglück und des-sen Umstände ein.Parallel dazu erfahren die Leser*innen die Wahrheit um das Verschwinden – oder sollte man eher sagen Abtauchen? – von Si-mons Vater Cornelis. Dieser hat das Unglück durch Zufall überlebt, sich aber nicht als Überlebender zu erkennen gegeben und lebt nun – als Friseur – unter dem Namen Carlos seit mehreren Jahrzehnten auf Teneria.Simons Leben, seine Suche nach der Wahrheit und nach Lebensglück schildert Bakker gekonnt und gut lesbar. Dass es der Logik hinter der Geschichte manchmal et-was mangelt (musste Cornelis sich auf Te-neria nie ausweisen?), tut der Sache kei-nen Abbruch. Man gewinnt Simon mit all seiner Schrulligkeit über die Seiten hinweg lieb und möchte ihn am Ende des Romans nur ungern allein lassen. Simons Leben, seine Suche nach der Wahrheit und nach Lebensglück schildert Bakker gekonnt und gut lesbar. Dass es der Logik hinter der Geschichte manchmal etwas mangelt, tut der Sache keinen Abbruch.Was macht ein Sohn, der seinen Vater nie kennengelernt hat? Gebrand Bakker schildert in seinem Roman jede Menge Suchende.Suchen undFindenTickets: ticketcorner.chInfo: gadget.chFLETCHER25.04.2024 – Komplex 457 ZürichCALUM SCOTT29.04.2024 – THE HALL ZürichGIRLI16.06.2024 – EXIL ZürichANZEIGE

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18 19CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024KULTURBUCHTIPPBUCHTIPPGebrand Bakker: Der Sohn des Friseurs. Suhrkamp Verlag 2024.Preis CHF 37.90 ISBN 978-3-528-43158-0VON BIRGIT KAWOHLIn den Niederlanden wurde der Roman als ein «echter Bakker» angekündigt. Da nie-derländische Autor*innen im deutsch-sprachigen Raum tendenziell nicht so be-kannt sind, lässt sich mit dieser Aussage zunächst einmal wenig anfangen. Nach dem Lesen des knapp 300 Seiten umfassenden Werks hat man aber eine Ahnung davon, wa-rum Bakker in seiner Heimat (geboren 1962 in Wieringerwaard, heute lebt er in Amster-dam und zeitweise in der Eifel in Deutsch-land) ein Name ist, den Leser*innen kennen. Überhaupt ist Bakker eine interessante Per-sönlichkeit: Er hat Sprachwissenschaften in Amsterdam studiert, was für die Tätigkeiten als Schriftsteller und Übersetzer durchaus naheliegt, aber er verfügt zudem über ein Diplom als Gärtner und arbeitet zeitweilig auch als Eisschnelllauftrainer. Man kann wohl sagen, dass er sich nicht einfach auf eine Sache festlegen lässt und damit einen weiten Blick auf die Welt hat.Dies zeigt auch sein neuer Roman, der in den Niederlanden und auf Teneria spielt. Simon stammt aus einer Familie von Friseuren. Er hat diese Tradition übernom-men und führt den von seinem Grossvater geerbten Salon mit Liebe weiter. Mittler-weile ist er Mitte vierzig und hat sich in sei-nem ruhigen Leben eingerichtet. Er bedient ausgewählte Kunden, geht regelmässig schwimmen, trit hin und wieder einen Mann... Dieses dahinplätschernde Leben ändert sich dann durch zwei Faktoren: Zum einen bittet ihn seine Mutter als ehrenamt-licher Betreuer beim Behindertenschwim-men einzuspringen, zum anderen bringt ihn ein Kunde, der Schriftsteller ist, dazu, sich mit der eigenen familiären Vergangen-heit zu beschäftigen. Sein Vater ist 1977, da-mals war Simon noch nicht einmal gebo-ren, bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen. Dieses Flugzeugunglück wirft auch noch mehrere Jahrzehnte später Fra-gen auf. Warum sass sein Vater in diesem Flugzeug nach Spanien? Schliesslich hatte er niemandem etwas davon gesagt und auch der zeitgleich verschwundene Prakti-kant lässt sich nicht logisch erklären. Dass der Vater dann nirgendwo oziell vermerkt ist, ist ebenfalls merkwürdig. Simon gräbt sich immer mehr in das Unglück und des-sen Umstände ein.Parallel dazu erfahren die Leser*innen die Wahrheit um das Verschwinden – oder sollte man eher sagen Abtauchen? – von Si-mons Vater Cornelis. Dieser hat das Unglück durch Zufall überlebt, sich aber nicht als Überlebender zu erkennen gegeben und lebt nun – als Friseur – unter dem Namen Carlos seit mehreren Jahrzehnten auf Teneria.Simons Leben, seine Suche nach der Wahrheit und nach Lebensglück schildert Bakker gekonnt und gut lesbar. Dass es der Logik hinter der Geschichte manchmal et-was mangelt (musste Cornelis sich auf Te-neria nie ausweisen?), tut der Sache kei-nen Abbruch. Man gewinnt Simon mit all seiner Schrulligkeit über die Seiten hinweg lieb und möchte ihn am Ende des Romans nur ungern allein lassen. Simons Leben, seine Suche nach der Wahrheit und nach Lebensglück schildert Bakker gekonnt und gut lesbar. Dass es der Logik hinter der Geschichte manchmal etwas mangelt, tut der Sache keinen Abbruch.Was macht ein Sohn, der seinen Vater nie kennengelernt hat? Gebrand Bakker schildert in seinem Roman jede Menge Suchende.Suchen undFindenTickets: ticketcorner.chInfo: gadget.chFLETCHER25.04.2024 – Komplex 457 ZürichCALUM SCOTT29.04.2024 – THE HALL ZürichGIRLI16.06.2024 – EXIL ZürichANZEIGE

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20 21CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024Erich Vock wurde ausgelacht, weil er lange Fingernägel trug. Im Gespräch mit dem Cruiser plädiert er für einen respektvollen Umgang miteinander.«Wir sind dazu aufgerufen, Offenheit zu leben.»DAS INTERVIEW FÜHRTE MICHI RÜEGGEin grosser Keller im Zürcher Kreis 3. In den Regalen liegen gut verpackte Perücken, in der Ecke stehen Modelle von alten Bühnenbildern und am runden Holztisch sitzt Erich Vock. Das hier ist die Probebühne seiner spock productions – der Name setzt sich zusammen aus seinem und dem Nachnamen seines Mannes und Büh-nenpartners Hubert Spiess. Erichs lange Fingernägel klappern auf dem Holztisch. Es sind eigentlich gar nicht seine, sie gehören seiner derzeitigen Bühnengur Albin – dem Star des «La cage aux folles», des Kägs vol-ler Narren, mit dem er seit Januar im Bern-hardtheater auftritt.Erich, im Anschluss an den Applaus nach der Premiere von «Ein Käfig voller Narren» hast du auf der Bühne eine kurze Ansprache gehalten, die mich nachdenklich gestimmt hat. Dabei ging es um deine Fingernägel.Das war so: In der Vorbereitung gab es Stim-men, die fanden: Braucht es denn dieses Stück noch? Für einen eaterschaenden ist das ja an sich schon eine seltsame Frage, ob es ein Stück noch brauche…Heteros fragen so etwas, weil die Geschichte vom Schwulsein handelt.Ja, Jean Poiret hat das Stück vor 50 Jahren geschrieben, Ende der 70er-Jahre wurde es in Frankreich verlmt. Vor zwölf Jahren ha-ben wir bereits einmal die Musical-Version davon gespielt. Ich trug also schon vor zwölf Jahren während der Spielzeit diese langen Fingernägel, auch privat. Damals haben die Leute zwar auch auf meine Finger gestarrt, aber gut schweizerisch: hinschauen und dann schnell wegschauen. Heute ist es an-ders. Heute hören Leute im Tram nicht mehr auf zu starren. Und ich spüre, meine Nägel bauen Aggressionen in ihnen auf. Die Leute werden aggressiv, weil sie deine langen Fingernägel sehen?Die Nägel sind ein Zeichen von Anderssein. In einem Laden bin ich vom Personal oen ausgelacht worden, laut ausgelacht! Das ist nicht tragisch in meinem Fall. Ich bin ein Bilder © Spock Productions & Zürcher Märchenbühne, PAT WETTSTEIN – THE GARAGE«Gott ist ‹Liebe› und geht man von dieser Prämisse aus, passt ein diskriminierender Gott nicht dazu.» Nicole BecherDa haben die Maskenbildner*innen einiges zu tun: Auf der Bühne trägt man Schminke und hübsch Föhnwellen. In «Ein Käfig voller Narren» spielen Sie ein Paar, das bereits seit Jahrzehnten zusammen ist…BÜHNEEIN KLASSIKER IM BERNHARD THEATERVERFOLGUNGSTOLPERSTEINE FÜR HOMOSEXUELLEleicht durchgeknallter Schauspieler, am 29. April kommen die Fingernägel wieder weg. Aber wenn das meine Identität wäre! Heute laufen viele junge Männer mit angemal-ten Nägeln umher. Da würde man ja meinen, deine langen sollten nicht für Aufsehen sorgen.Vielleicht ist es wirklich auch die Mischung, ich bin jetzt nun mal ein alter Mann (lacht). Unser Stück handelt von Albin und Georges und ihrem Sohn. Vor allem aber ist es die Geschichte von Menschen, die anders leben als die Mehrheit der Gesellschaft. Und wie man mit ihnen umgeht. Und genau dieser Umgang mit Leuten, die oenkundig anders sind, ist nicht mehr so entspannt. Das macht mir Angst. Das wolltest du nach der Premiere zum Ausdruck bringen?Ja, denn wir albern hier nicht einfach her-um. Es liegt etwas in der Luft. Und wir sind dazu aufgerufen, diese Oenheit zu leben. Und uns selbst an der Nase nehmen. Wir müssen mehr Zivilcourage zeigen. Und sa-gen: Geht’s noch, mich auszulachen, nur weil ich lange Fingernägel trage? Machen Sie das bei allen, die nicht wie Sie aussehen? Du hast erwähnt, dass es auch unangenehmen Reaktionen auf Social Media gab.Ich bin ja kein Fan von Sozialen Medien. Aber dass jemand heute mit seinem Foto und seinem Namen hinsteht und schreibt: «Ich unterstütze keine Hinterlader» – da ➔ Dieser Umgang mit Leuten, die offenkundig anders sind, ist nicht mehr so entspannt. Das macht mir Angst.…und auch im richtigen Leben sind Hubert Spiess (links) und Erich Vock bereits seit über 30 Jahren liiert. Hündin Pata hingegen ist noch nicht so lange Teil der Familie.

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20 21CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024Erich Vock wurde ausgelacht, weil er lange Fingernägel trug. Im Gespräch mit dem Cruiser plädiert er für einen respektvollen Umgang miteinander.«Wir sind dazu aufgerufen, Offenheit zu leben.»DAS INTERVIEW FÜHRTE MICHI RÜEGGEin grosser Keller im Zürcher Kreis 3. In den Regalen liegen gut verpackte Perücken, in der Ecke stehen Modelle von alten Bühnenbildern und am runden Holztisch sitzt Erich Vock. Das hier ist die Probebühne seiner spock productions – der Name setzt sich zusammen aus seinem und dem Nachnamen seines Mannes und Büh-nenpartners Hubert Spiess. Erichs lange Fingernägel klappern auf dem Holztisch. Es sind eigentlich gar nicht seine, sie gehören seiner derzeitigen Bühnengur Albin – dem Star des «La cage aux folles», des Kägs vol-ler Narren, mit dem er seit Januar im Bern-hardtheater auftritt.Erich, im Anschluss an den Applaus nach der Premiere von «Ein Käfig voller Narren» hast du auf der Bühne eine kurze Ansprache gehalten, die mich nachdenklich gestimmt hat. Dabei ging es um deine Fingernägel.Das war so: In der Vorbereitung gab es Stim-men, die fanden: Braucht es denn dieses Stück noch? Für einen eaterschaenden ist das ja an sich schon eine seltsame Frage, ob es ein Stück noch brauche…Heteros fragen so etwas, weil die Geschichte vom Schwulsein handelt.Ja, Jean Poiret hat das Stück vor 50 Jahren geschrieben, Ende der 70er-Jahre wurde es in Frankreich verlmt. Vor zwölf Jahren ha-ben wir bereits einmal die Musical-Version davon gespielt. Ich trug also schon vor zwölf Jahren während der Spielzeit diese langen Fingernägel, auch privat. Damals haben die Leute zwar auch auf meine Finger gestarrt, aber gut schweizerisch: hinschauen und dann schnell wegschauen. Heute ist es an-ders. Heute hören Leute im Tram nicht mehr auf zu starren. Und ich spüre, meine Nägel bauen Aggressionen in ihnen auf. Die Leute werden aggressiv, weil sie deine langen Fingernägel sehen?Die Nägel sind ein Zeichen von Anderssein. In einem Laden bin ich vom Personal oen ausgelacht worden, laut ausgelacht! Das ist nicht tragisch in meinem Fall. Ich bin ein Bilder © Spock Productions & Zürcher Märchenbühne, PAT WETTSTEIN – THE GARAGE«Gott ist ‹Liebe› und geht man von dieser Prämisse aus, passt ein diskriminierender Gott nicht dazu.» Nicole BecherDa haben die Maskenbildner*innen einiges zu tun: Auf der Bühne trägt man Schminke und hübsch Föhnwellen. In «Ein Käfig voller Narren» spielen Sie ein Paar, das bereits seit Jahrzehnten zusammen ist…BÜHNEEIN KLASSIKER IM BERNHARD THEATERVERFOLGUNGSTOLPERSTEINE FÜR HOMOSEXUELLEleicht durchgeknallter Schauspieler, am 29. April kommen die Fingernägel wieder weg. Aber wenn das meine Identität wäre! Heute laufen viele junge Männer mit angemal-ten Nägeln umher. Da würde man ja meinen, deine langen sollten nicht für Aufsehen sorgen.Vielleicht ist es wirklich auch die Mischung, ich bin jetzt nun mal ein alter Mann (lacht). Unser Stück handelt von Albin und Georges und ihrem Sohn. Vor allem aber ist es die Geschichte von Menschen, die anders leben als die Mehrheit der Gesellschaft. Und wie man mit ihnen umgeht. Und genau dieser Umgang mit Leuten, die oenkundig anders sind, ist nicht mehr so entspannt. Das macht mir Angst. Das wolltest du nach der Premiere zum Ausdruck bringen?Ja, denn wir albern hier nicht einfach her-um. Es liegt etwas in der Luft. Und wir sind dazu aufgerufen, diese Oenheit zu leben. Und uns selbst an der Nase nehmen. Wir müssen mehr Zivilcourage zeigen. Und sa-gen: Geht’s noch, mich auszulachen, nur weil ich lange Fingernägel trage? Machen Sie das bei allen, die nicht wie Sie aussehen? Du hast erwähnt, dass es auch unangenehmen Reaktionen auf Social Media gab.Ich bin ja kein Fan von Sozialen Medien. Aber dass jemand heute mit seinem Foto und seinem Namen hinsteht und schreibt: «Ich unterstütze keine Hinterlader» – da ➔ Dieser Umgang mit Leuten, die offenkundig anders sind, ist nicht mehr so entspannt. Das macht mir Angst.…und auch im richtigen Leben sind Hubert Spiess (links) und Erich Vock bereits seit über 30 Jahren liiert. Hündin Pata hingegen ist noch nicht so lange Teil der Familie.

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23CRUISER APRIL 202422CRUISER APRIL 2024BÜHNEEIN KLASSIKER IM BERNHARD THEATERfrage ich mich: Sind wir wieder so weit, dass man nicht mehr nur am Stammtisch tu-schelt? Herrscht tatsächlich wieder ein Kli-ma, in dem man öentlich so auftritt?Du hattest als junger Schauspieler dein Coming-out, als einer der ersten Prominen-ten. Könnte man sagen, die Leute haben den Volksschauspieler Erich Vock immer sehr geliebt, den Schwulen Erich Vock aber viel-leicht etwas weniger?Nein, das würde ich nicht so formulieren. Ich habe nie böse Briefe bekommen. Wenn mir heute in «Ein Käg voller Narren» ältere Herren, die mich sicher gerne als Heiri in der Kleinen Niederdorfoper sehen, mit wässrigen Augen zujubeln, dann ist das ein Zeichen für eine breite Akzeptanz. Mir hat aber sicher geholfen, dass ich Komiker bin und kein Frauenheld. Ich bin seit dreissig Jahren oen schwul, der Schauspieler und der schwule Mann sind in den Köpfen längst eins geworden.Dass sich also «Die Kleine Niederdorfoper» viel besser verkauft als «Ein Käfig voller Narren» liegt nicht am Stoff?Jean Poiret hat mit «La cage aux folles» ein wirklich grossartiges Stück geschrieben. Ich habe mich sehr damit befasst, auch mit dem französischen Original. Es ist eben nicht einfach nur eine Komödie, das Stück geht auch unter die Haut. Da hast du einen Rie-senlacher und der nächste Satz zielt ins Mark und im Publikum herrscht Totenstille. Es gibt Leute, die es nicht mögen, wenn sie sich mitgemeint fühlen. Ich glaube also nicht, dass das ema Schwulsein Leute da-von abhält, sich das Stück anzuschauen. Vielleicht mögen Sie es einfach nicht, wenn Unterhaltung unter die Haut geht.Es war ja eines der ersten Stücke, das eine schwule Geschichte auf sehr gute Art einem breiten Publikum serviert hat. Ja, und das vor 50 Jahren!In den 50 Jahren ist aber auch viel passiert. Wirkt es nicht etwas seltsam, wenn in eurem Stück ein Nationalrat vorkommt, der quasi Schwule verbieten will. Also wenn ich wie neulich den Aargauer Na-tionalrat Andreas Glarner höre, der beim ema Tabakwerbeverbot sagt «aber im Kindergarten dürfen die Kinder Drag-queens sehen», dann würde ich eigentlich einen Aufschrei im Parlament erwarten. Das zeigt doch, was noch immer in solchen Köpfen vorgeht.Ein paar Elemente im Stück habt ihr aber modernisiert. Zum Beispiel die Dienerrolle. Im Original ist die Figur ja, sagen wir, sehr exotisch.Ja, er gehört einer anderen Ethnie an und nennt seinen Chef einen Rassisten. Der Um-gang zwischen den beiden ist recht rau. Das würde man heute so nicht mehr goutieren. Also dachte ich, wie macht man das lustig, dass sich jemand wegen seiner Herkunft diskriminiert fühlt? Also kommt der Diener bei uns aus einem Bergkanton. Wir sagen jetzt nicht, aus welchem, aber die Figur ist hinreissend. Thema Beziehung: Hubert Spiess und du seid seit über 30 Jahren nicht nur ein Paar, ihr arbeitet auch sehr eng zusammen. Wie hält das eine Ehe aus?Unser grosses Glück ist, dass sich hier zwei begegnet sind, die das beide gernhaben. Wir ticken extrem ähnlich, etwa was die Be-Wo Hass seine Fratze offen zeigt, wird er zur ansteckenden Krankheit, frisst sich ins Fühlen und Denken und macht aus Menschen einseitige Follower, blinde Sklaven jenes Trends, der Hass transportiert.VERFOLGUNGSTOLPERSTEINE FÜR HOMOSEXUELLEANZEIGEgegnung mit anderen Leuten betrit. Ich muss Hubert nicht mal anschauen, um zu wissen, was er denkt. Und ja, es gibt natür-lich auch Konikte. Die muss man anspre-chen, man darf nicht so tun, als ob es sie nicht gäbe. Eine gewisse Arbeitsteilung besteht. Du bist das Aushängeschild. Hubert kennt man weni-ger gut. Hätte er es lieber umgekehrt gehabt, oder ist es ihm so eigentlich ganz recht?Ich glaube, eher Zweiteres (lacht). Ich war schon Erich Vock, als ich Hubert kennenge-lernt habe. Ich hatte recht früh eine gewisse Bekanntheit. Ich war in unserer Firma das Aromat, also das Produkt, das sich am bes-ten verkauft. Er ist ja auch Schauspieler, und natürlich hätte er auch nicht Nein gesagt, wenn was der Geier mit seiner Karriere pas-siert wäre. Aber wäre er neidisch auf meine grössere Bekanntheit gewesen, dann wäre die Beziehung sicher schnell zerbrochen.Ihr habt euren Rückzug aus der Theaterwelt schon lange angekündigt. Ja, am 9. Februar 2025 ist die letzte Vorstel-lung.Und was wird danach aus euch beiden?Dann bleiben wir hoentlich gesund und können das Geld ausgeben, das wir verdient haben. Das Leben geniessen. So vieles ma-chen, für das wir nie Zeit hatten. Die letzten 15 Jahre waren ein extrem enges Korsett. Auch wenn wir hier in Zürich waren, konn-ten wir kaum Freunde sehen. Die beiden Zürcher Bühnen, die in eurer Lauf-bahn die grösste Rolle gespielt haben, sind das Theater am Hechtplatz und das Bernhard Theater. Die Zukunft des Bernhardtheaters ist ungewiss. War euer Entschluss aufzuhören, gutes Timing?Nein, überhaupt nicht! Aber ich nde, das Pu-blikum muss sich fürs Bernhard eater weh-ren. Es ist die Wiege der gesamten deutsch-schweizerischen Unterhaltung. Es hätte ohne Bernhardtheater keinen Emil gegeben. Emil ist ein gutes Stichwort, der tritt ja mit über 90 noch auf. Wie gross ist das Risiko, dass du in 30 Jahren doch wieder auf der Bühne stehst?Ich habe das als junger Schauspieler oft-mals erlebt. Wenn ein kraftvoller Akteur zu lange weitermacht, und immer weniger wird. Man denkt: Es wäre doch gescheiter aufzuhören. Aber ich sage nicht, dass ich nie und nimmer zurückkehrte. Ich sage ein-fach: Ich kann es mir nicht vorstellen. Noch bis Ende April im Bernhard TheaterErich Vock, Hubert Spiess und Ensemble spielen noch bis 29. April im Zürcher Bernhard Theater Jean Poirets «Ein Käfig voller Narren», das Erich Vock auf Schweizerdeutsch übersetzt hat. www.kaefig-voller-narren.chIch finde, das Publikum muss sich fürs Bernhard Theater wehren. Es ist die Wiege der gesamten deutschschweizeri-schen Unterhaltung.Vor über 50 Jahren schrieb der Franzose die Komödie über den exzentrischen Dragkünstler Albin und seinen geschäftstüchtigen Mann Georges.Bild © Spock Productions & Zürcher Märchenbühne, PAT WETTSTEIN – THE GARAGEGUTE UNTERHALTUNG Regie Dominik Flaschkashakecompany.chZVV-TICKET INKL!Hin- und Rückfahrt in der ZVV-Zone110 ist im Eintrittsticket inbegriffen.Jetzt auf der Comedy Bühne WEISSER WIND ZürichEin kabarettistischer Hüttenkoller auf dem Jakobsweg8. Mai bis 16. Juni 2024BERNHARD THEATER ZürichDie ultimative Kneipen-Show mit Hits von ABBA bis ZUCCHERO!

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23CRUISER APRIL 202422CRUISER APRIL 2024BÜHNEEIN KLASSIKER IM BERNHARD THEATERfrage ich mich: Sind wir wieder so weit, dass man nicht mehr nur am Stammtisch tu-schelt? Herrscht tatsächlich wieder ein Kli-ma, in dem man öentlich so auftritt?Du hattest als junger Schauspieler dein Coming-out, als einer der ersten Prominen-ten. Könnte man sagen, die Leute haben den Volksschauspieler Erich Vock immer sehr geliebt, den Schwulen Erich Vock aber viel-leicht etwas weniger?Nein, das würde ich nicht so formulieren. Ich habe nie böse Briefe bekommen. Wenn mir heute in «Ein Käg voller Narren» ältere Herren, die mich sicher gerne als Heiri in der Kleinen Niederdorfoper sehen, mit wässrigen Augen zujubeln, dann ist das ein Zeichen für eine breite Akzeptanz. Mir hat aber sicher geholfen, dass ich Komiker bin und kein Frauenheld. Ich bin seit dreissig Jahren oen schwul, der Schauspieler und der schwule Mann sind in den Köpfen längst eins geworden.Dass sich also «Die Kleine Niederdorfoper» viel besser verkauft als «Ein Käfig voller Narren» liegt nicht am Stoff?Jean Poiret hat mit «La cage aux folles» ein wirklich grossartiges Stück geschrieben. Ich habe mich sehr damit befasst, auch mit dem französischen Original. Es ist eben nicht einfach nur eine Komödie, das Stück geht auch unter die Haut. Da hast du einen Rie-senlacher und der nächste Satz zielt ins Mark und im Publikum herrscht Totenstille. Es gibt Leute, die es nicht mögen, wenn sie sich mitgemeint fühlen. Ich glaube also nicht, dass das ema Schwulsein Leute da-von abhält, sich das Stück anzuschauen. Vielleicht mögen Sie es einfach nicht, wenn Unterhaltung unter die Haut geht.Es war ja eines der ersten Stücke, das eine schwule Geschichte auf sehr gute Art einem breiten Publikum serviert hat. Ja, und das vor 50 Jahren!In den 50 Jahren ist aber auch viel passiert. Wirkt es nicht etwas seltsam, wenn in eurem Stück ein Nationalrat vorkommt, der quasi Schwule verbieten will. Also wenn ich wie neulich den Aargauer Na-tionalrat Andreas Glarner höre, der beim ema Tabakwerbeverbot sagt «aber im Kindergarten dürfen die Kinder Drag-queens sehen», dann würde ich eigentlich einen Aufschrei im Parlament erwarten. Das zeigt doch, was noch immer in solchen Köpfen vorgeht.Ein paar Elemente im Stück habt ihr aber modernisiert. Zum Beispiel die Dienerrolle. Im Original ist die Figur ja, sagen wir, sehr exotisch.Ja, er gehört einer anderen Ethnie an und nennt seinen Chef einen Rassisten. Der Um-gang zwischen den beiden ist recht rau. Das würde man heute so nicht mehr goutieren. Also dachte ich, wie macht man das lustig, dass sich jemand wegen seiner Herkunft diskriminiert fühlt? Also kommt der Diener bei uns aus einem Bergkanton. Wir sagen jetzt nicht, aus welchem, aber die Figur ist hinreissend. Thema Beziehung: Hubert Spiess und du seid seit über 30 Jahren nicht nur ein Paar, ihr arbeitet auch sehr eng zusammen. Wie hält das eine Ehe aus?Unser grosses Glück ist, dass sich hier zwei begegnet sind, die das beide gernhaben. Wir ticken extrem ähnlich, etwa was die Be-Wo Hass seine Fratze offen zeigt, wird er zur ansteckenden Krankheit, frisst sich ins Fühlen und Denken und macht aus Menschen einseitige Follower, blinde Sklaven jenes Trends, der Hass transportiert.VERFOLGUNGSTOLPERSTEINE FÜR HOMOSEXUELLEANZEIGEgegnung mit anderen Leuten betrit. Ich muss Hubert nicht mal anschauen, um zu wissen, was er denkt. Und ja, es gibt natür-lich auch Konikte. Die muss man anspre-chen, man darf nicht so tun, als ob es sie nicht gäbe. Eine gewisse Arbeitsteilung besteht. Du bist das Aushängeschild. Hubert kennt man weni-ger gut. Hätte er es lieber umgekehrt gehabt, oder ist es ihm so eigentlich ganz recht?Ich glaube, eher Zweiteres (lacht). Ich war schon Erich Vock, als ich Hubert kennenge-lernt habe. Ich hatte recht früh eine gewisse Bekanntheit. Ich war in unserer Firma das Aromat, also das Produkt, das sich am bes-ten verkauft. Er ist ja auch Schauspieler, und natürlich hätte er auch nicht Nein gesagt, wenn was der Geier mit seiner Karriere pas-siert wäre. Aber wäre er neidisch auf meine grössere Bekanntheit gewesen, dann wäre die Beziehung sicher schnell zerbrochen.Ihr habt euren Rückzug aus der Theaterwelt schon lange angekündigt. Ja, am 9. Februar 2025 ist die letzte Vorstel-lung.Und was wird danach aus euch beiden?Dann bleiben wir hoentlich gesund und können das Geld ausgeben, das wir verdient haben. Das Leben geniessen. So vieles ma-chen, für das wir nie Zeit hatten. Die letzten 15 Jahre waren ein extrem enges Korsett. Auch wenn wir hier in Zürich waren, konn-ten wir kaum Freunde sehen. Die beiden Zürcher Bühnen, die in eurer Lauf-bahn die grösste Rolle gespielt haben, sind das Theater am Hechtplatz und das Bernhard Theater. Die Zukunft des Bernhardtheaters ist ungewiss. War euer Entschluss aufzuhören, gutes Timing?Nein, überhaupt nicht! Aber ich nde, das Pu-blikum muss sich fürs Bernhard eater weh-ren. Es ist die Wiege der gesamten deutsch-schweizerischen Unterhaltung. Es hätte ohne Bernhardtheater keinen Emil gegeben. Emil ist ein gutes Stichwort, der tritt ja mit über 90 noch auf. Wie gross ist das Risiko, dass du in 30 Jahren doch wieder auf der Bühne stehst?Ich habe das als junger Schauspieler oft-mals erlebt. Wenn ein kraftvoller Akteur zu lange weitermacht, und immer weniger wird. Man denkt: Es wäre doch gescheiter aufzuhören. Aber ich sage nicht, dass ich nie und nimmer zurückkehrte. Ich sage ein-fach: Ich kann es mir nicht vorstellen. Noch bis Ende April im Bernhard TheaterErich Vock, Hubert Spiess und Ensemble spielen noch bis 29. April im Zürcher Bernhard Theater Jean Poirets «Ein Käfig voller Narren», das Erich Vock auf Schweizerdeutsch übersetzt hat. www.kaefig-voller-narren.chIch finde, das Publikum muss sich fürs Bernhard Theater wehren. Es ist die Wiege der gesamten deutschschweizeri-schen Unterhaltung.Vor über 50 Jahren schrieb der Franzose die Komödie über den exzentrischen Dragkünstler Albin und seinen geschäftstüchtigen Mann Georges.Bild © Spock Productions & Zürcher Märchenbühne, PAT WETTSTEIN – THE GARAGEGUTE UNTERHALTUNG Regie Dominik Flaschkashakecompany.chZVV-TICKET INKL!Hin- und Rückfahrt in der ZVV-Zone110 ist im Eintrittsticket inbegriffen.Jetzt auf der Comedy Bühne WEISSER WIND ZürichEin kabarettistischer Hüttenkoller auf dem Jakobsweg8. Mai bis 16. Juni 2024BERNHARD THEATER ZürichDie ultimative Kneipen-Show mit Hits von ABBA bis ZUCCHERO!

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24CRUISER APRIL 2024KOLUMNEMICHI RÜEGGUm Michi Rüegg herum entstehen Kinder. Doch statt sie Kinder sein zu lassen, erleiden die armen Neugeborenen umgehend eine Geschlechtsproklamation.VON MICHI RÜEGGEs gab eine Phase in meinem Leben, da verbrachte ich viel Zeit an Hoch-zeiten. Rundherum wurde geheiratet und damals wusste ich noch nicht, dass man mich in der Regel nur aus Höichkeit einlud. Also ging ich hin und tat mir allerlei grauenvolle Spiele, Apéros mit minderwer-tigen Traubenerzeugnissen und kirchliche Predigten an.Vor ein paar Jahren kriegten die letz-ten meiner langjährigen Freundinnen kurz vor der Menopause noch ihre Babys. Seither war’s an der Front eher ruhig. Seit ein paar Monaten wird um mich herum wieder geboren, als müsste man die Covid-Toten kompensieren. Arbeitskolleginnen, Schwä-gerinnen, Schwippschwägerinnen, Freun-dinnen meines Gatten. Alles gebärt. An sich ist das ja erfreulich, zumindest für meinen Mann und mich. Wir müssen nicht mehr die ganze Zeit an irgendwelche Feten ren-nen, die Leute sind mit ihrem Nachwuchs beschäftigt.Und altersmilde, wie ich nun einmal bin, kann ich mittlerweile sogar besser mit Neugeborenen. Neulich fand ich so einen kleinen Wurm ganz lustig, nachdem ihn mir ein Elternteil ungefragt in die Hand ge-drückt hatte.Eines jedoch irritiert mich ohneglei-chen: Sobald so ein Kind auf der Welt ist, ist es nicht mehr Kind. Sondern sofort ein BUB oder ein MEITLI. Und mit dieser Zuordnung wird es für den Rest seines Lebens strikt ka-tegorisiert. Wer ein Geschenk kaufen möch-te, erhält sofort den Geschlechtslter ins Hirn implantiert. Es heisst nun «sie» oder «er». Als ob die Kindheit mit der Geburt be-reits vorbei wäre und das Baby bereits eine gesellschaftliche Rolle einzunehmen hätte.Dabei sind die ersten Monate genau diejenige Zeit, in der es kackegal ist, wie die Genitalien eines Babys aussehen. Solange man nicht gerade die Windeln wechselt, sieht man ihm nicht an, was mal aus ihm wird. Wieso also legen alle gerade in dieser Anfangsphase solchen Wert auf die Beto-nung des Geschlechts? «Das Kind ist da.» «Und, und, was ist es denn nun, was ist es? Was? Was? Was?»Da denken wir Gen-X-Menschen mit Wehmut an die alten Loriot-Sketches, als Opa Hoppenstedt im Spielwarenladen ein Geschenk für sein Enkelkind Dicki kaufen wollte. «Ja hat es denn ein Zipfelchen?», will die Verkäuferin wissen. Der entnervte Grossvater grunzt zur Antwort: «Das Kind hat alles, was es braucht.» Auch nach diver-sen Episoden von Hoppenstedts Familien-leben wusste man als Zuschauer*in noch immer nicht, ob Dicki nun ein Mädchen oder ein Junge war. Und Dicki muss be-stimmt schon acht Jahre alt gewesen sein.Da hat also vor fast fünf Jahrzehnten schon ein Humorist den eigentlichen Gen-derwahn der Gesellschaft enttarnt, nämlich das krankhafte Verlangen nach geschlecht-licher Einordnung. Und 2024 sind wir noch immer kaum einen Schritt weiter.Wenigstens die Kinder selbst begreifen zu Beginn ihres Lebens noch nicht, dass sie bereits eingeordnet worden sind, in den staubigen Schrank des starren Denkens. Sie nässen fröhlich in die Windel und sind noch weit davon entfernt, die Vor- und Nachteile ihres Geschlechts kennenzulernen. Schade, dass wir ihnen diese Zeit nicht einfach las-sen. Und bevor ich jetzt schon wieder öent-lich gesteinigt werde: Natürlich dürfen diese Kinder zu Mädchen und Jungs heranwach-sen. Aber lasst sie das doch selber herausn-den, statt es ihnen von Tag eins an ins Ge-sicht zu schreien.Dicki Hoppenstedt war übrigens entge-gen allen landläugen Annahmen ein soge-nanntes «Mädchen». Loriot liess es als Frau kurz an seinem 80. Geburtstag erscheinen. Eine späte Rache an allen, die in dem kurz-haarigen, Latzhosen tragenden Nachwuchs ganz selbstverständlich den Jungen sahen. Hat es denn ein Zipfelchen?Bevor ich jetzt schon wieder öffentlich gesteinigt werde: Natürlich dürfen diese Kinder zu Mädchen und Jungs heran-wachsen. Aber lasst sie das doch selber herausfinden, statt es ihnen von Tag eins an ins Gesicht zu schreien.Danya Care GmbH, Badenerstrasse 621, 8048 Zürich, Telefon: +41 (0)44 401 04 07, Mobil: +41 (0)76 393 48 48 Wir vermitteln und beraten Fachleute. Wir unterstützen Sie, damit Ihnen die richtige Wahl leichter fällt. Wir paaren in unserer Tätigkeit Erfahrung, Wissen, Methodik und soziale Kompetenz. Wir setzen uns für Ihre Interessen ein und streben langfristige Partnerschaften an. Wir garantieren absolute Diskretion. Kurzum: Wir sind die geeignete Stellen- vermittlung für Ihren Wunschjob.Für unsere Kunden in der Langzeitpege (mehrere Häuser in der Stadt und im Kanton Zürich) sind wir auf der Suche nach motivierten und qualizierten Fach-kräften. 80 % – 100 % Dipl. Pegefachperson HF/AKP/DNII Fachpersonen Gesundheit (FaGe)Ihre Hauptaufgaben sind: Professionelle Pege und Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner. Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit sämtlichen in der Betreuung und Pege eingebundenen Stellen.Sie verfügen über: Eine abgeschlossene Diplomausbildung HF, DNII, AKP, FaGe Belastbarkeit, Flexibilität, Teamfähigkeit Berufserfahrung in der Geriatrie- und Lang-zeitpege PC-Anwenderkenntnisse Wir bieten: Zuverlässige(r) und attraktive(r) Arbeitgeber Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten 5 Wochen FerienFühlen Sie sich angesprochen? Dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung!Ihre vollständige Bewerbung mailen Sie bitte an: info@danyacare.chDie Vermittlungs- spezialisten für Pegefachpersonal Danya CareDanya CareANZEIGE

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24CRUISER APRIL 2024KOLUMNEMICHI RÜEGGUm Michi Rüegg herum entstehen Kinder. Doch statt sie Kinder sein zu lassen, erleiden die armen Neugeborenen umgehend eine Geschlechtsproklamation.VON MICHI RÜEGGEs gab eine Phase in meinem Leben, da verbrachte ich viel Zeit an Hoch-zeiten. Rundherum wurde geheiratet und damals wusste ich noch nicht, dass man mich in der Regel nur aus Höichkeit einlud. Also ging ich hin und tat mir allerlei grauenvolle Spiele, Apéros mit minderwer-tigen Traubenerzeugnissen und kirchliche Predigten an.Vor ein paar Jahren kriegten die letz-ten meiner langjährigen Freundinnen kurz vor der Menopause noch ihre Babys. Seither war’s an der Front eher ruhig. Seit ein paar Monaten wird um mich herum wieder geboren, als müsste man die Covid-Toten kompensieren. Arbeitskolleginnen, Schwä-gerinnen, Schwippschwägerinnen, Freun-dinnen meines Gatten. Alles gebärt. An sich ist das ja erfreulich, zumindest für meinen Mann und mich. Wir müssen nicht mehr die ganze Zeit an irgendwelche Feten ren-nen, die Leute sind mit ihrem Nachwuchs beschäftigt.Und altersmilde, wie ich nun einmal bin, kann ich mittlerweile sogar besser mit Neugeborenen. Neulich fand ich so einen kleinen Wurm ganz lustig, nachdem ihn mir ein Elternteil ungefragt in die Hand ge-drückt hatte.Eines jedoch irritiert mich ohneglei-chen: Sobald so ein Kind auf der Welt ist, ist es nicht mehr Kind. Sondern sofort ein BUB oder ein MEITLI. Und mit dieser Zuordnung wird es für den Rest seines Lebens strikt ka-tegorisiert. Wer ein Geschenk kaufen möch-te, erhält sofort den Geschlechtslter ins Hirn implantiert. Es heisst nun «sie» oder «er». Als ob die Kindheit mit der Geburt be-reits vorbei wäre und das Baby bereits eine gesellschaftliche Rolle einzunehmen hätte.Dabei sind die ersten Monate genau diejenige Zeit, in der es kackegal ist, wie die Genitalien eines Babys aussehen. Solange man nicht gerade die Windeln wechselt, sieht man ihm nicht an, was mal aus ihm wird. Wieso also legen alle gerade in dieser Anfangsphase solchen Wert auf die Beto-nung des Geschlechts? «Das Kind ist da.» «Und, und, was ist es denn nun, was ist es? Was? Was? Was?»Da denken wir Gen-X-Menschen mit Wehmut an die alten Loriot-Sketches, als Opa Hoppenstedt im Spielwarenladen ein Geschenk für sein Enkelkind Dicki kaufen wollte. «Ja hat es denn ein Zipfelchen?», will die Verkäuferin wissen. Der entnervte Grossvater grunzt zur Antwort: «Das Kind hat alles, was es braucht.» Auch nach diver-sen Episoden von Hoppenstedts Familien-leben wusste man als Zuschauer*in noch immer nicht, ob Dicki nun ein Mädchen oder ein Junge war. Und Dicki muss be-stimmt schon acht Jahre alt gewesen sein.Da hat also vor fast fünf Jahrzehnten schon ein Humorist den eigentlichen Gen-derwahn der Gesellschaft enttarnt, nämlich das krankhafte Verlangen nach geschlecht-licher Einordnung. Und 2024 sind wir noch immer kaum einen Schritt weiter.Wenigstens die Kinder selbst begreifen zu Beginn ihres Lebens noch nicht, dass sie bereits eingeordnet worden sind, in den staubigen Schrank des starren Denkens. Sie nässen fröhlich in die Windel und sind noch weit davon entfernt, die Vor- und Nachteile ihres Geschlechts kennenzulernen. Schade, dass wir ihnen diese Zeit nicht einfach las-sen. Und bevor ich jetzt schon wieder öent-lich gesteinigt werde: Natürlich dürfen diese Kinder zu Mädchen und Jungs heranwach-sen. Aber lasst sie das doch selber herausn-den, statt es ihnen von Tag eins an ins Ge-sicht zu schreien.Dicki Hoppenstedt war übrigens entge-gen allen landläugen Annahmen ein soge-nanntes «Mädchen». Loriot liess es als Frau kurz an seinem 80. Geburtstag erscheinen. Eine späte Rache an allen, die in dem kurz-haarigen, Latzhosen tragenden Nachwuchs ganz selbstverständlich den Jungen sahen. Hat es denn ein Zipfelchen?Bevor ich jetzt schon wieder öffentlich gesteinigt werde: Natürlich dürfen diese Kinder zu Mädchen und Jungs heran-wachsen. Aber lasst sie das doch selber herausfinden, statt es ihnen von Tag eins an ins Gesicht zu schreien.Danya Care GmbH, Badenerstrasse 621, 8048 Zürich, Telefon: +41 (0)44 401 04 07, Mobil: +41 (0)76 393 48 48 Wir vermitteln und beraten Fachleute. Wir unterstützen Sie, damit Ihnen die richtige Wahl leichter fällt. Wir paaren in unserer Tätigkeit Erfahrung, Wissen, Methodik und soziale Kompetenz. Wir setzen uns für Ihre Interessen ein und streben langfristige Partnerschaften an. Wir garantieren absolute Diskretion. Kurzum: Wir sind die geeignete Stellen- vermittlung für Ihren Wunschjob.Für unsere Kunden in der Langzeitpege (mehrere Häuser in der Stadt und im Kanton Zürich) sind wir auf der Suche nach motivierten und qualizierten Fach-kräften. 80 % – 100 % Dipl. Pegefachperson HF/AKP/DNII Fachpersonen Gesundheit (FaGe)Ihre Hauptaufgaben sind: Professionelle Pege und Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner. Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit sämtlichen in der Betreuung und Pege eingebundenen Stellen.Sie verfügen über: Eine abgeschlossene Diplomausbildung HF, DNII, AKP, FaGe Belastbarkeit, Flexibilität, Teamfähigkeit Berufserfahrung in der Geriatrie- und Lang-zeitpege PC-Anwenderkenntnisse Wir bieten: Zuverlässige(r) und attraktive(r) Arbeitgeber Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten 5 Wochen FerienFühlen Sie sich angesprochen? Dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung!Ihre vollständige Bewerbung mailen Sie bitte an: info@danyacare.chDie Vermittlungs- spezialisten für Pegefachpersonal Danya CareDanya CareANZEIGE

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26 27CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024KULTURBUCHTIPPKULTURBUCHTIPPVincent van Gogh kennt jede*r, sein Bruder Theo ist auch vielen ein Begriff, aber wem sagt seine Frau etwas? Simone Meier setzt ihr ein beachtenswertes Denkmal.Simone Meier, geboren 1970, ist Autorin und Jour-nalistin. Nach einem Studium der Germanistik, Amerikanistik und Kunstgeschichte arbeitet sie als Kulturredakteurin, erst bei der Wochenzeitung, dann beim Tages-Anzeiger, seit 2014 bei watson. 2020 und 2022 wurde sie zur «Kulturjournalistin des Jahres» gewählt. Simone Meier lebt in Zürich.ANZEIGEDas Leben mit den van GoghsBuchtippAprilKomödie von JEAN POIRETDialektbearbeitung & Regie: ERICH VOCKBühnenbild: RENÉ ANDER-HUBER Kostüme: LILLI KRAKENBERGER | Maske: DORIS LOHMANN KUNZVINCENZO BIAGI, DANIEL BILL, ADRIAN BURRI, RAMONA FATTINI, ELISABETH GRAF, THOMAS MEIENBERG, CHRISTIAN MENZI, PHILIPPE ROUSSEL, NICO SAVARY BAHL, GABRIELA STEINMANN, ERICH STREBELHUBERTSPIESSERICHVOCKLa Cage La Cage aux folles aux follesBERNHARDTHEATERZÜRICHTICKETS:TELEFON 044 268 66 99 BERNHARDTHEATER.CH EINE PRODUKTION VON SPOCK PRODUCTIONS GMBH | WWW.KAEFIGVOLLERNARREN.CHspock productionsMEDIENPARTNERprojektform.chberührendbegeisterndumwerfend komischZVV-TICKET INKL!Hin- und Rückfahrt in der ZVV-Zone110 ist im Eintrittsticket inbegriffen.18. JANUAR  28. APRIL 2024VON BIRGIT KAWOHLDas Magazin «Schweizer Journa-list:in», Ausgabe 06/23, kürte letz-tens Simone Meier zur zweitbesten Schweizer Journalistin in der Kategorie Ge-sellschaft. Und das zu Recht, wenn man sich an diverse pointierte Kolumnen und Rezen-sionen auf Watson.ch erinnert. Hier nur ein paar Beispiele, bei denen die Titel schon ah-nen lassen, dass man als Leser*in hier mehr als ein paar hohle Fakten erwarten darf: «Kettenraucherin & Künstlerin mit Job bei Netix: Dänemarks edgy Königin Margre-the» oder auch «Leute, das ist die sinnloseste Sendung, seit es TV gibt» (es ging um den Bachelor, dessen ausgewiesene Kennerin Si-mone Meier ist – was übrigens auch für wei-tere Formate aus dem Bereich Trash-TV gilt). Dabei ist ihre Stärke nicht nur der geschlie-ne Stil und die Fachkenntnis, sondern auch ihre klare Positionierung gegen Ausgren-zung, Intoleranz und Verunglimpfung (es sei denn, es geht um Dumpfbacken, aber da ist das sowieso legitim), womit Simone Meier oftmals zu einer Botschafterin quee-rer Anliegen wird. Eine Frau steht im MittelpunktNun ist also ihr fünfter Roman bei Kein & Aber erschienen und im Unterschied zu den drei Vorgängern beim Zürcher Literaturver-lag geht es dieses Mal im Kern nicht um Le-ben und Lieben von Städtern in diversen Facetten, nein, Simone Meier hat sich ein historisch-gesellschaftliches ema vorge-nommen, das auch kunstgeschichtliche Anklänge hat: Betrachtet werden die Brü-der Vincent und eo van Gogh. Im Unter-schied zu kunsthistorischen Aufarbeitun-gen besetzen der kongeniale Künstler und sein hilfsbereiter Bruder bei Simone Meier allerdings nur die Nebenrollen. Im Mittel-punkt steht bei ihr eos Frau Johanna van Gogh-Bonger – eine Frau von grosser In-telligenz mit eigenem Kopf, die nicht ein-fach «die Frau an der Seite von» sein wollte und konnte. Insgesamt, so viel sei schon einmal vorweggesagt, ist Meier mit diesem im Februar erschienenen Roman «Die Ent-ammten» ein grossartiges Bild eines Teils der Gesellschaft Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts gelungen.Verwoben wird die in der Vergangen-heit vor allem in den Niederlanden und Pa-ris spielende Geschichte mit der Gegenwart. Hier hat sich die Studentin der Kunstge-schichte Gina, Tochter eines einst erfolgrei-chen, dann aber fast vergessenen Autors, ein Hausarbeitsthema zu van Gogh ausge-sucht und taucht in die Vergangenheit ein. Vergangenheit und Gegenwart als zwei Seiten einer MedailleJetzt mag man meinen, dass diese Konstel-lation mit einer Rahmenhandlung in der Gegenwart und der in der Vergangenheit liegenden Binnenhandlung arg gekünstelt und gewollt daherkommt. Man fragt sich vielleicht auch, ob diese zweite Ebene in der Gegenwart überhaupt notwendig ist. Doch spätestens ab Mitte des Romans merkt man, dass die beiden Bereiche nicht einfach ne-beneinanderstehen, vielmehr korrespon-dieren sie miteinander, so wie auch auf dem Cover das altbekannte Bild der van Gogh’schen Sonnenblume in etwas ande-rem aufgeht und so zu etwas Neuem wird. Immer wieder wird die Vergangenheit als Spiegelbild der Gegenwart – und umge-kehrt – eingefangen. Das liegt unter ande-rem daran, dass auf beiden Ebenen die grossen emen unser aller Leben ange-sprochen werden: Liebe, Vergänglichkeit, Tod. Das mag nun erst einmal platt wirken nach dem Motto: Geht es nicht in 95 % aller Romane irgendwie um Liebe und Tod? Ja, schon, aber ... Simone Meier gelingt es, die-sen Standardthemen einen neuen Klang zu geben, indem sie die Leser*innen tief in die damalige Welt eintauchen lässt und diese teilweise so plastisch beschreibt, dass zarter besaitete Seelen eventuell kurz vor dem Er-brechen sind, z. B. wenn die arme Johanna auf der Suche einer Erklärung für die Er-krankung ihres Mannes in die Welt der Pariser Nutten eintaucht, die von Syphilis beherrscht ist. Nicht umsonst wird die Er-krankung im 19. Jahrhundert auch als «Lustseuche» bezeichnet. Syphilis und AIDS – die «Lustseuchen» verschiedener JahrhunderteAuch an dieser Stelle kann man, ohne dass dies im Roman thematisiert wird, gut eine Verbindung zum 20. Jahrhundert ziehen, in der mit AIDS eine neue «Lustseuche» auf der Bildäche auftauchte. Ähnlich wie den Nutten und den (meist) durch diese In-zierten ging es auch vor allem den frühen AIDS-Patient*innen. Zu der ausweglosen Dia gnose, die bei Syphilis zunächst mit fürchterlichen körperlichen Entstellungen einherging, die Meier übrigens detailliert beschreibt, bevor die Krankheit Einuss auf das zentrale Nervensystem nahm, kam die nahezu automatische Ausgrenzung. Beide Erkrankungen hatten den Makel, mit uner-wünschter Sexualität verbunden zu sein, war es bei Syphilis der Gang zur Prostituier-ten, war es bei AIDS Homosexualität, die lange Zeit als einzige Möglichkeit der An-steckung gesehen wurde. Johanna will verstehen, was mit ihrem Mann passiert und schwankt zwischen Wut auf seine Schuld, denn schliesslich hätte er die Krankheit auch an Frau und Kind wei-tergeben können, und der weiterhin beste-henden Liebe, die auch an dieser Belastung nicht zerbricht. eo ist für sie, die durch-aus andere Männer vor und nach ihrer Ehe mit eo hatte, die «Lebensliebe», ebenso wie in der Rahmenhandlung Ginas Vater ihre Mutter als seine Lebensliebe sieht, ob-wohl die Ehe nicht gehalten hat. Der Roman zeichnet ein grosses Pano-rama, bei dem auch aktuelle emen wie die Angrie der Klimaaktivist*innen auf Gemälde aufgegrien werden (an dieser Stelle positioniert sich Meier gewohnt klar und deutlich), aber auch vielleicht nicht ganz so notwendige Abschweifungen wie z. B. zu der Spionin Mata Hari vorgenommen werden, was den Roman als Ganzes jedoch nicht weniger gelungen macht. BUCHTIPPSimone Meier: Die Entflammten. Verlag Kein & Aber 2024.Preis CHF 29.90 ISBN 978-3-0369-5029-7Liebe, Vergänglichkeit, Tod – Simone Meier gelingt es, diesen Standardthemen einen neuen Klang zu geben, indem sie die Leser*innen tief in die damalige Welt eintauchen lässt.Bild © CreativeCommons

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26 27CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024KULTURBUCHTIPPKULTURBUCHTIPPVincent van Gogh kennt jede*r, sein Bruder Theo ist auch vielen ein Begriff, aber wem sagt seine Frau etwas? Simone Meier setzt ihr ein beachtenswertes Denkmal.Simone Meier, geboren 1970, ist Autorin und Jour-nalistin. Nach einem Studium der Germanistik, Amerikanistik und Kunstgeschichte arbeitet sie als Kulturredakteurin, erst bei der Wochenzeitung, dann beim Tages-Anzeiger, seit 2014 bei watson. 2020 und 2022 wurde sie zur «Kulturjournalistin des Jahres» gewählt. Simone Meier lebt in Zürich.ANZEIGEDas Leben mit den van GoghsBuchtippAprilKomödie von JEAN POIRETDialektbearbeitung & Regie: ERICH VOCKBühnenbild: RENÉ ANDER-HUBER Kostüme: LILLI KRAKENBERGER | Maske: DORIS LOHMANN KUNZVINCENZO BIAGI, DANIEL BILL, ADRIAN BURRI, RAMONA FATTINI, ELISABETH GRAF, THOMAS MEIENBERG, CHRISTIAN MENZI, PHILIPPE ROUSSEL, NICO SAVARY BAHL, GABRIELA STEINMANN, ERICH STREBELHUBERTSPIESSERICHVOCKLa Cage La Cage aux folles aux follesBERNHARDTHEATERZÜRICHTICKETS:TELEFON 044 268 66 99 BERNHARDTHEATER.CH EINE PRODUKTION VON SPOCK PRODUCTIONS GMBH | WWW.KAEFIGVOLLERNARREN.CHspock productionsMEDIENPARTNERprojektform.chberührendbegeisterndumwerfend komischZVV-TICKET INKL!Hin- und Rückfahrt in der ZVV-Zone110 ist im Eintrittsticket inbegriffen.18. JANUAR  28. APRIL 2024VON BIRGIT KAWOHLDas Magazin «Schweizer Journa-list:in», Ausgabe 06/23, kürte letz-tens Simone Meier zur zweitbesten Schweizer Journalistin in der Kategorie Ge-sellschaft. Und das zu Recht, wenn man sich an diverse pointierte Kolumnen und Rezen-sionen auf Watson.ch erinnert. Hier nur ein paar Beispiele, bei denen die Titel schon ah-nen lassen, dass man als Leser*in hier mehr als ein paar hohle Fakten erwarten darf: «Kettenraucherin & Künstlerin mit Job bei Netix: Dänemarks edgy Königin Margre-the» oder auch «Leute, das ist die sinnloseste Sendung, seit es TV gibt» (es ging um den Bachelor, dessen ausgewiesene Kennerin Si-mone Meier ist – was übrigens auch für wei-tere Formate aus dem Bereich Trash-TV gilt). Dabei ist ihre Stärke nicht nur der geschlie-ne Stil und die Fachkenntnis, sondern auch ihre klare Positionierung gegen Ausgren-zung, Intoleranz und Verunglimpfung (es sei denn, es geht um Dumpfbacken, aber da ist das sowieso legitim), womit Simone Meier oftmals zu einer Botschafterin quee-rer Anliegen wird. Eine Frau steht im MittelpunktNun ist also ihr fünfter Roman bei Kein & Aber erschienen und im Unterschied zu den drei Vorgängern beim Zürcher Literaturver-lag geht es dieses Mal im Kern nicht um Le-ben und Lieben von Städtern in diversen Facetten, nein, Simone Meier hat sich ein historisch-gesellschaftliches ema vorge-nommen, das auch kunstgeschichtliche Anklänge hat: Betrachtet werden die Brü-der Vincent und eo van Gogh. Im Unter-schied zu kunsthistorischen Aufarbeitun-gen besetzen der kongeniale Künstler und sein hilfsbereiter Bruder bei Simone Meier allerdings nur die Nebenrollen. Im Mittel-punkt steht bei ihr eos Frau Johanna van Gogh-Bonger – eine Frau von grosser In-telligenz mit eigenem Kopf, die nicht ein-fach «die Frau an der Seite von» sein wollte und konnte. Insgesamt, so viel sei schon einmal vorweggesagt, ist Meier mit diesem im Februar erschienenen Roman «Die Ent-ammten» ein grossartiges Bild eines Teils der Gesellschaft Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts gelungen.Verwoben wird die in der Vergangen-heit vor allem in den Niederlanden und Pa-ris spielende Geschichte mit der Gegenwart. Hier hat sich die Studentin der Kunstge-schichte Gina, Tochter eines einst erfolgrei-chen, dann aber fast vergessenen Autors, ein Hausarbeitsthema zu van Gogh ausge-sucht und taucht in die Vergangenheit ein. Vergangenheit und Gegenwart als zwei Seiten einer MedailleJetzt mag man meinen, dass diese Konstel-lation mit einer Rahmenhandlung in der Gegenwart und der in der Vergangenheit liegenden Binnenhandlung arg gekünstelt und gewollt daherkommt. Man fragt sich vielleicht auch, ob diese zweite Ebene in der Gegenwart überhaupt notwendig ist. Doch spätestens ab Mitte des Romans merkt man, dass die beiden Bereiche nicht einfach ne-beneinanderstehen, vielmehr korrespon-dieren sie miteinander, so wie auch auf dem Cover das altbekannte Bild der van Gogh’schen Sonnenblume in etwas ande-rem aufgeht und so zu etwas Neuem wird. Immer wieder wird die Vergangenheit als Spiegelbild der Gegenwart – und umge-kehrt – eingefangen. Das liegt unter ande-rem daran, dass auf beiden Ebenen die grossen emen unser aller Leben ange-sprochen werden: Liebe, Vergänglichkeit, Tod. Das mag nun erst einmal platt wirken nach dem Motto: Geht es nicht in 95 % aller Romane irgendwie um Liebe und Tod? Ja, schon, aber ... Simone Meier gelingt es, die-sen Standardthemen einen neuen Klang zu geben, indem sie die Leser*innen tief in die damalige Welt eintauchen lässt und diese teilweise so plastisch beschreibt, dass zarter besaitete Seelen eventuell kurz vor dem Er-brechen sind, z. B. wenn die arme Johanna auf der Suche einer Erklärung für die Er-krankung ihres Mannes in die Welt der Pariser Nutten eintaucht, die von Syphilis beherrscht ist. Nicht umsonst wird die Er-krankung im 19. Jahrhundert auch als «Lustseuche» bezeichnet. Syphilis und AIDS – die «Lustseuchen» verschiedener JahrhunderteAuch an dieser Stelle kann man, ohne dass dies im Roman thematisiert wird, gut eine Verbindung zum 20. Jahrhundert ziehen, in der mit AIDS eine neue «Lustseuche» auf der Bildäche auftauchte. Ähnlich wie den Nutten und den (meist) durch diese In-zierten ging es auch vor allem den frühen AIDS-Patient*innen. Zu der ausweglosen Dia gnose, die bei Syphilis zunächst mit fürchterlichen körperlichen Entstellungen einherging, die Meier übrigens detailliert beschreibt, bevor die Krankheit Einuss auf das zentrale Nervensystem nahm, kam die nahezu automatische Ausgrenzung. Beide Erkrankungen hatten den Makel, mit uner-wünschter Sexualität verbunden zu sein, war es bei Syphilis der Gang zur Prostituier-ten, war es bei AIDS Homosexualität, die lange Zeit als einzige Möglichkeit der An-steckung gesehen wurde. Johanna will verstehen, was mit ihrem Mann passiert und schwankt zwischen Wut auf seine Schuld, denn schliesslich hätte er die Krankheit auch an Frau und Kind wei-tergeben können, und der weiterhin beste-henden Liebe, die auch an dieser Belastung nicht zerbricht. eo ist für sie, die durch-aus andere Männer vor und nach ihrer Ehe mit eo hatte, die «Lebensliebe», ebenso wie in der Rahmenhandlung Ginas Vater ihre Mutter als seine Lebensliebe sieht, ob-wohl die Ehe nicht gehalten hat. Der Roman zeichnet ein grosses Pano-rama, bei dem auch aktuelle emen wie die Angrie der Klimaaktivist*innen auf Gemälde aufgegrien werden (an dieser Stelle positioniert sich Meier gewohnt klar und deutlich), aber auch vielleicht nicht ganz so notwendige Abschweifungen wie z. B. zu der Spionin Mata Hari vorgenommen werden, was den Roman als Ganzes jedoch nicht weniger gelungen macht. BUCHTIPPSimone Meier: Die Entflammten. Verlag Kein & Aber 2024.Preis CHF 29.90 ISBN 978-3-0369-5029-7Liebe, Vergänglichkeit, Tod – Simone Meier gelingt es, diesen Standardthemen einen neuen Klang zu geben, indem sie die Leser*innen tief in die damalige Welt eintauchen lässt.Bild © CreativeCommons

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28 29CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024KULTURSCHAUSPIELHAUSKULTURSCHAUSPIELHAUSFeuer an den Fortschritt legen?VON VALERIA HEINTGES Nach über zweieinhalb Stunden ist die Inszenierung schon fast an ihr Ende gekommen. Da fragt Wiebke Mollen-hauer, in der Rolle der Nina, Benjamin Lillie, in der Rolle des Kostja, ob er hören will, was wirklich geschah zwischen dem Schriftsteller Trigorin und ihr. «Wenn du es erzählen willst», sagt Kostja. Darauf sie: «Ist ja egal, ob ich will oder nicht. Ist ja schliess-lich meine Rolle.»Schauen wir da in einen Spiegel? Nein, aber fast. Denn die Bühne von Katrin Nott-rodt für «Biedermann und die Brandstifter» am Pfauen in Zürich ist eine Erweiterung des Zuschauerraums. Auf den Stufen und an der Wand dieselbe altrosa Tapete mit dem geschlungenen Muster, dieselben Mi-nileuchter. Und für die beiden Live-Musiker Sebastian Vogel und omas Kürstner ein weisser, geschwungener, kleiner Rang, mit denselben goldenen Holzleisten, die auch die grossen Ränge im eigentlichen Zuschau-erraum zieren. Nur konsequent, dass es keinen Anfang gibt, sondern dass Dienstmädchen Anna schon beim Einlass mit ihrem Staubfeudel herumwedelt und über die schwere Aufgabe jammert: «Alles denkmalgeschützt, das ist so schwer zu reinigen!» Biedermann hat auch schon die dicke Zigarre im Mund und fragt in den Zuschauerraum hinein nach Feuer. Um sich dann direkt selbst zu zensie-ren: «Ach nein, das darf man ja jetzt nicht mehr. Nichts darf man mehr! Verdammte Brandstifter. Aufhängen sollte man sie.» Aber dieser Biedermann – hat der denn gar kein Rückgrat? Patrycia Ziólkows-ka hat zwar die Haare streng zurückgegelt und eine äusserst strenge, schwarzberän-derte Brille auf der Nase – aber ihr Körper ist weich wie Wachs, sie biegt sich nach links und nach rechts, schlängelt sich wie eine Schlange vor und zurück, wickelt sich bei-nahe um Dienstmädchen Anna. Und Bie-dermann schleppt doch tatsächlich auch selbst einen Benzinkanister auf die Bühne. Das sollte er nicht, das ist doch gefährlich! Das sehen auch Dienstmädchen Anna und Gattin Babette so, beide sehr nervös, weil doch die Brandstifter umgehen. Allerdings legt Dienstmädchen Anna ihre Scheu bald ab und ihr Häubchen gleich mit und ward nicht mehr gesehen. Denn statt des grossen Dienstmädchens Anna spielt Niels Bor-mann fortan nur noch den bösen Brandstif-ter Josef Schmitz, der von allen nur Sepp genannt werden will und auch sonst sehr jovial daherkommt. Nur ab und zu verstellt Bormann seine Stimme und piepst noch ein bisschen wie Anna. Die Bühne als Erweiterung des Zuschauerraums, Ton in Ton fliessen Boden und Tapeten ineinander über.Sebastian Rudolph und Daniel Lommatzsch erfüllen sich den Kindheitstraum vieler kleiner Buben: Sie sind Feuerwehrmänner.Gattin Babette hält länger durch. Da-für hat sich Kay Kysela einen Turm von Haar auf den Oberkopf montieren lassen, sich – wie übrigens auch Dienstmädchen Anna – von Kostümbildnerin Marysol del Castillo in irrsinnig hohe, aber auch ältlich aus-sehende Damenschuhe gezwängt, die sehr adrett passen zum schnieken Damenkos-tüm mit Rock und Jacke. Gattin Babette sieht zwar sehr nett aus, aber sie ist leider herzkrank. Als sie dann von Herrn Frisch doch allzu altbackene Sätze in den Mund gelegt kriegt, reicht es aber auch ihr – und Kay Kysela mutiert zu Brandstifter Willi Eisenring im Muskelhemd und mit üppi-gem Brusthaar. Was nicht mehr geht, das geht heute einfach nicht mehr. Bei all diesem Figuren- und Geschlech-ter-Hin-und-Her bleibt in der Abschiedsin-szenierung von Nicolas Stemann aber äus-serst viel Frisch übrig; kaum mehr als die Babette- und die Dienstmädchenpassagen werden gekürzt, die Auftritte des Chores. Und das Inferno in der Stadt fällt auch weg; der Rest wird fast von Blatt gespielt. Aller-dings mit vielen, zuweilen deutlich zu vielen Wiederholungsschleifen dazwi-schen. Denn sogar die eater-im-eater-Szene samt Gespenst und «Biedermann! Jedermann!»-Gerufe und «Das haben wir doch neulich in Salzburg gesehen»-Satz und sogar auch das Gegröle von «Fuchs du hast die Gans gestohlen» samt «Scheiss-gewehr» sind Frisch-Original. Was allerdings deutlich anders ist als gewohnt, das ist die Strichrichtung, sozusa-gen. Die Grundidee von Stemann und sei-nem Dramaturgen und Co-Intendanten Benjamin von Blomberg ist, Biedermann nicht als klassischen Mitläufer zu zeigen. Sondern als im Gegenteil einen, der es schat, seine aktive Teilnahme an der Brandstiftung als blosses Mitläufertum zu verkaufen. Das ergibt schliesslich eine deutliche Strafminderung. Dieser Bieder-mann hier will seinen Angestellten Knecht-ling, dem er die Erndung für seinen Haar-wasser-Konzern geklaut hat, eiskalt in die Selbsttötung treiben. Und er weiss auch ganz genau, was er tut, wenn er sich die Brandstifter unters Dach holt, ihnen beim Benzinfässerräumen behilich ist und zu guter Letzt auch noch das Streichholz lie-fert. Er will nämlich diese ganze Bude abfa-ckeln und Feuer an den Fortschritt legen. Und an die progressive Kunst. Denn er ➔ Bilder © Philip FroweinMax Frischs Drama «Biedermann» wurde 1958 am Zürcher Schauspielhaus uraufgeführt. Zum Abschied hat es sich jetzt Nicolas Stemann vorgenommen.Bei all diesem Figuren- und Geschlechter-Hin-und-Her bleibt in der Abschiedsinszenierung von Nicolas Stemann aber äus-serst viel Frisch übrig

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28 29CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024KULTURSCHAUSPIELHAUSKULTURSCHAUSPIELHAUSFeuer an den Fortschritt legen?VON VALERIA HEINTGES Nach über zweieinhalb Stunden ist die Inszenierung schon fast an ihr Ende gekommen. Da fragt Wiebke Mollen-hauer, in der Rolle der Nina, Benjamin Lillie, in der Rolle des Kostja, ob er hören will, was wirklich geschah zwischen dem Schriftsteller Trigorin und ihr. «Wenn du es erzählen willst», sagt Kostja. Darauf sie: «Ist ja egal, ob ich will oder nicht. Ist ja schliess-lich meine Rolle.»Schauen wir da in einen Spiegel? Nein, aber fast. Denn die Bühne von Katrin Nott-rodt für «Biedermann und die Brandstifter» am Pfauen in Zürich ist eine Erweiterung des Zuschauerraums. Auf den Stufen und an der Wand dieselbe altrosa Tapete mit dem geschlungenen Muster, dieselben Mi-nileuchter. Und für die beiden Live-Musiker Sebastian Vogel und omas Kürstner ein weisser, geschwungener, kleiner Rang, mit denselben goldenen Holzleisten, die auch die grossen Ränge im eigentlichen Zuschau-erraum zieren. Nur konsequent, dass es keinen Anfang gibt, sondern dass Dienstmädchen Anna schon beim Einlass mit ihrem Staubfeudel herumwedelt und über die schwere Aufgabe jammert: «Alles denkmalgeschützt, das ist so schwer zu reinigen!» Biedermann hat auch schon die dicke Zigarre im Mund und fragt in den Zuschauerraum hinein nach Feuer. Um sich dann direkt selbst zu zensie-ren: «Ach nein, das darf man ja jetzt nicht mehr. Nichts darf man mehr! Verdammte Brandstifter. Aufhängen sollte man sie.» Aber dieser Biedermann – hat der denn gar kein Rückgrat? Patrycia Ziólkows-ka hat zwar die Haare streng zurückgegelt und eine äusserst strenge, schwarzberän-derte Brille auf der Nase – aber ihr Körper ist weich wie Wachs, sie biegt sich nach links und nach rechts, schlängelt sich wie eine Schlange vor und zurück, wickelt sich bei-nahe um Dienstmädchen Anna. Und Bie-dermann schleppt doch tatsächlich auch selbst einen Benzinkanister auf die Bühne. Das sollte er nicht, das ist doch gefährlich! Das sehen auch Dienstmädchen Anna und Gattin Babette so, beide sehr nervös, weil doch die Brandstifter umgehen. Allerdings legt Dienstmädchen Anna ihre Scheu bald ab und ihr Häubchen gleich mit und ward nicht mehr gesehen. Denn statt des grossen Dienstmädchens Anna spielt Niels Bor-mann fortan nur noch den bösen Brandstif-ter Josef Schmitz, der von allen nur Sepp genannt werden will und auch sonst sehr jovial daherkommt. Nur ab und zu verstellt Bormann seine Stimme und piepst noch ein bisschen wie Anna. Die Bühne als Erweiterung des Zuschauerraums, Ton in Ton fliessen Boden und Tapeten ineinander über.Sebastian Rudolph und Daniel Lommatzsch erfüllen sich den Kindheitstraum vieler kleiner Buben: Sie sind Feuerwehrmänner.Gattin Babette hält länger durch. Da-für hat sich Kay Kysela einen Turm von Haar auf den Oberkopf montieren lassen, sich – wie übrigens auch Dienstmädchen Anna – von Kostümbildnerin Marysol del Castillo in irrsinnig hohe, aber auch ältlich aus-sehende Damenschuhe gezwängt, die sehr adrett passen zum schnieken Damenkos-tüm mit Rock und Jacke. Gattin Babette sieht zwar sehr nett aus, aber sie ist leider herzkrank. Als sie dann von Herrn Frisch doch allzu altbackene Sätze in den Mund gelegt kriegt, reicht es aber auch ihr – und Kay Kysela mutiert zu Brandstifter Willi Eisenring im Muskelhemd und mit üppi-gem Brusthaar. Was nicht mehr geht, das geht heute einfach nicht mehr. Bei all diesem Figuren- und Geschlech-ter-Hin-und-Her bleibt in der Abschiedsin-szenierung von Nicolas Stemann aber äus-serst viel Frisch übrig; kaum mehr als die Babette- und die Dienstmädchenpassagen werden gekürzt, die Auftritte des Chores. Und das Inferno in der Stadt fällt auch weg; der Rest wird fast von Blatt gespielt. Aller-dings mit vielen, zuweilen deutlich zu vielen Wiederholungsschleifen dazwi-schen. Denn sogar die eater-im-eater-Szene samt Gespenst und «Biedermann! Jedermann!»-Gerufe und «Das haben wir doch neulich in Salzburg gesehen»-Satz und sogar auch das Gegröle von «Fuchs du hast die Gans gestohlen» samt «Scheiss-gewehr» sind Frisch-Original. Was allerdings deutlich anders ist als gewohnt, das ist die Strichrichtung, sozusa-gen. Die Grundidee von Stemann und sei-nem Dramaturgen und Co-Intendanten Benjamin von Blomberg ist, Biedermann nicht als klassischen Mitläufer zu zeigen. Sondern als im Gegenteil einen, der es schat, seine aktive Teilnahme an der Brandstiftung als blosses Mitläufertum zu verkaufen. Das ergibt schliesslich eine deutliche Strafminderung. Dieser Bieder-mann hier will seinen Angestellten Knecht-ling, dem er die Erndung für seinen Haar-wasser-Konzern geklaut hat, eiskalt in die Selbsttötung treiben. Und er weiss auch ganz genau, was er tut, wenn er sich die Brandstifter unters Dach holt, ihnen beim Benzinfässerräumen behilich ist und zu guter Letzt auch noch das Streichholz lie-fert. Er will nämlich diese ganze Bude abfa-ckeln und Feuer an den Fortschritt legen. Und an die progressive Kunst. Denn er ➔ Bilder © Philip FroweinMax Frischs Drama «Biedermann» wurde 1958 am Zürcher Schauspielhaus uraufgeführt. Zum Abschied hat es sich jetzt Nicolas Stemann vorgenommen.Bei all diesem Figuren- und Geschlechter-Hin-und-Her bleibt in der Abschiedsinszenierung von Nicolas Stemann aber äus-serst viel Frisch übrig

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30 31CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024RUBRIKENTITELRUBRIKENUNTERTITELBild © Philip FroweinKULTURSCHAUSPIELHAUShat, so die ese, Angst vor Veränderung. Oder, um Frisch selbst zu zitieren: «Der die Verwandlungen scheut mehr als das Un-heil, was kann er tun, gegen das Unheil?» Wofür genau die Brandstifter stehen, das lässt Stemann über weite Strecken klug oen. Leider konnte er es aber doch nicht lassen, eine Szene einzubauen samt platten Anspielungen auf Zürcher Stadt-FDP, Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) und auf Roger Köppel, Ex-Nationalrat und Chef-redaktor der äusserst rechten «Weltwoche». Die drei kungeln miteinander hinterm Rednerpult und stehen auch gemeinsam auf einem Benzinkanister. Die Szene gibt nicht nur den Hänger des Abends, sie soll wohl auch die Lesart nähren, wonach die Zürcher Intendanz eben diesem Komplott zum Opfer gefallen sei. Naja, wer’s glaubt. Zum Glück aber bleibt der Rest des Abends vage, kann man auch den drohen-den Rechtsruck in Europa hineinlesen samt deutsch-schweizerischer Koopera tion in Sachen AfD, einhergehenden Angrien auf die progressive Kunst allgemein. Allerdings wird auch das Ende gestrichen, also nicht die ganze Stadt abgefackelt, sondern nur die Gebäude am Zürcher Heimplatz, an dem auch der Pfauen steht. Der Brand war nämlich sozusagen «warmer Abriss», um den Ort für den «Zürich-Tower» zu nutzen. Der geht nicht in die Höhe, sondern in die Tiefe. Der vorgesehene Raum dort für das eater ist eher klein, aber immerhin haben 38.000 Autos wunderschöne Abstellächen. Davon sind 22 000 für SUVs vorgesehen.Wenn das alles den Abend doch ein bisschen klein macht und die – sicher aufwendige – Videoarbeit vom Institut für Experimentelle Angelegenheiten (Claudia Lehmann, Konrad Hempel) auf dem Büh-nenhintergrund unentzierbar bleibt, so macht die Arbeit der drei phänomenalen Schauspieler*innen die Inszenierung ganz, ganz gross. Patrycia Ziólkowska lässt ihren Biedermann grandios ackern zwischen biederster Anbiederung, männlicher Kun-gelei und brutalem Wegbeissen der Konkur-renten. Sie verstrahlt so viel Kraft und Ener-gie von der Bühne herab, dass es dann auch nicht mehr wundert, wenn sie im grossen Damenrad die Stufen herunterradelt. Auch Kay Kysela spielt wie entfesselt, tänzelt bie-der als Babette durch den Haushalt, wirkt als Willi Eisenring aalglatt und gleichzeitig wunderbar durchtrieben und schlitzohrig. Niels Bormann steht dazwischen als Sepp Eisenring wie ein Fels in der Brandung, ihn wird auch die schwerste Feuersbrunst nur wenig anhaben können. Und zu Beginn wechselt er schlagartig vom freundlichen Dienstmädchen zum stoisch seine Aufgabe erledigenden und mit Biedermann kun-gelnden Brandstifter. Das Spiel der drei ist dann wieder ganz, ganz grosses eater. Biedermann und die Brandstifter von Max Frisch Inszenierung: Nicolas StemannDiverse Aufführungen ab dem 12. April.www.schauspielhaus.chIn dieser Inszenierung wird die Bühne auch mal mit dem Velo durchquert. Das passt zu den wie entfesselt agierenden Schauspieler*innen.Vor Mpox, HPV und Hepatitis A/B kannst du dich mit einer Impfung schützen. Eine Infektion kann schwere Folgen haben, darum lohnt sich der Schutz.Safer SeximpfenheisstWo impfen?Alle Impfstandorte in deinem Kanton ndest du hier: drgay.ch/impfenANZEIGE

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30 31CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024RUBRIKENTITELRUBRIKENUNTERTITELBild © Philip FroweinKULTURSCHAUSPIELHAUShat, so die ese, Angst vor Veränderung. Oder, um Frisch selbst zu zitieren: «Der die Verwandlungen scheut mehr als das Un-heil, was kann er tun, gegen das Unheil?» Wofür genau die Brandstifter stehen, das lässt Stemann über weite Strecken klug oen. Leider konnte er es aber doch nicht lassen, eine Szene einzubauen samt platten Anspielungen auf Zürcher Stadt-FDP, Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) und auf Roger Köppel, Ex-Nationalrat und Chef-redaktor der äusserst rechten «Weltwoche». Die drei kungeln miteinander hinterm Rednerpult und stehen auch gemeinsam auf einem Benzinkanister. Die Szene gibt nicht nur den Hänger des Abends, sie soll wohl auch die Lesart nähren, wonach die Zürcher Intendanz eben diesem Komplott zum Opfer gefallen sei. Naja, wer’s glaubt. Zum Glück aber bleibt der Rest des Abends vage, kann man auch den drohen-den Rechtsruck in Europa hineinlesen samt deutsch-schweizerischer Koopera tion in Sachen AfD, einhergehenden Angrien auf die progressive Kunst allgemein. Allerdings wird auch das Ende gestrichen, also nicht die ganze Stadt abgefackelt, sondern nur die Gebäude am Zürcher Heimplatz, an dem auch der Pfauen steht. Der Brand war nämlich sozusagen «warmer Abriss», um den Ort für den «Zürich-Tower» zu nutzen. Der geht nicht in die Höhe, sondern in die Tiefe. Der vorgesehene Raum dort für das eater ist eher klein, aber immerhin haben 38.000 Autos wunderschöne Abstellächen. Davon sind 22 000 für SUVs vorgesehen.Wenn das alles den Abend doch ein bisschen klein macht und die – sicher aufwendige – Videoarbeit vom Institut für Experimentelle Angelegenheiten (Claudia Lehmann, Konrad Hempel) auf dem Büh-nenhintergrund unentzierbar bleibt, so macht die Arbeit der drei phänomenalen Schauspieler*innen die Inszenierung ganz, ganz gross. Patrycia Ziólkowska lässt ihren Biedermann grandios ackern zwischen biederster Anbiederung, männlicher Kun-gelei und brutalem Wegbeissen der Konkur-renten. Sie verstrahlt so viel Kraft und Ener-gie von der Bühne herab, dass es dann auch nicht mehr wundert, wenn sie im grossen Damenrad die Stufen herunterradelt. Auch Kay Kysela spielt wie entfesselt, tänzelt bie-der als Babette durch den Haushalt, wirkt als Willi Eisenring aalglatt und gleichzeitig wunderbar durchtrieben und schlitzohrig. Niels Bormann steht dazwischen als Sepp Eisenring wie ein Fels in der Brandung, ihn wird auch die schwerste Feuersbrunst nur wenig anhaben können. Und zu Beginn wechselt er schlagartig vom freundlichen Dienstmädchen zum stoisch seine Aufgabe erledigenden und mit Biedermann kun-gelnden Brandstifter. Das Spiel der drei ist dann wieder ganz, ganz grosses eater. Biedermann und die Brandstifter von Max Frisch Inszenierung: Nicolas StemannDiverse Aufführungen ab dem 12. April.www.schauspielhaus.chIn dieser Inszenierung wird die Bühne auch mal mit dem Velo durchquert. Das passt zu den wie entfesselt agierenden Schauspieler*innen.Vor Mpox, HPV und Hepatitis A/B kannst du dich mit einer Impfung schützen. Eine Infektion kann schwere Folgen haben, darum lohnt sich der Schutz.Safer SeximpfenheisstWo impfen?Alle Impfstandorte in deinem Kanton ndest du hier: drgay.ch/impfenANZEIGE

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32 33CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024SEXUALITÄTMODERNES DATENSEXUALITÄTMODERNES DATENHomophobie in der EigentümerschaftBesser wurde es eben nicht. Denn die neue Eigentümerschaft mit CEO Scott Chen zeigte, dass man nichts von Gays hielt. 2018 «diskutierte» Chen in einem Facebook-Post über Homosexualität und die Heiligkeit der (hetero) Ehe. Obwohl Chen erklärte – nach einem Shitstorm (Cruiser stormte übrigens auch) – er unterstütze gleichgeschlechtliche Ehen, löste seine Aussage, dass «die Heilig-keit der Ehe eine heilige Sache zwischen ei-nem Mann und einer Frau ist», innerhalb der LGBT*-Community Bestürzung aus. Dieser Vorfall beleuchtete die potenziellen Spannungen zwischen den persönlichen Überzeugungen der Führungskräfte und den Werten der Nutzerbasis von GRINDR ziemlich eindrücklich.Verkauf und Missbrauch von DatenEin weiteres ernstes Problem ist der Um-gang von GRINDR mit Nutzerdaten. Ein be-rüchtigter Fall ereignete sich ebenfalls im Jahr 2018, als bekannt wurde, dass GRINDR die HIV-Status seiner Nutzer zusammen mit deren GPS-Daten, Telefon-ID und Email an zwei externe Unternehmen weiterge-geben hatte. Diese Enthüllung löste eine massive öentliche Empörung aus, da sie die Privatsphäre und Sicherheit der Nutzer direkt gefährdete. Der Vorfall warf erneut ein Schlaglicht auf die Praxis der App, sensible Gesundheitsinformationen ohne ausreichende Sicherheitsvorkehrungen an Dritte zu übermitteln, was das Risiko von Diskriminierung und Stigmatisierung für die betroenen Nutzer – logischerweise – erhöhte. Und es immer noch tut.In einem weiteren Beispiel wurde GRINDR im Jahr 2020 von der norwegischen Datenschutzbehörde für das Teilen perso-nenbezogener Daten mit Dritten (einschliess-lich Werbetreibenden) ohne die Zustimmung der Nutzer mit einer Geldstrafe belegt. Dies umfasste Details zu den exakten Standorten der Nutzer, Nutzungsmustern der App und den Geräteinformationen, was erneut den schludrigen Umgang mit Daten zeigte. Die Konsequenzen dieser Praktiken sind weitreichend. Nutzer, deren Daten kompromittiert wurden, könnten sich einer Vielzahl von Risiken ausgesetzt sehen, von persönlicher Verfolgung und Belästigung bis hin zu beruichen Nachteilen, insbe-sondere in Ländern und Regionen, in denen LGBT*-Rechte nicht geschützt sind. Der Missbrauch von Daten kann dazu führen, dass Personen unfreiwillig geoutet werden, was in einigen Fällen sogar lebensbedroh-lich sein kann. Denken wir nur einmal an Iran & Co.Finger weg!Angesichts dieser ernsthaften Bedenken ist es entscheidend, dass Nutzer von Dating-Apps wie GRINDR proaktive Massnahmen ergreifen, um ihre Daten und Privatsphäre zu schützen. Dazu gehört, minimale persönliche Informationen preiszugeben, Datenschutzeinstellungen können bei GRINDR derzeit nur rudimentär kongu-riert werden und ob man sich dann bei GRINDR daran hält, ist eine andere Frage. Auf der anderen Seite ist es ebenso wichtig, dass Regulierungsbehörden und Datenschutzorganisationen weiterhin Druck auf Apps wie GRINDR und andere ähnliche Dienste ausüben, um sicherzustellen, dass sie verantwortungsvoll mit den Daten ihrer Nutzer umgehen. Dies könnte strengere Da-tenschutzgesetze, bessere Aufklärung der Nutzer über ihre Rechte und möglicherweise sogar die Entwicklung neuer Technologien zum Schutz der Privatsphäre umfassen.Die Lösung: Analog! Oder…In einer idealen Dating-Welt sollte die Nut-zung einer Dating-App nicht mit derart gra-vierenden Risiken für die Privatsphäre und Sicherheit verbunden sein. Die Realität, mit der Nutzer von GRINDR und ähnlichen Plattformen konfrontiert sind, zeichnet je-doch ein anderes Bild. Die Kombination aus «internen» Problemen bezüglich der Ein-stellungen zur Homophobie und dem ris-kanten Umgang mit Nutzerdaten macht deutlich, dass ohne signikante Änderun-gen in der Führungsethik, den Daten-schutzpraktiken und regulatorischen Rah-menbedingungen die Nutzung solcher Apps – GRINDR ganz besonders – ein ernst-haftes Risiko darstellen kann. Daher: Das gute alte Gayromeo («Romeo») ist eine si-chere Alternative. Von Gays, für Gays. (Gay)Romeo setzt sich zudem aktiv für die Com-munity ein. Oder noch besser: Warum nicht mal wieder in die analoge Welt eintauchen und zu Petra in die TipTop-Bar gehen? Oder auf eine Tratschrunde ins Cranberry? Oder mal das Kweer ausprobieren? Und nein: Handy bleibt dann in der Hosentasche und bei GRINDR ausloggen. Hinweis: GRINDR richtet sich ausschliesslich an schwule Männer, daher wurde in diesem Artikel die männliche Form verwendet.VON HAYMO EMPLEs ist mal wieder so weit. So sicher wie der Frühling kommt, ist die Chefetage beim Cruiser wieder single. Da liegt es auf der Hand, sich das potentielle Bezie-hungsopfer auf GRINDR zu suchen. Klick, klick und ein bisschen bla bla im virtuellen Chat und zack! da steht der neue Auserwähl-te. Die Liebe (meines) Lebens währt dann meistens nur eine Nacht, das ist aber eine andere Geschichte. Aber warum ist GRINDR nicht nur ein Zeitfresser, sondern so richtig, richtig gefährlich? Beginnen wir in China. Denn von dort kommt GRINDR eigentlich.Kontrolle durch Beijing Kunlun TechVon 2016 bis 2020 befand sich GRINDR im Besitz von Beijing Kunlun Tech, einem chi-nesischen Technologieunternehmen. Diese Übernahme löste in den USA und darüber hinaus Besorgnis über die Datensicherheit und den Schutz der Privatsphäre der Nutzer aus. Die Angst bestand darin, dass die chi-nesische Regierung über das Unternehmen Zugang zu sensiblen Daten von Millionen von GRINDR-Nutzern erhalten könnte, ein-schliesslich ihrer sexuellen Orientierung, Nachrichten und sogar ihres HIV-Status. Solche Informationen in den Händen eines autoritären Regimes zu wissen, dessen Bilanz beim Schutz der Privatsphäre und der Menschenrechte international kritisiert wird, war und ist für viele ein beunruhigen-der Gedanke. So sehr, dass sich dann (ja klar: China!) auch die Amerikaner einschal-teten. Die Befürchtungen um die Sicherheit der Nutzerdaten unter chinesischer Eigen-tümerschaft führten letztendlich dazu, dass das Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS), eine US-Regierungs-behörde, eingri. CFIUS äusserte Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit und forderte den Verkauf von GRINDR, um si-cherzustellen, dass die Daten der US-Nutzer nicht der Gefahr einer ausländischen Über-wachung oder anderweitigen Missbräuchen ausgesetzt sind. Dies führte dazu, dass Kun-lun Tech gezwungen war, GRINDR bis Juni 2020 zu verkaufen. Man stelle sich das mal vor: gezwungen! Also muss damals schon ziemlich sicher die Kacke am Dampfen ge-wesen sein. eoretisch hätte eigentlich schon damals subito die App gelöscht wer-den sollen. Aber neiiiin… ganz im Gegen-teil – GINDR legte bei den Nutzerzahlen täglich zu. Es wird aber noch besser:Immer wieder sorgt die beliebteste Gay-Dating-App für Skandale. Cruiser hat sich damit befasst und sagt: Jede andere App, aber nicht GRINDR.Finger wegvon GRINDR!Das gute alte Gayromeo («Ro-meo») ist eine sichere Alterna-tive. Von Gays, für Gays. Oder noch besser: Warum nicht mal wieder in die analoge Welt eintauchen und zu Petra in die TipTop-Bar gehen? Oder auf eine Tratschrunde ins Cranberry? Oder mal das Kweer auspro-bieren?So einfach kann Daten sein. Einfach ja, aber längst nicht sicher.Neben Gayromeo die beliebteste, aber auch ungleich unseriösere Dating-App der schwulen Community.Ob daraus ein Date oder gar eine wahre Liebe e ntwickelt, wer kann es schon vorhersagen. Aber einen Versuch ist es immer wert.

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32 33CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024SEXUALITÄTMODERNES DATENSEXUALITÄTMODERNES DATENHomophobie in der EigentümerschaftBesser wurde es eben nicht. Denn die neue Eigentümerschaft mit CEO Scott Chen zeigte, dass man nichts von Gays hielt. 2018 «diskutierte» Chen in einem Facebook-Post über Homosexualität und die Heiligkeit der (hetero) Ehe. Obwohl Chen erklärte – nach einem Shitstorm (Cruiser stormte übrigens auch) – er unterstütze gleichgeschlechtliche Ehen, löste seine Aussage, dass «die Heilig-keit der Ehe eine heilige Sache zwischen ei-nem Mann und einer Frau ist», innerhalb der LGBT*-Community Bestürzung aus. Dieser Vorfall beleuchtete die potenziellen Spannungen zwischen den persönlichen Überzeugungen der Führungskräfte und den Werten der Nutzerbasis von GRINDR ziemlich eindrücklich.Verkauf und Missbrauch von DatenEin weiteres ernstes Problem ist der Um-gang von GRINDR mit Nutzerdaten. Ein be-rüchtigter Fall ereignete sich ebenfalls im Jahr 2018, als bekannt wurde, dass GRINDR die HIV-Status seiner Nutzer zusammen mit deren GPS-Daten, Telefon-ID und Email an zwei externe Unternehmen weiterge-geben hatte. Diese Enthüllung löste eine massive öentliche Empörung aus, da sie die Privatsphäre und Sicherheit der Nutzer direkt gefährdete. Der Vorfall warf erneut ein Schlaglicht auf die Praxis der App, sensible Gesundheitsinformationen ohne ausreichende Sicherheitsvorkehrungen an Dritte zu übermitteln, was das Risiko von Diskriminierung und Stigmatisierung für die betroenen Nutzer – logischerweise – erhöhte. Und es immer noch tut.In einem weiteren Beispiel wurde GRINDR im Jahr 2020 von der norwegischen Datenschutzbehörde für das Teilen perso-nenbezogener Daten mit Dritten (einschliess-lich Werbetreibenden) ohne die Zustimmung der Nutzer mit einer Geldstrafe belegt. Dies umfasste Details zu den exakten Standorten der Nutzer, Nutzungsmustern der App und den Geräteinformationen, was erneut den schludrigen Umgang mit Daten zeigte. Die Konsequenzen dieser Praktiken sind weitreichend. Nutzer, deren Daten kompromittiert wurden, könnten sich einer Vielzahl von Risiken ausgesetzt sehen, von persönlicher Verfolgung und Belästigung bis hin zu beruichen Nachteilen, insbe-sondere in Ländern und Regionen, in denen LGBT*-Rechte nicht geschützt sind. Der Missbrauch von Daten kann dazu führen, dass Personen unfreiwillig geoutet werden, was in einigen Fällen sogar lebensbedroh-lich sein kann. Denken wir nur einmal an Iran & Co.Finger weg!Angesichts dieser ernsthaften Bedenken ist es entscheidend, dass Nutzer von Dating-Apps wie GRINDR proaktive Massnahmen ergreifen, um ihre Daten und Privatsphäre zu schützen. Dazu gehört, minimale persönliche Informationen preiszugeben, Datenschutzeinstellungen können bei GRINDR derzeit nur rudimentär kongu-riert werden und ob man sich dann bei GRINDR daran hält, ist eine andere Frage. Auf der anderen Seite ist es ebenso wichtig, dass Regulierungsbehörden und Datenschutzorganisationen weiterhin Druck auf Apps wie GRINDR und andere ähnliche Dienste ausüben, um sicherzustellen, dass sie verantwortungsvoll mit den Daten ihrer Nutzer umgehen. Dies könnte strengere Da-tenschutzgesetze, bessere Aufklärung der Nutzer über ihre Rechte und möglicherweise sogar die Entwicklung neuer Technologien zum Schutz der Privatsphäre umfassen.Die Lösung: Analog! Oder…In einer idealen Dating-Welt sollte die Nut-zung einer Dating-App nicht mit derart gra-vierenden Risiken für die Privatsphäre und Sicherheit verbunden sein. Die Realität, mit der Nutzer von GRINDR und ähnlichen Plattformen konfrontiert sind, zeichnet je-doch ein anderes Bild. Die Kombination aus «internen» Problemen bezüglich der Ein-stellungen zur Homophobie und dem ris-kanten Umgang mit Nutzerdaten macht deutlich, dass ohne signikante Änderun-gen in der Führungsethik, den Daten-schutzpraktiken und regulatorischen Rah-menbedingungen die Nutzung solcher Apps – GRINDR ganz besonders – ein ernst-haftes Risiko darstellen kann. Daher: Das gute alte Gayromeo («Romeo») ist eine si-chere Alternative. Von Gays, für Gays. (Gay)Romeo setzt sich zudem aktiv für die Com-munity ein. Oder noch besser: Warum nicht mal wieder in die analoge Welt eintauchen und zu Petra in die TipTop-Bar gehen? Oder auf eine Tratschrunde ins Cranberry? Oder mal das Kweer ausprobieren? Und nein: Handy bleibt dann in der Hosentasche und bei GRINDR ausloggen. Hinweis: GRINDR richtet sich ausschliesslich an schwule Männer, daher wurde in diesem Artikel die männliche Form verwendet.VON HAYMO EMPLEs ist mal wieder so weit. So sicher wie der Frühling kommt, ist die Chefetage beim Cruiser wieder single. Da liegt es auf der Hand, sich das potentielle Bezie-hungsopfer auf GRINDR zu suchen. Klick, klick und ein bisschen bla bla im virtuellen Chat und zack! da steht der neue Auserwähl-te. Die Liebe (meines) Lebens währt dann meistens nur eine Nacht, das ist aber eine andere Geschichte. Aber warum ist GRINDR nicht nur ein Zeitfresser, sondern so richtig, richtig gefährlich? Beginnen wir in China. Denn von dort kommt GRINDR eigentlich.Kontrolle durch Beijing Kunlun TechVon 2016 bis 2020 befand sich GRINDR im Besitz von Beijing Kunlun Tech, einem chi-nesischen Technologieunternehmen. Diese Übernahme löste in den USA und darüber hinaus Besorgnis über die Datensicherheit und den Schutz der Privatsphäre der Nutzer aus. Die Angst bestand darin, dass die chi-nesische Regierung über das Unternehmen Zugang zu sensiblen Daten von Millionen von GRINDR-Nutzern erhalten könnte, ein-schliesslich ihrer sexuellen Orientierung, Nachrichten und sogar ihres HIV-Status. Solche Informationen in den Händen eines autoritären Regimes zu wissen, dessen Bilanz beim Schutz der Privatsphäre und der Menschenrechte international kritisiert wird, war und ist für viele ein beunruhigen-der Gedanke. So sehr, dass sich dann (ja klar: China!) auch die Amerikaner einschal-teten. Die Befürchtungen um die Sicherheit der Nutzerdaten unter chinesischer Eigen-tümerschaft führten letztendlich dazu, dass das Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS), eine US-Regierungs-behörde, eingri. CFIUS äusserte Bedenken hinsichtlich der nationalen Sicherheit und forderte den Verkauf von GRINDR, um si-cherzustellen, dass die Daten der US-Nutzer nicht der Gefahr einer ausländischen Über-wachung oder anderweitigen Missbräuchen ausgesetzt sind. Dies führte dazu, dass Kun-lun Tech gezwungen war, GRINDR bis Juni 2020 zu verkaufen. Man stelle sich das mal vor: gezwungen! Also muss damals schon ziemlich sicher die Kacke am Dampfen ge-wesen sein. eoretisch hätte eigentlich schon damals subito die App gelöscht wer-den sollen. Aber neiiiin… ganz im Gegen-teil – GINDR legte bei den Nutzerzahlen täglich zu. Es wird aber noch besser:Immer wieder sorgt die beliebteste Gay-Dating-App für Skandale. Cruiser hat sich damit befasst und sagt: Jede andere App, aber nicht GRINDR.Finger wegvon GRINDR!Das gute alte Gayromeo («Ro-meo») ist eine sichere Alterna-tive. Von Gays, für Gays. Oder noch besser: Warum nicht mal wieder in die analoge Welt eintauchen und zu Petra in die TipTop-Bar gehen? Oder auf eine Tratschrunde ins Cranberry? Oder mal das Kweer auspro-bieren?So einfach kann Daten sein. Einfach ja, aber längst nicht sicher.Neben Gayromeo die beliebteste, aber auch ungleich unseriösere Dating-App der schwulen Community.Ob daraus ein Date oder gar eine wahre Liebe e ntwickelt, wer kann es schon vorhersagen. Aber einen Versuch ist es immer wert.

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35CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024RUBRIKENTITELRUBRIKENUNTERTITELFür mich ist Respekt sehr wichtig. Aber meine schwulen Freunde äussern sich manch- mal negativ gegenüber anderen Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen. Das belastet mich sehr. Wie soll ich damit umgehen? Jean-Paul (33)Vor länger Zeit hatte ich eine Vorhautbeschneidung. Jetzt wird mein Penis nicht mehr so steif wie früher. Ist es möglich, dass zwischen Vorhautbe- schneidung und Standfestigkeit ein Zusammenhang besteht? Simon (27)Hallo Jean-PaulIch kann mir vorstellen, dass dir die Äusse-rungen deiner schwulen Freunde Mühe be-reiten. Toleranz und Respekt anderen ge-genüber hat aber nichts mit der eigenen sexuellen Orientierung zu tun. Es setzt vielmehr voraus, über den eigenen Teller-rand hinauszuschauen und sich in die Lage anderer versetzen zu können, also empa-thisch zu sein. Wichtig ist, dass du den Weg gehst, den du für richtig hältst, unabhängig davon, was deine Freunde sagen oder den-ken. Du scheinst dich an die Devise «Leben und leben lassen» zu halten. Das ist eine gute Lebenseinstellung und es spricht nichts dagegen, diese nicht beizubehalten. Du kannst sie in Diskussionen gut als Hauptargument anbringen. Gerade wer Toleranz, Verständnis und Respekt erwar-tet, sollte es eigentlich besser wissen, und sich anderen gegenüber ebenso verhalten. Leider ist das nicht immer so. Menschen, die einer Minderheit angehören und des-halb vielleicht Komplexe haben, suchen sich manchmal Leute, auf die sie vermeint-lich herabschauen können und machen diese schlecht, um sich kurzzeitig besser zu fühlen. Wenn dich die Haltung deiner Freunde stört, rede mit ihnen. Beziehe Stel-lung und vertrete deinen Standpunkt. Wenn du aber merkst, dass du nicht weiter-kommst, hast du zwei Möglichkeiten. Du kannst das ema zukünftig meiden oder dir überlegen, ob du dich nicht von diesen Freunden distanzieren möchtest. Letzteres wäre insbesondere dann angebracht, wenn dir diese Freunde nicht gut tun. Alles Gute, Dr. Gay drgay.ch drgay_official @drgay_officialCRUISER APRIL 2024Bei Dr. Gay ndest du alles rund um das Leben in der Community: Sexualität, Beziehungen, Drogen und mehr. Dr. Gay ist ein Angebot der Aids-Hilfe Schweiz und fördert die Gesundheit von schwulen, bi & queeren Männern, sowie trans Personen durch Präventionsarbeit mit der Community.Mehr Infos zum Thema «Reden wir über uns» gibt es hier:Hallo SimonEine Studie hat ergeben, dass durch den Eingri einer Beschneidung sogenannte Nervenendigungen – das sind Verbindun-gen zwischen den Nerven in der Haut - ver-loren gehen können. Das kann dazu führen, dass das Lustgefühl verringert wird, was sich wiederum auf die Standfestigkeit aus-wirken kann. Forscher berichten auch, dass jeder zweite Mann nach der Beschneidung beim Masturbieren weniger Lust empn-det. Wie sich eine Beschneidung auf das Sexleben tatsächlich auswirkt, ist allerdings umstritten. Denn andere Untersuchungen haben ergeben, dass vor und nach einer Beschneidung kein wesentlicher Lust-Un-terschied festgestellt werden konnte. Be-rührungen und Impulse wie beispielsweise Schmerzen bewerteten alle Testpersonen gleich. Das würde dann heissen, dass eine Beschneidung keinen wesentlichen Ein-uss auf das sexuelle Empnden hat. Wie du vielleicht weisst, gibt es gegen Erektions-probleme medizinische Lösungsmöglich-keiten in Form von Viagra und Co. Dabei handelt es sich um verschreibungspichte Medikamente, die Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoen (insbesondere Pop-pers) haben können. Wenn du diese Mög-lichkeit in Betracht ziehst, rede bitte mit deinem Arzt oder deiner Ärztin. Er oder sie kennt deine Krankengeschichte und kann dich entsprechend beraten und behandeln. Alles Gute, Dr. GayRATGEBERDR. GAY34Meine Cruiser-Bestellung Jahresabo, Selbstkostenpreis: CHF 68.– Gönner*innen Jahresabo: CHF 250.–Einsenden an: Cruiser, Clausiusstrasse 42, 8006 Zürichwww.cruisermagazin.ch/aboDAS MAGAZIN FÜR DIE QUEERE LEBENSART10 AUSGABEN FÜR NUR CHF 68. Der Cruiser kommt in neutralem Umschlag direkt in deinen Briefkasten. Einfach Coupon ausfüllen und einschicken oder online bestellen unter www.cruisermagazin.ch/aboVorname | NameStrasse | Nr.PLZ | Ort E-MailUnterschriftcruiserbraucht dich!Abonniere uns!ANZEIGE

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35CRUISER APRIL 2024CRUISER APRIL 2024RUBRIKENTITELRUBRIKENUNTERTITELFür mich ist Respekt sehr wichtig. Aber meine schwulen Freunde äussern sich manch- mal negativ gegenüber anderen Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen. Das belastet mich sehr. Wie soll ich damit umgehen? Jean-Paul (33)Vor länger Zeit hatte ich eine Vorhautbeschneidung. Jetzt wird mein Penis nicht mehr so steif wie früher. Ist es möglich, dass zwischen Vorhautbe- schneidung und Standfestigkeit ein Zusammenhang besteht? Simon (27)Hallo Jean-PaulIch kann mir vorstellen, dass dir die Äusse-rungen deiner schwulen Freunde Mühe be-reiten. Toleranz und Respekt anderen ge-genüber hat aber nichts mit der eigenen sexuellen Orientierung zu tun. Es setzt vielmehr voraus, über den eigenen Teller-rand hinauszuschauen und sich in die Lage anderer versetzen zu können, also empa-thisch zu sein. Wichtig ist, dass du den Weg gehst, den du für richtig hältst, unabhängig davon, was deine Freunde sagen oder den-ken. Du scheinst dich an die Devise «Leben und leben lassen» zu halten. Das ist eine gute Lebenseinstellung und es spricht nichts dagegen, diese nicht beizubehalten. Du kannst sie in Diskussionen gut als Hauptargument anbringen. Gerade wer Toleranz, Verständnis und Respekt erwar-tet, sollte es eigentlich besser wissen, und sich anderen gegenüber ebenso verhalten. Leider ist das nicht immer so. Menschen, die einer Minderheit angehören und des-halb vielleicht Komplexe haben, suchen sich manchmal Leute, auf die sie vermeint-lich herabschauen können und machen diese schlecht, um sich kurzzeitig besser zu fühlen. Wenn dich die Haltung deiner Freunde stört, rede mit ihnen. Beziehe Stel-lung und vertrete deinen Standpunkt. Wenn du aber merkst, dass du nicht weiter-kommst, hast du zwei Möglichkeiten. Du kannst das ema zukünftig meiden oder dir überlegen, ob du dich nicht von diesen Freunden distanzieren möchtest. Letzteres wäre insbesondere dann angebracht, wenn dir diese Freunde nicht gut tun. Alles Gute, Dr. Gay drgay.ch drgay_official @drgay_officialCRUISER APRIL 2024Bei Dr. Gay ndest du alles rund um das Leben in der Community: Sexualität, Beziehungen, Drogen und mehr. Dr. Gay ist ein Angebot der Aids-Hilfe Schweiz und fördert die Gesundheit von schwulen, bi & queeren Männern, sowie trans Personen durch Präventionsarbeit mit der Community.Mehr Infos zum Thema «Reden wir über uns» gibt es hier:Hallo SimonEine Studie hat ergeben, dass durch den Eingri einer Beschneidung sogenannte Nervenendigungen – das sind Verbindun-gen zwischen den Nerven in der Haut - ver-loren gehen können. Das kann dazu führen, dass das Lustgefühl verringert wird, was sich wiederum auf die Standfestigkeit aus-wirken kann. Forscher berichten auch, dass jeder zweite Mann nach der Beschneidung beim Masturbieren weniger Lust empn-det. Wie sich eine Beschneidung auf das Sexleben tatsächlich auswirkt, ist allerdings umstritten. Denn andere Untersuchungen haben ergeben, dass vor und nach einer Beschneidung kein wesentlicher Lust-Un-terschied festgestellt werden konnte. Be-rührungen und Impulse wie beispielsweise Schmerzen bewerteten alle Testpersonen gleich. Das würde dann heissen, dass eine Beschneidung keinen wesentlichen Ein-uss auf das sexuelle Empnden hat. Wie du vielleicht weisst, gibt es gegen Erektions-probleme medizinische Lösungsmöglich-keiten in Form von Viagra und Co. Dabei handelt es sich um verschreibungspichte Medikamente, die Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoen (insbesondere Pop-pers) haben können. Wenn du diese Mög-lichkeit in Betracht ziehst, rede bitte mit deinem Arzt oder deiner Ärztin. Er oder sie kennt deine Krankengeschichte und kann dich entsprechend beraten und behandeln. Alles Gute, Dr. GayRATGEBERDR. GAY34Meine Cruiser-Bestellung Jahresabo, Selbstkostenpreis: CHF 68.– Gönner*innen Jahresabo: CHF 250.–Einsenden an: Cruiser, Clausiusstrasse 42, 8006 Zürichwww.cruisermagazin.ch/aboDAS MAGAZIN FÜR DIE QUEERE LEBENSART10 AUSGABEN FÜR NUR CHF 68. Der Cruiser kommt in neutralem Umschlag direkt in deinen Briefkasten. Einfach Coupon ausfüllen und einschicken oder online bestellen unter www.cruisermagazin.ch/aboVorname | NameStrasse | Nr.PLZ | Ort E-MailUnterschriftcruiserbraucht dich!Abonniere uns!ANZEIGE

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Ticketvorverkauf ab:16.APRIL2024QUEERES FILMFESTIVAL23.4. — 2.5.24ZÜRICH –3.5. — 5.5.24FRAUENFELD –Wir leben Diversity.Auch als Hauptpartnerin von Pink Apple. Die nahe Bank.zkb.ch/pinkappleANZEIGE