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CRUISER Dezember 2023 Doppelseit

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cruiser4 Pink Cross-Studie So ticken Gays24 Weihnachtsspecial Darum lieben wir «Drei Nüsse für Aschenbrödel»26 Aus, Schluss, vorbei Eine Gay-Institution schliesst für immerKUNST, KULTUR & LEBENSSTIL FÜR DIE LGBT*-COMMUNITYSEIT 1986 DAS ÄLTESTE QUEERE MAGAZIN DER SCHWEIZ – DEZEMBER 2023 CHF 8.10

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KULUE,MNA,1.JNA 04 00 HDRLVTL I E NEE IH U UTR RINSEUDBORPINVereQUEERE LEBENSGESCHICHTEN               WSHN  SAEET&ETRANETDAMt TBARI aisBrl o lteMCE O ÄE aisPpiaJK AL oAtri vn«rgitKntTEHATTRBMBMdrto:AN OEWSE, AtrnMedienpartner*innen:Ermöglicht durch:Vorverkauf:artischock.net4 PINK CROSS-STUDIE WIE ZUFRIEDEN SIND WIR?14 CRUISER ZU BESUCH BEI... REGENBOGENKIRCHE ZÜRICH-WOLLISHOFEN16 TANZ «CIE. LA RONDE» IN ZÜRICH18 CRUISER ZU BESUCH BEI... TOPPHARM LEONHARDS APOTHEKE ZÜRICH20 SERIE HOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATUR23 KULTUR BUCHTIPP24 SERIE IKONEN VON DAMALS26 SZENE MOUSTACHE-SAUNA VOR DEM AUS28 KULTUR FEMINISMUS IM PFAUEN32 SZENE DIE NEUE MÄNNERZONE34 RATGEBER DR. GAY EDITORIALLiebe Leser*innen Schon wieder ein Jahr vorbei. Ein Jahr? Nein, eigentlich 37! Genau, der Cruiser wird dieser Tage bereits 37 Jahre alt, hat seine Kinderkrankheiten und pubertären Schübe hinter sich und ist nun im besten (Mannes-) Alter. Rückblick: Im Dezember 1986 wurde die erste Nummer gratis verteilt (in unserem Archiv auf www.cruiser.ch kostenlos zugänglich). Aufgrund des Erfolges entschloss man(n) sich, den Cruiser fortan als Szene-Magazin unter die Leute zu bringen. Besonders beliebt war der Cruiser damals als «Agenda-Publikation» – denn nur durch Cruiser wusste Mann, wo was los war. (Nichts da mit Internet & Co!) In dieser allerersten Ausgabe inserierte auf der 2. Umschlagseite auch die Moustache Sauna. Und um eben diese geht es ab Seite 26. Denn: Moustache ist ab Januar 2024 Geschichte. 37 Jahre standhaft (!) und nun das endgültige Aus. «Wie geht es dir?» Eine Frage, die oft gestellt wird, in wenigen Fällen ist das Gegenüber an einer ehrlichen Antwort interessiert. Wir haben diese Frage queeren Männern gestellt, die Resultate der grossen Umfrage von Pink Cross gibt es ab Seite 4. Letztendlich ist dies aber und vor allem auch die Weihnachtsausgabe. Viele Queers möchten (wenigstens) an Weihnachten in einen Gottesdienst gehen. Aber sind sie dort auch erwünscht? Darüber habe ich mich mit Pfarrerin Nicole Becher unter halten, es war ein spannendes Gespräch. Die Kurzversion davon gibt es ab Seite 14.Wir wünschen allen LGBT*- Menschen wunder-bare Weihnachten und hoffen auf (mindestens) 37 weitere erfolgreiche und spannende Jahre mit euch allen!Herzlich; Haymo EmplChefredaktorCRUISER MAGAZIN PRINTISSN 1420-214x (1986 – 1998) | ISSN 1422-9269 (1998 – 2000) | ISSN 2235-7203 (Ab 2000) Herausgeber & Verleger medienHay GmbHInfos an die Redaktion redaktion@cruisermagazin.chChefredaktor Haymo Empl Stv. Chefredaktorin Birgit Kawohl Bildredaktion Haymo Empl, Astrid Affolter. Alle Bilder mit Genehmigung der Urheber*innen.Art Direktion Astrid AffolterAgenturen SDA, KeystoneAutor*innen Vinicio Albani, Gaé Colussi, Haymo Empl, Valeria Heintges, Michael Heitmann, Birgit Kawohl, Samson Rentsch, Michi Rüegg, Alain SorelKorrektorat | Lektorat Birgit KawohlAnzeigen anzeigen@cruisermagazin.chChristina Kipshoven | Telefon +41 (0)31 534 18 30Druck werk zwei Print+Medien Konstanz GmbHREDAKTION UND VERLAGSADRESSECruiser | Clausiusstrasse 42, 8006 Zürichredaktion@cruisermagazin.chHaftungsausschluss, Gerichtsstand und weiterführende Angaben auf www.cruisermagazin.ch Der nächste Cruiser erscheint am 3. Januar 2024Unsere Kolumnist*innen widerspiegeln nicht die Meinung der Redaktion. Sie sind in der Themenwahl, politischer /religiöser Gesinnung sowie der Wortwahl im Rahmen der Gesetzgebung frei. Wir vom Cruiser setzen auf eine grösst mögliche Diversität in Bezug auf Gender und Sexualität sowie die Auseinandersetzung mit diesen Themen. Wir vermeiden darum sprachliche Eingriffe in die Formulierungen unserer Autor*innen. Die von den Schreibenden gewählten Bezeichnungen können daher zum Teil von herkömmlichen Schreibweisen abweichen. Geschlechtspronomen werden ent spre chend implizit eingesetzt, der Oberbegriff Trans* beinhaltet die ent- sprechenden Bezeichnungen gemäss Medienguide «Transgender Network Schweiz».Cruiser wurde als einzige LGBT*-Publikation als «kulturell relevant» eingestuft und wird daher in der Schweize rischen Nationalbibliothek, der ZB Zürich sowie in der deutschen Nationalbibliothek archi viert. Cruiser ist zudem via SMD (schweizerische Mediendatenbank) allen Medienschaffenden zugänglich.ANZEIGETorben ist gebürtiger Norweger und hat sichtlich Spass am Winter; Jedes Jahr fährt er an Weih-nachten zu seiner Familie in die nördlichste Stadt in Europa: Hammerfest. IMPRESSUM

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KULUE,MNA,1.JNA 04 00 HDRLVTL I E NEE IH U UTR RINSEUDBORPINVereQUEERE LEBENSGESCHICHTEN               WSHN  SAEET&ETRANETDAMt TBARI aisBrl o lteMCE O ÄE aisPpiaJK AL oAtri vn«rgitKntTEHATTRBMBMdrto:AN OEWSE, AtrnMedienpartner*innen:Ermöglicht durch:Vorverkauf:artischock.net4 PINK CROSS-STUDIE WIE ZUFRIEDEN SIND WIR?14 CRUISER ZU BESUCH BEI... REGENBOGENKIRCHE ZÜRICH-WOLLISHOFEN16 TANZ «CIE. LA RONDE» IN ZÜRICH18 CRUISER ZU BESUCH BEI... TOPPHARM LEONHARDS APOTHEKE ZÜRICH20 SERIE HOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATUR23 KULTUR BUCHTIPP24 SERIE IKONEN VON DAMALS26 SZENE MOUSTACHE-SAUNA VOR DEM AUS28 KULTUR FEMINISMUS IM PFAUEN32 SZENE DIE NEUE MÄNNERZONE34 RATGEBER DR. GAY EDITORIALLiebe Leser*innen Schon wieder ein Jahr vorbei. Ein Jahr? Nein, eigentlich 37! Genau, der Cruiser wird dieser Tage bereits 37 Jahre alt, hat seine Kinderkrankheiten und pubertären Schübe hinter sich und ist nun im besten (Mannes-) Alter. Rückblick: Im Dezember 1986 wurde die erste Nummer gratis verteilt (in unserem Archiv auf www.cruiser.ch kostenlos zugänglich). Aufgrund des Erfolges entschloss man(n) sich, den Cruiser fortan als Szene-Magazin unter die Leute zu bringen. Besonders beliebt war der Cruiser damals als «Agenda-Publikation» – denn nur durch Cruiser wusste Mann, wo was los war. (Nichts da mit Internet & Co!) In dieser allerersten Ausgabe inserierte auf der 2. Umschlagseite auch die Moustache Sauna. Und um eben diese geht es ab Seite 26. Denn: Moustache ist ab Januar 2024 Geschichte. 37 Jahre standhaft (!) und nun das endgültige Aus. «Wie geht es dir?» Eine Frage, die oft gestellt wird, in wenigen Fällen ist das Gegenüber an einer ehrlichen Antwort interessiert. Wir haben diese Frage queeren Männern gestellt, die Resultate der grossen Umfrage von Pink Cross gibt es ab Seite 4. Letztendlich ist dies aber und vor allem auch die Weihnachtsausgabe. Viele Queers möchten (wenigstens) an Weihnachten in einen Gottesdienst gehen. Aber sind sie dort auch erwünscht? Darüber habe ich mich mit Pfarrerin Nicole Becher unter halten, es war ein spannendes Gespräch. Die Kurzversion davon gibt es ab Seite 14.Wir wünschen allen LGBT*- Menschen wunder-bare Weihnachten und hoffen auf (mindestens) 37 weitere erfolgreiche und spannende Jahre mit euch allen!Herzlich; Haymo EmplChefredaktorCRUISER MAGAZIN PRINTISSN 1420-214x (1986 – 1998) | ISSN 1422-9269 (1998 – 2000) | ISSN 2235-7203 (Ab 2000) Herausgeber & Verleger medienHay GmbHInfos an die Redaktion redaktion@cruisermagazin.chChefredaktor Haymo Empl Stv. Chefredaktorin Birgit Kawohl Bildredaktion Haymo Empl, Astrid Affolter. Alle Bilder mit Genehmigung der Urheber*innen.Art Direktion Astrid AffolterAgenturen SDA, KeystoneAutor*innen Vinicio Albani, Gaé Colussi, Haymo Empl, Valeria Heintges, Michael Heitmann, Birgit Kawohl, Samson Rentsch, Michi Rüegg, Alain SorelKorrektorat | Lektorat Birgit KawohlAnzeigen anzeigen@cruisermagazin.chChristina Kipshoven | Telefon +41 (0)31 534 18 30Druck werk zwei Print+Medien Konstanz GmbHREDAKTION UND VERLAGSADRESSECruiser | Clausiusstrasse 42, 8006 Zürichredaktion@cruisermagazin.chHaftungsausschluss, Gerichtsstand und weiterführende Angaben auf www.cruisermagazin.ch Der nächste Cruiser erscheint am 3. Januar 2024Unsere Kolumnist*innen widerspiegeln nicht die Meinung der Redaktion. Sie sind in der Themenwahl, politischer /religiöser Gesinnung sowie der Wortwahl im Rahmen der Gesetzgebung frei. Wir vom Cruiser setzen auf eine grösst mögliche Diversität in Bezug auf Gender und Sexualität sowie die Auseinandersetzung mit diesen Themen. Wir vermeiden darum sprachliche Eingriffe in die Formulierungen unserer Autor*innen. Die von den Schreibenden gewählten Bezeichnungen können daher zum Teil von herkömmlichen Schreibweisen abweichen. Geschlechtspronomen werden ent spre chend implizit eingesetzt, der Oberbegriff Trans* beinhaltet die ent- sprechenden Bezeichnungen gemäss Medienguide «Transgender Network Schweiz».Cruiser wurde als einzige LGBT*-Publikation als «kulturell relevant» eingestuft und wird daher in der Schweize rischen Nationalbibliothek, der ZB Zürich sowie in der deutschen Nationalbibliothek archi viert. Cruiser ist zudem via SMD (schweizerische Mediendatenbank) allen Medienschaffenden zugänglich.ANZEIGETorben ist gebürtiger Norweger und hat sichtlich Spass am Winter; Jedes Jahr fährt er an Weih-nachten zu seiner Familie in die nördlichste Stadt in Europa: Hammerfest. IMPRESSUM

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4 5Es gibt noch viel zu tun. Aber… es sieht nicht schlecht aus!PINK CROSS-STUDIEWIE ZUFRIEDEN SIND WIR?VON GAÉ COLUSSI / SAMSON RENTSCH / PINK CROSSDie Studie von Pink Cross ist eine der grössten (wenn nicht gar die gröss-te!) Studie, die in der Schweiz zum ema Lebensrealität / Zukunft von quee-ren Männern durchgeführt wurde. Ziel war es, durch einen tieferen Einblick in die Community besser zu verstehen, was sie sich wünschen, was sie wollen, worauf die Menschen hoen, was sie schätzen und wo Hindernisse vorhanden sind. Gemeinsam mit der Zürcher Hoch-schule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) wurde die Umfrage durchgeführt und die Ergebnisse analysiert.Cruiser hat die Onlineergebnisse in klassischer Print-Version kompakt und übersichtlich dargestellt.CRUISER DEZEMBER 2023 CRUISER DEZEMBER 2023Auch wenn der Community-Begri nach wie vor kompliziert zu denieren ist und oft diskutiert wird, ist unbestritten, dass sie als eine subjektive Gemeinschaft existiert, der man sich zugehörig fühlen kann. Und die Ergebnisse sind eindeutig: Viele Menschen fühlen sich als Teil mehrerer Communitys –und zwar in unterschiedlichem Masse.Je nach persönlichem Verständnis der eigenen Identität (schwul, bi, queer etc.) verändert sich auch das Zugehörigkeits-gefühl zu einer Community – während für viele die Community umgekehrt auch wie-der identitätsstiftend wirkt. Die LGBT*-Ge-meinschaft vereint die meisten Menschen (90 % fühlen sich ihr zumindest ein wenig zugehörig, davon 50 % stark oder sehr stark), während die Gay-Community eine kleinere Gruppe abdeckt, aber eine sehr starke Zu-stimmung erfährt (57 % fühlen sich ihr stark oder sehr stark zugehörig). Die queere Com-munity sieht eine geringere Zugehörigkeit, insbesondere bei älteren Menschen (nur ein Viertel fühlt sich ihr stark oder sehr stark zugehörig bei den vor 1960 Geborenen, ge-genüber mehr als 50 % bei den nach 1990 Geborenen) – der Begri queer ist also nicht unumstritten, im Gegensatz zu LGBT*, wel-cher breite Zustimmung ndet.Dieses Zugehörigkeitsgefühl ist in ei-nem gegenseitigen Verständnis (von 89 % der Personen als sehr wichtig oder extrem wich-tig eingestuft), in Freundschaften (73 %), Liebesbeziehungen (62 %) und Sexualität (58 %) verankert, noch vor dem politischen Engagement (48 %), den Angeboten von LGBT*-Organisationen (38 %) und den Par-tys (32 %). Die Community scheint also in erster Linie eine Frage der gemeinsamen Anliegen und der Freundschaften und Be-ziehungen zu sein, weniger der gemeinsa-men Räume oder Aktivitäten.Für viele schwule, lesbische, bisexuelle und queere Männer ist die Community eine Quelle von Unterstützung und gegenseiti-gem Verständnis. Fast 70 % geben an, dass sie sich durch die Community unterstützt füh-len, und fast 75 % nden in ihr Verständnis für ihre Anliegen. Die Community funktio-niert für viele auch als Puer gegen die Ein-samkeit (48 %) oder als grosse Familie (43 %).Insgesamt hat eine grosse Mehrheit der Befragten eine positive Meinung zu ih-rer Community: Rund zwei Drittel nden sie integrativ, solidarisch und identitätsstif-tend. Die Community wird momentan aus-serdem als stärker und vielfältiger als früher angesehen, während Ausgrenzung und Dis-kriminierung häuger ema sind.VIELFÄLTIGE UND SOLIDARISCHE COMMUNITY(S)Seine Community(s) zu nden, ist für schwule, bisexuelle und queere Männer weiterhin wichtig, und diese Communitys sind wertvolle Quellen der Unterstützung und des Verständnisses. Als Community-Organisation lebt Pink Cross durch und für seine Mitglieder, in all ihrer Vielfalt und in Anerkennung der vielfältigen Iden-titäten, die ihr Leben ausmachen. Darum werden wir uns auch weiterhin für eine vielfältige, integrative und solidarische Community einsetzen, in der jeder seinen Platz nden kann! ➔Zur Community dazugehören – trotz aller Unterschiede!Was bedeutet «Community» für schwule, bisexuelle und queere Männer? Von welcher / welchen Community(s) sprechen wir? Wie werden diese wahrgenommen? Die Pink Cross-Forschung liefert erste Antworten: Das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer oder mehreren Communitys ist bei den Befragten nach wie vor weit ver-breitet – insbesondere zur «Gay Com munity» und der LGBT*-Community. Dieses subjektive Zugehörigkeits gefühl geht mit einer generell positiven Bewertung der Community einher, die mehrheitlich als integrativ, identitätsstiftend und als Ressource für Unterstützung und gegenseitiges Verständnis angesehen wird.PINK CROSS-STUDIEWIE ZUFRIEDEN SIND WIR?Im Frühjahr 2023 führte Pink Cross eine grosse Umfrage zur Lebensrealität und den Zukunftsvorstellungen von schwulen, bi sexuellen und queeren Männern* durch. Wir haben die ersten Ergebnisse und Einsichten.Statistiken © Pink Cross

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4 5Es gibt noch viel zu tun. Aber… es sieht nicht schlecht aus!PINK CROSS-STUDIEWIE ZUFRIEDEN SIND WIR?VON GAÉ COLUSSI / SAMSON RENTSCH / PINK CROSSDie Studie von Pink Cross ist eine der grössten (wenn nicht gar die gröss-te!) Studie, die in der Schweiz zum ema Lebensrealität / Zukunft von quee-ren Männern durchgeführt wurde. Ziel war es, durch einen tieferen Einblick in die Community besser zu verstehen, was sie sich wünschen, was sie wollen, worauf die Menschen hoen, was sie schätzen und wo Hindernisse vorhanden sind. Gemeinsam mit der Zürcher Hoch-schule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) wurde die Umfrage durchgeführt und die Ergebnisse analysiert.Cruiser hat die Onlineergebnisse in klassischer Print-Version kompakt und übersichtlich dargestellt.CRUISER DEZEMBER 2023 CRUISER DEZEMBER 2023Auch wenn der Community-Begri nach wie vor kompliziert zu denieren ist und oft diskutiert wird, ist unbestritten, dass sie als eine subjektive Gemeinschaft existiert, der man sich zugehörig fühlen kann. Und die Ergebnisse sind eindeutig: Viele Menschen fühlen sich als Teil mehrerer Communitys –und zwar in unterschiedlichem Masse.Je nach persönlichem Verständnis der eigenen Identität (schwul, bi, queer etc.) verändert sich auch das Zugehörigkeits-gefühl zu einer Community – während für viele die Community umgekehrt auch wie-der identitätsstiftend wirkt. Die LGBT*-Ge-meinschaft vereint die meisten Menschen (90 % fühlen sich ihr zumindest ein wenig zugehörig, davon 50 % stark oder sehr stark), während die Gay-Community eine kleinere Gruppe abdeckt, aber eine sehr starke Zu-stimmung erfährt (57 % fühlen sich ihr stark oder sehr stark zugehörig). Die queere Com-munity sieht eine geringere Zugehörigkeit, insbesondere bei älteren Menschen (nur ein Viertel fühlt sich ihr stark oder sehr stark zugehörig bei den vor 1960 Geborenen, ge-genüber mehr als 50 % bei den nach 1990 Geborenen) – der Begri queer ist also nicht unumstritten, im Gegensatz zu LGBT*, wel-cher breite Zustimmung ndet.Dieses Zugehörigkeitsgefühl ist in ei-nem gegenseitigen Verständnis (von 89 % der Personen als sehr wichtig oder extrem wich-tig eingestuft), in Freundschaften (73 %), Liebesbeziehungen (62 %) und Sexualität (58 %) verankert, noch vor dem politischen Engagement (48 %), den Angeboten von LGBT*-Organisationen (38 %) und den Par-tys (32 %). Die Community scheint also in erster Linie eine Frage der gemeinsamen Anliegen und der Freundschaften und Be-ziehungen zu sein, weniger der gemeinsa-men Räume oder Aktivitäten.Für viele schwule, lesbische, bisexuelle und queere Männer ist die Community eine Quelle von Unterstützung und gegenseiti-gem Verständnis. Fast 70 % geben an, dass sie sich durch die Community unterstützt füh-len, und fast 75 % nden in ihr Verständnis für ihre Anliegen. Die Community funktio-niert für viele auch als Puer gegen die Ein-samkeit (48 %) oder als grosse Familie (43 %).Insgesamt hat eine grosse Mehrheit der Befragten eine positive Meinung zu ih-rer Community: Rund zwei Drittel nden sie integrativ, solidarisch und identitätsstif-tend. Die Community wird momentan aus-serdem als stärker und vielfältiger als früher angesehen, während Ausgrenzung und Dis-kriminierung häuger ema sind.VIELFÄLTIGE UND SOLIDARISCHE COMMUNITY(S)Seine Community(s) zu nden, ist für schwule, bisexuelle und queere Männer weiterhin wichtig, und diese Communitys sind wertvolle Quellen der Unterstützung und des Verständnisses. Als Community-Organisation lebt Pink Cross durch und für seine Mitglieder, in all ihrer Vielfalt und in Anerkennung der vielfältigen Iden-titäten, die ihr Leben ausmachen. Darum werden wir uns auch weiterhin für eine vielfältige, integrative und solidarische Community einsetzen, in der jeder seinen Platz nden kann! ➔Zur Community dazugehören – trotz aller Unterschiede!Was bedeutet «Community» für schwule, bisexuelle und queere Männer? Von welcher / welchen Community(s) sprechen wir? Wie werden diese wahrgenommen? Die Pink Cross-Forschung liefert erste Antworten: Das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer oder mehreren Communitys ist bei den Befragten nach wie vor weit ver-breitet – insbesondere zur «Gay Com munity» und der LGBT*-Community. Dieses subjektive Zugehörigkeits gefühl geht mit einer generell positiven Bewertung der Community einher, die mehrheitlich als integrativ, identitätsstiftend und als Ressource für Unterstützung und gegenseitiges Verständnis angesehen wird.PINK CROSS-STUDIEWIE ZUFRIEDEN SIND WIR?Im Frühjahr 2023 führte Pink Cross eine grosse Umfrage zur Lebensrealität und den Zukunftsvorstellungen von schwulen, bi sexuellen und queeren Männern* durch. Wir haben die ersten Ergebnisse und Einsichten.Statistiken © Pink Cross

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7CRUISER DEZEMBER 202376PINK CROSS-STUDIEWIE ZUFRIEDEN SIND WIR?CRUISER DEZEMBER 2023ANZEIGE Spitzenweine – zu OTTO’S-Preisen! ottos.chIHR GÜNSTIGER ONLINE-WEINKELLERDomaine Lafage Cuvée Authentique Languedoc- Roussillon AOPJahrgang 2018Traubensorten: Carignan, Syrah, Grenache75 clArt. 331239Philip Toscana IGTJahrgang 2019*Traubensorte: Cabernet Sauvignon75 clArt. 212211je Flasche CHF21.95statt 28.90Bestelleinheit 6 Flaschenje Flasche CHF13.95statt 20.90Bestelleinheit 6 Flaschenje Flasche CHF19.95statt 39.–Bestelleinheit 6 Flaschenje Flasche CHF13.95statt 19.90Bestelleinheit 6 Flaschenje Flasche CHF28.95Konkurrenz- vergleich 36.50Bestelleinheit 6 Flaschenje Flasche CHF19.95statt 22.50Bestelleinheit 6 FlaschenNur solange Vorrat! *Jahrgangsänderungen vorbehalten!OrenoToskana Jahrgang 2020*Traubensorten: Merlot, Cabernet Sauvignon, Petit Verdot75 clArt. 385536je Flasche CHF59.–statt 69.– Bestelleinheit 6 FlaschenEsporão Reserva TintoAlentejoJahrgang 2019*Traubensorten: Alicante Bouschet, Aragonez, Trincadeira, Cabernet Sauvignon75 cl Art. 322281Tres EquisAlmansa DO Jahrgang 2018*Traubensorte:Garnacha Tintonera75 clArt. 364083 Carnivor Cabernet SauvignonJahrgang 2018* Traubensorte: Cabernet Sauvignon 75 cl Art. 347795Le Difese Tenuta San GuidoToscanaJahrgang 2021* Traubensorten: Cabernet Sauvignon,Sangiovese 75 cl Art. 210918ottos.chEhe und eingetragene Partnerschaft sind bei den jüngeren Generationen (noch) nicht so beliebt. Bei den Jahrgängen 1991 und jünger sind nur etwa 4 % getraut, während der Anteil bei den älteren Generationen auf über 40 % steigt. Insgesamt zeigen die Zah-len: Die Ehe für alle und die eingetragene Partnerschaft waren wichtige Schritte zur Gleichstellung und werden von vielen gleichgeschlechtlichen Paaren genutzt.Beim Kinderwunsch verhält es sich zwischen den Generationen beinahe an-dersherum. Ein Viertel der unter 20-Jähri-gen wünscht sich so Kinder – doppelt so oft, wie der Durchschnitt (12 %). Obwohl nur die Wenigsten selbst einen Kinderwunsch ha-ben, sehen über die Hälfte der Befragten (53 %) eine hohe Wichtigkeit, die Gleichstel-lung in Bezug auf Elternrechte und ver-schiedene Familienformen politisch und gesellschaftlich voranzutreiben.Zur Erfüllung des Kinderwunschs gibt es unterschiedliche Wege: Von den 172 Be-fragten könnten sich 104 eine Adoption und 61 eine Leihmutterschaft vorstellen. Die meisten (136) möchten Kinder in einer Lie-bes- oder Paarbeziehung, aber ein Drittel (58) kann sich auch eine Co-Elternschaft vorstellen (zwei oder mehrere Menschen, die sich für eine geteilte Elternschaft zusammentun). Wenige Personen haben bereits Kinder (9 %), diese meistens aus frü-heren Beziehungen (61 %). Aber auch Adop-tionen (3 %), Leihmutterschaft (9 %) oder die Co-Elternschaft (14 %) sind vertreten. Es zeigt sich also eine grosse Vielfalt an geleb-ten oder möglichen Familienmodellen.QUEERE FAMILIENFORMEN ANERKENNEN!Egal, ob mit oder ohne Kinderwunsch: Viele schwule, bisexuelle und queere Männer (wollen) heiraten. Dafür hat sich Pink Cross jahrelang eingesetzt und wir kämpfen nun weiter für bessere Elternrechte und die Ab-sicherung vielfältiger Beziehungs- und Fa-milienformen, wie etwa die Vereinfachung der (Stiefkind-)adoption, die Anerkennung von Leihmutterschaft oder die rechtliche Absicherung von Mehrelternschaft. An der Mitgliederversammlung vom 2. April 2022 wurde dazu einausführliches Positionspa-pier verabschiedet. ➔Ehe und Familie: Vater, Vater, Kind?Wie viele schwule, queere und bi Männer haben einen Kinderwunsch? Wie wollen sie diesen erfüllen? Wer ist ver-heiratet oder lebt in einer eingetragenen Partnerschaft? Die Pink Cross-Umfrage gibt Antworten: Egal, ob mit oder ohne Kinder, fast ein Drittel der Befragten lebt in Ehe oder eingetragener Partnerschaft. Den Kinderwunsch konnten sich hingegen nur sehr wenige erfüllen. Gerade die jüngere Generation wünscht sich, Eltern zu werden. Politisch ist sich die grosse Mehrheit einig: Die Gleichstellung in Bezug auf Elternrechte und Familienformen bleibt ein wichtiger Fokus.Den Kinderwunsch konnten sich nur sehr wenige der Befragten erfüllen. Gerade die jüngere Generation wünscht sich, Eltern zu werden.Statistiken © Pink Cross

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7CRUISER DEZEMBER 202376PINK CROSS-STUDIEWIE ZUFRIEDEN SIND WIR?CRUISER DEZEMBER 2023ANZEIGE Spitzenweine – zu OTTO’S-Preisen! ottos.chIHR GÜNSTIGER ONLINE-WEINKELLERDomaine Lafage Cuvée Authentique Languedoc- Roussillon AOPJahrgang 2018Traubensorten: Carignan, Syrah, Grenache75 clArt. 331239Philip Toscana IGTJahrgang 2019*Traubensorte: Cabernet Sauvignon75 clArt. 212211je Flasche CHF21.95statt 28.90Bestelleinheit 6 Flaschenje Flasche CHF13.95statt 20.90Bestelleinheit 6 Flaschenje Flasche CHF19.95statt 39.–Bestelleinheit 6 Flaschenje Flasche CHF13.95statt 19.90Bestelleinheit 6 Flaschenje Flasche CHF28.95Konkurrenz- vergleich 36.50Bestelleinheit 6 Flaschenje Flasche CHF19.95statt 22.50Bestelleinheit 6 FlaschenNur solange Vorrat! *Jahrgangsänderungen vorbehalten!OrenoToskana Jahrgang 2020*Traubensorten: Merlot, Cabernet Sauvignon, Petit Verdot75 clArt. 385536je Flasche CHF59.–statt 69.– Bestelleinheit 6 FlaschenEsporão Reserva TintoAlentejoJahrgang 2019*Traubensorten: Alicante Bouschet, Aragonez, Trincadeira, Cabernet Sauvignon75 cl Art. 322281Tres EquisAlmansa DO Jahrgang 2018*Traubensorte:Garnacha Tintonera75 clArt. 364083 Carnivor Cabernet SauvignonJahrgang 2018* Traubensorte: Cabernet Sauvignon 75 cl Art. 347795Le Difese Tenuta San GuidoToscanaJahrgang 2021* Traubensorten: Cabernet Sauvignon,Sangiovese 75 cl Art. 210918ottos.chEhe und eingetragene Partnerschaft sind bei den jüngeren Generationen (noch) nicht so beliebt. Bei den Jahrgängen 1991 und jünger sind nur etwa 4 % getraut, während der Anteil bei den älteren Generationen auf über 40 % steigt. Insgesamt zeigen die Zah-len: Die Ehe für alle und die eingetragene Partnerschaft waren wichtige Schritte zur Gleichstellung und werden von vielen gleichgeschlechtlichen Paaren genutzt.Beim Kinderwunsch verhält es sich zwischen den Generationen beinahe an-dersherum. Ein Viertel der unter 20-Jähri-gen wünscht sich so Kinder – doppelt so oft, wie der Durchschnitt (12 %). Obwohl nur die Wenigsten selbst einen Kinderwunsch ha-ben, sehen über die Hälfte der Befragten (53 %) eine hohe Wichtigkeit, die Gleichstel-lung in Bezug auf Elternrechte und ver-schiedene Familienformen politisch und gesellschaftlich voranzutreiben.Zur Erfüllung des Kinderwunschs gibt es unterschiedliche Wege: Von den 172 Be-fragten könnten sich 104 eine Adoption und 61 eine Leihmutterschaft vorstellen. Die meisten (136) möchten Kinder in einer Lie-bes- oder Paarbeziehung, aber ein Drittel (58) kann sich auch eine Co-Elternschaft vorstellen (zwei oder mehrere Menschen, die sich für eine geteilte Elternschaft zusammentun). Wenige Personen haben bereits Kinder (9 %), diese meistens aus frü-heren Beziehungen (61 %). Aber auch Adop-tionen (3 %), Leihmutterschaft (9 %) oder die Co-Elternschaft (14 %) sind vertreten. Es zeigt sich also eine grosse Vielfalt an geleb-ten oder möglichen Familienmodellen.QUEERE FAMILIENFORMEN ANERKENNEN!Egal, ob mit oder ohne Kinderwunsch: Viele schwule, bisexuelle und queere Männer (wollen) heiraten. Dafür hat sich Pink Cross jahrelang eingesetzt und wir kämpfen nun weiter für bessere Elternrechte und die Ab-sicherung vielfältiger Beziehungs- und Fa-milienformen, wie etwa die Vereinfachung der (Stiefkind-)adoption, die Anerkennung von Leihmutterschaft oder die rechtliche Absicherung von Mehrelternschaft. An der Mitgliederversammlung vom 2. April 2022 wurde dazu einausführliches Positionspa-pier verabschiedet. ➔Ehe und Familie: Vater, Vater, Kind?Wie viele schwule, queere und bi Männer haben einen Kinderwunsch? Wie wollen sie diesen erfüllen? Wer ist ver-heiratet oder lebt in einer eingetragenen Partnerschaft? Die Pink Cross-Umfrage gibt Antworten: Egal, ob mit oder ohne Kinder, fast ein Drittel der Befragten lebt in Ehe oder eingetragener Partnerschaft. Den Kinderwunsch konnten sich hingegen nur sehr wenige erfüllen. Gerade die jüngere Generation wünscht sich, Eltern zu werden. Politisch ist sich die grosse Mehrheit einig: Die Gleichstellung in Bezug auf Elternrechte und Familienformen bleibt ein wichtiger Fokus.Den Kinderwunsch konnten sich nur sehr wenige der Befragten erfüllen. Gerade die jüngere Generation wünscht sich, Eltern zu werden.Statistiken © Pink Cross

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8 9CRUISER DEZEMBER 2023PINK CROSS-STUDIEWIE ZUFRIEDEN SIND WIR?PINK CROSSSTUDIE: WIE ZUFRIEDEN SIND WIR?Eine überwältigende Mehrheit der Befrag-ten gibt an, dass sie mindestens eine Person hat, an die sie sich in krisenhaften Situatio-nen wenden kann (90 % stimmen eher oder komplett zu), dass sie sich insgesamt ausrei-chend unterstützt und aufgehoben fühlt (85 %) und, dass sie mehrere Personen hat, mit denen sie über Dinge sprechen kann, die sie beschäftigen (85 %) – das Alter spielt hier keine bedeutende Rolle. Leider fühlen sich nicht alle gleich gut aufgehoben: Vor al-lem Singles fehlt häuger eine Bezugsper-son (12 % stimmen nicht oder überhaupt nicht zu), aber auch Personen, die in einer Beziehung leben (3 %). Der Unterschied beim Unterstützungsempnden ist noch si-gnikanter (17 % der Singles fühlen sich nicht ausreichend aufgehoben im Vergleich zu 5 % der in einer Beziehung lebenden Per-sonen).Obwohl der Beziehungsstatus also eine wichtige Rolle für das Gefühl spielt, umgeben und unterstützt zu sein, stehen feste Beziehungen nur an zweiter Stelle nach den Freundschaften: So empnden über 97 % der Personen ihre Freund*innen als wichtig oder sehr wichtig, gefolgt von festen Partner*innen (92 % – für diejenigen, die welche haben) und dem engeren Famili-enkreis, nämlich den Eltern (74 %) und den Geschwistern (70 %) – also anders als das Bild des Schwulen, der von seiner Familie verst ossen w i rd. Gelegen heits par t ner *i nnen für Sex (33 %) oder regelmässige Sexualpart-ner*innen (47 %) sind für viele Menschen ebenfalls ein wichtiges soziales Umfeld. Ihre unterstützende Rolle sollte nicht ver-nachlässigt werden.Schliesslich geben etwa zwei Drittel an, sich in ihrem privaten Kreis häug oder sehr häug mit schwulen Männern zu tref-fen. Dieser Anteil ist nur leicht höher als derjenige derer, die sich mit heterosexuel-len cisgeschlechtlichen Männern oder Frauen treen (etwa 60 %) –der Vorwurf ei-ner schwulen «Bubble», in der man nur un-ter sich bleibt, stimmt demnach nicht.Wir haben auch die Frage nach dem Kontakt zu Personen aus anderen Teilen der LGBT*-Community gestellt – auf diese Ergebnisse werden wir in einem späteren Bericht ein-gehen.UND WIE WEITER?Pink Cross freut sich, dass eine grosse Mehrheit über ein unterstützendes Umfeld verfügt, an welches sie sich wenden kann! Der Kampf gegen Einsamkeit und Isolation bleibt jedoch weiterhin eine Herausfor-derung und ist nicht einfach mittels fester Beziehungen zu lösen.Fast Dreiviertel der Befragten sind in einer Beziehung – und dabei zu 95 % eher oder sehr zufrieden. Aber auch bei den Singles herrscht grosse Zufriedenheit – ein Drittel ist eher bis sehr zufrieden, während weitere 20 % ihrem Beziehungsstatus neutral gegen-über stehen. Und über 70 % der Befragten, die regelmässige Liebhaber oder gelegentli-che Treen haben, sind glücklich damit. Die hohe Zufriedenheit der vielen nicht-mono-gamen Personen zeigt, dass das Klischee, Glück sei nur in einer festen Paarbeziehung zu nden, nicht den Tatsachen entspricht.Die Vielfalt der gelebten Beziehungen lässt sich nicht einfach kategorisieren; die Kategorien «exklusive», «oene» oder «fes-te» Beziehungen scheinen sehr unter-schiedlich interpretiert worden zu sein und es gibt viele Kombinationen – die Zahlen sind daher mit Vorsicht zu geniessen: Ex-klusive Beziehungen (gesamt 23 %) kom-menetwashäuger in Land- und Bergregio-nen (25 %) als in Städten (20–22 %) vor. Bei den oenen Beziehungen spielt nicht nur der Wohnort, sondern auch die politische Ausrichtung eine Rolle: bei rechten Perso-nen kommen sie signikant weniger vor. Und bei denpolyamorenBeziehungen spielt das Alter eine Rolle – die unter 30-Jährigen leben doppelt so oftpolyamor(13–15 %) wie der Durchschnitt (6 %). Diese Vielfalt wird gespürt: Die grosse Mehrheit stimmt zu, dass Beziehungen unter schwulen/bi/quee-ren Männern im Vergleich vielfältiger sind!UND WIE WEITER?Pink Cross freut sich darüber, dass eine so grosse Zahl an Befragten in ihrer Beziehung zufrieden ist – und dass die Zahlen zeigen, was wir schon längst wissen: Auch als Single oder in nicht-monogamen Beziehungen wird man glücklich. Gerade dieser Vielfalt an Beziehungsformen und queeren Lebens-entwürfen fehlt es an öentlicher Sichtbar-keit und rechtlicher Anerkennung. ➔Unterstützung im sozialen Umfeld vorhanden!Wer sind die wichtigsten Menschen für schwule, bisexuelle und queere Männer? Inwieweit fühlen sie sich unterstützt und aufgehoben? Wie sehen ihre Bekanntschaften aus? Die Umfrage von Pink Cross hat sich mit diesen Fragen beschäf-tigt – die erste gute Nachricht: Eine grosse Mehrheit hat ein gutes Umfeld und fühlt sich unterstützt. Freundschaften zählen zu den wichtigsten Beziehungen, gefolgt von Liebes- oder Lebenspart ner*innen und dem engeren Familienkreis. Aus den Umfrageergebnissen lässt sich schliessen, dass die Bekanntschaften vielfältig sind und auch viele cisgeschlecht-liche und heterosexuelle Personen umfassen.Beziehungen: (Fast) alle kommen auf ihre Kosten!Wie leben schwule, bisexuelle und queere Männer ihre Be ziehungen? Die Pink Cross-Umfrage gibt Antworten: Die gelebten Beziehungen und ihre Formen sind vielfältig (ex-klusive Beziehungen, offene Beziehungen, polyamore Kons-tellationen, Dating usw.). Es gelingt der Mehrheit, eine für sie passende Form zu finden und eine glückliche Beziehung zu führen. Das Singledasein ist jedoch nach wie vor häufiger als erwünscht – die Mehrheit der Singles möchte ihren Bezie-hungsstatus ändern.Statistiken © Pink CrossCRUISER DEZEMBER 2023

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8 9CRUISER DEZEMBER 2023PINK CROSS-STUDIEWIE ZUFRIEDEN SIND WIR?PINK CROSSSTUDIE: WIE ZUFRIEDEN SIND WIR?Eine überwältigende Mehrheit der Befrag-ten gibt an, dass sie mindestens eine Person hat, an die sie sich in krisenhaften Situatio-nen wenden kann (90 % stimmen eher oder komplett zu), dass sie sich insgesamt ausrei-chend unterstützt und aufgehoben fühlt (85 %) und, dass sie mehrere Personen hat, mit denen sie über Dinge sprechen kann, die sie beschäftigen (85 %) – das Alter spielt hier keine bedeutende Rolle. Leider fühlen sich nicht alle gleich gut aufgehoben: Vor al-lem Singles fehlt häuger eine Bezugsper-son (12 % stimmen nicht oder überhaupt nicht zu), aber auch Personen, die in einer Beziehung leben (3 %). Der Unterschied beim Unterstützungsempnden ist noch si-gnikanter (17 % der Singles fühlen sich nicht ausreichend aufgehoben im Vergleich zu 5 % der in einer Beziehung lebenden Per-sonen).Obwohl der Beziehungsstatus also eine wichtige Rolle für das Gefühl spielt, umgeben und unterstützt zu sein, stehen feste Beziehungen nur an zweiter Stelle nach den Freundschaften: So empnden über 97 % der Personen ihre Freund*innen als wichtig oder sehr wichtig, gefolgt von festen Partner*innen (92 % – für diejenigen, die welche haben) und dem engeren Famili-enkreis, nämlich den Eltern (74 %) und den Geschwistern (70 %) – also anders als das Bild des Schwulen, der von seiner Familie verst ossen w i rd. Gelegen heits par t ner *i nnen für Sex (33 %) oder regelmässige Sexualpart-ner*innen (47 %) sind für viele Menschen ebenfalls ein wichtiges soziales Umfeld. Ihre unterstützende Rolle sollte nicht ver-nachlässigt werden.Schliesslich geben etwa zwei Drittel an, sich in ihrem privaten Kreis häug oder sehr häug mit schwulen Männern zu tref-fen. Dieser Anteil ist nur leicht höher als derjenige derer, die sich mit heterosexuel-len cisgeschlechtlichen Männern oder Frauen treen (etwa 60 %) –der Vorwurf ei-ner schwulen «Bubble», in der man nur un-ter sich bleibt, stimmt demnach nicht.Wir haben auch die Frage nach dem Kontakt zu Personen aus anderen Teilen der LGBT*-Community gestellt – auf diese Ergebnisse werden wir in einem späteren Bericht ein-gehen.UND WIE WEITER?Pink Cross freut sich, dass eine grosse Mehrheit über ein unterstützendes Umfeld verfügt, an welches sie sich wenden kann! Der Kampf gegen Einsamkeit und Isolation bleibt jedoch weiterhin eine Herausfor-derung und ist nicht einfach mittels fester Beziehungen zu lösen.Fast Dreiviertel der Befragten sind in einer Beziehung – und dabei zu 95 % eher oder sehr zufrieden. Aber auch bei den Singles herrscht grosse Zufriedenheit – ein Drittel ist eher bis sehr zufrieden, während weitere 20 % ihrem Beziehungsstatus neutral gegen-über stehen. Und über 70 % der Befragten, die regelmässige Liebhaber oder gelegentli-che Treen haben, sind glücklich damit. Die hohe Zufriedenheit der vielen nicht-mono-gamen Personen zeigt, dass das Klischee, Glück sei nur in einer festen Paarbeziehung zu nden, nicht den Tatsachen entspricht.Die Vielfalt der gelebten Beziehungen lässt sich nicht einfach kategorisieren; die Kategorien «exklusive», «oene» oder «fes-te» Beziehungen scheinen sehr unter-schiedlich interpretiert worden zu sein und es gibt viele Kombinationen – die Zahlen sind daher mit Vorsicht zu geniessen: Ex-klusive Beziehungen (gesamt 23 %) kom-menetwashäuger in Land- und Bergregio-nen (25 %) als in Städten (20–22 %) vor. Bei den oenen Beziehungen spielt nicht nur der Wohnort, sondern auch die politische Ausrichtung eine Rolle: bei rechten Perso-nen kommen sie signikant weniger vor. Und bei denpolyamorenBeziehungen spielt das Alter eine Rolle – die unter 30-Jährigen leben doppelt so oftpolyamor(13–15 %) wie der Durchschnitt (6 %). Diese Vielfalt wird gespürt: Die grosse Mehrheit stimmt zu, dass Beziehungen unter schwulen/bi/quee-ren Männern im Vergleich vielfältiger sind!UND WIE WEITER?Pink Cross freut sich darüber, dass eine so grosse Zahl an Befragten in ihrer Beziehung zufrieden ist – und dass die Zahlen zeigen, was wir schon längst wissen: Auch als Single oder in nicht-monogamen Beziehungen wird man glücklich. Gerade dieser Vielfalt an Beziehungsformen und queeren Lebens-entwürfen fehlt es an öentlicher Sichtbar-keit und rechtlicher Anerkennung. ➔Unterstützung im sozialen Umfeld vorhanden!Wer sind die wichtigsten Menschen für schwule, bisexuelle und queere Männer? Inwieweit fühlen sie sich unterstützt und aufgehoben? Wie sehen ihre Bekanntschaften aus? Die Umfrage von Pink Cross hat sich mit diesen Fragen beschäf-tigt – die erste gute Nachricht: Eine grosse Mehrheit hat ein gutes Umfeld und fühlt sich unterstützt. Freundschaften zählen zu den wichtigsten Beziehungen, gefolgt von Liebes- oder Lebenspart ner*innen und dem engeren Familienkreis. Aus den Umfrageergebnissen lässt sich schliessen, dass die Bekanntschaften vielfältig sind und auch viele cisgeschlecht-liche und heterosexuelle Personen umfassen.Beziehungen: (Fast) alle kommen auf ihre Kosten!Wie leben schwule, bisexuelle und queere Männer ihre Be ziehungen? Die Pink Cross-Umfrage gibt Antworten: Die gelebten Beziehungen und ihre Formen sind vielfältig (ex-klusive Beziehungen, offene Beziehungen, polyamore Kons-tellationen, Dating usw.). Es gelingt der Mehrheit, eine für sie passende Form zu finden und eine glückliche Beziehung zu führen. Das Singledasein ist jedoch nach wie vor häufiger als erwünscht – die Mehrheit der Singles möchte ihren Bezie-hungsstatus ändern.Statistiken © Pink CrossCRUISER DEZEMBER 2023

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10 11CRUISER DEZEMBER 2023ANZEIGEpinkcross.chPink Cross setzt sich dafür ein, dass schwule und bisexuelle Männer in der Schweiz gesetzlich gleichgestellt und gesellschaftlich akzeptie werden.Werde jetzt Mitglied und kämpfe mit uns für eine oene Schweiz!Für Romeo & RomeoPINK CROSSSTUDIE: WIE ZUFRIEDEN SIND WIR?PINK CROSS-STUDIEWIE ZUFRIEDEN SIND WIR?Die von Pink Cross durchgeführte Umfrage stellte die Frage nach den zukünftigen poli-tischen Prioritäten für LGBT*-Organisa-tionen. Maximal fünf Antworten konnten aus einer Liste ausgewählt werden mit der Möglichkeit, weitere Prioritäten zu nennen. Die Ergebnisse zeigen: Die höchste Priorität hat die Bildung und Sensibilisierung der Gesellschaft für LGBT*-Fragen. Fast 70 % der Teilnehmenden wählten diese Antwort, und zwar über alle Generationen hinweg.Auch die emenGesundheit und Zu-gang zu medizinischer Versorgung, Senio-ren und Engagement für deren besonderen Politik und aktuelle HerausforderungenWelche Themen beschäftigen schwule, bisexuelle und queere Männer? Was sind ihre Prio-ritäten für die Zukunft? Die Pink Cross-Umfrage gibt einige Antworten: Die höchste Priorität hat die gesellschaftliche Akzeptanz im weitesten Sinne. Auch der Zugang zu medizinischer Versorgung oder spezifische Herausforderungen für Senioren und Jugendliche werden häufig genannt. Zudem werden gleiche Rechte im Bereich der Familie gefordert, insbesondere von den Jüngeren.Bedürfnisse und die rechtliche Gleichstel-lung bezüglich Elternrechten und Fami-lienformen werden oft genannt. Einige emen haben bei den verschiedenen Ge-nerationen unterschiedliche Priorität: Die besonderen Bedürfnisse der Senioren sind für ältere Menschen besonders wichtig, nämlich bei über 60 % bei den Jahrgängen vor 1980 gegenüber weniger als 40 % der jüngeren Menschen. Umgekehrt ist die Fra-ge nach Familienrecht und Elternschaft für 70 % der nach 1990 Geborenen eine Priori-tät, während es bei den Jahrgängen vor 1980 weniger als 50 % sind.WIE WEITER?Die genannten emen sind allesamt Prio-ritäten von Pink Cross für die kommenden Jahre: Wir wollen eine Gesellschaft, die uns akzeptiert, egal wie alt wir sind! Wir werden uns weiterhin für einen einfachen Zugang zu qualitativ hochwertiger medizinischer Versorgung zu erschwinglichen Preisen ein-setzen, und für eine allgemeine Verbesse-rung der Gesundheit von LGBT*-Menschen. Familienrechte stehen ebenfalls ganz oben auf der Agenda von Pink Cross. ➔Die höchste Priorität hat die ge-sellschaftliche Akzeptanz im weitesten Sinne.Statistiken © Pink Cross

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10 11CRUISER DEZEMBER 2023ANZEIGEpinkcross.chPink Cross setzt sich dafür ein, dass schwule und bisexuelle Männer in der Schweiz gesetzlich gleichgestellt und gesellschaftlich akzeptie werden.Werde jetzt Mitglied und kämpfe mit uns für eine oene Schweiz!Für Romeo & RomeoPINK CROSSSTUDIE: WIE ZUFRIEDEN SIND WIR?PINK CROSS-STUDIEWIE ZUFRIEDEN SIND WIR?Die von Pink Cross durchgeführte Umfrage stellte die Frage nach den zukünftigen poli-tischen Prioritäten für LGBT*-Organisa-tionen. Maximal fünf Antworten konnten aus einer Liste ausgewählt werden mit der Möglichkeit, weitere Prioritäten zu nennen. Die Ergebnisse zeigen: Die höchste Priorität hat die Bildung und Sensibilisierung der Gesellschaft für LGBT*-Fragen. Fast 70 % der Teilnehmenden wählten diese Antwort, und zwar über alle Generationen hinweg.Auch die emenGesundheit und Zu-gang zu medizinischer Versorgung, Senio-ren und Engagement für deren besonderen Politik und aktuelle HerausforderungenWelche Themen beschäftigen schwule, bisexuelle und queere Männer? Was sind ihre Prio-ritäten für die Zukunft? Die Pink Cross-Umfrage gibt einige Antworten: Die höchste Priorität hat die gesellschaftliche Akzeptanz im weitesten Sinne. Auch der Zugang zu medizinischer Versorgung oder spezifische Herausforderungen für Senioren und Jugendliche werden häufig genannt. Zudem werden gleiche Rechte im Bereich der Familie gefordert, insbesondere von den Jüngeren.Bedürfnisse und die rechtliche Gleichstel-lung bezüglich Elternrechten und Fami-lienformen werden oft genannt. Einige emen haben bei den verschiedenen Ge-nerationen unterschiedliche Priorität: Die besonderen Bedürfnisse der Senioren sind für ältere Menschen besonders wichtig, nämlich bei über 60 % bei den Jahrgängen vor 1980 gegenüber weniger als 40 % der jüngeren Menschen. Umgekehrt ist die Fra-ge nach Familienrecht und Elternschaft für 70 % der nach 1990 Geborenen eine Priori-tät, während es bei den Jahrgängen vor 1980 weniger als 50 % sind.WIE WEITER?Die genannten emen sind allesamt Prio-ritäten von Pink Cross für die kommenden Jahre: Wir wollen eine Gesellschaft, die uns akzeptiert, egal wie alt wir sind! Wir werden uns weiterhin für einen einfachen Zugang zu qualitativ hochwertiger medizinischer Versorgung zu erschwinglichen Preisen ein-setzen, und für eine allgemeine Verbesse-rung der Gesundheit von LGBT*-Menschen. Familienrechte stehen ebenfalls ganz oben auf der Agenda von Pink Cross. ➔Die höchste Priorität hat die ge-sellschaftliche Akzeptanz im weitesten Sinne.Statistiken © Pink Cross

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12 13CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER DEZEMBER 2023Written by TOBY MARLOW & LUCY MOSSKENNY WAX, WENDY & ANDY BARNES AND GEORGE STILES IN ASSOCIATION WITH BB PROMOTION GMBH AND FBM ENTERTAINMENT PRESENTBB Promotion GmbH und spotlight musicals GmbH in Zusammenarbeit mit FBM Entertainment präsentierenNoch bis am 10. März 2024 Theater 11 ZürichSCHENKEN SIE UNVERGESSLICHE MOMENTE!www.musical.ch/gutscheine23. – 28.01.2024 Musical Theater Basel27. – 29.09.2024 St. Jakobshalle Basel 17.–20.10.2024 Hallenstadion Zürich18. – 23.06.2024 Musical Theater Basel30.01. – 04.02.2024 Musical Theater Basel22. Dezember 2023 Volkshaus Zürich09. – 21. April 2024 Theater 11 Zürich16. Oktober – 03. November 2024 Theater 11 Zürich10. Juli – 24. August 2024 Seebühne Thun15. – 23. März 2024 Theater 11 ZürichDIE THUNERSEESPIELE WERDEN UNTERSTÜTZT VON:Presenting Sponsor Hauptsponsorenmusical.chSCHENKEN SIE EMOTIONENANZEIGEFast zwei Drittel der Befragten sehen die Zukunft von schwulen, bisexuellen be-ziehungsweise queeren Männern in der Schweiz optimistisch oder sehr optimis-tisch. Nur ein Zehntel ist eher pessimis-tisch – mit einem etwas höherer Anteil bei älteren Menschen (bis zu 15 % bei den in den 1950er-Jahren Geborenen gegenüber knapp 7 % ab Jahrgang 2000) und bei Men-schen, die auf dem Land leben (14 %).Der Optimismus ist jedoch nicht frei von Zukunftssorgen, wie aus den oenen Antworten hervorgeht. Fast 800 Personen haben auf die Frage nach den Prioritäten für LGBT*-Organisationen in der Zukunft ge-antwortet.Das am häugsten genannte ema ist die Diskriminierung und Gewalt gegen queere Menschen (116 Antworten) und das Gegenstück dazu, also eine breite Akzep-tanz in der Gesellschaft und gleiche Rechte (112 Antworten). Viele befürchten Rück-schritte wegen der Zunahme von Hate Crimes und Hassrede in der Gesellschaft und in der Politik (100 Antworten), während einige Personen besorgt sind, dass die Ge-sellschaft durch Forderungen der LGBT*-Community «überfordert» werden könnte (50 Antworten). Schliesslich betonen die Befragten, wie wichtig eine Community ist, die zusammenhält und alle einbezieht (55 Antworten), trotz der Unterschiede und der grossen Vielfalt (57 Antworten).WIE GEHT ES WEITER?Pink Cross freut sich, dass die meisten schwulen, bisexuellen und queeren Männer positiv in die Zukunft blicken: Die jahr-zehntelange Arbeit trägt Früchte! Die Sorge über die Zunahme von Hassrede und Hate Crimes, die anhaltende Gewalt und die Ge-fahr von Rückschritten bleiben jedoch zen-trale emen unserer Arbeit. Pink Cross wird weiterhin für eine Gesellschaft kämp-fen, in der Homophobie und andere Formen von Gewalt endlich Geschichte werden! METHODOLOGIEDie Ergebnisse stammen aus einer Online- Umfrage, die Pink Cross im Frühjahr 2023 unter schwulen, bisexuellen und queeren Männern* durchgeführt hat. Auf den Fragebogen gingen 1469 Antworten ein. Die Stichprobe ist nicht repräsentativ für die Schweizer Bevölkerung. Weitere Informationen werden zu einem späte-ren Zeitpunkt in einem Methodenbericht veröf-fent licht. Die Studie richtete sich an schwule, bi und queere Männer (cis und trans) und non-binäre Personen, welche sich (in Teilen) mit dem männlichen Spektrum identifizieren. Wei t ere Studienergebnisse werden forlaufend auf der Webseite von Pink Cross publiziert: Direktzugriff auf www.study.pink-cross.ch oder mittels diesem QR Code.PINK CROSS-STUDIEWIE ZUFRIEDEN SIND WIR?Zukunft: vorsichtig optimistisch?Wie sehen schwule, bisexuelle und queere Männer ihre Zukunft in der Schweiz? Welche Sorgen oder Erwartungen haben sie? Die Umfrage von Pink Cross gibt einige Antwor-ten: Eine grosse Mehrheit der Befragten sieht die Zukunft eher optimistisch (57 %) oder sogar sehr optimistisch (12 %)! Die offenen Antworten zeigen jedoch, dass es nicht an Sorgen mangelt: Diskriminierung, Gewalt, Hate Crimes und die Gefahr von Rückschritten werden häufig genannt.Statistiken © Pink Cross

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12 13CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER DEZEMBER 2023Written by TOBY MARLOW & LUCY MOSSKENNY WAX, WENDY & ANDY BARNES AND GEORGE STILES IN ASSOCIATION WITH BB PROMOTION GMBH AND FBM ENTERTAINMENT PRESENTBB Promotion GmbH und spotlight musicals GmbH in Zusammenarbeit mit FBM Entertainment präsentierenNoch bis am 10. März 2024 Theater 11 ZürichSCHENKEN SIE UNVERGESSLICHE MOMENTE!www.musical.ch/gutscheine23. – 28.01.2024 Musical Theater Basel27. – 29.09.2024 St. Jakobshalle Basel 17.–20.10.2024 Hallenstadion Zürich18. – 23.06.2024 Musical Theater Basel30.01. – 04.02.2024 Musical Theater Basel22. Dezember 2023 Volkshaus Zürich09. – 21. April 2024 Theater 11 Zürich16. Oktober – 03. November 2024 Theater 11 Zürich10. Juli – 24. August 2024 Seebühne Thun15. – 23. März 2024 Theater 11 ZürichDIE THUNERSEESPIELE WERDEN UNTERSTÜTZT VON:Presenting Sponsor Hauptsponsorenmusical.chSCHENKEN SIE EMOTIONENANZEIGEFast zwei Drittel der Befragten sehen die Zukunft von schwulen, bisexuellen be-ziehungsweise queeren Männern in der Schweiz optimistisch oder sehr optimis-tisch. Nur ein Zehntel ist eher pessimis-tisch – mit einem etwas höherer Anteil bei älteren Menschen (bis zu 15 % bei den in den 1950er-Jahren Geborenen gegenüber knapp 7 % ab Jahrgang 2000) und bei Men-schen, die auf dem Land leben (14 %).Der Optimismus ist jedoch nicht frei von Zukunftssorgen, wie aus den oenen Antworten hervorgeht. Fast 800 Personen haben auf die Frage nach den Prioritäten für LGBT*-Organisationen in der Zukunft ge-antwortet.Das am häugsten genannte ema ist die Diskriminierung und Gewalt gegen queere Menschen (116 Antworten) und das Gegenstück dazu, also eine breite Akzep-tanz in der Gesellschaft und gleiche Rechte (112 Antworten). Viele befürchten Rück-schritte wegen der Zunahme von Hate Crimes und Hassrede in der Gesellschaft und in der Politik (100 Antworten), während einige Personen besorgt sind, dass die Ge-sellschaft durch Forderungen der LGBT*-Community «überfordert» werden könnte (50 Antworten). Schliesslich betonen die Befragten, wie wichtig eine Community ist, die zusammenhält und alle einbezieht (55 Antworten), trotz der Unterschiede und der grossen Vielfalt (57 Antworten).WIE GEHT ES WEITER?Pink Cross freut sich, dass die meisten schwulen, bisexuellen und queeren Männer positiv in die Zukunft blicken: Die jahr-zehntelange Arbeit trägt Früchte! Die Sorge über die Zunahme von Hassrede und Hate Crimes, die anhaltende Gewalt und die Ge-fahr von Rückschritten bleiben jedoch zen-trale emen unserer Arbeit. Pink Cross wird weiterhin für eine Gesellschaft kämp-fen, in der Homophobie und andere Formen von Gewalt endlich Geschichte werden! METHODOLOGIEDie Ergebnisse stammen aus einer Online- Umfrage, die Pink Cross im Frühjahr 2023 unter schwulen, bisexuellen und queeren Männern* durchgeführt hat. Auf den Fragebogen gingen 1469 Antworten ein. Die Stichprobe ist nicht repräsentativ für die Schweizer Bevölkerung. Weitere Informationen werden zu einem späte-ren Zeitpunkt in einem Methodenbericht veröf-fent licht. Die Studie richtete sich an schwule, bi und queere Männer (cis und trans) und non-binäre Personen, welche sich (in Teilen) mit dem männlichen Spektrum identifizieren. Wei t ere Studienergebnisse werden forlaufend auf der Webseite von Pink Cross publiziert: Direktzugriff auf www.study.pink-cross.ch oder mittels diesem QR Code.PINK CROSS-STUDIEWIE ZUFRIEDEN SIND WIR?Zukunft: vorsichtig optimistisch?Wie sehen schwule, bisexuelle und queere Männer ihre Zukunft in der Schweiz? Welche Sorgen oder Erwartungen haben sie? Die Umfrage von Pink Cross gibt einige Antwor-ten: Eine grosse Mehrheit der Befragten sieht die Zukunft eher optimistisch (57 %) oder sogar sehr optimistisch (12 %)! Die offenen Antworten zeigen jedoch, dass es nicht an Sorgen mangelt: Diskriminierung, Gewalt, Hate Crimes und die Gefahr von Rückschritten werden häufig genannt.Statistiken © Pink Cross

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14 15CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER ZU BESUCH BEI...REGENBOGENKIRCHE ZÜRICH-WOLLISHOFENCRUISER ZU BESUCH BEI...REGENBOGENKIRCHE ZÜRICH-WOLLISHOFENDie Regenbogenkirche in Zürich-Wollishofen ist eine Gemeinde für queere Menschen, die auf der Suche sind. An vorderster Front: Pfarrerin Nicole Becher.VON HAYMO EMPLDie Sonne schate es nicht mehr ganz, die Regenbogenfahnen der Evange-lisch-methodistischen Kirche in Zü-rich-Wollishofen zum Leuchten zu bringen. Was die bleiche Wintersonne nicht konnte, das machte an jenem Mittwochmorgen, an welchem wir für das Gespräch mit Pfarrerin Nicole Becher verabredet waren, eben ge-nau diese Pfarrerin selbst: Mit ihrem Cha-risma und ihrer Art leuchten die Regen-bögen auch ohne Sonne. Die Kirche – eher eine Kapelle – ist im Baustil eine Fusion von Neuromantik und Heimatstil. Eine sehr gelungene Kombination, denn in dieser Kir-che fühlt man sich sofort wohl. Und nicht nur wegen der Architektur. Aber der Reihe nach. «Wenn jemand schwul ist, den Herrn sucht und guten Wil-len hat – wer bin ich, ihn zu verurteilen?» Wer erinnert sich nicht an diesen denkwür-digen Satz, von Papst Franziskus vor 10 Jah-ren nur wenige Monate nach seinem Amts-antritt verkündet. Damals ging sowohl ein lautstarkes Raunen als auch ein erleichter-tes Aufatmen durch die Reihen der (katholi-schen) Gläubigen. Queere Menschen hatten plötzlich die Honung, dass nun alles gut werden würde, vielleicht würde die Kirche endlich zu der eigentlichen Grundaussage des christlichen Glaubens stehen, dass Gott alle Menschen gleichermassen liebt. Dass Gott diskriminiert nichtsich dies so nicht bewahrheitete, trat in der Folgezeit immer wieder zu Tage. Leider. Und genau da setzt die Regenbogenkirche an: «Lebe dein Leben, der Glaube ist bunt, Gott ist deine Sexualität egal.» So könnte man das Credo der Regenbogenkirche et-was salopp zusammenfassen. Alle Menschen sind willkommenViele queere Menschen hadern mit ihrem Glauben. Oft wurden diese Individuen direkt oder indirekt von den Landeskirchen – aber vor allem auch von den Freikirchen – ausge-grenzt und diskriminiert. Nicht in der Re-genbogenkirche.Pfarrerin Nicole Becher bittet zum Kaf-fee. Wieso funktioniert das mit dem Queer-sein bei der Regenbogenkirche und bei den anderen nicht? «Wo zwei oder drei in mei-nem Namen versammelt sind…», steht in der Bibel bei Matthäus. «Da steht nichts von ir-gendwelcher Sexualität», sagt Nicole Becher im Gespräch mit dem Cruiser. «Gott ist ‹Liebe› und geht man von dieser Prämisse aus, passt ein diskriminierender Gott nicht dazu.»Gerade beim ema Homosexualität und Queersein sei die methodistische Kir-che progressiver als andere (Frei)Kirchen. Deshalb wurde vor Jahren unter anderem von Urs Bertschinger (siehe Box) das Projekt Regenbogenkirche ins Leben gerufen. Ein Ort, an dem alle willkommen sind. «Kli-schees und Schubladendenken gibt es bei uns nicht und wenn, dann lassen wir das draussen», sagt Nicole Becher. Die Pfarrerin kann Diskriminierung ganz grundsätzlich nicht verstehen. Nicole Becher ging in einer katholischen Mäd-chenschule in den Unterricht. «120 Mäd-chen waren wir, es gab keinen einzigen Bub. Ergo habe ich auch nie zu hören bekommen, dass wir Mädchen etwas nicht machen kön-nen, weil wir Mädchen seien. Oder dass dies und das und jenes nur die Buben machen (können). Ich bin also – trotz oder vor allem wegen der katholischen Mädchenschule als starke Frau ins Erwachsenwerden gegan-gen.» Die Mädchenschule war für die Pfar-rerin ein sicherer Hafen, ein geschützter Ort. Und genau dies möchte sie auch zu-sammen mit ihrem Team allen queeren Menschen bieten. Ein Ort, an dem sie so sein können, wie sie sind. Vielfältiges Programm, breites AngebotWie muss man sich denn ein typischer Got-tesdienst in der Regenbogenkirche vorstel-len? «DEN typischen Gottesdienst gibt es bei uns nicht», erklärt Nicole Becher. «Klar, wir haben eine Struktur und es gibt auch eine Predigt, aber je nachdem, wann der Gottesdienst stattndet, haben wir diesen mit Orgel, aber auch mit Band, manchmal ganz ohne Begleitung und wir bieten auch einen Taizé-Gottesdienst an für all diejeni-gen, die es eher ruhig und meditativ mö-gen.» Die Regenbogenkirche bietet aber noch viel mehr: Da gibt es den Frauenge-sprächskreis, die Mahlfeier am Mittag mit einem inkludierten Mittagessen oder diver-se emenabende. Überhaupt fällt auf, dass sich die Regenbogenkirche mächtig enga-giert. Lohnt sich denn dieser ganze Auf-wand? «Es ist für mich kein Aufwand, ich mache es gerne», sagt Nicole Becher und ergänzt: «Wenn man etwas gerne macht, dann spielt es auch keine Rolle, wie viele Stunden die Vorbereitungen dauern und ob wir das für sechs Personen oder für 25 Per-sonen machen.» Nach unserem Gespräch im «Büro» der Pfarrerin folgt ein kurzer Rundgang durch die Kirche. Hier wird klar, dass der Glaube, das Zusammensein im Vorder-grund steht – denn es gibt weder Kirchen-bänke noch pompöse Darstellungen von Jesus, Maria usw., wie man das aus der ka-tholischen Kirche kennt. «Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt und die Liebe Got-tes. Mehr braucht es nicht», sagt Nicole Be-cher und schmunzelt. Bilder © Haymo EmplDIE REGENBOGENKIRCHEDie Regenbogenkirche ist ein Projekt der Evangelisch-methodistischen Kirche. Im Zent-rum steht der gemeinsame Austausch, das Zusammensein und natürlich der Glaube an Gott. Die Evangelisch-methodistische Kirche entstand in den USA. Sie wurde 1784 gegründet. Die Methodist*innen unterscheiden sich in ih-rer Glaubenspraxis nur wenig von lutherischen oder reformierten Evangelischen. Unter www.regenbogenkirche.ch gibt es alle weiteren Infos rund um die Regenbogenkirche und die kommenden Gottesdienste. Kontakt entweder bei Nicole Becher oder auch beim Projektleiter Regenbogenkirche Urs Bertschinger: regenbogenkirche@gmx.ch.«Gott ist ‹Liebe› und geht man von dieser Prämisse aus, passt ein diskriminierender Gott nicht dazu.» Nicole BecherDie Regenbogenkriche in Zürich Wollishofen. Ein Ort, an welchem sowohl kirchliche Heimat als auch theologische Weite erfahren werden können, ohne Druck, ohne Dogma; ein Ort an welchem die Sexualität keine Rolle spielt.Pfarrerin Nicole Becher empfängt das Cruiser-Team gutgelaunt in «ihrer» Regenbogenkirche – ein Ort, an welchem alle Menschen willkommen sind.

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14 15CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER ZU BESUCH BEI...REGENBOGENKIRCHE ZÜRICH-WOLLISHOFENCRUISER ZU BESUCH BEI...REGENBOGENKIRCHE ZÜRICH-WOLLISHOFENDie Regenbogenkirche in Zürich-Wollishofen ist eine Gemeinde für queere Menschen, die auf der Suche sind. An vorderster Front: Pfarrerin Nicole Becher.VON HAYMO EMPLDie Sonne schate es nicht mehr ganz, die Regenbogenfahnen der Evange-lisch-methodistischen Kirche in Zü-rich-Wollishofen zum Leuchten zu bringen. Was die bleiche Wintersonne nicht konnte, das machte an jenem Mittwochmorgen, an welchem wir für das Gespräch mit Pfarrerin Nicole Becher verabredet waren, eben ge-nau diese Pfarrerin selbst: Mit ihrem Cha-risma und ihrer Art leuchten die Regen-bögen auch ohne Sonne. Die Kirche – eher eine Kapelle – ist im Baustil eine Fusion von Neuromantik und Heimatstil. Eine sehr gelungene Kombination, denn in dieser Kir-che fühlt man sich sofort wohl. Und nicht nur wegen der Architektur. Aber der Reihe nach. «Wenn jemand schwul ist, den Herrn sucht und guten Wil-len hat – wer bin ich, ihn zu verurteilen?» Wer erinnert sich nicht an diesen denkwür-digen Satz, von Papst Franziskus vor 10 Jah-ren nur wenige Monate nach seinem Amts-antritt verkündet. Damals ging sowohl ein lautstarkes Raunen als auch ein erleichter-tes Aufatmen durch die Reihen der (katholi-schen) Gläubigen. Queere Menschen hatten plötzlich die Honung, dass nun alles gut werden würde, vielleicht würde die Kirche endlich zu der eigentlichen Grundaussage des christlichen Glaubens stehen, dass Gott alle Menschen gleichermassen liebt. Dass Gott diskriminiert nichtsich dies so nicht bewahrheitete, trat in der Folgezeit immer wieder zu Tage. Leider. Und genau da setzt die Regenbogenkirche an: «Lebe dein Leben, der Glaube ist bunt, Gott ist deine Sexualität egal.» So könnte man das Credo der Regenbogenkirche et-was salopp zusammenfassen. Alle Menschen sind willkommenViele queere Menschen hadern mit ihrem Glauben. Oft wurden diese Individuen direkt oder indirekt von den Landeskirchen – aber vor allem auch von den Freikirchen – ausge-grenzt und diskriminiert. Nicht in der Re-genbogenkirche.Pfarrerin Nicole Becher bittet zum Kaf-fee. Wieso funktioniert das mit dem Queer-sein bei der Regenbogenkirche und bei den anderen nicht? «Wo zwei oder drei in mei-nem Namen versammelt sind…», steht in der Bibel bei Matthäus. «Da steht nichts von ir-gendwelcher Sexualität», sagt Nicole Becher im Gespräch mit dem Cruiser. «Gott ist ‹Liebe› und geht man von dieser Prämisse aus, passt ein diskriminierender Gott nicht dazu.»Gerade beim ema Homosexualität und Queersein sei die methodistische Kir-che progressiver als andere (Frei)Kirchen. Deshalb wurde vor Jahren unter anderem von Urs Bertschinger (siehe Box) das Projekt Regenbogenkirche ins Leben gerufen. Ein Ort, an dem alle willkommen sind. «Kli-schees und Schubladendenken gibt es bei uns nicht und wenn, dann lassen wir das draussen», sagt Nicole Becher. Die Pfarrerin kann Diskriminierung ganz grundsätzlich nicht verstehen. Nicole Becher ging in einer katholischen Mäd-chenschule in den Unterricht. «120 Mäd-chen waren wir, es gab keinen einzigen Bub. Ergo habe ich auch nie zu hören bekommen, dass wir Mädchen etwas nicht machen kön-nen, weil wir Mädchen seien. Oder dass dies und das und jenes nur die Buben machen (können). Ich bin also – trotz oder vor allem wegen der katholischen Mädchenschule als starke Frau ins Erwachsenwerden gegan-gen.» Die Mädchenschule war für die Pfar-rerin ein sicherer Hafen, ein geschützter Ort. Und genau dies möchte sie auch zu-sammen mit ihrem Team allen queeren Menschen bieten. Ein Ort, an dem sie so sein können, wie sie sind. Vielfältiges Programm, breites AngebotWie muss man sich denn ein typischer Got-tesdienst in der Regenbogenkirche vorstel-len? «DEN typischen Gottesdienst gibt es bei uns nicht», erklärt Nicole Becher. «Klar, wir haben eine Struktur und es gibt auch eine Predigt, aber je nachdem, wann der Gottesdienst stattndet, haben wir diesen mit Orgel, aber auch mit Band, manchmal ganz ohne Begleitung und wir bieten auch einen Taizé-Gottesdienst an für all diejeni-gen, die es eher ruhig und meditativ mö-gen.» Die Regenbogenkirche bietet aber noch viel mehr: Da gibt es den Frauenge-sprächskreis, die Mahlfeier am Mittag mit einem inkludierten Mittagessen oder diver-se emenabende. Überhaupt fällt auf, dass sich die Regenbogenkirche mächtig enga-giert. Lohnt sich denn dieser ganze Auf-wand? «Es ist für mich kein Aufwand, ich mache es gerne», sagt Nicole Becher und ergänzt: «Wenn man etwas gerne macht, dann spielt es auch keine Rolle, wie viele Stunden die Vorbereitungen dauern und ob wir das für sechs Personen oder für 25 Per-sonen machen.» Nach unserem Gespräch im «Büro» der Pfarrerin folgt ein kurzer Rundgang durch die Kirche. Hier wird klar, dass der Glaube, das Zusammensein im Vorder-grund steht – denn es gibt weder Kirchen-bänke noch pompöse Darstellungen von Jesus, Maria usw., wie man das aus der ka-tholischen Kirche kennt. «Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt und die Liebe Got-tes. Mehr braucht es nicht», sagt Nicole Be-cher und schmunzelt. Bilder © Haymo EmplDIE REGENBOGENKIRCHEDie Regenbogenkirche ist ein Projekt der Evangelisch-methodistischen Kirche. Im Zent-rum steht der gemeinsame Austausch, das Zusammensein und natürlich der Glaube an Gott. Die Evangelisch-methodistische Kirche entstand in den USA. Sie wurde 1784 gegründet. Die Methodist*innen unterscheiden sich in ih-rer Glaubenspraxis nur wenig von lutherischen oder reformierten Evangelischen. Unter www.regenbogenkirche.ch gibt es alle weiteren Infos rund um die Regenbogenkirche und die kommenden Gottesdienste. Kontakt entweder bei Nicole Becher oder auch beim Projektleiter Regenbogenkirche Urs Bertschinger: regenbogenkirche@gmx.ch.«Gott ist ‹Liebe› und geht man von dieser Prämisse aus, passt ein diskriminierender Gott nicht dazu.» Nicole BecherDie Regenbogenkriche in Zürich Wollishofen. Ein Ort, an welchem sowohl kirchliche Heimat als auch theologische Weite erfahren werden können, ohne Druck, ohne Dogma; ein Ort an welchem die Sexualität keine Rolle spielt.Pfarrerin Nicole Becher empfängt das Cruiser-Team gutgelaunt in «ihrer» Regenbogenkirche – ein Ort, an welchem alle Menschen willkommen sind.

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17CRUISER DEZEMBER 2023RUBRIKENTITELRUBRIKENUNTERTITEL16CRUISER DEZEMBER 2023«Cie. La Ronde» bringt ab März einen Polit-Philosophen aus dem 18. Jahrhundert auf die Tanzbühne. Cruiser hat eine Probe besucht und miterlebt, wie Tanz entsteht.VON MICHI RÜEGGEine Abfolge von Körperbewegungen, die nach einem durch Musik oder eine andere akustische Äusserung hervor-gebrachten Rhythmus ausgeführt wird. So und ähnlich denieren Wörterbücher den Tanz. Wir kennen Tanz vom Clubbing, wo eine grosse oder kleine Masse sich irgend-wie zu Beats bewegt. Die eine tanzt mit Stil, der andere wie ein geboxter Sandsack.Dem teils unbeholfenen Herumdüm-peln in der Disco steht am anderen Ende der Skala das Ballett gegenüber. Hochpräzise und verdammt anstrengend sind seine Be-wegungen. Doch federleicht wirken sie, wenn Musik sichtbar gemacht wird. Auf der Bühne erzählt Tanz Geschichten, erklärt Beziehungen, illustriert Gefühle.Aus der Pandemie heraus geborenDoch wie entsteht Tanz? Kaum jemand hat ein konkretes Bild davon, wie Choreo-graf*innen genau arbeiten. Und in gewisser Hinsicht weiss ich es noch immer nicht, denn als Ihsan Rustem zur Probe im Zür-cher Tanzwerk einlud, sagte er gleich: «Wir arbeiten ganz anders.»Rustem ist ausgebildeter Tänzer und als Choreograf auf der halben Welt tätig. Zu-sammen mit Cathy Marsten hat der gebürti-ge Brite 2020 die «Cie. La Ronde» gegründet. Dabei scheint das an Uhrenmarken erin-nernde «Cie.» sowohl für «Compagnie» als auch für Präzision zu stehen. Auch wenn die Choreograf*innen und Tänzer*innen ihren Biograen nach von überallher stammen, haben alle mindestens ein Bein in Zürich oder dem Rest der Schweiz. Das ist kein Zu-fall, denn die «Cie. La Ronde» aus einer Not heraus geboren: Während der Covid-Pan-demie musste die sonst international stark vernetzte Tanzszene umdenken. Eine neue Schweizer Compagnie entstand.Cathy Marsten hat sich mittlerweile fast ganz daraus verabschiedet. Sie über-nahm dieses Jahr von Christian Spuck den Posten der Ballettdirektorin am Opernhaus Zürich. Ihsan Rustem zieht das gemeinsam gezeugte Tanzkind nun mehrheitlich allei-ne gross. Wobei es an kompetenter Unter-stützung nicht mangelt. Für ihre neue Pro-duktion «4 x Roussau», die im März 2024 Premiere feiern wird, sind neben ihm drei weitere Choreograf*innen an Bord. Da ist Caroline Finn, die einst die National Dance Company of Wales leitete, der Italiener Luca Signoretti, der nach sich nach beendeter So-listenkarriere nicht nur der Choreograe, sondern auch dem Film zuwandte (sein erster Tanzlm war gar für einen Nach-wuchs-Oscar nominiert) – und die in Ghana geborene junge Schweizerin Sarana Beck, deren tänzerische Fähigkeiten bereits das Schweizer Fernsehen zu einem Beitrag ins-pirierten. «Sarana ist ein echter Geheim-tipp», sagt Ihsan Rustem.Es wird probiertDas Tanzwerk 101, im Hauptsitz der Migros Genossenschaft Zürich. Eine Welt für sich, verborgen hinter einem Turm, in dem Pro-duct Manager*innen und Logistiker*innen die Verteilung von Bananen und Babywin-deln auf Hunderte Filialen planen. Ich be-trete Raum 7 in Socken, werde überaus herz-lich begrüsst, setze mich in die Ecke und beobachte. Das Choreoteam hat die ausgewählten Tänzer*innen zu einem zweitätigen Work-shop eingeladen. Hier wird gemeinsam aus-probiert, diskutiert, improvisiert, getüftelt. Caroline Finn spielt düstere, schwere Musik. So etwas wie MagieDie Tänzer*innen bewegen sich etwas zäh, suchen recht erfolglos den Bezug zu den Klängen. «Nochmal! Achtet auf die Pauken, die Elastizität der Holzbläser, die sorgenvol-len Klänge der Streicher.» Beim zweiten Mal nden die Tänzer*innen den Faden, es ist, als ob sie plötzlich Halt hätten an einer glit-schigen Felswand. Andere Übung: «Tanzt das Gegenteil von dem, was ihr hört.» Die Musik klingt nach Suizidgedanken, die Tän-zerinnen hüpfen fröhlich herum. «Schwie-rig», kommentieren sie im Anschluss.Übungen wie diese füllen die beiden Tage. Sie dienen dazu, die Menschen, ihre Charaktere, ihre tänzerischen Besonderhei-ten kennenzulernen. Aber ermöglichen es den Choreograf*innen auch, Bilder auszu-probieren, die sie in ihren Köpfen haben. Und es ist ein Casting, mit dem Ziel, dass alle vier diejenigen Tänzer*innen aus dem Team für ihre Stücke nden, die am besten passen. Nun ist Sarana Beck an der Reihe. Sie zeigt eine Sequenz vor. Ihr Stil ist modern, weit weg vom klassischen Ballett. Bisschen Street, ein Touch Latin. Mehr Musikvideo als Schwanensee. Einige der Tänzer*innen, die aus der klassischen Schule stammen, betreten hier gerade Neuland. Nochmal und nochmal und nochmal. Die Körper werden programmiert, bis die Bewegungs-folge sitzt. Es sind nur rund 20 Sekunden, doch die haben es in sich.Eine Sprache, unterschiedliche DialekteUnd nun zeigt sich, was Tanz auch ist: Der Ausdruck einer gewissen Individualität. Selbst wenn am Ende alle dasselbe tanzen, sieht es nicht bei allen gleich aus. Es ist, als ob jeder und jede dieselbe Sprache spre-chen würde – aber mit ganz unterschiedli-chen Dialekten.«4 x Rousseau» heisst der Tanzabend, den die Compagnie vorbereitet. Den Unter-bau suchen die vier Choreograf*innen in den Schriften des Genfer Philosophen des 18. Jahrhunderts. Er gilt als einer der Weg-bereiter der Französischen Revolution, nun inspirieren seine Gedanken einen Tanz-abend. Rustem und seine Kolleg*innen glau-ben, Jean-Jacques Rousseau müsse auch heute noch gehört werden. Tanz entsteht eben nicht aus dem Nichts, sondern aus Ideen und Geschichten. Und auch wenn die vier Choreograf*innen ihre Compagnie improvisieren lassen, tun sie dies nicht aus einem Vakuum heraus. Sarana Beck etwa setzt sich in einen Kreis und erzählt von ihren Eindrücken nach der Lektüre von Rousseaus Erziehungsroman «Emile». Was sie daran wichtig ndet, aber auch, was Sie aus heutiger Sicht befremdet. Es geht um Beziehungen, um Intimität. Und im Anschluss suchen die Tänzer*innen nach Ausdrücken für Becks Erläuterungen.Miteinander statt alle für sichNun legt sich Feenstaub über den Raum. Die Tänzer*innen formieren sich spontan zu Paaren, lösen sich wieder auf. Es entste-hen Dialoge, es sprühen Funken. Mal Zärt-lichkeit, mal Dominanz. Alles ohne jegliche Absprache. Und doch wird hier in Raum 7 in ausgetragenen T-Shirts und Trainerhosen zu Neonbeleuchtung eine Auührung ge-boten, die sprachlos macht. Ohne Vorwar-nung entsteht gerade Tanz erster Güte. Ohne Plan, aber mit Hingabe.Es war wohl ein Vorgeschmack auf das, was die «Cie. La Ronde» im März bieten wird. Ich glaube, ein bisschen zu verstehen, was Ihsan mit «wir arbeiten ganz anders» meint. Die vier Choreograf*innen arbeiten zusammen, unterstützen einander, denken gemeinsam an einem ema. Und die Tänzer*innen, einige von ihnen auch selbst in der Choreograe tätig, sind nicht einfach nur Werkzeuge. Sie bringen sich und ihre eigene Geschichte in den Tanz hinein.So also kann Tanz entstehen. Aus ei-ner Mischung aus geteilten Gedanken und gemeinsam ersonnener Bewegung. Premiere: 1. März 2024, 19.30 Uhr, Theater Winterthur. Weitere Vorstellungen in Winterthur, Langenthal, Bern und Zürich. Infos und Tickets: www.cielaronde.comSelbst wenn am Ende alle das-selbe tanzen, sieht es nicht bei allen gleich aus. Es ist, als ob jeder und jede dieselbe Sprache sprechen würde – aber mit ganz unterschiedlichen Dialekten.TANZ«CIE. LA RONDE» IN ZÜRICHIm Proberaum darf noch experimentiert und improvisiert werden ...... doch an der Premiere muss jede noch so kleine Bewegung sitzen.IHSAN RUSTEMDer ausgebildete Balletttänzer zypriotischer Her- kunft wuchs in London auf und war von 2000 bis 2014 bei diversen Companys in Deutschland, den Niederlanden sowie der Schweiz tätig und arbeitete mit namhaften Choreografen zusam-men. Neben seiner Arbeit als freier Choreograf ist er ausserdem Resident Choreographer in Portland Oregon und Gastdozent an der Zürcher Hochschule der Künste. Er lebt mit seinem Schweizer Ehemann in Zürich und ist mittlerwei-le eingebürgert.Bilder © Gregory Batardon / Portrait © ZVG

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17CRUISER DEZEMBER 2023RUBRIKENTITELRUBRIKENUNTERTITEL16CRUISER DEZEMBER 2023«Cie. La Ronde» bringt ab März einen Polit-Philosophen aus dem 18. Jahrhundert auf die Tanzbühne. Cruiser hat eine Probe besucht und miterlebt, wie Tanz entsteht.VON MICHI RÜEGGEine Abfolge von Körperbewegungen, die nach einem durch Musik oder eine andere akustische Äusserung hervor-gebrachten Rhythmus ausgeführt wird. So und ähnlich denieren Wörterbücher den Tanz. Wir kennen Tanz vom Clubbing, wo eine grosse oder kleine Masse sich irgend-wie zu Beats bewegt. Die eine tanzt mit Stil, der andere wie ein geboxter Sandsack.Dem teils unbeholfenen Herumdüm-peln in der Disco steht am anderen Ende der Skala das Ballett gegenüber. Hochpräzise und verdammt anstrengend sind seine Be-wegungen. Doch federleicht wirken sie, wenn Musik sichtbar gemacht wird. Auf der Bühne erzählt Tanz Geschichten, erklärt Beziehungen, illustriert Gefühle.Aus der Pandemie heraus geborenDoch wie entsteht Tanz? Kaum jemand hat ein konkretes Bild davon, wie Choreo-graf*innen genau arbeiten. Und in gewisser Hinsicht weiss ich es noch immer nicht, denn als Ihsan Rustem zur Probe im Zür-cher Tanzwerk einlud, sagte er gleich: «Wir arbeiten ganz anders.»Rustem ist ausgebildeter Tänzer und als Choreograf auf der halben Welt tätig. Zu-sammen mit Cathy Marsten hat der gebürti-ge Brite 2020 die «Cie. La Ronde» gegründet. Dabei scheint das an Uhrenmarken erin-nernde «Cie.» sowohl für «Compagnie» als auch für Präzision zu stehen. Auch wenn die Choreograf*innen und Tänzer*innen ihren Biograen nach von überallher stammen, haben alle mindestens ein Bein in Zürich oder dem Rest der Schweiz. Das ist kein Zu-fall, denn die «Cie. La Ronde» aus einer Not heraus geboren: Während der Covid-Pan-demie musste die sonst international stark vernetzte Tanzszene umdenken. Eine neue Schweizer Compagnie entstand.Cathy Marsten hat sich mittlerweile fast ganz daraus verabschiedet. Sie über-nahm dieses Jahr von Christian Spuck den Posten der Ballettdirektorin am Opernhaus Zürich. Ihsan Rustem zieht das gemeinsam gezeugte Tanzkind nun mehrheitlich allei-ne gross. Wobei es an kompetenter Unter-stützung nicht mangelt. Für ihre neue Pro-duktion «4 x Roussau», die im März 2024 Premiere feiern wird, sind neben ihm drei weitere Choreograf*innen an Bord. Da ist Caroline Finn, die einst die National Dance Company of Wales leitete, der Italiener Luca Signoretti, der nach sich nach beendeter So-listenkarriere nicht nur der Choreograe, sondern auch dem Film zuwandte (sein erster Tanzlm war gar für einen Nach-wuchs-Oscar nominiert) – und die in Ghana geborene junge Schweizerin Sarana Beck, deren tänzerische Fähigkeiten bereits das Schweizer Fernsehen zu einem Beitrag ins-pirierten. «Sarana ist ein echter Geheim-tipp», sagt Ihsan Rustem.Es wird probiertDas Tanzwerk 101, im Hauptsitz der Migros Genossenschaft Zürich. Eine Welt für sich, verborgen hinter einem Turm, in dem Pro-duct Manager*innen und Logistiker*innen die Verteilung von Bananen und Babywin-deln auf Hunderte Filialen planen. Ich be-trete Raum 7 in Socken, werde überaus herz-lich begrüsst, setze mich in die Ecke und beobachte. Das Choreoteam hat die ausgewählten Tänzer*innen zu einem zweitätigen Work-shop eingeladen. Hier wird gemeinsam aus-probiert, diskutiert, improvisiert, getüftelt. Caroline Finn spielt düstere, schwere Musik. So etwas wie MagieDie Tänzer*innen bewegen sich etwas zäh, suchen recht erfolglos den Bezug zu den Klängen. «Nochmal! Achtet auf die Pauken, die Elastizität der Holzbläser, die sorgenvol-len Klänge der Streicher.» Beim zweiten Mal nden die Tänzer*innen den Faden, es ist, als ob sie plötzlich Halt hätten an einer glit-schigen Felswand. Andere Übung: «Tanzt das Gegenteil von dem, was ihr hört.» Die Musik klingt nach Suizidgedanken, die Tän-zerinnen hüpfen fröhlich herum. «Schwie-rig», kommentieren sie im Anschluss.Übungen wie diese füllen die beiden Tage. Sie dienen dazu, die Menschen, ihre Charaktere, ihre tänzerischen Besonderhei-ten kennenzulernen. Aber ermöglichen es den Choreograf*innen auch, Bilder auszu-probieren, die sie in ihren Köpfen haben. Und es ist ein Casting, mit dem Ziel, dass alle vier diejenigen Tänzer*innen aus dem Team für ihre Stücke nden, die am besten passen. Nun ist Sarana Beck an der Reihe. Sie zeigt eine Sequenz vor. Ihr Stil ist modern, weit weg vom klassischen Ballett. Bisschen Street, ein Touch Latin. Mehr Musikvideo als Schwanensee. Einige der Tänzer*innen, die aus der klassischen Schule stammen, betreten hier gerade Neuland. Nochmal und nochmal und nochmal. Die Körper werden programmiert, bis die Bewegungs-folge sitzt. Es sind nur rund 20 Sekunden, doch die haben es in sich.Eine Sprache, unterschiedliche DialekteUnd nun zeigt sich, was Tanz auch ist: Der Ausdruck einer gewissen Individualität. Selbst wenn am Ende alle dasselbe tanzen, sieht es nicht bei allen gleich aus. Es ist, als ob jeder und jede dieselbe Sprache spre-chen würde – aber mit ganz unterschiedli-chen Dialekten.«4 x Rousseau» heisst der Tanzabend, den die Compagnie vorbereitet. Den Unter-bau suchen die vier Choreograf*innen in den Schriften des Genfer Philosophen des 18. Jahrhunderts. Er gilt als einer der Weg-bereiter der Französischen Revolution, nun inspirieren seine Gedanken einen Tanz-abend. Rustem und seine Kolleg*innen glau-ben, Jean-Jacques Rousseau müsse auch heute noch gehört werden. Tanz entsteht eben nicht aus dem Nichts, sondern aus Ideen und Geschichten. Und auch wenn die vier Choreograf*innen ihre Compagnie improvisieren lassen, tun sie dies nicht aus einem Vakuum heraus. Sarana Beck etwa setzt sich in einen Kreis und erzählt von ihren Eindrücken nach der Lektüre von Rousseaus Erziehungsroman «Emile». Was sie daran wichtig ndet, aber auch, was Sie aus heutiger Sicht befremdet. Es geht um Beziehungen, um Intimität. Und im Anschluss suchen die Tänzer*innen nach Ausdrücken für Becks Erläuterungen.Miteinander statt alle für sichNun legt sich Feenstaub über den Raum. Die Tänzer*innen formieren sich spontan zu Paaren, lösen sich wieder auf. Es entste-hen Dialoge, es sprühen Funken. Mal Zärt-lichkeit, mal Dominanz. Alles ohne jegliche Absprache. Und doch wird hier in Raum 7 in ausgetragenen T-Shirts und Trainerhosen zu Neonbeleuchtung eine Auührung ge-boten, die sprachlos macht. Ohne Vorwar-nung entsteht gerade Tanz erster Güte. Ohne Plan, aber mit Hingabe.Es war wohl ein Vorgeschmack auf das, was die «Cie. La Ronde» im März bieten wird. Ich glaube, ein bisschen zu verstehen, was Ihsan mit «wir arbeiten ganz anders» meint. Die vier Choreograf*innen arbeiten zusammen, unterstützen einander, denken gemeinsam an einem ema. Und die Tänzer*innen, einige von ihnen auch selbst in der Choreograe tätig, sind nicht einfach nur Werkzeuge. Sie bringen sich und ihre eigene Geschichte in den Tanz hinein.So also kann Tanz entstehen. Aus ei-ner Mischung aus geteilten Gedanken und gemeinsam ersonnener Bewegung. Premiere: 1. März 2024, 19.30 Uhr, Theater Winterthur. Weitere Vorstellungen in Winterthur, Langenthal, Bern und Zürich. Infos und Tickets: www.cielaronde.comSelbst wenn am Ende alle das-selbe tanzen, sieht es nicht bei allen gleich aus. Es ist, als ob jeder und jede dieselbe Sprache sprechen würde – aber mit ganz unterschiedlichen Dialekten.TANZ«CIE. LA RONDE» IN ZÜRICHIm Proberaum darf noch experimentiert und improvisiert werden ...... doch an der Premiere muss jede noch so kleine Bewegung sitzen.IHSAN RUSTEMDer ausgebildete Balletttänzer zypriotischer Her- kunft wuchs in London auf und war von 2000 bis 2014 bei diversen Companys in Deutschland, den Niederlanden sowie der Schweiz tätig und arbeitete mit namhaften Choreografen zusam-men. Neben seiner Arbeit als freier Choreograf ist er ausserdem Resident Choreographer in Portland Oregon und Gastdozent an der Zürcher Hochschule der Künste. Er lebt mit seinem Schweizer Ehemann in Zürich und ist mittlerwei-le eingebürgert.Bilder © Gregory Batardon / Portrait © ZVG

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18 19CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER DEZEMBER 2023RUBRIKENTITELRUBRIKENUNTERTITELCRUISER ZU BESUCH BEI…TOPPHARM LEONHARDS APOTHEKE ZÜRICHVON HAYMO EMPLEs herrscht ein ständiges Kommen und Gehen in der TopPharm Leonhards Apotheke direkt beim Central. Eine indische Familie mit zwei Kindern steht vor dem Tresen und lässt sich auf Englisch bera-ten. Es scheint so, als ob der Kleine eine Er-kältung hat, denn er hustet unentwegt. Das Mädchen rennt derweil in der Apotheke her-um und hat (lauten) Spass daran. Der Apo-theker Dr. René Jenni erklärt geduldig die verschiedenen Optionen bei Husten (es sind einige!), die indische Familie kann sich nicht recht entscheiden. An der Verkaufsthe-ke nebenan lässt sich ein junger Mann die PReP geben. Die Stimmung in der Apotheke scheint trotz Hektik gut zu sein, denn im hinteren Teil der Apotheke scherzen zwei der angestellten Fachpersonen; überhaupt ist der Ton unter den Angestellten familiär, der Umgang mehr als kollegial. Bei so viel guter Laune vor Ort vergisst man fast, dass eine Apotheke eigentlich für kranke Menschen gedacht ist. «Wobei das so auch schon länger nicht mehr stimmt», er-klärt René Jenni. Er ist der Inhaber der Apo-theke und hat diese zu dem gemacht, was sie heute ist. Ein kundenorientierter Servicebe-trieb in Sachen Gesundheit. «Wir sehen uns als Gesundheitscoaches und versuchen zu erreichen, dass unsere Kunden erst gar nicht krank werden.» Dazu gehört nicht nur um-fassende Beratung, sondern auch ein ent-sprechendes Angebot. Und dieses ist in der Tat beeindruckend und macht in vielen Fäl-len sogar den Arztbesuch überüssig. Denn bei der TopPharm Leonhards Apotheke gibt es einen eigentlichen Behandlungsraum in den oberen Etagen. Diskret, gemütlich und nicht nur in technischer Hinsicht auf dem neuesten Stand; auch optisch hat man sich viel Mühe bei der Einrichtung gegeben. «Hier machen wir beispielsweise Impfungen oder führen diverse Checks durch», erklärt René Jenni. Dann fahren wir mit dem Lift in das Untergeschoss. Und staunen. Die TopPharm Leonhards Apotheke beim Central ist eine Institution – auch für Gays. Cruiser hat sich mit Dr. René Jenni getroffen.Ein Roboter, ein altehrwürdiges Gebäude, viel Innovation und … ein charmanter ApothekerInnovatives TraditionshausUnübersehbar steht da ein «Roboter». Und dieser ist emsig am Werk. Das Roboter (er? es? sie?) ordnet Medikamente in diverse Regale ein. Völlig ohne System, so scheint’s. Aber: «Unser Roboter organisiert die Medi-kamente so, dass der vorhandene Platz op-timal genutzt wird. Der Roboter weiss auch, wo er was verräumt hat und meldet, wenn wir nachbestellen müssen», so René Jenni. Die ganze Roboteranlage ist beindruckend, denn wenn oben in der Apotheke jemand nach einem Medikament fragt, ndet der Roboter via Kassensystem in Sekunden-schnelle das Gewünschte und liefert es zu-verlässig via Ausgabesystem nach oben in die Apotheke. Das alles dauert weniger als eine halbe Minute. «Wir sind zwar ein Tra-ditionshaus, aber ich persönlich und damit auch meine Apotheke stehen Innovationen sehr oen gegenüber», sagt Jenni. Er war einer der ersten, der auf die neue Technik der Roboteranlage gesetzt hatte. Ein «early adopter». Bis 1950 hiess das Central in Zürich noch «Leonhardplatz», so erklärt sich auch der Name der Apotheke. Und Geschichte verpichtet, dem ist sich auch René Jenni bewusst. «Unsere Apotheke ist modern, wir haben aber immer darauf geachtet, dass das ehrwürdige Flair der Apotheke erhal-ten bleibt.»Die Online-Ärztin spart KostenDiese Mischung aus Traditionsbewusst-sein, Innovation und wohl auch Neugier macht den Erfolg der Apotheke aus. Tradi-tion, weil die Apotheke 1889 als «Apotheke zum Stampfenbach» gegründet wurde, In-novation, weil der Markt im Gesundheits-wesen ständig in Bewegung ist und man sich nur erfolgreich darin behaupten kann, wenn man sich stets nach neuen Möglich-keiten und Lösungsansätzen umsieht. Einer dieser Lösungsansätze wäre beispielsweise eine Entlastung für die Ärzte und die Not-aufnahmen der Spitäler. Das spart nicht nur Kosten, sondern auch (menschliche) Res-sourcen. «Viele Touristen gehen direkt in die Notaufnahmen der Spitäler, weil sie das von ihrer Heimat her kennen und sich gar nicht bewusst sind, dass auch eine Apothe-ke wie unsere in vielen Fällen helfen kann», erklärt René Jenni. «Wir bieten beispiels-weise ‹Book a Doc› an. Das heisst, wir be-sprechen zuerst das Anliegen mit dem Kun-den oder der Kundin und evaluieren, was gebraucht wird. Ein Rezept? Eine ärztliche Beratung? Egal was es ist, wir buchen direkt vor Ort online einen Termin mit einem Arzt. Dieser ruft in weniger als zehn Minuten zu-rück und stellt das gewünschte Rezept aus oder stellt eine Diagnose. Das spart enorme Kosten und der Kundin, dem Patienten enorm viel Zeit. Denn in vielen Fällen erüb-rigt sich so der Gang zur Hausärztin.» Dies geschieht alles vor Ort; und wenn es etwas intimer sein soll, dann in einem Séparée in der Apotheke.Die Kundschaft bei René Jenni ist bunt gemischt, aber natürlich suchen auch Gays die Apotheke gerne auf (und sei es nur für einen kurzen Schwatz mit René) – die Anliegen unterscheiden sich nicht gross von den der anderen Kund*innen. «Ledig-lich die PrEp ist relativ gay-spezisch, an-sonsten gibt es keine Unterschiede. Aber für uns steht die Sexualität nicht im Zent-rum, das interessiert uns nicht. Uns interes-siert lediglich, wie wir der Kundin, dem Kunden helfen können und ob wir es schaf-fen, mit unseren Innovationen das Gesund-heitssystem und somit auch die Kranken-kassen (nanziell) zu entlasten. Das kommt allen zugute.» Dr. René Jenni ist der charmante Inhaber der TopPharm Leonhards Apotheke beim Central.Links: Der Roboter in Action. Das Ordnungssystem scheint auf den ersten Blick völlig chaotisch – ist es aber nicht. Denn der Roboter weiss (als einziger), wo was verräumt ist. Rechts: 1889 gründete Hartmann Rohrdorf die Apotheke zum Stampfenbach. Nach dessen Wegzug übernahm 1895 Arthur Guggenbühl die Apotheke und gab ihr den heutigen Namen TopPharm Leonhards Apotheke. Damals hiess das Central noch Leonhardplatz, was den Namen der Apotheke erklärt.Der Behandlungsraum in den oberen Etagen der Apotheke – ansprechend eingerichtet, diskret und technisch auf dem neuesten Stand«Wir sehen uns als Gesundheits-coaches und versuchen zu erreichen, dass unsere Kunden erst gar nicht krank werden.» Dr. René JenniBilder © Haymo Empl

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18 19CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER DEZEMBER 2023RUBRIKENTITELRUBRIKENUNTERTITELCRUISER ZU BESUCH BEI…TOPPHARM LEONHARDS APOTHEKE ZÜRICHVON HAYMO EMPLEs herrscht ein ständiges Kommen und Gehen in der TopPharm Leonhards Apotheke direkt beim Central. Eine indische Familie mit zwei Kindern steht vor dem Tresen und lässt sich auf Englisch bera-ten. Es scheint so, als ob der Kleine eine Er-kältung hat, denn er hustet unentwegt. Das Mädchen rennt derweil in der Apotheke her-um und hat (lauten) Spass daran. Der Apo-theker Dr. René Jenni erklärt geduldig die verschiedenen Optionen bei Husten (es sind einige!), die indische Familie kann sich nicht recht entscheiden. An der Verkaufsthe-ke nebenan lässt sich ein junger Mann die PReP geben. Die Stimmung in der Apotheke scheint trotz Hektik gut zu sein, denn im hinteren Teil der Apotheke scherzen zwei der angestellten Fachpersonen; überhaupt ist der Ton unter den Angestellten familiär, der Umgang mehr als kollegial. Bei so viel guter Laune vor Ort vergisst man fast, dass eine Apotheke eigentlich für kranke Menschen gedacht ist. «Wobei das so auch schon länger nicht mehr stimmt», er-klärt René Jenni. Er ist der Inhaber der Apo-theke und hat diese zu dem gemacht, was sie heute ist. Ein kundenorientierter Servicebe-trieb in Sachen Gesundheit. «Wir sehen uns als Gesundheitscoaches und versuchen zu erreichen, dass unsere Kunden erst gar nicht krank werden.» Dazu gehört nicht nur um-fassende Beratung, sondern auch ein ent-sprechendes Angebot. Und dieses ist in der Tat beeindruckend und macht in vielen Fäl-len sogar den Arztbesuch überüssig. Denn bei der TopPharm Leonhards Apotheke gibt es einen eigentlichen Behandlungsraum in den oberen Etagen. Diskret, gemütlich und nicht nur in technischer Hinsicht auf dem neuesten Stand; auch optisch hat man sich viel Mühe bei der Einrichtung gegeben. «Hier machen wir beispielsweise Impfungen oder führen diverse Checks durch», erklärt René Jenni. Dann fahren wir mit dem Lift in das Untergeschoss. Und staunen. Die TopPharm Leonhards Apotheke beim Central ist eine Institution – auch für Gays. Cruiser hat sich mit Dr. René Jenni getroffen.Ein Roboter, ein altehrwürdiges Gebäude, viel Innovation und … ein charmanter ApothekerInnovatives TraditionshausUnübersehbar steht da ein «Roboter». Und dieser ist emsig am Werk. Das Roboter (er? es? sie?) ordnet Medikamente in diverse Regale ein. Völlig ohne System, so scheint’s. Aber: «Unser Roboter organisiert die Medi-kamente so, dass der vorhandene Platz op-timal genutzt wird. Der Roboter weiss auch, wo er was verräumt hat und meldet, wenn wir nachbestellen müssen», so René Jenni. Die ganze Roboteranlage ist beindruckend, denn wenn oben in der Apotheke jemand nach einem Medikament fragt, ndet der Roboter via Kassensystem in Sekunden-schnelle das Gewünschte und liefert es zu-verlässig via Ausgabesystem nach oben in die Apotheke. Das alles dauert weniger als eine halbe Minute. «Wir sind zwar ein Tra-ditionshaus, aber ich persönlich und damit auch meine Apotheke stehen Innovationen sehr oen gegenüber», sagt Jenni. Er war einer der ersten, der auf die neue Technik der Roboteranlage gesetzt hatte. Ein «early adopter». Bis 1950 hiess das Central in Zürich noch «Leonhardplatz», so erklärt sich auch der Name der Apotheke. Und Geschichte verpichtet, dem ist sich auch René Jenni bewusst. «Unsere Apotheke ist modern, wir haben aber immer darauf geachtet, dass das ehrwürdige Flair der Apotheke erhal-ten bleibt.»Die Online-Ärztin spart KostenDiese Mischung aus Traditionsbewusst-sein, Innovation und wohl auch Neugier macht den Erfolg der Apotheke aus. Tradi-tion, weil die Apotheke 1889 als «Apotheke zum Stampfenbach» gegründet wurde, In-novation, weil der Markt im Gesundheits-wesen ständig in Bewegung ist und man sich nur erfolgreich darin behaupten kann, wenn man sich stets nach neuen Möglich-keiten und Lösungsansätzen umsieht. Einer dieser Lösungsansätze wäre beispielsweise eine Entlastung für die Ärzte und die Not-aufnahmen der Spitäler. Das spart nicht nur Kosten, sondern auch (menschliche) Res-sourcen. «Viele Touristen gehen direkt in die Notaufnahmen der Spitäler, weil sie das von ihrer Heimat her kennen und sich gar nicht bewusst sind, dass auch eine Apothe-ke wie unsere in vielen Fällen helfen kann», erklärt René Jenni. «Wir bieten beispiels-weise ‹Book a Doc› an. Das heisst, wir be-sprechen zuerst das Anliegen mit dem Kun-den oder der Kundin und evaluieren, was gebraucht wird. Ein Rezept? Eine ärztliche Beratung? Egal was es ist, wir buchen direkt vor Ort online einen Termin mit einem Arzt. Dieser ruft in weniger als zehn Minuten zu-rück und stellt das gewünschte Rezept aus oder stellt eine Diagnose. Das spart enorme Kosten und der Kundin, dem Patienten enorm viel Zeit. Denn in vielen Fällen erüb-rigt sich so der Gang zur Hausärztin.» Dies geschieht alles vor Ort; und wenn es etwas intimer sein soll, dann in einem Séparée in der Apotheke.Die Kundschaft bei René Jenni ist bunt gemischt, aber natürlich suchen auch Gays die Apotheke gerne auf (und sei es nur für einen kurzen Schwatz mit René) – die Anliegen unterscheiden sich nicht gross von den der anderen Kund*innen. «Ledig-lich die PrEp ist relativ gay-spezisch, an-sonsten gibt es keine Unterschiede. Aber für uns steht die Sexualität nicht im Zent-rum, das interessiert uns nicht. Uns interes-siert lediglich, wie wir der Kundin, dem Kunden helfen können und ob wir es schaf-fen, mit unseren Innovationen das Gesund-heitssystem und somit auch die Kranken-kassen (nanziell) zu entlasten. Das kommt allen zugute.» Dr. René Jenni ist der charmante Inhaber der TopPharm Leonhards Apotheke beim Central.Links: Der Roboter in Action. Das Ordnungssystem scheint auf den ersten Blick völlig chaotisch – ist es aber nicht. Denn der Roboter weiss (als einziger), wo was verräumt ist. Rechts: 1889 gründete Hartmann Rohrdorf die Apotheke zum Stampfenbach. Nach dessen Wegzug übernahm 1895 Arthur Guggenbühl die Apotheke und gab ihr den heutigen Namen TopPharm Leonhards Apotheke. Damals hiess das Central noch Leonhardplatz, was den Namen der Apotheke erklärt.Der Behandlungsraum in den oberen Etagen der Apotheke – ansprechend eingerichtet, diskret und technisch auf dem neuesten Stand«Wir sehen uns als Gesundheits-coaches und versuchen zu erreichen, dass unsere Kunden erst gar nicht krank werden.» Dr. René JenniBilder © Haymo Empl

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20 21CRUISER DEZEMBER 2023Ein Stadtrat, der zwei Dinge über alles liebte: Politik und Männer. Harvey Milk hatte wechselnde Partnerschaften und bewies zeitlebens Mut und Zivilcourage.Jahrelanger Kampf für schwule Gleichberechtigung – und dann: ein SchussVON ALAIN SOREL Harvey Milk, der erste oen schwule Politiker der USA, hätte sich spitz-bübisch über die Resultate der Regio-nalwahlen in den USA in diesem November 2023 gefreut. Schliesslich war eines der Er-gebnisse die Wahl der trans Frau Danica Roem in den Senat des konservativen Bun-desstaates Virginia. Milk selbst fühlte sich in seinem attraktiven Männerkörper pudel-wohl, aber weil er einer sexuellen Minorität angehörte, hätte er den Sieg von Danica Roem als Beweis für die allmähliche Durch-setzung der Gleichberechtigung von Min-derheiten in Sachen Erotik und Geschlecht gewertet.Tödliche Kugel im RathausHarvey Milk war ein Bürgerrechtskämpfer der ersten Stunde der Schwulen- und Les-benbewegung in einer Epoche, in der das Coming-out noch keineswegs selbstver-ständlich war. Aber als er so richtig durch-gestartet war in seinem Amt als Stadtrat von San Francisco, schlug das Schicksal gna-denlos zu. Vor etwas mehr als 45 Jahren, am 27. November 1978, wurde er zusammen mit dem damaligen Bürgermeister von San Francisco, George Moscone, im Rathaus der Stadt erschossen. Das Verrückte an der Sache: Harvey Milk el nicht einem Eifersuchtsdrama zum Opfer, kein eifersüchtiger Liebhaber hatte die Wae auf ihn gerichtet. Der Täter han-delte auch nicht aus Wut und Hass auf Homosexuelle. Milk wurde Opfer einer ba-nalen politischen Rivalität. Opfer seines ehemaligen Amtskollegen Dan White, der erst aus dem Stadtrat zurückgetreten war, dann aber wieder eingesetzt werden wollte, was Moscone, auch auf Anraten Milks, ab-lehnte, eine rechtlich gesehen richtige Ent-scheidung. Aus Wut schritt White zu seiner Tat. Er wurde wegen Totschlags zu sieben Jahren Haft verurteilt und nahm sich später das Leben. Das in den Augen vieler empö-rend milde Urteil löste gewalttätige Unru-hen in San Francisco aus.Feindselige Anfechtungen wegen sei-ner sexuellen Ausrichtung hatte Milk frei-lich auch erlebt. In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts sprach man noch nicht von Shitstorm. Aber was Milk in jener Epoche nach seinem öf-fentlichen Bekenntnis zu seinem Schwul-sein erlebte, kam dem ziemlich nahe. Es gab anonyme Morddrohungen zuhauf, und so nahm sich prophetisch aus, was er ein Jahr vor seinem Tod in ein Mikrofon sprach: «Sollte mich eine Kugel ins Gehirn treen, dann möge diese Kugel dazu führen, dass sich jeder outet.» An der Spitze der Gay ParadeDas hörte sich an wie ein Vermächtnis. Und es wurde gehört. Milk sei danach zur Legende geworden, schrieb der Spiegel-Korrespondent Marc Pitzke in einem Ge-denkartikel 2018, er sei vom schwulen Hel-den zum schwulen Märtyrer geworden, Vorbild für Männer und Frauen, ihre Homosexualität oen zu bezeugen. Noch vierzig Jahre nach der Tat sei er, so Pitzke, «die wichtigste Ikone der LGBT*-Bewe-gung». Dazu trug 2008 zweifellos auch der Hollywood-Film «Milk» bei mit Sean Penn als Harvey Milk in der Hauptrolle. Im Sommer vor seinem Tod hatte Milk die Gay Freedom Day Parade in San Fran-cisco angeführt, eine letzte Genugtuung vor seinem jähen Ende. Harvey Milk feuerte die Menge an mit dem Satz: «Wir werden unsere Rechte nicht durchsetzen, indem wir uns weiter verstecken.» Wie wahr, wie wahr! Auch heute. ➔SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURWir werden unsere schwulen Rechte nicht durchsetzen, indem wir uns weiter verstecken.Harvey Milk fürchtete nach seinem Outing um sein Leben. «Sollte mich eine Kugel ins Gehirn treffen», sprach San Franciscos erster schwuler Stadtrat 1977 ins Mikrofon, «dann möge diese Kugel dazu führen, dass sich jeder outet.»Harvey Milk war der erste offen schwule Politiker der USA. 1978 erschoss ihn ein Rivale. Das Attentat machte San Franciscos furchtlosen Stadtrat bis heute zur wichtigsten LGBT*-Legende. Hier als Wachsfigur in Madame Tussauds Wachsfiguren-Kabinett in San Francisco.ANZEIGECRUISER SOMMER 2017➔«Was geht mich meine Gesundheit an!» Wilhelm Nietzsche Wir sind die erste Adresse für diskrete Beratung in allen Gesundheitsfragen.Stampfenbachstr. 7, 8001 Zürich, Tel. 044 252 44 20, Fax 044 252 44 21 leonhards-apotheke@bluewin.ch, www.leonhards.apotheke.chIhr Gesundheits-Coach .Bild © WikiCommons

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20 21CRUISER DEZEMBER 2023Ein Stadtrat, der zwei Dinge über alles liebte: Politik und Männer. Harvey Milk hatte wechselnde Partnerschaften und bewies zeitlebens Mut und Zivilcourage.Jahrelanger Kampf für schwule Gleichberechtigung – und dann: ein SchussVON ALAIN SOREL Harvey Milk, der erste oen schwule Politiker der USA, hätte sich spitz-bübisch über die Resultate der Regio-nalwahlen in den USA in diesem November 2023 gefreut. Schliesslich war eines der Er-gebnisse die Wahl der trans Frau Danica Roem in den Senat des konservativen Bun-desstaates Virginia. Milk selbst fühlte sich in seinem attraktiven Männerkörper pudel-wohl, aber weil er einer sexuellen Minorität angehörte, hätte er den Sieg von Danica Roem als Beweis für die allmähliche Durch-setzung der Gleichberechtigung von Min-derheiten in Sachen Erotik und Geschlecht gewertet.Tödliche Kugel im RathausHarvey Milk war ein Bürgerrechtskämpfer der ersten Stunde der Schwulen- und Les-benbewegung in einer Epoche, in der das Coming-out noch keineswegs selbstver-ständlich war. Aber als er so richtig durch-gestartet war in seinem Amt als Stadtrat von San Francisco, schlug das Schicksal gna-denlos zu. Vor etwas mehr als 45 Jahren, am 27. November 1978, wurde er zusammen mit dem damaligen Bürgermeister von San Francisco, George Moscone, im Rathaus der Stadt erschossen. Das Verrückte an der Sache: Harvey Milk el nicht einem Eifersuchtsdrama zum Opfer, kein eifersüchtiger Liebhaber hatte die Wae auf ihn gerichtet. Der Täter han-delte auch nicht aus Wut und Hass auf Homosexuelle. Milk wurde Opfer einer ba-nalen politischen Rivalität. Opfer seines ehemaligen Amtskollegen Dan White, der erst aus dem Stadtrat zurückgetreten war, dann aber wieder eingesetzt werden wollte, was Moscone, auch auf Anraten Milks, ab-lehnte, eine rechtlich gesehen richtige Ent-scheidung. Aus Wut schritt White zu seiner Tat. Er wurde wegen Totschlags zu sieben Jahren Haft verurteilt und nahm sich später das Leben. Das in den Augen vieler empö-rend milde Urteil löste gewalttätige Unru-hen in San Francisco aus.Feindselige Anfechtungen wegen sei-ner sexuellen Ausrichtung hatte Milk frei-lich auch erlebt. In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts sprach man noch nicht von Shitstorm. Aber was Milk in jener Epoche nach seinem öf-fentlichen Bekenntnis zu seinem Schwul-sein erlebte, kam dem ziemlich nahe. Es gab anonyme Morddrohungen zuhauf, und so nahm sich prophetisch aus, was er ein Jahr vor seinem Tod in ein Mikrofon sprach: «Sollte mich eine Kugel ins Gehirn treen, dann möge diese Kugel dazu führen, dass sich jeder outet.» An der Spitze der Gay ParadeDas hörte sich an wie ein Vermächtnis. Und es wurde gehört. Milk sei danach zur Legende geworden, schrieb der Spiegel-Korrespondent Marc Pitzke in einem Ge-denkartikel 2018, er sei vom schwulen Hel-den zum schwulen Märtyrer geworden, Vorbild für Männer und Frauen, ihre Homosexualität oen zu bezeugen. Noch vierzig Jahre nach der Tat sei er, so Pitzke, «die wichtigste Ikone der LGBT*-Bewe-gung». Dazu trug 2008 zweifellos auch der Hollywood-Film «Milk» bei mit Sean Penn als Harvey Milk in der Hauptrolle. Im Sommer vor seinem Tod hatte Milk die Gay Freedom Day Parade in San Fran-cisco angeführt, eine letzte Genugtuung vor seinem jähen Ende. Harvey Milk feuerte die Menge an mit dem Satz: «Wir werden unsere Rechte nicht durchsetzen, indem wir uns weiter verstecken.» Wie wahr, wie wahr! Auch heute. ➔SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURWir werden unsere schwulen Rechte nicht durchsetzen, indem wir uns weiter verstecken.Harvey Milk fürchtete nach seinem Outing um sein Leben. «Sollte mich eine Kugel ins Gehirn treffen», sprach San Franciscos erster schwuler Stadtrat 1977 ins Mikrofon, «dann möge diese Kugel dazu führen, dass sich jeder outet.»Harvey Milk war der erste offen schwule Politiker der USA. 1978 erschoss ihn ein Rivale. Das Attentat machte San Franciscos furchtlosen Stadtrat bis heute zur wichtigsten LGBT*-Legende. Hier als Wachsfigur in Madame Tussauds Wachsfiguren-Kabinett in San Francisco.ANZEIGECRUISER SOMMER 2017➔«Was geht mich meine Gesundheit an!» Wilhelm Nietzsche Wir sind die erste Adresse für diskrete Beratung in allen Gesundheitsfragen.Stampfenbachstr. 7, 8001 Zürich, Tel. 044 252 44 20, Fax 044 252 44 21 leonhards-apotheke@bluewin.ch, www.leonhards.apotheke.chIhr Gesundheits-Coach .Bild © WikiCommons

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22 23KULTURBUCHTIPP verwehrt. Dann trat der 18 Jahre jüngere Joseph Scott Smith in sein Leben, ein schicksalhafter Moment, eine Wende zu Glück und Erfüllung. Sie eröneten zusam-men ein Fotogeschäft an der Castro Street in San Francisco. Smith war ebenfalls ein Kämpfer für die Rechte der Schwulen, bekam dann aber eine neue Rolle: Er wurde Kampagnenma-nager für die politische Karriere seines Freundes. Denn Milk wollte in der Öent-lichkeit etwas bewirken und merkte, dass er dies am besten in einem kommunalpoliti-schen Amt tun könnte. Zweimal misslang ein Anlauf für eine Wahl in den Stadtrat, der dritte Versuch klappte und er zog als erster oen schwuler Stadtrat in die City Hall ein. Dass San Francisco den Ruf als toleranteste, gegenüber Minderheiten aufgeschlossenste Stadt Amerikas erhielt und diese sich in sei-nen Mauern wohlfühlten konnten, ist mit ein Verdienst von Harvey Milk. Er war von einem inneren Feuer erfasst, glühte vor Freude an der Gestaltung «seiner» Stadt, dehnte gemeinsam mit George Moscone, dem demokratischen Bürgermeister, die LGBT*-Rechte aus und beide brachten ein Sodomiegesetz zu Fall, womit Sex unter Schwulen nicht mehr länger unter Strafe stand. Aber Milk engagierte sich ebenso stark für Anliegen nicht-erotischer Natur.Ein Mann mit einem erfüllten Leben. Bis zu jenem Tag am 27. November 1978. Als Harvey Milk ermordet wurde, hinterliess er ein Tonband, das abgespielt werden sollte «für den Fall meines Todes durch einen Anschlag». Ausschnitte davon sind im Gus Van Sant Film «Milk» (Harvey Milk: Sean Penn) zu erleben. Derzeit kann der sehenswerte Film auf Amazon Prime & Apple TV gestreamt werden.SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURMehr oder weniger versteckt findet sich das Thema Männerliebe in der Weltgeschichte, der Politik, in antiken Sagen und traditionellen Mär-chen – aber auch in Wissenschaft, Technik, Computerwelt. Cruiser greift einzelne Beispiele heraus, würzt sie mit etwas Fantasie, stellt sie in zeitgenössische Zusammenhänge und wünscht bei der Lektüre viel Spass – und hie und da auch neue oder zumindest aufgefrischte Erkenntnisse.Was er diesbezüglich erreicht hatte, durfte sich sehen lassen. Dabei war dieser Weg des Mutes und der Unerschrockenheit nicht unbedingt vorgezeichnet. Geboren am 22. Mai 1930 in Woodmere, Nassau County, New York, erkannte Milk in jungen Jahren, wie Homosexualität auf eisige Ab-lehnung stiess und Schwule juristisch auch schnell verfolgt wurden. Erfüllung und Glück sah der Staat für Gays nicht vor, nicht einmal in den eigenen vier Wänden. Harvey Milk verbarg seine Homosexualität vor sei-nen konservativen Eltern, wohl aus Rück-sicht auf sie, und später in der Marine, hatte aber als Jugendlicher bereits die innere Freiheit, sie für sich auszuleben. Mit seinem oenen, geselligen Wesen fand Milk rasch Freunde und Partner. Wechselvolle PartnerschaftenEr lernte Joe Campbell kennen und lieben, einen späteren Schauspieler; sieben Jahre waren sie liiert. Nach der Trennung 1962 folgten andere, wechselvolle Partnerschaf-ten mit einem Aktivisten der ersten Stunde im Kampf für die Rechte der Schwulen und einem eaterregisseur, doch ein dauer-haftes Glück blieb Harvey Milk vorerst Links: 2014 wurde der Mut von Harvey Milk (1930-1978) schliesslich auch «offiziell» und national gewürdigt; rechts: Die US-Briefmarke zeigt das Konterfei des ermordeten Politikers mit den Regenbogenfarben. BUCHTIPPCharles Lewinsky: Rauch und Schall. Diogenes Verlag 2023.Preis CHF 33.90 ISBN 978-3-257-07259-4VON BIRGIT KAWOHL«Goethe hatte Hämorrhoiden.» Dieser grandiose erste Satz setzt bereits den Ton des Ro-mans: witzig, ironisch und wenig zartfüh-lend geht Lewinsky mit dem grössten deutschsprachigen Dichter um. Als dieser wird Goethe jedenfalls den meisten Schüler*innen auch heute noch verkauft und auch an Universitäten geraten einige Dozent*innen in Schnappatmung, wenn es um Goethe und seine Dichtung geht. Kritik, selbst leise geäusserte, hört man nicht ger-ne, auch wenn bei näherer Betrachtung si-cherlich nicht alle Goethe’schen Werke den hohen Standard erfüllen, den man ihnen allgemein unterstellt.Den Dichter von seinem Sockel stossen will Lewinsky dabei keineswegs, aber ein wenig gerüttelt werden darf schon an dem Monument. Die dabei zu Grunde gelegte Szenerie ist einfach und einleuchtend zu-gleich: Den armen Goethe plagt seit seiner Rückkehr aus der Schweiz eine schreckliche Schreibblockade (und neben den erwähnten Hämorrhoiden zudem schmerzhafte Fu-runkel auf dem Rücken – die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert war keine sehr ge-sunde Zeit, merkt man schnell). Goethe hat den Zugang zu seinem Lebenswerk, dem «Faust», verloren, das unfertige Manuskript liegt unangetastet herum. Das wäre viel-leicht für eine Weile zu verkraften, aber schliesslich steht der Dichter im Dienst des Herzogs von Weimar, der immer wieder klei-ne Traktate für feierliche Anlässe bestellt, die zackig zu schreiben sind. Goethe steckt also wahrlich in einem Dilemma. Da naht Hilfe von gänzlich unerwarteter Seite: Sein bisher wenig geachteter Schwager, Christian August Vulpius, bietet seine Dienste an und rettet den Dichterfürsten aus der Bredouille.Der 1946 in Zürich geborene Lewins-ky, der schon (zu Recht) mehrfach für den Schweizer sowie für den deutschen Buch-preis nominiert war, hat sich mit grosser Akribie in das Leben Goethes eingearbei-tet, weswegen ihm mit «Rauch und Schall» ein fulminanter Faction-Roman gelungen ist. Natürlich ist vieles von dem, was wir hier lesen, vollkommen frei erfunden, aber vieles könnte sich genauso ereignet haben. Man stösst immer wieder auf nachprüfbare Fakten, wie z. B. die Hofgesellschaft in Wei-mar zur Zeit Goethes oder auch der eine entscheidende Rolle spielende Roman von Christian Vulpius «Rinaldo Rinaldini, der Räuberhauptmann» aus dem Jahr 1801. Das Ganze ist dabei sprachlich so gelungen gestaltet, dass man kaum merkt, wie die Seiten vergehen.Goethe-Kenner*innen werden eine Freude daran haben, immer wieder Anspie-lungen auf Werke oder andere Gegebenhei-ten aus Goethes Leben zu stossen, daraus lässt sich auch leicht ein Spiel oder Wett-kampf entwickeln. An welche Szene erin-nert zum Beispiel der Disput zwischen Goe-the und Vulpius auf S. 141? Aber auch wenn man kein*e Goethe-Spezialis*in ist, der Ro-man ist eine grosse Freude zu lesen. Und hinterher sieht manche*r vielleicht Goethe mit anderen Augen. Charles Lewinsky wagt sich in seinem neuen Roman an den «Gott» der Dichtung, Johann Wolfgang von Goethe, heran. Und lässt die Leser*innen schmunzeln.Damals inWeimar30 TableenPrEP für 50 CHFIm Webshop oder direkt in der Apotheke!Seminarstr. 1 8057 Zürich 044 361 61 61www.swissprep.ch→ANZEIGEBild links © WikiCommonsCRUISER DEZEMBER 2023

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22 23KULTURBUCHTIPP verwehrt. Dann trat der 18 Jahre jüngere Joseph Scott Smith in sein Leben, ein schicksalhafter Moment, eine Wende zu Glück und Erfüllung. Sie eröneten zusam-men ein Fotogeschäft an der Castro Street in San Francisco. Smith war ebenfalls ein Kämpfer für die Rechte der Schwulen, bekam dann aber eine neue Rolle: Er wurde Kampagnenma-nager für die politische Karriere seines Freundes. Denn Milk wollte in der Öent-lichkeit etwas bewirken und merkte, dass er dies am besten in einem kommunalpoliti-schen Amt tun könnte. Zweimal misslang ein Anlauf für eine Wahl in den Stadtrat, der dritte Versuch klappte und er zog als erster oen schwuler Stadtrat in die City Hall ein. Dass San Francisco den Ruf als toleranteste, gegenüber Minderheiten aufgeschlossenste Stadt Amerikas erhielt und diese sich in sei-nen Mauern wohlfühlten konnten, ist mit ein Verdienst von Harvey Milk. Er war von einem inneren Feuer erfasst, glühte vor Freude an der Gestaltung «seiner» Stadt, dehnte gemeinsam mit George Moscone, dem demokratischen Bürgermeister, die LGBT*-Rechte aus und beide brachten ein Sodomiegesetz zu Fall, womit Sex unter Schwulen nicht mehr länger unter Strafe stand. Aber Milk engagierte sich ebenso stark für Anliegen nicht-erotischer Natur.Ein Mann mit einem erfüllten Leben. Bis zu jenem Tag am 27. November 1978. Als Harvey Milk ermordet wurde, hinterliess er ein Tonband, das abgespielt werden sollte «für den Fall meines Todes durch einen Anschlag». Ausschnitte davon sind im Gus Van Sant Film «Milk» (Harvey Milk: Sean Penn) zu erleben. Derzeit kann der sehenswerte Film auf Amazon Prime & Apple TV gestreamt werden.SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURMehr oder weniger versteckt findet sich das Thema Männerliebe in der Weltgeschichte, der Politik, in antiken Sagen und traditionellen Mär-chen – aber auch in Wissenschaft, Technik, Computerwelt. Cruiser greift einzelne Beispiele heraus, würzt sie mit etwas Fantasie, stellt sie in zeitgenössische Zusammenhänge und wünscht bei der Lektüre viel Spass – und hie und da auch neue oder zumindest aufgefrischte Erkenntnisse.Was er diesbezüglich erreicht hatte, durfte sich sehen lassen. Dabei war dieser Weg des Mutes und der Unerschrockenheit nicht unbedingt vorgezeichnet. Geboren am 22. Mai 1930 in Woodmere, Nassau County, New York, erkannte Milk in jungen Jahren, wie Homosexualität auf eisige Ab-lehnung stiess und Schwule juristisch auch schnell verfolgt wurden. Erfüllung und Glück sah der Staat für Gays nicht vor, nicht einmal in den eigenen vier Wänden. Harvey Milk verbarg seine Homosexualität vor sei-nen konservativen Eltern, wohl aus Rück-sicht auf sie, und später in der Marine, hatte aber als Jugendlicher bereits die innere Freiheit, sie für sich auszuleben. Mit seinem oenen, geselligen Wesen fand Milk rasch Freunde und Partner. Wechselvolle PartnerschaftenEr lernte Joe Campbell kennen und lieben, einen späteren Schauspieler; sieben Jahre waren sie liiert. Nach der Trennung 1962 folgten andere, wechselvolle Partnerschaf-ten mit einem Aktivisten der ersten Stunde im Kampf für die Rechte der Schwulen und einem eaterregisseur, doch ein dauer-haftes Glück blieb Harvey Milk vorerst Links: 2014 wurde der Mut von Harvey Milk (1930-1978) schliesslich auch «offiziell» und national gewürdigt; rechts: Die US-Briefmarke zeigt das Konterfei des ermordeten Politikers mit den Regenbogenfarben. BUCHTIPPCharles Lewinsky: Rauch und Schall. Diogenes Verlag 2023.Preis CHF 33.90 ISBN 978-3-257-07259-4VON BIRGIT KAWOHL«Goethe hatte Hämorrhoiden.» Dieser grandiose erste Satz setzt bereits den Ton des Ro-mans: witzig, ironisch und wenig zartfüh-lend geht Lewinsky mit dem grössten deutschsprachigen Dichter um. Als dieser wird Goethe jedenfalls den meisten Schüler*innen auch heute noch verkauft und auch an Universitäten geraten einige Dozent*innen in Schnappatmung, wenn es um Goethe und seine Dichtung geht. Kritik, selbst leise geäusserte, hört man nicht ger-ne, auch wenn bei näherer Betrachtung si-cherlich nicht alle Goethe’schen Werke den hohen Standard erfüllen, den man ihnen allgemein unterstellt.Den Dichter von seinem Sockel stossen will Lewinsky dabei keineswegs, aber ein wenig gerüttelt werden darf schon an dem Monument. Die dabei zu Grunde gelegte Szenerie ist einfach und einleuchtend zu-gleich: Den armen Goethe plagt seit seiner Rückkehr aus der Schweiz eine schreckliche Schreibblockade (und neben den erwähnten Hämorrhoiden zudem schmerzhafte Fu-runkel auf dem Rücken – die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert war keine sehr ge-sunde Zeit, merkt man schnell). Goethe hat den Zugang zu seinem Lebenswerk, dem «Faust», verloren, das unfertige Manuskript liegt unangetastet herum. Das wäre viel-leicht für eine Weile zu verkraften, aber schliesslich steht der Dichter im Dienst des Herzogs von Weimar, der immer wieder klei-ne Traktate für feierliche Anlässe bestellt, die zackig zu schreiben sind. Goethe steckt also wahrlich in einem Dilemma. Da naht Hilfe von gänzlich unerwarteter Seite: Sein bisher wenig geachteter Schwager, Christian August Vulpius, bietet seine Dienste an und rettet den Dichterfürsten aus der Bredouille.Der 1946 in Zürich geborene Lewins-ky, der schon (zu Recht) mehrfach für den Schweizer sowie für den deutschen Buch-preis nominiert war, hat sich mit grosser Akribie in das Leben Goethes eingearbei-tet, weswegen ihm mit «Rauch und Schall» ein fulminanter Faction-Roman gelungen ist. Natürlich ist vieles von dem, was wir hier lesen, vollkommen frei erfunden, aber vieles könnte sich genauso ereignet haben. Man stösst immer wieder auf nachprüfbare Fakten, wie z. B. die Hofgesellschaft in Wei-mar zur Zeit Goethes oder auch der eine entscheidende Rolle spielende Roman von Christian Vulpius «Rinaldo Rinaldini, der Räuberhauptmann» aus dem Jahr 1801. Das Ganze ist dabei sprachlich so gelungen gestaltet, dass man kaum merkt, wie die Seiten vergehen.Goethe-Kenner*innen werden eine Freude daran haben, immer wieder Anspie-lungen auf Werke oder andere Gegebenhei-ten aus Goethes Leben zu stossen, daraus lässt sich auch leicht ein Spiel oder Wett-kampf entwickeln. An welche Szene erin-nert zum Beispiel der Disput zwischen Goe-the und Vulpius auf S. 141? Aber auch wenn man kein*e Goethe-Spezialis*in ist, der Ro-man ist eine grosse Freude zu lesen. Und hinterher sieht manche*r vielleicht Goethe mit anderen Augen. Charles Lewinsky wagt sich in seinem neuen Roman an den «Gott» der Dichtung, Johann Wolfgang von Goethe, heran. Und lässt die Leser*innen schmunzeln.Damals inWeimar30 TableenPrEP für 50 CHFIm Webshop oder direkt in der Apotheke!Seminarstr. 1 8057 Zürich 044 361 61 61www.swissprep.ch→ANZEIGEBild links © WikiCommonsCRUISER DEZEMBER 2023

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24 25CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER DEZEMBER 2023SERIEIKONEN VON DAMALSSERIEIKONEN VON DAMALSIn unseren «Ikonen von damals» geht es dieses Mal um einen Film. Denn «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel» – der Weihnachts-Kultfilm schlechthin – wird 50.Aschenbrödel und der schöne PrinzVON MICHAEL HEITMANN, DPA & HAYMO EMPL Dieses Märchen begeistert immer neue Generationen: «Drei Hasel nüsse für Aschenbrödel» ist ein halbes Jahr-hundert alt und für viele Fernseh zu-schauer*innen gehört dieser Film einfach zu Weihnachten wie Christbaum und Lebku-chen: Die Märchenverlmung «Drei Hasel-nüsse für Aschenbrödel» ist ein Klassiker, der Klein und Gross und alle LGBT*-Menschen (zumindest das G bei diesen Buchstaben) sofort in schneebedeckte Landschaften und vor allem leichtes Seufzen versetzt. Denn: Wer kennt sie nicht, die Geschichte vom klu-gen Aschenbrödel (Libuse Safrankova), das mit Mut und List das Herz des schönen, aber etwas naiven Prinzen (Pavel Travnicek) ge-winnt? Und hier auf der Cruiser-Redaktion erinnern sich die Gays daran, dass sie sich alle bereits als Kinder schon in diesen Prin-zen verliebt haben. Eben erst gerade im No-vember wurde das TV-Märchen 50 Jahre alt.Nicht nur in der Schweiz, auch in Deutschland, Tschechien und in Norwegen gilt «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel» als der Weihnachtslm überhaupt. In Deutsch-land wurde der Film im letzen Jahr zwischen 1. Advent und Neujahr 15 Mal gezeigt, SRF zeigt den Film gar am 24. De-zember (konkret: Samstag, 24. Dezember, um 15.05 Uhr).Film wäre beinahe im Sommer gedreht wordenDas ursprüngliche Drehbuch sah vor, dass Aschenbrödel über «blühende Wiesen» läuft und in einem «sonnendurchuteten Bach» seine Wäsche reinigt. Es war ein glücklicher Zufall, dass das ostdeutsche Studio DEFA, der deutsche Koproduktions-partner der Prager Barrandov-Studios, im Winter 1972/1973 freie Kapazitäten hatte. Die DEFA steuerte Schauspielgrössen wie Rolf Hoppe als König bei. In wenigen Tagen wurde das Drehbuch kurzerhand für eine andere Jahreszeit umgeschrieben.Traditionell wird meist der 1. Novem-ber 1973 als ozielles Datum für die Pre-miere des heutigen Kultlms genannt. Nachforschungen des Nationalen Filmar-chivs in Prag haben indes ergeben, dass der Film in Wirklichkeit erst am 16. November 1973 in den tschechoslowakischen Kinos anlief. Eine Galapremiere für den sozialisti-schen Jugendverband SSM hatte es dem-nach bereits am 26. Oktober gegeben. Un-strittig ist, dass die DDR-Premiere am 8. März 1974 erfolgt ist. Hauptdarstellerin Libuse Safrankova kann man zum 50. Jubi-läum leider nicht mehr befragen – sie starb im Juni 2021 im Alter von 68 Jahren.Emanzipiertes AschenbrödelEine der schönsten Szenen des Films ist die erste Begegnung zwischen Aschenbrödel und dem Prinzen. Als der ronfolger auf der Jagd mit seiner Armbrust ein Reh erle-gen will, trit ihn unvermittelt ein Schnee-ball. Geworfen hat ihn das kecke Aschen-brödel, das sich schnell davonmacht. «Das ist kein passives Mädchen, das darauf war-tet, vom Prinzen gerettet zu werden», sagt der Leiter des Nationalen Filmarchivs in Prag, Michal Bregant im Interview der Deutschen Presse-Agentur. «Aschenbrödel handelt mit mehr Unabhängigkeit und Energie – das ist es, was den Film bis heute so interessant macht.»Hinter den Kulissen war es jedoch kei-ne Schneeballattacke der jungen Frau. In Wirklichkeit warf Regisseur Vaclav Vorlicek den Schneeball zielsicher von seiner Posi-tion neben der Kamera aus. «Vorlicek war ein Regisseur, der den Ehrgeiz hatte, erfolg-reiche und populäre Filme zu drehen», sagt Bregant über den 2019 gestorbenen Künst-ler. «Er war kein grosser Philosoph, sondern ein Pragmatiker.» Unverkennbar ist Vorli-ceks Sinn für Humor. «Ich nehme das Leben mit einem Lächeln, selbst wenn ich ver-schiedene Klippen umschien muss, denn ich bin vom Wesen her ein Optimist», sagte er einmal in einem Radiointerview.Solche Klippen gab es auch 1973: Die Dreharbeiten elen in eine Zeit der politi-schen Unterdrückung und der verschärften Zensur in der Tschechoslowakei. Im August 1968 hatten die Warschauer-Pakt-Staaten die Reformbewegung Prager Frühling mit Panzern niedergewälzt. Viele Künstler e-len in Ungnade. «Der ausgezeichnete Dra-matiker und Szenarist Frantisek Pavlicek schrieb das Drehbuch versteckt hinter ei-nem falschen Namen», berichtet der Film-wissenschaftler Pavel Skopal – und das, obwohl das Märchen keinen politischen Subtext habe.Pavlicek verzichtete ganz auf einen klassischen Erzähler und verwob geschickt drei Märchentexte der tschechischen Na-tionalschriftstellerin Bozena Nemcova (1820–1862). So kommt es, dass Aschenbrö-del Zaubernüsse önet, statt wie bei den Gebrüdern Grimm zu rufen: «Bäumchen rüttel dich und schüttel dich!» Übrigens: Damit es wirklich überall verschneit aussah, wurde Fischmehl als Schneeersatz verwendet. Mit dem Ergebnis, dass es am Drehort fürchterlich stank. Vor Kurzem ist Prinzen-Darsteller Pavel Trav-nicek im Tschechischen Rundfunk gefragt worden, woran er sich als Erstes erinnert, wenn er an den Dreh zurückdenkt: «Der Winter, der Winter, es war schrecklich kalt», schoss es aus dem 72-Jährigen heraus. Man sei jung gewesen und habe es bei minus 17 Grad ausgehalten. Wenn er sich Fotos von damals ansehe, sei er nahezu gerührt:«Ver-dammt, was war das für eine Zeit.» Die Moritzburg bei Dresden war Drehort von «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel». Zwischen dem 22. November und dem 25. Februar findet dort eine Winterausstellung zum Kultfilm statt. (www.schloss-moritzburg.de)Das kluge Aschenbrödel, der schöne Prinz. Das Märchen von «Aschenbrödel» ist in vielen Ländern bekannt. Die Tschechen haben eine eigene Version: Dieses Aschenbrödel kann nämlich schiessen, reiten und auf Bäume klettern. Wer träumt nicht auch von so einem feschen Hut mit echter Rebhuhnfeder? Mit der geeigneten Frisur kann das wirklich jede*r tragen.Pavlicek verwob geschickt drei Märchentexte der tschechischen Schriftstellerin Bozena Nemcova (1820–1862). So kommt es, dass Aschenbrödel Zaubernüsse öff-net, statt wie bei den Gebrüdern Grimm zu rufen: «Bäumchen rüttel dich und schüttel dich!»Bilder © Screenshots DEFA

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24 25CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER DEZEMBER 2023SERIEIKONEN VON DAMALSSERIEIKONEN VON DAMALSIn unseren «Ikonen von damals» geht es dieses Mal um einen Film. Denn «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel» – der Weihnachts-Kultfilm schlechthin – wird 50.Aschenbrödel und der schöne PrinzVON MICHAEL HEITMANN, DPA & HAYMO EMPL Dieses Märchen begeistert immer neue Generationen: «Drei Hasel nüsse für Aschenbrödel» ist ein halbes Jahr-hundert alt und für viele Fernseh zu-schauer*innen gehört dieser Film einfach zu Weihnachten wie Christbaum und Lebku-chen: Die Märchenverlmung «Drei Hasel-nüsse für Aschenbrödel» ist ein Klassiker, der Klein und Gross und alle LGBT*-Menschen (zumindest das G bei diesen Buchstaben) sofort in schneebedeckte Landschaften und vor allem leichtes Seufzen versetzt. Denn: Wer kennt sie nicht, die Geschichte vom klu-gen Aschenbrödel (Libuse Safrankova), das mit Mut und List das Herz des schönen, aber etwas naiven Prinzen (Pavel Travnicek) ge-winnt? Und hier auf der Cruiser-Redaktion erinnern sich die Gays daran, dass sie sich alle bereits als Kinder schon in diesen Prin-zen verliebt haben. Eben erst gerade im No-vember wurde das TV-Märchen 50 Jahre alt.Nicht nur in der Schweiz, auch in Deutschland, Tschechien und in Norwegen gilt «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel» als der Weihnachtslm überhaupt. In Deutsch-land wurde der Film im letzen Jahr zwischen 1. Advent und Neujahr 15 Mal gezeigt, SRF zeigt den Film gar am 24. De-zember (konkret: Samstag, 24. Dezember, um 15.05 Uhr).Film wäre beinahe im Sommer gedreht wordenDas ursprüngliche Drehbuch sah vor, dass Aschenbrödel über «blühende Wiesen» läuft und in einem «sonnendurchuteten Bach» seine Wäsche reinigt. Es war ein glücklicher Zufall, dass das ostdeutsche Studio DEFA, der deutsche Koproduktions-partner der Prager Barrandov-Studios, im Winter 1972/1973 freie Kapazitäten hatte. Die DEFA steuerte Schauspielgrössen wie Rolf Hoppe als König bei. In wenigen Tagen wurde das Drehbuch kurzerhand für eine andere Jahreszeit umgeschrieben.Traditionell wird meist der 1. Novem-ber 1973 als ozielles Datum für die Pre-miere des heutigen Kultlms genannt. Nachforschungen des Nationalen Filmar-chivs in Prag haben indes ergeben, dass der Film in Wirklichkeit erst am 16. November 1973 in den tschechoslowakischen Kinos anlief. Eine Galapremiere für den sozialisti-schen Jugendverband SSM hatte es dem-nach bereits am 26. Oktober gegeben. Un-strittig ist, dass die DDR-Premiere am 8. März 1974 erfolgt ist. Hauptdarstellerin Libuse Safrankova kann man zum 50. Jubi-läum leider nicht mehr befragen – sie starb im Juni 2021 im Alter von 68 Jahren.Emanzipiertes AschenbrödelEine der schönsten Szenen des Films ist die erste Begegnung zwischen Aschenbrödel und dem Prinzen. Als der ronfolger auf der Jagd mit seiner Armbrust ein Reh erle-gen will, trit ihn unvermittelt ein Schnee-ball. Geworfen hat ihn das kecke Aschen-brödel, das sich schnell davonmacht. «Das ist kein passives Mädchen, das darauf war-tet, vom Prinzen gerettet zu werden», sagt der Leiter des Nationalen Filmarchivs in Prag, Michal Bregant im Interview der Deutschen Presse-Agentur. «Aschenbrödel handelt mit mehr Unabhängigkeit und Energie – das ist es, was den Film bis heute so interessant macht.»Hinter den Kulissen war es jedoch kei-ne Schneeballattacke der jungen Frau. In Wirklichkeit warf Regisseur Vaclav Vorlicek den Schneeball zielsicher von seiner Posi-tion neben der Kamera aus. «Vorlicek war ein Regisseur, der den Ehrgeiz hatte, erfolg-reiche und populäre Filme zu drehen», sagt Bregant über den 2019 gestorbenen Künst-ler. «Er war kein grosser Philosoph, sondern ein Pragmatiker.» Unverkennbar ist Vorli-ceks Sinn für Humor. «Ich nehme das Leben mit einem Lächeln, selbst wenn ich ver-schiedene Klippen umschien muss, denn ich bin vom Wesen her ein Optimist», sagte er einmal in einem Radiointerview.Solche Klippen gab es auch 1973: Die Dreharbeiten elen in eine Zeit der politi-schen Unterdrückung und der verschärften Zensur in der Tschechoslowakei. Im August 1968 hatten die Warschauer-Pakt-Staaten die Reformbewegung Prager Frühling mit Panzern niedergewälzt. Viele Künstler e-len in Ungnade. «Der ausgezeichnete Dra-matiker und Szenarist Frantisek Pavlicek schrieb das Drehbuch versteckt hinter ei-nem falschen Namen», berichtet der Film-wissenschaftler Pavel Skopal – und das, obwohl das Märchen keinen politischen Subtext habe.Pavlicek verzichtete ganz auf einen klassischen Erzähler und verwob geschickt drei Märchentexte der tschechischen Na-tionalschriftstellerin Bozena Nemcova (1820–1862). So kommt es, dass Aschenbrö-del Zaubernüsse önet, statt wie bei den Gebrüdern Grimm zu rufen: «Bäumchen rüttel dich und schüttel dich!» Übrigens: Damit es wirklich überall verschneit aussah, wurde Fischmehl als Schneeersatz verwendet. Mit dem Ergebnis, dass es am Drehort fürchterlich stank. Vor Kurzem ist Prinzen-Darsteller Pavel Trav-nicek im Tschechischen Rundfunk gefragt worden, woran er sich als Erstes erinnert, wenn er an den Dreh zurückdenkt: «Der Winter, der Winter, es war schrecklich kalt», schoss es aus dem 72-Jährigen heraus. Man sei jung gewesen und habe es bei minus 17 Grad ausgehalten. Wenn er sich Fotos von damals ansehe, sei er nahezu gerührt:«Ver-dammt, was war das für eine Zeit.» Die Moritzburg bei Dresden war Drehort von «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel». Zwischen dem 22. November und dem 25. Februar findet dort eine Winterausstellung zum Kultfilm statt. (www.schloss-moritzburg.de)Das kluge Aschenbrödel, der schöne Prinz. Das Märchen von «Aschenbrödel» ist in vielen Ländern bekannt. Die Tschechen haben eine eigene Version: Dieses Aschenbrödel kann nämlich schiessen, reiten und auf Bäume klettern. Wer träumt nicht auch von so einem feschen Hut mit echter Rebhuhnfeder? Mit der geeigneten Frisur kann das wirklich jede*r tragen.Pavlicek verwob geschickt drei Märchentexte der tschechischen Schriftstellerin Bozena Nemcova (1820–1862). So kommt es, dass Aschenbrödel Zaubernüsse öff-net, statt wie bei den Gebrüdern Grimm zu rufen: «Bäumchen rüttel dich und schüttel dich!»Bilder © Screenshots DEFA

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26 27CRUISER DEZEMBER 2023ANZEIGESZENEMOUSTACHE-SAUNA VOR DEM AUSSZENEMOUSTACHE-SAUNA VOR DEM AUSVON HAYMO EMPLIn der allerersten Ausgabe des Cruiser vor 30 Jahren fand sich bereits un-übersehbar ein Inserat der Moustache- Sauna. Der «Schnauzer-Mann» war für viele Jahre das Logo der Moustache und schon damals war die Sauna «e Place To Be». Deren Geschichte ist auch eng mit der-jenigen des Cruiser verbunden. Gegenseitig unterstützte man sich in Sachen Prävention während der grossen AIDS-Welle. Mous-tache legte – ein Novum damals – gratis Pa-riser auf, Cruiser appellierte intensiv an das Befolgen der Safer-Sex-Regeln und wies in mehr als einem redaktionellen Beitrag auf die Gratiskondome hin. Vor über 30 Jahren war also die Moustache bereits Pionierin – und will es auch bleiben. Umbau kostete mehr als 1.5 MillionenVieles hat sich seither getan: Einige der Sau-nen von damals gibt es nicht mehr, es gab viele Versuche, in der Agglo saunatechnisch etwas Neues auf die Beine zu stellen (manch-mal nur für wenige Monate), Clubs wie das «Rage» haben die Segel schon vor längerer Zeit gestrichen und generell herrscht ein rauer Wind in der Szene. Die Sauna Mous-tache nahm diese Entwicklung als Heraus-forderung: Sorgte AIDS vor 30 Jahren für Unsicherheit, kamen danach die veränder-ten Ausgehmöglichkeiten und schliesslich die Dating Apps auf dem Smartphone. Für die Moustache kein Problem, denn jedes Jahr wurden gemäss Mitinhaber Robert Zbinden an die 100 000 Franken investiert, um am Puls der Zeit zu bleiben. Bei der Übernahme im Jahr 2009 durch Robert und zwei weiteren Mitinhabern wurden mehr als 1.5 Millionen Franken für den Umbau der in die Jahre gekommenen Sauna investiert.Und nun letztendlich die Hiobsbot-schaft: Die Moustache muss ausziehen, denn das Gebäude wird totalsaniert. Bereits vor einigen Jahren wollte die Eigentümerschaft des Gebäudes das Haus verkaufen. Robert mobilisierte die anderen Mieter*-innen im Haus, um das ganze Gebäude der Eigentü-merschaft abkaufen zu können. Doch sie wurde überboten – von der Zürcher Kanto-nalbank. Ironischerweise wäre die ZKB auch Kreditgeberin für Robert und die am Kauf interessierte Mieterschaft gewesen. Nach 43 Jahren ist wohl endgültig Schluss, so die bittere Bilanz von Robert Zbinden. Man habe diverse Optionen gehabt und diese auch wahrgenommen, aber letztendlich scheiterte es immer daran, dass man nicht «solche Mieter» haben wolle. Entweder weil man zuwenig quartierbezogen sei (Koch-areal, die Stadt Zürich legte ihr Veto ein und verhinderte damit den Einzug der Mous-tache) oder weil man keinen Lärm in der Nacht wolle (Europaallee – nicht unbedingt dafür bekannt, dass es dort nachts üs-terleise ist). Für die Mitarbeitenden sucht Robert und Team eine Anschlusslösung, wo immer möglich – und wenn sich vielleicht doch noch ein Türchen önet, dann wären Ro-bert und Team sofort zu Stelle. Bei Redak-tionsschluss war aber diesbezüglich noch kein Lichtstreifen am Horizont auszuma-chen. Aber wer weiss? Im November kam ein kurzes Mail: «Die Moustache-Sauna muss für immer schliessen.» Cruiser geht den Gründen auf die Spur.Eine Stadtzürcher Gay-Institution ist gestorbenOriginalinserat von 1986 aus dem ersten Cruiser (auch in unserem Archiv unter www.cruiser.ch). Der Schnauzer-Mann, oder eben Moustache-Mann, war über viele Jahre in allen Inseraten zu sehen.Beschrieb der Moustache-Sauna im Cruiser von 1988. Damals gab es die Saunen Adonis, Alexander, Apollo und die Mylord. Übriggeblieben sind nur noch die Apollo – als älteste Sauna in Zürich – sowie die Mylord.Robert hat viel Herzblut (und Geld!) in die Mous-tache gesteckt und die Sauna zu dem gemacht, was sie heute ist: Einer der beliebtesten Gay-Treff-punkte in Zürich. Nun ist Schluss; bald ist die Moustache Geschichte.Nach 43 Jahren ist wohl endgül-tig Schluss, so die bittere Bilanz von Robert Zbinden. Wenn sich vielleicht doch noch ein Türchen öffnet, dann wären Robert und Team sofort zu Stelle.Schreinerstrasse 44 | 8004 Zürich | Telefon 044 291 39 90 | www.haargenau.chDeine fabelhafte LGBT*-friendly Hairstylistin freut sich auf deinen Besuch.Bilder © Haymo Empl

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26 27CRUISER DEZEMBER 2023ANZEIGESZENEMOUSTACHE-SAUNA VOR DEM AUSSZENEMOUSTACHE-SAUNA VOR DEM AUSVON HAYMO EMPLIn der allerersten Ausgabe des Cruiser vor 30 Jahren fand sich bereits un-übersehbar ein Inserat der Moustache- Sauna. Der «Schnauzer-Mann» war für viele Jahre das Logo der Moustache und schon damals war die Sauna «e Place To Be». Deren Geschichte ist auch eng mit der-jenigen des Cruiser verbunden. Gegenseitig unterstützte man sich in Sachen Prävention während der grossen AIDS-Welle. Mous-tache legte – ein Novum damals – gratis Pa-riser auf, Cruiser appellierte intensiv an das Befolgen der Safer-Sex-Regeln und wies in mehr als einem redaktionellen Beitrag auf die Gratiskondome hin. Vor über 30 Jahren war also die Moustache bereits Pionierin – und will es auch bleiben. Umbau kostete mehr als 1.5 MillionenVieles hat sich seither getan: Einige der Sau-nen von damals gibt es nicht mehr, es gab viele Versuche, in der Agglo saunatechnisch etwas Neues auf die Beine zu stellen (manch-mal nur für wenige Monate), Clubs wie das «Rage» haben die Segel schon vor längerer Zeit gestrichen und generell herrscht ein rauer Wind in der Szene. Die Sauna Mous-tache nahm diese Entwicklung als Heraus-forderung: Sorgte AIDS vor 30 Jahren für Unsicherheit, kamen danach die veränder-ten Ausgehmöglichkeiten und schliesslich die Dating Apps auf dem Smartphone. Für die Moustache kein Problem, denn jedes Jahr wurden gemäss Mitinhaber Robert Zbinden an die 100 000 Franken investiert, um am Puls der Zeit zu bleiben. Bei der Übernahme im Jahr 2009 durch Robert und zwei weiteren Mitinhabern wurden mehr als 1.5 Millionen Franken für den Umbau der in die Jahre gekommenen Sauna investiert.Und nun letztendlich die Hiobsbot-schaft: Die Moustache muss ausziehen, denn das Gebäude wird totalsaniert. Bereits vor einigen Jahren wollte die Eigentümerschaft des Gebäudes das Haus verkaufen. Robert mobilisierte die anderen Mieter*-innen im Haus, um das ganze Gebäude der Eigentü-merschaft abkaufen zu können. Doch sie wurde überboten – von der Zürcher Kanto-nalbank. Ironischerweise wäre die ZKB auch Kreditgeberin für Robert und die am Kauf interessierte Mieterschaft gewesen. Nach 43 Jahren ist wohl endgültig Schluss, so die bittere Bilanz von Robert Zbinden. Man habe diverse Optionen gehabt und diese auch wahrgenommen, aber letztendlich scheiterte es immer daran, dass man nicht «solche Mieter» haben wolle. Entweder weil man zuwenig quartierbezogen sei (Koch-areal, die Stadt Zürich legte ihr Veto ein und verhinderte damit den Einzug der Mous-tache) oder weil man keinen Lärm in der Nacht wolle (Europaallee – nicht unbedingt dafür bekannt, dass es dort nachts üs-terleise ist). Für die Mitarbeitenden sucht Robert und Team eine Anschlusslösung, wo immer möglich – und wenn sich vielleicht doch noch ein Türchen önet, dann wären Ro-bert und Team sofort zu Stelle. Bei Redak-tionsschluss war aber diesbezüglich noch kein Lichtstreifen am Horizont auszuma-chen. Aber wer weiss? Im November kam ein kurzes Mail: «Die Moustache-Sauna muss für immer schliessen.» Cruiser geht den Gründen auf die Spur.Eine Stadtzürcher Gay-Institution ist gestorbenOriginalinserat von 1986 aus dem ersten Cruiser (auch in unserem Archiv unter www.cruiser.ch). Der Schnauzer-Mann, oder eben Moustache-Mann, war über viele Jahre in allen Inseraten zu sehen.Beschrieb der Moustache-Sauna im Cruiser von 1988. Damals gab es die Saunen Adonis, Alexander, Apollo und die Mylord. Übriggeblieben sind nur noch die Apollo – als älteste Sauna in Zürich – sowie die Mylord.Robert hat viel Herzblut (und Geld!) in die Mous-tache gesteckt und die Sauna zu dem gemacht, was sie heute ist: Einer der beliebtesten Gay-Treff-punkte in Zürich. Nun ist Schluss; bald ist die Moustache Geschichte.Nach 43 Jahren ist wohl endgül-tig Schluss, so die bittere Bilanz von Robert Zbinden. Wenn sich vielleicht doch noch ein Türchen öffnet, dann wären Robert und Team sofort zu Stelle.Schreinerstrasse 44 | 8004 Zürich | Telefon 044 291 39 90 | www.haargenau.chDeine fabelhafte LGBT*-friendly Hairstylistin freut sich auf deinen Besuch.Bilder © Haymo Empl

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28 29CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER DEZEMBER 2023KULTURFEMINISMUS IM PFAUENKULTURFEMINISMUS IM PFAUENYana Ross liest Virginie Despentes’ «Liebes Arschloch» bei der Uraufführung in Zürich als Plädoyer für Feminismus. Ein guter Theaterabend wird daraus aber nicht.Manifest in OrangeVON VALERIA HEINTGES Sie stehen im Dunkeln, vereinzelte Stimmen im Netz der Netze. Zoé be-treibt einen feministischen Blog, hat aber bisher keine Namen genannt. Jetzt be-schuldigt sie Oscar Jayack des Missbrauchs. Oscar Jayack beschimpft in einem Instagram-Post die Schauspielerin Rebecca Latté als alte Frau am Ende ihrer Karriere. Die wehrt sich wütend, ebenfalls unter der Gürtellinie. Dann trauen sich Oscar und Rebecca aus dem Dunkel. Er gesteht ihr, dass sie sich von früher kennen: Sie war die Freundin seiner Schwester, er ihr ewiger Bewunderer. Ist es auch heute noch, da sie es längst zur gefeierten Schauspielerin gebracht hat und er zum bekannten Schriftsteller. Aber sie ist jenseits der 50 und bekommt kaum noch Rollen, und er hat eine Schreibblockade und einen Shitstorm am Hals. Zoés Vorwürfe, er habe vor zehn Jahren übelst gemobbt, leug-net er vehement.Rebecca und Oscar geben sich wenig, aber sie nähern sich an, trauen sich aus dem Dunkel. Vorher aber wappnen sie sich in der Urauührungsinszenierung von Virginie Despentes’ «Liebes Arschloch» am Zürcher Pfauen mit Kleiderschichten, mit Watte, Fal-ten, Rüschen. Die oberste Schicht: Ein Har-nisch aus Plastik, bei ihm inklusive anhän-gendem Penis. Alles Orange, denn das ist die Farbe der Kampagne gegen Gewalt an Frauen (Kostüme Zane Pihlström). Matthias Neukirch verschwindet zusätzlich in einem orangefarbenen, wurmartigen Plüschgebil-de und Karin Pfammatters Unterleib wird von drei riesigen Ringen bedeckt, die das Licht spiegeln und einen Pseudo-Einblick in ihr Inneres ermöglichen.Doch sie nähern sich langsam an: Er liest einen Teil ihres Textes, sie liest einen Teil des seinigen. Und langsam legen sie die Schichten ab, bis sie im superkurzen Kleid-chen dasteht, und er in orangefarbener Hose und ebensolchem Hemd. Bis eine ech-te Unterhaltung möglich ist. Und er gesteht, dass er Zoé, die einst Praktikantin in sei-nem Verlag war, mit Mails bombardierte. Virginie Despentes' «Liebes Arschloch» von Yana Ross am Schauspielhaus Zürich inszeniertIn Plüsch-Kostümen: Karin Pfammatter und Matthias Neukirch in «Liebes Aschloch»Und wie sie beide nach langen Drogen-biographien bei den Narcotics Anonymous landen, weil er Alkoholiker war und sie im-mer Drogen nahm, meist Heroin. Virginie Despentes’ gefeierter Roman ist durchweg in Mailform gehalten, die sich Oscar und Rebecca nicht zuletzt während des Corona-Lockdowns schicken. Die Mails werden immer wieder unterbrochen von Zoés Blogbeiträgen, in denen sie Oscar öf-fentlich beschimpft und ansonsten ver-sucht, endlich ein normales Leben zu füh-ren. Es gelingt ihr nur mit Rückschlägen. Despentes hat keine direkte Begeg-nung von Rebecca und Oscar, keine Dialoge geschrieben, deshalb verweigert sich der ➔ Bild © Creative CommonsANZEIGEBilder © Gina FollyDank uns jedes Detail sehen. Als Hauptsponsorin des Schauspielhaus Zürich ermöglichen wir unseren Kundinnen und Kunden eine bessere Sitzkategorie. zkb.ch/schauspielhausmit dem Sitzplatz-Upgrade.Näher dran

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28 29CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER DEZEMBER 2023KULTURFEMINISMUS IM PFAUENKULTURFEMINISMUS IM PFAUENYana Ross liest Virginie Despentes’ «Liebes Arschloch» bei der Uraufführung in Zürich als Plädoyer für Feminismus. Ein guter Theaterabend wird daraus aber nicht.Manifest in OrangeVON VALERIA HEINTGES Sie stehen im Dunkeln, vereinzelte Stimmen im Netz der Netze. Zoé be-treibt einen feministischen Blog, hat aber bisher keine Namen genannt. Jetzt be-schuldigt sie Oscar Jayack des Missbrauchs. Oscar Jayack beschimpft in einem Instagram-Post die Schauspielerin Rebecca Latté als alte Frau am Ende ihrer Karriere. Die wehrt sich wütend, ebenfalls unter der Gürtellinie. Dann trauen sich Oscar und Rebecca aus dem Dunkel. Er gesteht ihr, dass sie sich von früher kennen: Sie war die Freundin seiner Schwester, er ihr ewiger Bewunderer. Ist es auch heute noch, da sie es längst zur gefeierten Schauspielerin gebracht hat und er zum bekannten Schriftsteller. Aber sie ist jenseits der 50 und bekommt kaum noch Rollen, und er hat eine Schreibblockade und einen Shitstorm am Hals. Zoés Vorwürfe, er habe vor zehn Jahren übelst gemobbt, leug-net er vehement.Rebecca und Oscar geben sich wenig, aber sie nähern sich an, trauen sich aus dem Dunkel. Vorher aber wappnen sie sich in der Urauührungsinszenierung von Virginie Despentes’ «Liebes Arschloch» am Zürcher Pfauen mit Kleiderschichten, mit Watte, Fal-ten, Rüschen. Die oberste Schicht: Ein Har-nisch aus Plastik, bei ihm inklusive anhän-gendem Penis. Alles Orange, denn das ist die Farbe der Kampagne gegen Gewalt an Frauen (Kostüme Zane Pihlström). Matthias Neukirch verschwindet zusätzlich in einem orangefarbenen, wurmartigen Plüschgebil-de und Karin Pfammatters Unterleib wird von drei riesigen Ringen bedeckt, die das Licht spiegeln und einen Pseudo-Einblick in ihr Inneres ermöglichen.Doch sie nähern sich langsam an: Er liest einen Teil ihres Textes, sie liest einen Teil des seinigen. Und langsam legen sie die Schichten ab, bis sie im superkurzen Kleid-chen dasteht, und er in orangefarbener Hose und ebensolchem Hemd. Bis eine ech-te Unterhaltung möglich ist. Und er gesteht, dass er Zoé, die einst Praktikantin in sei-nem Verlag war, mit Mails bombardierte. Virginie Despentes' «Liebes Arschloch» von Yana Ross am Schauspielhaus Zürich inszeniertIn Plüsch-Kostümen: Karin Pfammatter und Matthias Neukirch in «Liebes Aschloch»Und wie sie beide nach langen Drogen-biographien bei den Narcotics Anonymous landen, weil er Alkoholiker war und sie im-mer Drogen nahm, meist Heroin. Virginie Despentes’ gefeierter Roman ist durchweg in Mailform gehalten, die sich Oscar und Rebecca nicht zuletzt während des Corona-Lockdowns schicken. Die Mails werden immer wieder unterbrochen von Zoés Blogbeiträgen, in denen sie Oscar öf-fentlich beschimpft und ansonsten ver-sucht, endlich ein normales Leben zu füh-ren. Es gelingt ihr nur mit Rückschlägen. Despentes hat keine direkte Begeg-nung von Rebecca und Oscar, keine Dialoge geschrieben, deshalb verweigert sich der ➔ Bild © Creative CommonsANZEIGEBilder © Gina FollyDank uns jedes Detail sehen. Als Hauptsponsorin des Schauspielhaus Zürich ermöglichen wir unseren Kundinnen und Kunden eine bessere Sitzkategorie. zkb.ch/schauspielhausmit dem Sitzplatz-Upgrade.Näher dran

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30 31CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER DEZEMBER 2023KOLUMNEMICHI RÜEGGRoman jedem wirklichen Miteinander. Ka-tinka Deecke (die im Programmheft arro-gant das Zürcher Publikum beschimpft) und Benjamin von Blomberg bleiben in ih-rer Urauührungsfassung sprachlich wört-lich bei Despentes’ letztlich untheatrali-scher Vorlage. Sie verleugnen die Brieorm zunächst nicht, versuchen aber bald, sich von ihr zu emanzipieren. Doch wirkt die Urauührung über weite Strecken sehr pa-pieren. Auch weil die Zürcher Fassung das 330-Seiten-Werk in anderthalb eater-stunden quetscht. Da geht viel verloren; man versteht zum Beispiel nicht, warum sich Oscar und Rebecca erst übelst be-schimpfen, sich aber trotzdem weiter-schreiben und schnell gute Freunde sind. Oder welche Rolle Oscars Schwester Corin-ne spielt. Der Lockdown, die Auseinander-setzung mit der ärmlichen Abstammung aus der Provinz, Rebeccas Karriere als Schauspielerin – das alles fällt in Zürich hintenüber. Denn Yana Ross interessiert sich vor allem für die feministischen Seiten des Werks, den Machtmissbrauch der Männer, die Flucht aller in die Drogen. Zentrale e-men natürlich, keine Frage, doch beraubt seiner Seitenstränge bleibt vom Roman mehr ein politisch-behauptetes Manifest als ein überzeugender eaterabend übrig. Die stärkste Szene ist denn auch prompt, als Zoé darüber sinniert, dass die Frauen in ih-rem Kampf «ziemlich grossmütig» seien. Schliesslich würden männliche Wesen nicht abgetrieben, nicht auf dem Scheiter-haufen verbrannt, nicht vom Bildungs-sektor ausgeschlossen, nicht auf der Strasse getötet. Undsoweiter undsoweiter. Die Pas-sage ist nicht kurz, doch von jedem einzel-nen Aspekt lässt sich sagen: Männer hin-gegen machten oder machen mit Frauen genau das. In diesem eoriekonstrukt kämpfen Karin Pfammatter und Matthias Neukirch wacker darum, aus ihren Rollen Charaktere zu stricken. Karin Pfammatters Rebecca ist stark angelegt, zeigt aber immer wieder Schwäche und hat auch keine Scheu, die Blessuren zu benennen, die ihr von Kind-heit an zugefügt wurden. Neukirch balan-ciert gut zwischen Macho-Mann und verlo-rener Seele, zwischen grossen Sprüchen und tiefer Einsamkeit. Doch ist auch das Zusammenspiel von der Tatsache geprägt, dass sie faktisch nicht zusammenkommen. Man meint, auch zwischen den beiden eine Distanzlücke zu erkennen. Magda Drozd muss den Abend mit Musik unterlegen und gleichzeitig Zoé ver-körpern. Warum sie den Eingangstext so hölzern vorträgt (obwohl sie es viel besser kann, wie sie später beweist) und den zwei-ten Beitrag unverständlich, dafür aber laut herausschreit, bleibt ein Geheimnis zwi-schen ihr und dem Regieteam. Dafür ver-wandelt sich der Abend zwischenzeitlich in eine Disko samt Modenschau, wenn Kate-Perry- oder Billie-Eilish-Songs beinahe in Gänze ausgespielt werden und die Akteure in immer neuen orangefarbenen Kleider-varianten auftreten. All das ist letztlich Zeit, die man besser hätte nützen können. «Liebes Arschloch» von Yana Ross, mit Matthias Neukirch, Karin Pfammatter, Magda Drozd wird u.a. am 8., 13. und 28.12. im Pfauen zur Aufführung kommen. Tickets unter www.schauspielhaus.ch.Die Uraufführung wirkt über weite Strecken sehr papieren. Auch weil die Zürcher Fassung das 330-Seiten-Werk in andert-halb Theaterstunden quetscht. Da geht viel verloren.Die im Dunkeln: Matthias Neukirch in «Liebes Arschloch», im Hintergrund Madga DrozdKULTURFEMINISMUS IM PFAUENKrieg. Terror. Rechtsrutsch. Und jeden Tag Prep, aber kaum noch Sex. Früher war’s doch besser. Doch Obacht mit derlei Gedanken, findet Michi Rüegg.VON MICHI RÜEGGDas war also 2023. Wieder ein Jahr vorbei. Die Älteren unter uns wollen sich an die 1920er-Jahre erinnert fühlen, als scheinbar die ganze Welt Party machte und schwul und lesbisch zu sein in den Tanzpalästen plötzlich chic war. Das mag zu einem gewissen Grad für Berlin gestimmt haben. Der Rest der Welt war damals noch nicht ganz so weit. Und zu-mindest in Berlin war die Stimmung nicht sonderlich nachhaltig.Trotzdem vernimmt man dann und wann begleitet von einem langen Seufzer von den Silberrücken der Gay-Welt, dass früher doch so vieles besser gewesen sei.Zum Beispiel in der frühen Neuzeit. Damals war es in gewissen Gegenden üb-lich, Schwule mittels einer sogenannten «Birne» dorthin zu führen, wo man sie haben wollte: in der Hölle. Es handelte sich bei dieser Birne um ein Instrument, das ei-nem in den Arsch geführt wurde, wo es sich önete und einem alles auseinanderriss. Oder, etwas weniger dramatisch, man wur-de ganz banal auf dem Scheiterhaufen ver-brannt. Zum Beispiel auch dann, wenn man minderjährig war und ein Priester sich an einem vergrien hatte. Sünde ist Sünde, die Obrigkeit verfolgte in solchen Dingen eine klare Linie.Oder die aufregende Jahrhundertwen-de vom 19. zum 20., als erst die ersten gros-sen Maschinen dampften und elegante Her-ren einander in Salons lüsterne Blicke zuwarfen. Später begegneten sie sich dann in den Zuchthäusern, wo sie ihre mehrjäh-rigen Strafen für Sodomie absassen. Wer mehr Glück hatte, landete mit Syphilis im dritten Stadium im Irrenhaus.Warum nicht die 1950er in Zürich? Wirtschaftswunder, die Entdeckung der Freizeit, junge Männer, die in ihren Cabrio-lets den See entlangfahren und hübsche Anhalter mitnehmen. Am Morgen klopfte Herren im Trenchcoat an die Tür. Man lan-dete im Homo-Register der Stadtpolizei und durfte sich darauf freuen, vielleicht den Job zu verlieren. Wenn man Pech hatte und einen 19-jährigen Typen vernascht hatte, gab’s obendrauf Gefängnis. Oder die 80er, als es auf jeder Bahnhof-toilette Sex mit geilen Typen gab, die wildes-ten Partys gefeiert wurden und die Erotik wie saurer Regen in der Luft lag? Gut, dann kam halt Aids, und wer nicht bis zu den ers-ten Medikamenten durchhielt, musste sich wenigstens nicht um seine Altersvorsorge kümmern.Oder etwas später in den 90ern, als ich selbst noch ein Teenager war. Technopartys, ein buntes Gay-Leben hinter dicken Mauern in verborgenen Bars – Zürich war ein heisses Paster. Dumm nur, wenn man auf dem Land im Gymnasium hockte, Zürich nur von Ausügen mit den Eltern kannte und Tele-fonsex-Hotlines zu 1.40 Franken die Minute das Einzige waren, was auch nur sehr ent-fernt an Grindr und Romeo erinnerte. Als dann doch die ersten Gaychats aufkamen, konnte man noch keine Fotos verschicken. Entsprechende Enttäuschung machte sich breit, wenn das Gegenüber hässlich wie die Nacht war. Und gab man sich ihm dennoch hin, war noch grösser als der Sexualtrieb die Angst vor Kondomriss und HIV.Natürlich waren Menschen früher glücklich, natürlich haben sie geliebt, na-türlich haben sie geil gevögelt. Aber würdest du, liebes Lesendes, wirklich einen Zeit-sprung in die Vergangenheit wollen? Mit allen damit verbundenen Konsequenzen? Wenn früher eine Sache wirklich bes-ser war, dann war es die Zukunft. Und so sehr wir uns nerven und so sehr wir uns sor-gen: Es ist immer aufwärts gegangen mit uns, mal steiler, mal gemächlicher. Und nichts deutet darauf hin, dass diese kons-tante Aufwärtsbewegung ausgerechnet jetzt einen Schwenker machen würde.Bleiben wir also, auch wenn es nicht immer leichtfällt, zur Sicherheit lieber opti-mistisch. 2024 wird vermutlich gar nicht so übel, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Und wenn’s doch nicht so toll ist, haben wir in zwölf Monaten noch immer 2025, auf das wir uns freuen können. Nostalgisch verklärtSo sehr wir uns nerven und so sehr wir uns sorgen: Es ist immer aufwärts gegangen mit uns, mal steiler, mal gemächlicher. Und nichts deutet darauf hin, dass diese konstante Aufwärtsbewe-gung ausgerechnet jetzt einen Schwenker machen würde.Bild © Gina Folly

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30 31CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER DEZEMBER 2023KOLUMNEMICHI RÜEGGRoman jedem wirklichen Miteinander. Ka-tinka Deecke (die im Programmheft arro-gant das Zürcher Publikum beschimpft) und Benjamin von Blomberg bleiben in ih-rer Urauührungsfassung sprachlich wört-lich bei Despentes’ letztlich untheatrali-scher Vorlage. Sie verleugnen die Brieorm zunächst nicht, versuchen aber bald, sich von ihr zu emanzipieren. Doch wirkt die Urauührung über weite Strecken sehr pa-pieren. Auch weil die Zürcher Fassung das 330-Seiten-Werk in anderthalb eater-stunden quetscht. Da geht viel verloren; man versteht zum Beispiel nicht, warum sich Oscar und Rebecca erst übelst be-schimpfen, sich aber trotzdem weiter-schreiben und schnell gute Freunde sind. Oder welche Rolle Oscars Schwester Corin-ne spielt. Der Lockdown, die Auseinander-setzung mit der ärmlichen Abstammung aus der Provinz, Rebeccas Karriere als Schauspielerin – das alles fällt in Zürich hintenüber. Denn Yana Ross interessiert sich vor allem für die feministischen Seiten des Werks, den Machtmissbrauch der Männer, die Flucht aller in die Drogen. Zentrale e-men natürlich, keine Frage, doch beraubt seiner Seitenstränge bleibt vom Roman mehr ein politisch-behauptetes Manifest als ein überzeugender eaterabend übrig. Die stärkste Szene ist denn auch prompt, als Zoé darüber sinniert, dass die Frauen in ih-rem Kampf «ziemlich grossmütig» seien. Schliesslich würden männliche Wesen nicht abgetrieben, nicht auf dem Scheiter-haufen verbrannt, nicht vom Bildungs-sektor ausgeschlossen, nicht auf der Strasse getötet. Undsoweiter undsoweiter. Die Pas-sage ist nicht kurz, doch von jedem einzel-nen Aspekt lässt sich sagen: Männer hin-gegen machten oder machen mit Frauen genau das. In diesem eoriekonstrukt kämpfen Karin Pfammatter und Matthias Neukirch wacker darum, aus ihren Rollen Charaktere zu stricken. Karin Pfammatters Rebecca ist stark angelegt, zeigt aber immer wieder Schwäche und hat auch keine Scheu, die Blessuren zu benennen, die ihr von Kind-heit an zugefügt wurden. Neukirch balan-ciert gut zwischen Macho-Mann und verlo-rener Seele, zwischen grossen Sprüchen und tiefer Einsamkeit. Doch ist auch das Zusammenspiel von der Tatsache geprägt, dass sie faktisch nicht zusammenkommen. Man meint, auch zwischen den beiden eine Distanzlücke zu erkennen. Magda Drozd muss den Abend mit Musik unterlegen und gleichzeitig Zoé ver-körpern. Warum sie den Eingangstext so hölzern vorträgt (obwohl sie es viel besser kann, wie sie später beweist) und den zwei-ten Beitrag unverständlich, dafür aber laut herausschreit, bleibt ein Geheimnis zwi-schen ihr und dem Regieteam. Dafür ver-wandelt sich der Abend zwischenzeitlich in eine Disko samt Modenschau, wenn Kate-Perry- oder Billie-Eilish-Songs beinahe in Gänze ausgespielt werden und die Akteure in immer neuen orangefarbenen Kleider-varianten auftreten. All das ist letztlich Zeit, die man besser hätte nützen können. «Liebes Arschloch» von Yana Ross, mit Matthias Neukirch, Karin Pfammatter, Magda Drozd wird u.a. am 8., 13. und 28.12. im Pfauen zur Aufführung kommen. Tickets unter www.schauspielhaus.ch.Die Uraufführung wirkt über weite Strecken sehr papieren. Auch weil die Zürcher Fassung das 330-Seiten-Werk in andert-halb Theaterstunden quetscht. Da geht viel verloren.Die im Dunkeln: Matthias Neukirch in «Liebes Arschloch», im Hintergrund Madga DrozdKULTURFEMINISMUS IM PFAUENKrieg. Terror. Rechtsrutsch. Und jeden Tag Prep, aber kaum noch Sex. Früher war’s doch besser. Doch Obacht mit derlei Gedanken, findet Michi Rüegg.VON MICHI RÜEGGDas war also 2023. Wieder ein Jahr vorbei. Die Älteren unter uns wollen sich an die 1920er-Jahre erinnert fühlen, als scheinbar die ganze Welt Party machte und schwul und lesbisch zu sein in den Tanzpalästen plötzlich chic war. Das mag zu einem gewissen Grad für Berlin gestimmt haben. Der Rest der Welt war damals noch nicht ganz so weit. Und zu-mindest in Berlin war die Stimmung nicht sonderlich nachhaltig.Trotzdem vernimmt man dann und wann begleitet von einem langen Seufzer von den Silberrücken der Gay-Welt, dass früher doch so vieles besser gewesen sei.Zum Beispiel in der frühen Neuzeit. Damals war es in gewissen Gegenden üb-lich, Schwule mittels einer sogenannten «Birne» dorthin zu führen, wo man sie haben wollte: in der Hölle. Es handelte sich bei dieser Birne um ein Instrument, das ei-nem in den Arsch geführt wurde, wo es sich önete und einem alles auseinanderriss. Oder, etwas weniger dramatisch, man wur-de ganz banal auf dem Scheiterhaufen ver-brannt. Zum Beispiel auch dann, wenn man minderjährig war und ein Priester sich an einem vergrien hatte. Sünde ist Sünde, die Obrigkeit verfolgte in solchen Dingen eine klare Linie.Oder die aufregende Jahrhundertwen-de vom 19. zum 20., als erst die ersten gros-sen Maschinen dampften und elegante Her-ren einander in Salons lüsterne Blicke zuwarfen. Später begegneten sie sich dann in den Zuchthäusern, wo sie ihre mehrjäh-rigen Strafen für Sodomie absassen. Wer mehr Glück hatte, landete mit Syphilis im dritten Stadium im Irrenhaus.Warum nicht die 1950er in Zürich? Wirtschaftswunder, die Entdeckung der Freizeit, junge Männer, die in ihren Cabrio-lets den See entlangfahren und hübsche Anhalter mitnehmen. Am Morgen klopfte Herren im Trenchcoat an die Tür. Man lan-dete im Homo-Register der Stadtpolizei und durfte sich darauf freuen, vielleicht den Job zu verlieren. Wenn man Pech hatte und einen 19-jährigen Typen vernascht hatte, gab’s obendrauf Gefängnis. Oder die 80er, als es auf jeder Bahnhof-toilette Sex mit geilen Typen gab, die wildes-ten Partys gefeiert wurden und die Erotik wie saurer Regen in der Luft lag? Gut, dann kam halt Aids, und wer nicht bis zu den ers-ten Medikamenten durchhielt, musste sich wenigstens nicht um seine Altersvorsorge kümmern.Oder etwas später in den 90ern, als ich selbst noch ein Teenager war. Technopartys, ein buntes Gay-Leben hinter dicken Mauern in verborgenen Bars – Zürich war ein heisses Paster. Dumm nur, wenn man auf dem Land im Gymnasium hockte, Zürich nur von Ausügen mit den Eltern kannte und Tele-fonsex-Hotlines zu 1.40 Franken die Minute das Einzige waren, was auch nur sehr ent-fernt an Grindr und Romeo erinnerte. Als dann doch die ersten Gaychats aufkamen, konnte man noch keine Fotos verschicken. Entsprechende Enttäuschung machte sich breit, wenn das Gegenüber hässlich wie die Nacht war. Und gab man sich ihm dennoch hin, war noch grösser als der Sexualtrieb die Angst vor Kondomriss und HIV.Natürlich waren Menschen früher glücklich, natürlich haben sie geliebt, na-türlich haben sie geil gevögelt. Aber würdest du, liebes Lesendes, wirklich einen Zeit-sprung in die Vergangenheit wollen? Mit allen damit verbundenen Konsequenzen? Wenn früher eine Sache wirklich bes-ser war, dann war es die Zukunft. Und so sehr wir uns nerven und so sehr wir uns sor-gen: Es ist immer aufwärts gegangen mit uns, mal steiler, mal gemächlicher. Und nichts deutet darauf hin, dass diese kons-tante Aufwärtsbewegung ausgerechnet jetzt einen Schwenker machen würde.Bleiben wir also, auch wenn es nicht immer leichtfällt, zur Sicherheit lieber opti-mistisch. 2024 wird vermutlich gar nicht so übel, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Und wenn’s doch nicht so toll ist, haben wir in zwölf Monaten noch immer 2025, auf das wir uns freuen können. Nostalgisch verklärtSo sehr wir uns nerven und so sehr wir uns sorgen: Es ist immer aufwärts gegangen mit uns, mal steiler, mal gemächlicher. Und nichts deutet darauf hin, dass diese konstante Aufwärtsbewe-gung ausgerechnet jetzt einen Schwenker machen würde.Bild © Gina Folly

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32 33CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER DEZEMBER 2023Die Männerzone mit Bar und Shop war eine Institution. Vor einem Jahr mussten Melchior & Pius das Lokal aufgeben. Jetzt sind sie zurück – mit dem MZ Shop.Melchior und Pius wie man sie kennt und liebt. Auch im neuen Laden steht die Beratung und die damit verbundene Diskretion an erster StelleDas Sortiment umfasst nicht nur die üblichen «Männerzone-Klassiker», sondern neuerdings auch Schmuck.Der neue Shop ist überschaubar, bietet aber dennoch eine grosse Auswahl von allem, was Mann so braucht.SZENEDIE NEUE MÄNNERZONESZENEDIE NEUE MÄNNERZONEVON HAYMO EMPL «Schön, dass ihr wieder hier seid», verabschiedet sich eben ein Kunde. Wir sind in der neuen Männerzone. Genau! Die Männerzone mit Pius und Melchior ist seit einigen Monaten wieder zurück. Rückblick: Nach fast 20 Jahren Betrieb musste die Männerzone mit Laden und Bar-betrieb – eine Institution für Gay-Männer – die Türen für immer schliessen. Das Gebäu-de soll totalsaniert werden, der Umbau wird lange dauern und es sollen in diesem Ge-bäude unter andrem neue Büros und schi-cke (also teure) Wohnungen entstehen. «Bis jetzt ist aber noch gar nichts passiert», stellt Melchior sachlich fest. «Im Gegenteil, die haben jetzt die Lokalität für ein weiteres Jahr ausgeschrieben. Wohl weil noch die eine oder andere Einsprache hängig ist.» Für Melchior und Pius war die Tatsache, die Bar und den Laden aufgeben zu müssen, keine Option für die eigene Zukunft. «Wir wollten etwas Kleineres machen. Nicht mehr mit Bar und auch nicht mehr mit ei-nem Vollsortiment wie beispielsweise Klei-dung», erklärt Pius. Männerzone ist jetzt MZ-ShopDie «neue» Männerzone bendet sich di-rekt gegenüber der «alten» Männerzone und nennt sich nun «MZ-Shop». In einem Hinterhof, nicht auf den ersten Blick sicht-bar, versteckt sich das neue Bijou. «Das hier war einst ein Atelier», erklärt Pius. «Wir ha-ben sofort zugeschlagen, als wir das Poten-tial dieser Immobilie erkannten. Auch wenn wir zuerst wochenlang das ganze Ge-rümpel ausmisten mussten. Wir konnten uns vorstellen, dass das hier funktioniert», sagt Melchior. Das Sortiment: «Alltagsgebrauchsmit-tel für den (schwulen) Mann», umschreibt Pius lachend. Denn ein Sex-Shop im her-kömmlichen Sinn ist die neue Männerzone nicht. Es gibt keine Kleidung mehr, auch nicht für einschlägige Motto-Partys. Dafür – ganz neu – Schmuck! «Das läuft gut; wir haben sogar Perlenketten und neuerdings tragen das ja auch Männer», meint Melchior und spricht damit wohl den deutschen «Ba-chelor» an, der in der entsprechenden TV-Show mit Perlenketten für Furore sorgte und damit einen neuen Trend in Social Media & Co. auslöste. Spass an der Arbeit«Hilfsmittel», Schmuck … bestellt man sich das nicht einfach im Internet? Das Gegen-teil sei der Fall, sagt Pius und Melchior er-gänzt: «Mir scheint, dass die Leute wieder vermehrt in Läden wie den unseren kom-men. Das Bedürfnis nach persönlicher Be-ratung und vor allem nach Qualität ist wohl grösser als der Drang, Geld zu sparen, in-dem man irgendwelche Artikel im Internet bestellt und nicht weiss, was genau man schlussendlich kriegt.» Kommt hinzu, dass Melchior und Pius nicht einfach Ladenbe-sitzer sind, sondern auch Seelenklempner. «Viele kommen vorbei, kaufen nur ein Gleit-mittel und reden dann über ihre Sorgen und Nöte. Das Gleitmittel ist dann vielleicht nur eine Alibiübung, um mit uns ins Gespräch zu kommen», sagt Pius. «Und nach wie vor gilt – und das machen wir seit 20 Jahren so – absolute Diskretion. Und das wissen unsere Kunden auch», ergänzt Melchior.Melchior wäre eigentlich mittlerweile pensioniert. Warum also nochmals ein neu-er Laden? «Einfach nur herumsitzen zu Hause ist nicht das, was ich möchte. Das bin nicht ich», sagt Melchior und Pius pichtet bei: «Wir haben ja reduzierte Önungs-zeiten, daher ist es für uns nicht stressig. Und wenn einer von uns Ferien machen will, dann geht das problemlos, denn es müssen ja auch nicht immer beide im Laden stehen. Wir sind zurück und machen das hier, weil wir Spass daran haben. Und das spüren die Kunden auch.»Kein DarkroomDie Idee zur «ersten» Männerzone vor über 20 Jahren war damals aus einer Not gebo-ren: Als 2002 der «Barfüsser» im Niederdorf, die älteste Schwulenbar Europas, seine Tore schloss und die kernige Stammkundschaft «heimatlos» geworden war, fasste Melchior kurzerhand den Entschluss, für Ersatz zu sorgen und richtete im Stadtkreis 4 an der Engelstrasse ein Provisorium mit kleinem «Kuschelraum» ein, wo sich einmal wö-chentlich die Männer, Kerle, Bären und de-ren Freunde trafen. Sozusagen eine «Auf-fangstation» für die damalige Szene, die durch die Schliessung des Barfüsser hei-matlos wurde. Der «MZ-Shop» verfügt im hinteren Bereich über ein kleines Lager und ein verhältnismässig grosses Büro. Könnte man da nicht …? «Ihr müsst gar nicht erst daran denken», sagt Pius. «Wir werden sehr oft gefragt, ob wir im hinteren Bereich etwas «Undergroundiges» machen könnten. Das wir aber nicht passieren, denn die Zeiten haben sich geändert. Wenn jemand eine neue Bar und / oder Laden im Stile der «al-ten» Männerzone machen möchte… nur zu! Wir würden uns freuen, wenn wir diesbe-züglich beratend zur Seite stehen können. Aber jedes Wochenende hinter dem Bartre-sen zu stehen und während der Woche im Laden, das ist uns einfach zu viel.» Und Mel-chior ergänzt: «Das sollen nun die jungen Männer machen, wir sind damit durch und freuen uns, wenn wir weiterhin tolle Ge-spräche in unserem kleinen, aber feinen Laden führen dürfen». MZ-ShopEingang InnenhofHohlstrasse 48, 8004 ZürichDi: 12.00–18.30 UhrFr: 12.00–18.30 UhrSa: 12.00–16.00 Uhrwww.maennerzone.com«Wir sind zurück – weil wir Spass daran haben»«Viele kommen vorbei, kaufen nur ein Gleitmittel und reden dann über ihre Sorgen und Nöte. Das Gleitmittel ist dann vielleicht nur eine Alibiübung, um mit uns ins Gespräch zu kommen.» PiusBilder © Haymo Empl

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32 33CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER DEZEMBER 2023Die Männerzone mit Bar und Shop war eine Institution. Vor einem Jahr mussten Melchior & Pius das Lokal aufgeben. Jetzt sind sie zurück – mit dem MZ Shop.Melchior und Pius wie man sie kennt und liebt. Auch im neuen Laden steht die Beratung und die damit verbundene Diskretion an erster StelleDas Sortiment umfasst nicht nur die üblichen «Männerzone-Klassiker», sondern neuerdings auch Schmuck.Der neue Shop ist überschaubar, bietet aber dennoch eine grosse Auswahl von allem, was Mann so braucht.SZENEDIE NEUE MÄNNERZONESZENEDIE NEUE MÄNNERZONEVON HAYMO EMPL «Schön, dass ihr wieder hier seid», verabschiedet sich eben ein Kunde. Wir sind in der neuen Männerzone. Genau! Die Männerzone mit Pius und Melchior ist seit einigen Monaten wieder zurück. Rückblick: Nach fast 20 Jahren Betrieb musste die Männerzone mit Laden und Bar-betrieb – eine Institution für Gay-Männer – die Türen für immer schliessen. Das Gebäu-de soll totalsaniert werden, der Umbau wird lange dauern und es sollen in diesem Ge-bäude unter andrem neue Büros und schi-cke (also teure) Wohnungen entstehen. «Bis jetzt ist aber noch gar nichts passiert», stellt Melchior sachlich fest. «Im Gegenteil, die haben jetzt die Lokalität für ein weiteres Jahr ausgeschrieben. Wohl weil noch die eine oder andere Einsprache hängig ist.» Für Melchior und Pius war die Tatsache, die Bar und den Laden aufgeben zu müssen, keine Option für die eigene Zukunft. «Wir wollten etwas Kleineres machen. Nicht mehr mit Bar und auch nicht mehr mit ei-nem Vollsortiment wie beispielsweise Klei-dung», erklärt Pius. Männerzone ist jetzt MZ-ShopDie «neue» Männerzone bendet sich di-rekt gegenüber der «alten» Männerzone und nennt sich nun «MZ-Shop». In einem Hinterhof, nicht auf den ersten Blick sicht-bar, versteckt sich das neue Bijou. «Das hier war einst ein Atelier», erklärt Pius. «Wir ha-ben sofort zugeschlagen, als wir das Poten-tial dieser Immobilie erkannten. Auch wenn wir zuerst wochenlang das ganze Ge-rümpel ausmisten mussten. Wir konnten uns vorstellen, dass das hier funktioniert», sagt Melchior. Das Sortiment: «Alltagsgebrauchsmit-tel für den (schwulen) Mann», umschreibt Pius lachend. Denn ein Sex-Shop im her-kömmlichen Sinn ist die neue Männerzone nicht. Es gibt keine Kleidung mehr, auch nicht für einschlägige Motto-Partys. Dafür – ganz neu – Schmuck! «Das läuft gut; wir haben sogar Perlenketten und neuerdings tragen das ja auch Männer», meint Melchior und spricht damit wohl den deutschen «Ba-chelor» an, der in der entsprechenden TV-Show mit Perlenketten für Furore sorgte und damit einen neuen Trend in Social Media & Co. auslöste. Spass an der Arbeit«Hilfsmittel», Schmuck … bestellt man sich das nicht einfach im Internet? Das Gegen-teil sei der Fall, sagt Pius und Melchior er-gänzt: «Mir scheint, dass die Leute wieder vermehrt in Läden wie den unseren kom-men. Das Bedürfnis nach persönlicher Be-ratung und vor allem nach Qualität ist wohl grösser als der Drang, Geld zu sparen, in-dem man irgendwelche Artikel im Internet bestellt und nicht weiss, was genau man schlussendlich kriegt.» Kommt hinzu, dass Melchior und Pius nicht einfach Ladenbe-sitzer sind, sondern auch Seelenklempner. «Viele kommen vorbei, kaufen nur ein Gleit-mittel und reden dann über ihre Sorgen und Nöte. Das Gleitmittel ist dann vielleicht nur eine Alibiübung, um mit uns ins Gespräch zu kommen», sagt Pius. «Und nach wie vor gilt – und das machen wir seit 20 Jahren so – absolute Diskretion. Und das wissen unsere Kunden auch», ergänzt Melchior.Melchior wäre eigentlich mittlerweile pensioniert. Warum also nochmals ein neu-er Laden? «Einfach nur herumsitzen zu Hause ist nicht das, was ich möchte. Das bin nicht ich», sagt Melchior und Pius pichtet bei: «Wir haben ja reduzierte Önungs-zeiten, daher ist es für uns nicht stressig. Und wenn einer von uns Ferien machen will, dann geht das problemlos, denn es müssen ja auch nicht immer beide im Laden stehen. Wir sind zurück und machen das hier, weil wir Spass daran haben. Und das spüren die Kunden auch.»Kein DarkroomDie Idee zur «ersten» Männerzone vor über 20 Jahren war damals aus einer Not gebo-ren: Als 2002 der «Barfüsser» im Niederdorf, die älteste Schwulenbar Europas, seine Tore schloss und die kernige Stammkundschaft «heimatlos» geworden war, fasste Melchior kurzerhand den Entschluss, für Ersatz zu sorgen und richtete im Stadtkreis 4 an der Engelstrasse ein Provisorium mit kleinem «Kuschelraum» ein, wo sich einmal wö-chentlich die Männer, Kerle, Bären und de-ren Freunde trafen. Sozusagen eine «Auf-fangstation» für die damalige Szene, die durch die Schliessung des Barfüsser hei-matlos wurde. Der «MZ-Shop» verfügt im hinteren Bereich über ein kleines Lager und ein verhältnismässig grosses Büro. Könnte man da nicht …? «Ihr müsst gar nicht erst daran denken», sagt Pius. «Wir werden sehr oft gefragt, ob wir im hinteren Bereich etwas «Undergroundiges» machen könnten. Das wir aber nicht passieren, denn die Zeiten haben sich geändert. Wenn jemand eine neue Bar und / oder Laden im Stile der «al-ten» Männerzone machen möchte… nur zu! Wir würden uns freuen, wenn wir diesbe-züglich beratend zur Seite stehen können. Aber jedes Wochenende hinter dem Bartre-sen zu stehen und während der Woche im Laden, das ist uns einfach zu viel.» Und Mel-chior ergänzt: «Das sollen nun die jungen Männer machen, wir sind damit durch und freuen uns, wenn wir weiterhin tolle Ge-spräche in unserem kleinen, aber feinen Laden führen dürfen». MZ-ShopEingang InnenhofHohlstrasse 48, 8004 ZürichDi: 12.00–18.30 UhrFr: 12.00–18.30 UhrSa: 12.00–16.00 Uhrwww.maennerzone.com«Wir sind zurück – weil wir Spass daran haben»«Viele kommen vorbei, kaufen nur ein Gleitmittel und reden dann über ihre Sorgen und Nöte. Das Gleitmittel ist dann vielleicht nur eine Alibiübung, um mit uns ins Gespräch zu kommen.» PiusBilder © Haymo Empl

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34 35CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER DEZEMBER 2023RATGEBERDR. GAYIch möchte mich auf verschiedene Geschlechtskrankheiten testen lassen. Ich habe keine Symptome, möchte aber wissen, ob ich mich angesteckt habe. Ich denke, die In kubationszeiten sind unterschiedlich. Wie sind sie für Syphilis, Tripper, Chlamydien und Hepatitis C? Leo (24)Ich hatte noch nie eine Beziehung und war nie verliebt. Die Vorstellung, mit einem Mann zusammenzuleben, fällt mir schwer. Nicht aber mit einer Frau, obwohl ich kein sexuelles Interesse an Frauen habe. Leide ich an internali-sierter Homonegativität? Oder habe ich einfach noch nicht den Richtigen gefunden? Sven (30)Hallo LeoDie Inkubationszeiten verschiedener sexu-ell übertragbarer Infektionen (STI) sind tat-sächlich unterschiedlich. Bei Syphilis be-trägt die Inkubationszeit zirka 2–3 Wochen, kann aber in Ausnahmefällen auch bis zu drei Monate dauern. Bei Tripper sind es etwa 2–8 Tage (im Schnitt 3 Tage), bei Chlamydien 1–3 Wochen. Bei Hepatitis C können es 2 Wochen bis zu 6 Monaten sein, in der Regel aber 6–9 Wochen. Dazu ist wichtig zu wis-sen, dass Hepatitis C von Blut zu Blut über-tragen wird. Beim Sex ist eine Ansteckung zwar möglich, aber auch bei ungeschütztem Vaginal- oder Analverkehr sehr selten. Das Risiko ist dann erhöht, wenn Blut im Spiel ist (z. B. bei härteren Sexpraktiken wie Fisten oder beim gemeinsamen Verwenden von Gleitmitteltöpfen etc.). Durch die verschie-Hallo SvenEs gibt keine klaren Regeln oder Abläufe, wann oder wie sich jemand verliebt. Du scheinst dir deiner sexuellen Orientierung aber ziemlich sicher zu sein. Es liegt darum nahe zu glauben, dass dir dein Traumprinz einfach noch nicht über den Weg gelaufen ist. Mit dem Gefühlschaos bist du nicht al-leine. Das gehört im Leben und insbesonde-re bei der Liebe manchmal dazu. Bei man-chen ist es stärker, bei anderen wiederum weniger stark. Deine Fragen können hier allerdings nicht abschliessend beantwortet werden. Die Bedeutung deines Gefühlscha-os oder ob du an internalisierter Homone-gativität leidest, kann ich aufgrund deiner denen Inkubationszeiten ist es schwierig, einen idealen Zeitpunkt für den Test festzu-legen. Es ist darum sinnvoller, die Tests in regelmässigen Abständen zu machen. Je mehr sexuelle Kontakte, je kleiner die Zeit-abschnitte zwischen den Tests. Neben dem Testen empfehle ich auch das Impfen. Hier findest du Test- und Impfempfehlunge, sowie empfohlene Test- und Impfstellen: https://drgay.ch/safer-sex/testen-und-impfen. Mehr zu den verschiedenen STI erfährst du hier https://drgay.ch/safer-sex/was-heisst-safer-sex/das-wichtigste-zu-sti oder im persönlichen Beratungsgespräch bei einer Teststelle.Alles Gute, Dr. GayAnfrage nicht abschätzen. Das sind Fragen, die du allenfalls in einem persönlichen Ge-spräch mit einem*r Psychologin klären kannst. Die Checkpoints in der Schweiz ha-ben diesbezüglich entweder Angebote oder können dir gute Adressen vermitteln. Kon-takt daten der Checkpoints ndest du hier: https://drgay.ch/deine-kontakte. Wenn du magst, schau doch mal in diesen Blog beitrag auf drgay.ch rein: https://drgay.ch/blog/ internalisierte-homonegativitaet-der-feind-von-innen. Darin geht es um Heteronorma-tivität und internalisierte Homophobie.Alles Gute, Dr. GayDR. GAYAuf drgay.ch findest du viele Infos und kannst eigene Fragen stellen. Hinter Dr. Gay stehen Mitarbeiter*innen der Aids-Hilfe Schweiz. Wir engagieren uns für die sexuelle Gesundheit von schwulen, bi & queeren Männern. drgay.ch drgay_official @drgay_officialANZEIGE

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34 35CRUISER DEZEMBER 2023CRUISER DEZEMBER 2023RATGEBERDR. GAYIch möchte mich auf verschiedene Geschlechtskrankheiten testen lassen. Ich habe keine Symptome, möchte aber wissen, ob ich mich angesteckt habe. Ich denke, die In kubationszeiten sind unterschiedlich. Wie sind sie für Syphilis, Tripper, Chlamydien und Hepatitis C? Leo (24)Ich hatte noch nie eine Beziehung und war nie verliebt. Die Vorstellung, mit einem Mann zusammenzuleben, fällt mir schwer. Nicht aber mit einer Frau, obwohl ich kein sexuelles Interesse an Frauen habe. Leide ich an internali-sierter Homonegativität? Oder habe ich einfach noch nicht den Richtigen gefunden? Sven (30)Hallo LeoDie Inkubationszeiten verschiedener sexu-ell übertragbarer Infektionen (STI) sind tat-sächlich unterschiedlich. Bei Syphilis be-trägt die Inkubationszeit zirka 2–3 Wochen, kann aber in Ausnahmefällen auch bis zu drei Monate dauern. Bei Tripper sind es etwa 2–8 Tage (im Schnitt 3 Tage), bei Chlamydien 1–3 Wochen. Bei Hepatitis C können es 2 Wochen bis zu 6 Monaten sein, in der Regel aber 6–9 Wochen. Dazu ist wichtig zu wis-sen, dass Hepatitis C von Blut zu Blut über-tragen wird. Beim Sex ist eine Ansteckung zwar möglich, aber auch bei ungeschütztem Vaginal- oder Analverkehr sehr selten. Das Risiko ist dann erhöht, wenn Blut im Spiel ist (z. B. bei härteren Sexpraktiken wie Fisten oder beim gemeinsamen Verwenden von Gleitmitteltöpfen etc.). Durch die verschie-Hallo SvenEs gibt keine klaren Regeln oder Abläufe, wann oder wie sich jemand verliebt. Du scheinst dir deiner sexuellen Orientierung aber ziemlich sicher zu sein. Es liegt darum nahe zu glauben, dass dir dein Traumprinz einfach noch nicht über den Weg gelaufen ist. Mit dem Gefühlschaos bist du nicht al-leine. Das gehört im Leben und insbesonde-re bei der Liebe manchmal dazu. Bei man-chen ist es stärker, bei anderen wiederum weniger stark. Deine Fragen können hier allerdings nicht abschliessend beantwortet werden. Die Bedeutung deines Gefühlscha-os oder ob du an internalisierter Homone-gativität leidest, kann ich aufgrund deiner denen Inkubationszeiten ist es schwierig, einen idealen Zeitpunkt für den Test festzu-legen. Es ist darum sinnvoller, die Tests in regelmässigen Abständen zu machen. Je mehr sexuelle Kontakte, je kleiner die Zeit-abschnitte zwischen den Tests. Neben dem Testen empfehle ich auch das Impfen. Hier findest du Test- und Impfempfehlunge, sowie empfohlene Test- und Impfstellen: https://drgay.ch/safer-sex/testen-und-impfen. Mehr zu den verschiedenen STI erfährst du hier https://drgay.ch/safer-sex/was-heisst-safer-sex/das-wichtigste-zu-sti oder im persönlichen Beratungsgespräch bei einer Teststelle.Alles Gute, Dr. GayAnfrage nicht abschätzen. Das sind Fragen, die du allenfalls in einem persönlichen Ge-spräch mit einem*r Psychologin klären kannst. Die Checkpoints in der Schweiz ha-ben diesbezüglich entweder Angebote oder können dir gute Adressen vermitteln. Kon-takt daten der Checkpoints ndest du hier: https://drgay.ch/deine-kontakte. Wenn du magst, schau doch mal in diesen Blog beitrag auf drgay.ch rein: https://drgay.ch/blog/ internalisierte-homonegativitaet-der-feind-von-innen. Darin geht es um Heteronorma-tivität und internalisierte Homophobie.Alles Gute, Dr. GayDR. GAYAuf drgay.ch findest du viele Infos und kannst eigene Fragen stellen. Hinter Dr. Gay stehen Mitarbeiter*innen der Aids-Hilfe Schweiz. Wir engagieren uns für die sexuelle Gesundheit von schwulen, bi & queeren Männern. drgay.ch drgay_official @drgay_officialANZEIGE

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wünscht dir frohe Festtagecruiser