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Cruiser Februar

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CR U I S E R FEBR UA R 20181cruisercruiserDAS GRÖSSTE SCHWEIZER GAY-MAGAZINFEBRUA R 2018 CHF 7.50POLIZEI Jagd auf Gay-Dating-WebsitesGROSSES WAHL-SPEZIALJUNGE LGBT*Die Szene lebt. Oder?WAHLENWer wen warum … oder warum nichtBÜRGERLICHE HOMOSEXUELLEIrritierendes Spiessbürgertum

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2CR U I S E R FEBR UA R 2018SLIPPERYSUBJECTSHIV-positiv. Nicht ansteckend.Mission:#undetectableMenschen mit HIV unter erfolgreicher Therapie stecken niemanden an. Informier dich auf drgay.ch/undetectable

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3CR U I S E R FEBR UA R 2018IMPRESSUMCRUISER MAGAZIN PRINTISSN 1420-214x (1986 – 1998) | ISSN 1422-9269 (1998 – 2000) | ISSN 2235-7203 (Ab 2000)Herausgeber & Verleger Haymo Empl, empl.mediaInfos an die Redaktion redaktion@cruisermagazin.chChefredaktor Haymo Empl Stv. Chefredaktorin Birgit KawohlBildredaktion Haymo Empl, Astrid Affolter. Alle Bilder mit Genehmigung der Urheber.Art Direktion Astrid AffolterAgenturen SDA, DPA, KeystoneAutor_Innen Vinicio Albani, Anne Andresen, Yvonne Beck, Haymo Empl, Andreas Faessler, Patrick Hadi Huber, Birgit Kawohl, Mirko, Moel Maphy, Dani Oertle, Michi Rüegg, Andrea Simonett, Alain Sorel, Peter ThommenKorrektorat | Lektorat Birgit KawohlAnzeigen anzeigen@cruisermagazin.chChristina Kipshoven | Telefon +41 (0)31 534 18 30WEMF beglaubigte Aufl age 11 539 Exemplare (2016)Druck Druckerei Konstanz GmbHWasserloses DruckverfahrenREDAKTION UND VERLAGSADRESSECruiser | Clausiusstrasse 42, 8006 Zürichredaktion@cruisermagazin.chTelefon +41 (0)44 586 00 44 (vormittags)Haftungsausschluss, Gerichtsstand und weiterführende Angaben auf www.cruisermagazin.chDer nächste Cruiser erscheint am 2. Februar 2018Wir vom Cruiser setzen auf eine grösstmögliche Diversität in Bezug auf Gender und Sexualität sowie die Auseinander-setzung mit diesen Themen. Wir vermeiden darum Eingriffe in die Formulierungen unserer Autor_Innen in Bezug auf diese Bereiche. Die von den Schreibenden gewählten Bezeichnungen können daher zum Teil von herkömmlichen Schreibweisen abweichen. Geschlechtspronomen werden entsprechend implizit eingesetzt, der Oberbegriff Trans* beinhaltet die entsprechenden Bezeichnungen gemäss Medienguide «Transgender Network Schweiz». Um es kurz zu machen: Im Cruiser schreiben die Menschen als solche.INHALT4 AKTUELL STADTPOLIZEI IM INTERNET8 THEMA DIE JUNGE LGBT*-BEWEGUNG12 PORTRAIT GARY TUSHAW15 KULTUR BUCHTIPP16 WAHL-SPEZIAL WER MIT WEM UND WER NICHT21 KULTUR BUCHTIPP22 KULTUR KURZNEWS24 REPORTAGE SCHLANK DURCH GENDIÄT? 26 KOLUMNE MIRKO28 BÜRGERLICHE HOMOSEXUELLE IRRITIERENDES SPIESSBÜRGERTUM30 SERIE HOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATUR33 RATGEBER DR. GAY34 MEINUNG MICHI RÜEGGEDITORIALLiebe LesendeDass wir heute da sind, wo wir stehen, haben wir zum grossen Teil der vorhergehenden Generation zu verdanken. Die mutigen Queers, die in den 1970ern für uns auf die Strasse gegangen sind, haben direkt und indirekt mehr erreicht, als man damals für möglich gehalten hätte. Da geht die heutige Generation fast ein bisschen unter: Aber die neue Generation von LGBTQ*-Menschen steht schon längst nicht nur mehr einfach in den Startlöchern, sie hat losgelegt. Unser Artikel auf Seite 8 zeigt, wie «bewegt» die jungen Queers sind.Bewegung kann aber nur stattfi nden, wenn das politische Umfeld stimmt. Was bei der Zürcher Stadtpolizei derzeit passiert, ist mehr als fragwürdig. Michi Rüegg hat recherchiert und einige weniger schönen Dinge im Alltag der Stapo zu Tage gefördert. Das muss sich ändern, eventuell können die nächsten Wahlen dabei helfen und darum haben wir ein Wahlspecial ab Seite 16 zusammengestellt. Die HAZ haben die Zahlen für die Wahl-Orientierungshilfe in mühsamer Fronarbeit zusammengetragen, eine tolle Leistung. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Das Wahlergebnis dann hoffentlich auch!Viel Spass mit dem aktuellen Cruiser!Herzlich; Haymo Empl Chefredaktor

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4CR U I S E R FEBR UA R 2018AKTUELLSTADTPOLIZEI IM INTERNETDie Zürcher Stadtpolizei jagt auf Gay-Dating-Websites mit gefälschten Profi len Männer, die sie der Prostitution bezichtigt. Möglich macht das ein Gesetz, das eigentlich vor «Kinderschändern» schützen sollte. Polizisten schnüffeln auf schwulen Dating-Websites herumVON M I C H I R Ü E GGKulat* hat sich seine Ferien in der Schweiz anders vorgestellt. Der Ver-käufer aus  ailand, Anfang dreissig, ist bei einem Schweizer zu Besuch, den er seit vielen Jahren kennt. Mehrere Wochen will Kulat bleiben, doch angesichts des hie-sigen Preisniveaus geht ihm langsam das mitgebrachte Geld aus. Er könnte sich einen Batzen dazuverdienen, denkt er, und erö -net ein Escort-Pro l auf Planetromeo. Dort bietet er  ai-Massagen an.Polizist G. fuhr früher Streife und ar-beitet heute bei der Abteilung Milieu- und Sexualdelikte der Stadtpolizei Zürich. Bei der «Sitte» landete er, nachdem ein Teil der Mitarbeiter wegen einer Sex- und Korrup-tionsa äre ihre Stühle räumen mussten. Re-gelmässig loggt G. sich mit gefakten Pro len bei Planetromeo ein und schaut sich bei den Escorts um. Der Sittenfahnder schickt Kulat eine Nachricht, gibt sich als «Sascha» aus, schreibt, er wohne in Bern und werde eine Nacht in Zürich sein. Ob Kulat die Nacht bei ihm im Hotel Ibis verbringen könne und was das koste, will er wissen. Kulat schreibt in sehr einfachem und fehlerhaften Englisch zurück, er, also der Undercover-Beamte, sol-le einen Preis nennen. G. bietet 100 Franken an. Kulat möchte 300 für die Nacht. Der Poli-zist zeigt sich einverstanden.Am nächsten Abend, Kulat ist mit der Bahn vom Dorf seines Gastgebers nach Zü-rich gefahren, wird der Tourist an einer Polizist G. fuhr früher Streife und arbeitet heute bei der Abteilung Milieu- und Sexualdelikte der Stadtpolizei Zürich. Dort macht er Jagd auf Escorts.

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5AKTUELLSTADTPOLIZEI IM INTERNETA N Z E I G ETramhaltestelle unweit des Tre punktes von der Polizei verhaftet und in eine Zelle des Zürcher Polizeigefängnisses gesteckt. Am Tag darauf vernimmt ihn Polizist G. Ku-lats restliches Feriengeld, 800 Franken, wer-den ihm abgenommen. Später behält der Staat das Geld, als Beitrag an die wegen der Verhaftung entstandenen Kosten. Der Poli-zist sagt Kulat, er könne einen Anwalt neh-men, müsse ihn aber selber bezahlen. Kulat sieht davon ab, schliesslich wurde ihm sein gerade sein ganzes Geld abgenommen. Die Einvernahme geht weiter, ohne dass Kulat einen Rechtsbeistand an seiner Seite hat. Er gibt zu, gewusst zu haben, dass er eigentlich nicht arbeiten dürfe. Nach der Einvernah-me wird er zurück in eine Zelle gebracht und ein paar Tage später mit dem Flugzeug nach  ailand ausgescha t.Dass der Fall publik wurde, ist Kulats Schweizer Bekanntem Stefan* zu verdan-ken. Er bestand darauf, den von der Staats-anwaltschaft ausgestellten Strafbefehl vor Gericht anzufechten und das danach er-folgte erstinstanzliche Urteil weiterzuzie-hen. Allerdings ohne grossen Erfolg. Beide Gerichte sahen im Vorgehen der Stadtpoli-zei nichts Rechtswidriges. Denn G. sei nur als «verdeckter Fahnder», nicht aber als «verdeckter Ermittler» tätig gewesen. Der Unterschied zwischen diesen beiden Be-gri en könnte grösser nicht sein. Während verdeckte Vorermittlungen genau geregelt sind, nur bei schweren Delikten zur Anwen-dung gelangen und in jedem Fall vorab von einem Gericht angeordnet werden müssen, gelten für verdeckte Fahndungen praktisch keine verbindlichen Regeln. Eine rechts-staatliche Kontrolle fehlt gänzlich. Auch muss ein Polizist kein Einverständnis eines Vorgesetzten einholen, um sich mit Pseudo-nym auf einer schwulen Kontaktseite zu tummeln. Eingebrockt hat uns diese Situa-tion der Zürcher Kantonsrat, als er auf An-trag der Regierung 2012 das Polizeigesetz anpasste. Begründet wurden die revidier-ten Paragrafen mit der berühmten «Lara13»-Problematik. Gegenüber der Ö entlichkeit machten Polizei- und Strafverfolgungsbe-hörden geltend, dass mittels Internetfahn-dung schwere Übergri e von pädosexuellen Tätern auf Minderjährige verhindert wer-den könnten. In seiner Argumentation für die Gesetzesänderung sprach der Regie-rungsrat auch davon, damit «gegen gewalt-bereite Demonstranten oder Hooligans» vorgehen zu können. Der Zürcher Sicher-heitsdirektor Mario Fehr (SP) versprach in der Parlamentsdebatte, dass verdeckte Fahndungen «zurückhaltend eingesetzt würden» und nannte als Beispiel das Vorge-hen gegen Menschenhändlerringe. Doch statt «gesunden Menschenver-stand und Augenmass einzusetzen», wie es von Regierungsrat Fehr versprochen wurde, jagt die Zürcher Stadtpolizei nun regelmäs-sig Escorts und verfolgt auch deren Schwei-zer Bekannte strafrechtlich. Dies musste Kulats Schweizer Freund Stefan erfahren. Gegen ihn läuft ebenfalls ein Strafverfah-ren. Er soll Beihilfe geleistet haben – also Beihilfe zu einer  ai-Massage, die nie statt-gefunden hat, weil Kulats erster Kunde ein Undercover-Cop war. Der Zürcher Rechts-anwalt Sven Gretler amtet als Stefans Straf-verteidiger. Er kennt die Methoden von Poli-zist G. und seiner Kollegen aus einem früheren Fall: «Als Piquet-Verteidiger stiess ich zu einer Einvernahme eines jungen Ost-europäers, der verhaftet worden war», er-zählt Gretler. Der Junge sei mit den Nerven völlig am Ende gewesen, habe Anzeichen einer Psychose gezeigt. Gretler, ein erfahre-ner Verteidiger, kann gespielte und echte ➔ Die Einvernahme geht weiter, ohne dass Kulat einen Rechts-beistand an seiner Seite hat.Die Stadtpolizei schiesst mit Kanonen auf Spatzen. Escorts werden in Handschellen abgeführt.GRÜNELISTE 4ZÜRICH BRAUCHT EINREGENBOGENHAUSIN DEN STADTRAT AM 4. MÄRZ 2018ZUSAMMEN MIT CORINE MAUCH, CLAUDIA NIELSEN, ANDRÉ ODERMATT, RAPHAEL GOLTA UND RICHARD WOLFFKARIN RYKART & DANIEL LEUPI210x93_3_Inserat_Cruiser_Leupi_Rykart.indd 1 11.01.18 16:19

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6CR U I S E R FEBR UA R 2018AKTUELLSTADTPOLIZEI IM INTERNETA N Z E I G EKrisen gut auseinanderhalten. «Irgend-wann während der Einvernahme drehte ich mich um, hinter mir standen drei Polizisten und verfolgten das Schauspiel grinsend.» Sven Gretler  ndet, dass die Polizei hier die Falschen jage. «Viele junge Escorts sind gezwungen, zu völlig überteuerten Preisen ein kleines Zimmer zu mieten, 100 Franken pro Nacht sind keine Seltenheit.» Vermieter seien ansässige Personen, die da-mit das grosse Geld machten. «Auch Wu-cher und Förderung des illegalen Aufent-halts sind strafbar, doch dafür interessieren sich die Polizisten und Staatsanwälte o en-bar nicht.» Überhaupt seien die Methoden von Polizist G. und seinen Kollegen teilwei-se fragwürdig. «Meinen Klient [also Stefan] fragte er in der Einvernahme: ‹Was sind Sie für ein Mensch?›», dann hätten die Polizis-ten sein Handy beschlagnahmt, «völlig übertrieben in einem solchen Fall.» Gretler schliesst einen homophoben Hintergrund bei einigen Mitarbeitern der Sitte nicht aus. Gerade weil das Verhältnis zwischen schwuler Community und Stadtpolizei his-torisch belastet sei, erwarte er einen behut-sameren Umgang mit dem  ema. Auf ho-mophobes Verhalten ihrer Sittenpolizisten angesprochen, weist die Stadtpolizei alle Vorwürfe als «haltlos und nicht belegt» zu-rück. Anwälte würden Kritik in der Regel direkt äussern, schreibt sie. Auf ihre Methoden angesprochen, stellt sich die Stadtpolizei auf den Stand-punkt, es handle sich bei ihrer Tätigkeit nicht um verdeckte Vorermittlungen, weil es sich nur um eine kurze Kontaktnahme handle und der Polizist lediglich seine wah-re Identität verschleiere. Es werde kein Ver-trauensverhältnis aufgebaut. Dieser Argu-mentation widerspricht, dass G.s Pro l «Zauberlehrling69» über Jahre aktiv war, tausende Besucher und Gästebucheinträge hatte. Zudem stand darin, er sei verheiratet. Üblicherweise geben solche User nicht mehr von sich preis. Ein Escort hat keine an-dere Wahl, als dem User zu vertrauen, mehr Angaben wird er von ihm nicht erhalten. Doch warum jagt die Polizei ausge-rechnet mit solchem Aufwand Escorts, die sich eher diskret und auf eigene Faust via Internet auf Kundensuche machen und etwa im Gegensatz zu Strassenprostituier-ten nicht au allen? Das sei Schwarzarbeit, schreibt der Zürcher Sicherheitsvorsteher Richard Wol (Alternative Liste) auf Anfra-ge. Zudem würden die Kontrollen auch dem Schutz der Sexarbeiter dienen, etwa vor Ausbeutungs- und Zwangssituationen. Das komme in der schwulen Prostitution zwar «zum Glück» nicht so häu g vor wie bei Frauen. «Doch auch hier darf der Blick auf die Realität nicht verschlossen bleiben», Ausgerechnet das Internet bietet Männern, die gelegentlich ihren Körper für Geld verkaufen, Sicherheit vor Ausbeutung. Gefahr droht ihnen einzig von der Zürcher Stadtpolizei.WIR SIND LESBISCH, SCHWUL ODER BI. WIR SIND TRANS ODER QUEER. WIR MACHEN UNS STARK – FÜR UNSERE RECHTE.DEIN BEITRAG FÜR DIE COMMUNITY: WERDE HAZ-MEMBER.WWW.HAZ.CHWir bieten Beratungen, Gesprächsgruppen, Treffpunkte, kulturelle und kulinarische Aktivitäten, unsere Schwubliothek, unser Magazin und vieles mehr für lesbische, schwule, bisexuelle, trans und queere Menschen und deren Familien und Freund*innen. Wir kämpfen mit Kampagnen für die Anliegen der LGBTQ-Community und gegen jegliche Diskriminierung.QUEERZÜRICH210x138_Inserat_HAZ.indd 1 11.01.18 12:35

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7AKTUELLSTADTPOLIZEI IM INTERNETschreibt Wol . Denn viele osteuropäische Sexworker seien hetero und würden die Tä-tigkeit «nicht aus Freude ausüben», sondern aus wirtschaftlicher Not. Strafverteidiger Sven Gretler  ndet diese Argumentation hingegen lächerlich. «Es ist o enkundig, dass es der Polizei hier nicht um Schutz vor Ausbeutung und Zwang geht», so seine Kri-tik. Zudem seien wirtschaftliche Not und Zwang zwei verschiedene Dinge. Auch der Zürcher Journalist und Autor Oliver Demont kennt die Argumentation des Sicherheitsvorstehers Wol , teilt sie aber ebenso wenig wie Gretler. Demont hat ein Buch über käu ichen Sex unter Män-nern verfasst und dafür mit vielen Escorts Gespräche geführt. Dabei erhielt er auch Einblick in die Arbeit der damaligen Sitten-polizei. Die Einsätze der Polizei gegen Sex-arbeiter im Internet sieht er kritisch: «Nach zahlreichen Gesprächen hatte ich das Ge-fühl, dass hier mit Kanonen auf Spatzen ge-schossen wird.» So würden Ermittler mit viel Leidenschaft vermeintliche Kunden-pro le auf Plattformen wie Gayromeo oder Grindr erstellen, um letztlich einer sehr kleinen Anzahl Männer Schwarzarbeit nachweisen zu können. Dabei seien die Um-sätze längst nicht so hoch, wie sich das ge-wisse Polizeikreise ausmalten. In diesem Zusammenhang von Verhältnismässigkeit zu sprechen, sei falsch, sagt Demont. Auch zeuge Wol s Einschätzung von mangeln-den Kenntnissen der Situation. «Männer, die ihre Dienste im Internet anbieten, tun dies gelegentlich und ausserhalb von krimi-nellen Strukturen. Nüchtern betrachtet können sie nicht zum eigentlichen Sexge-werbe gezählt werden», sagt Demont. Dass es die von Wol erwähnten Sexarbeiter aus Osteuropa gibt, weiss aber auch er: «Sie ver-kehren fast ausschliesslich in Stricherbars und Saunen. Würden sie im Internet nach Kunden suchen, wäre ihre Arbeit für invol-vierte Mittelsmänner aus der Schweiz nur schwerlich zu kontrollieren.»So paradox es klingen mag: Ausge-rechnet das Internet bietet Männern, die gelegentlich ihren Körper für Geld verkau-fen, Sicherheit vor Ausbeutung. Gefahr droht ihnen einzig von der Zürcher Stadtpo-lizei. Diese will an ihrer Praxis festhalten: Die Polizei habe schliesslich die geltende Rechtsordnung durchzusetzen. Mehr zum Thema in Michi Rüeggs Kommentar auf Seite 34.*Die Namen der Beschuldigten wurden zu ihrem Schutz geändert.Die Polizei ist auf einschlägigen Webseiten mit gefälschten Profi len online.Die Kontrollen würden dem Schutz der Sexarbeiter dienen, etwa vor Ausbeutungs- und Zwangssitua-tionen, so die Stadtpolizei.A N Z E I G EIN DEN STADTRATZUSAMMEN MIT FILIPPO LEUTENEGGER (FDP) ALS STADTPRÄSIDENT, ROGER BARTHOLDI (SVP), MICHAEL BAUMER (FDP) UND SUSANNE BRUNNER (SVP)MARKUS HUNGERBÜHLERMARKUS-HUNGERBUEHLER.CH«GLEICHE RECHTE FÜR ALLE»

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8CR U I S E R FEBRUA R 2018THEMADIE JUNGE LGBT*-BEWEGUNGIst die junge Generation bewegt?Pessimistische Stimmen behaupten, die LGBT*-Bewegung existiere nicht mehr. Das Gegenteil ist der Fall, wie zwei queere Aktivist_innen schildern.VON D A N I O E R T L E U N D A N D R E A SIMO N E T TDie «Schwulenbewegung» sei tot, bi-sexuelle würden die schwulen Män-ner verraten und die «Gender-Gene-ration» verunmögliche den Dialog zwischen Lesben und Schwulen, stellte Cruiser-Ko-lumnist Peter ommen kürzlich hier fest. Blödsinn! Dies ist eine Replik der «Buchsta-benmenschen»1 und ein Manifest für einen gemeinsamen queeren Aufbruch.Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans-menschen (LGBT) demonstrieren heutzu-tage gemeinsam für ihre Rechte. Und feiern tun sie ebenfalls zusammen. Einige Hun-dert junge Menschen trotzten Anfang Sep-tember dem Dauerregen und tanzten im aargauischen Wittnau am «Lila», dem ers-ten queeren Jugendfestival der Schweiz, zu internationalen Acts. Auf der Bühne waren «Queer by birth, faboulous by choice». Für die «junge» Generation mehr als nur ein Motto.

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9THEMADIE JUNGE LGBT*-BEWEGUNGA N Z E I G Eschwule Rapper und Sänger. Lesbische Mu-sikerinnen und Drag-Performances heizten die Stimmung an. Beim Poetry-Slam waren trans*-Künstler_innen sowie schwule und lesbische Slammer_innen dabei. Mit von der Partie waren auch Feminist_innen, po-lyamor lebende Lesben und Schwule, Men-schen, die sich weder als Mann noch als Frau sehen, Unterstützer_innen, die ein paar Jährchen mehr mitbrachten als der Durchschnitt, sowie ein paar verdutzte Lo-cals aus dem Fricktal. Alle waren gleicher-massen willkommen und wurden in den tanzenden, queeren Haufen integriert. Organisiert wurde das Lila von einer neuen Generation. Diese heisst alle will-kommen: Menschen, die nicht ins gängige Geschlechterschema passen oder anders lieben als die heterosexuelle Mehrheitsge-sellschaft. Das Lila-Festival wurde von der emsigen Milchjugend organisiert, die auch Gruppen an Schulen aufbaut und dafür sorgt, dass junge LGBTs weniger isoliert sind und einen Zugang zur Community n-den. Darüber hinaus existieren auch andere Gruppen, Vereine oder Veranstaltungsrei-hen, bei denen eine jüngere Generation von LGBT*-Menschen an einem Strick reissen. Und das ist gut so!Was bringt uns die LGBT*-Buchstaben suppe?Wieso setzt sich die junge Generation ge-meinsam ein? Was soll das eigentlich mit «Gender»2? Bin ich nicht mehr dabei, wenn ich keinem fancy Buchstaben in LGBTIQA angehöre? Werde ich hier als gewöhnlicher Schwuler nicht ausgegrenzt? Als vorgescho-bene Antwort auf alle diese Fragen: Keep calm! Durchatmen und jetzt mal schön der Reihe nach. Die «Gender-Generation» schat das anatomische Geschlecht nicht ab. Der neuen Generation geht es auch nicht um Redeverbote etwa von Lesben gegen-über Schwulen, wie Peter ommen in einer Kolumne glauben macht. Vielmehr geht es darum, welche Möglichkeiten uns die Ge-sellschaft in Bezug auf das Geschlecht be-reitstellt. Viele Lesben und Schwule kennen das ema gut aus ihrem Alltag. Wenn ein Mann in der Pege arbeitet, meint das Um-feld, er müsse ja schwul sein. Umgekehrt werden Frauen mit kurzen Haaren und ei-nem toughen Auftritt als lesbisch angese-hen. Wir könnten diese Beispiele hier belie-big ausweiten. ➔Die «Gender-Generation» schafft das Geschlecht nicht ab, sondern setzt sich für eine Vielfalt von Geschlechtern ein.1 Peter Thommen spricht von Buchstabenmen-schen und meint das LGBTIQA-Spektrum. Die Abkürzung steht für: Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intergender, Queer, Asexual.2 Gender bezeichnet im Englischen das soziale Geschlecht gegenüber sex, dem anatomischen Geschlecht. Diese Unterscheidung macht das Deutsche nicht, deshalb wird der englische Begriff verwendet.Heinrichstrasse 2398005 Zürich Telefon 043 444 74 00www.swissdentalcenter.ch Med. dent. Klaas FriedelFadegrad –starte mit geraden Zähnen ins neue Jahr.Bei Vorlage dieser Anzeige erhältst Du30 % Rabatt auf eine Invisalign-Erstberatung fürdie Korrektur Deiner Zahnstellung.

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10CR U I S E R FEBRUA R 2018THEMADIE JUNGE LGBT*-BEWEGUNGUnsere Gesellschaft hat klare Rollen-bilder und Vorstellungen, was Frauen oder Männern zusteht. Ein Mann soll stark und dominant sein und Frauen begehren. Eine Frau soll zurückhaltend und hübsch sein und Männer begehren. Schwule, Lesben oder Transmenschen sind Sand im hetero-sexuellen Getriebe. Sie fordern die Gesell-schaft heraus, konventionelle Vorstellungen von Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung über Bord zu werfen. Das hat Sprengpotential und die jungen LGBTs spannen genau an diesem Punkt zusam-men. Die Medien zeichnen ein Bild von #Me-Too-Feministinnen, die angeblich grund-sätzlich gegen Männer seien. Ganz ähnlich beschwört ommen in den Kolumnen Kon-ikte von Lesben gegen Schwule, von Bise-xuellen gegen Schwule und von «Buchsta-benmenschen» gegen Schwule herauf. Die junge queere Bewegung setzt auf ein MiteinanderWir kreieren ein buntes Gemälde des Mit ei n -anders. Die Abkürzung LGBTIQA und die Verwendung des Sterns (*) für weitere Grup-pen ist neuer, deren Anliegen sind aber alt. Bei den Strassenschlachten in New York rund um das Stonewall Inn Ende der 1960er-Jahre waren vor allem People of Color, Latinx3 und Transmenschen beteiligt, die sich gegen die Polizeischikanen auehnten. Die Bewegung, die an der Christopher Street in New York ihren Anfang nahm, hat dem mutigen Aufbruch in der Community von Transmenschen und Sexarbeitenden viel zu verdanken. Die Bewegung ist mitnichten tot. Schwule und weisse Männer sind im Hier und Heute vielleicht einfach nicht mehr die-jenige Gruppe, für die derzeit am meisten auf dem Spiel steht. In einigen gesellschaft-lichen Bereichen gibt es heute mehr Freihei-ten. Die Risiken aus der Familie ausge-schlossen zu werden oder den Job zu verlieren, sind für diese Gruppe kleiner ge-worden. Wenn schwule Männer heute in-nerhalb der Schweizer LGBT*-Bewegung mit politischen Anliegen etwas weniger auf-fallen, dann, weil ein kleiner, aber wichtiger Teil der Anliegen für einige erfüllt wurde.Für Transmenschen, intergeschlecht-liche Menschen, Lesben und unkonventio-nelle Queers geht es immer noch um Exis-tenzielleres. Werde ich ausgegrenzt, wenn ich ein Trans-Coming-Out in der Familie mache? Akzeptieren mich meine Kollegen auf der Baustelle als Baupolierin und Trans-frau? Verweigert mir die Krankenkasse Be-handlungen aufgrund homo- und transpho-ber Vorstellungen? Werde ich als Transmann von meinem Team akzeptiert? Wie gehe ich als junge Lesbe mit dem heterosexuellen Kollegen um, der nicht akzeptiert, dass ich nicht auf Männer stehe und immer wieder aufdringlich wird? Wie erziehe ich ein inter-geschlechtliches Kind: Soll es im Sportun-terricht zu den Mädchen oder den Jungs ge-schickt werden?Gleichwertigkeit der AnliegenDie junge LGBT*-Bewegung anerkennt, dass diese Fragen zusammengehören. Die Buchstaben in der Abkürzung LGBT* sind Egal wen du liebst und wie du Geschlechtsidentität leben möchtest, du gehörst dazu. T-Shirt an der Pride in Toronto.Für Transmenschen, interge-schlechtliche Menschen, Lesben und unkonventionelle Queers geht es immer noch um Existen-zielleres.

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11A N Z E I G EEngagiert für LGBTPinkCop Schweiz8000 Zürichinfo@pinkcop.chwww. pinkcop.chMitglied werden:www. pinkcop.ch● PinkCop bietet lesbischen, schwulen, bisexuellen und transgender Polizistinnen und Polizisten eine Community● PinkCop sorgt für mehr Akzeptanz von LGBT‘s innerhalb der Polizei ● PinkCop sorgt für den Hemmungsabbau der LGBT-Community gegenüber der Polizei● PinkCop organisiert Projekte und Kampagnen und ist in der LGBT-Community breit vernetztLGBTalle gleichwertig. Die gesellschaftliche An-erkennung von Transmenschen ist mindes-tens so dringend wie die Gleichstellung ho-mosexueller eingetragener Partnerschaften gegenüber der heterosexuellen Ehe. Das Anliegen, Blutspenden für Schwule zu ö -nen, ist gleich wichtig wie das Anliegen, eine angemessene rechtliche Familienform für Regenbogenfamilien zu scha en. Es geht um nicht weniger als die Einforderung von LGBT*-Rechten als Menschenrechte.Am Lila-Festival zeigte sich am Nach-mittag nach dem Dauerregen ein wunder-schöner Regenbogen. Die neue LGBT*-Be-wegung wird der heterosexuellen Mehr-heitsgesellschaft weiterhin die verschiede-nen Farbtöne des Regenbogens aufzeigen. Die engagierten queeren jungen Menschen setzen sich dafür ein, dass Transidentität oder Homosexualität als Fluchtgrund aner-kannt werden. Andere engagieren sich, da-mit die Suizidgefährdung homosexueller und transgender Jugendlicher abnimmt. Wieder andere kämpfen dafür, dass der Toi-lettengang für Transmenschen nicht zum Spiessrutenlauf wird. Und das ist gut so! Wir gehen o en aufeinander zu. Und hey, bi ist voll ok. Asexuell auch. Und Hetereros auch. Alle Menschen sind super, egal wen sie lieben oder wie sie ihr Geschlecht leben möchten. 3 Geschlechtsneutrale Selbstbezeichnung von Menschen südamerikanischer Herkunft. Das x steht für ein beliebiges Geschlecht.Schwule, Lesben oder Transmen-schen fordern die Gesellschaft heraus, konventionelle Vorstel-lungen von Geschlechts identität und sexuel ler Orientierung über Bord zu werfen.DIE AUTOR_INNENAndrea und Dani sind LGBT*-Aktivist_innen und füllen beide mehrere Buchstaben in der LGBT*-Buchstabensuppe aus. Früher wären sie als bi bezeichnet worden. Das heisst, sie fühlen sich beide von interessanten Menschen angezogen, unabhängig von deren Geschlecht. Deshalb mö-gen auch beide den neueren Begriff pansexuell lieber, der bi über das Zweigeschlechter-System hinausdenkt. Andrea ist engagiert bei der Milch-jugend und organisiert dort Veranstaltungen für junge LGBTs. Dani ist Historikerin, DJ und Mit-betreiberin des Party-Labels Offstream, das die Gewinne an LGBT*-Projekte und Organisationen spendet.THEMADIE JUNGE LGBT*-BEWEGUNG

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12CR U I S E R FEBRUA R 2018PORTRAITGARY TUSHAWGary Tushaw spielt den legendären Frank’n’Furter in der kommenden Inszenierung der «Rocky Horror Show». Auf der Bühne ist er laut, schrill und in Strapsen – privat ruhig, besonnen und überlegt. Cruiser hat sich mit dem Star unterhalten.Let’s do the Time Warp Again!IN T E R V I E W: H AY M O EMPLGary Tushaw, du hast in vielen Musik-produktionen mitgewirkt. Einschliess-lich «Les Misérables» und «Sweeney Todd». Was ist die Herausforderung für dich als Schauspieler der «Rocky Horror Show» im Ver-gleich zu den anderen Musicals, in denen du gespielt hast?Die Art und Weise, wie ich mich jedem Cha-rakter nähere, ist ähnlich – ich stelle mir die Frage, was diese Person will und wie sie ihre Wünsche verwirklichen will, und so weiter und so fort. Die zusätzliche Herausforde-rung bei Rocky Horror ist im Grund genom-men eine physische: Zum einen die High Heels und freizügigen Kostümen anzuneh-men und zugleich mutig genug zu sein, sich in einen Charakter zu verwandeln, der nicht den gleichen Filter und sozialen Zwängen unterliegt, die uns Normalsterbliche nor-malerweise bestimmen. Warst du schon einmal in der Schweiz? Hast eine Verbindung zu diesem Land?Vor einigen Jahren hat ein guter Freund von mir in Talloires am See von Annecy in Frankreich geheiratet. Danach kam ein an-derer Freund, der in Genf lebt, um mich ab-«Die zusätzliche Herausforderung bei Rocky Horror ist eine physi-sche: Zum einen die High Heels und freizügigen Kostüme an-zunehmen und sich zugleich in einen Charakter zu verwandeln, der nicht den gleichen sozialen Zwängen unterliegt, die uns normalerweise bestimmen.»

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13PORTRAITGARY TUSHAWzuholen, und ich verbrachte ein paar Tage in dieser schönen Stadt. Während dieser Zeit entdeckte ich den Genuss von gutem Schweizer Weisswein.Diese musikalische Produktion ist für ein so kleines Land wie die Schweiz riesig: Erwartest du ein anderes Publikum als üblich?Dies ist meine erste internationale Tournee und ein sehr interessanter Aspekt ist die Entdeckung der unterschiedlichen Reaktio-nen des Publikums in den Regionen und Ländern, die wir besuchen. Das Publikum in Rocky Horror spielt eine so grosse Rolle, dass jeder neue Ort wie der Beginn einer neuen Beziehung ist, in der es herauszun-den gilt, wo die Grenzen des anderen liegen.Du spielst Dr. Frank'n'Furter, einen verrückten Wissenschaftler, der wie eine Art von Dragster wirkt. Dazu gehören auch High Heels. Wie be-wegst du dich darauf? Wie fühlt sich das an? Ich bin die meiste Zeit meines Lebens in klassischen Halbschuhen rumgelaufen, so-dass das Laufen auf Stöckelschuhen eine Herausforderung war. Glücklicherweise hat mir unser Produktionsrma meine High Heels etwa drei Wochen vor Beginn der Pro-ben nach London geschickt. Das war sehr hilfreich. Ich habe mir einige Youtube-Clips von glamourösen Frauen in Los Angeles an-geschaut, die beim Flanieren ihre Weishei-ten weitergeben. Auch der Choreograf der Rocky Horror Show, Matthew Mohr – der nicht nur ein wunderbarer Choreograf ist, sondern auch an der Entwicklung zahlrei-cher Drag-Shows in den USA mitgearbeitet hat – war unentbehrlich für mich.Abgesehen von der Optik: Was ist bei dieser Rolle die besondere Herausforderung? Selbstredend ist Frank'n'Furter ein Prahler, jemand, der es liebt, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Aber er ist auch ein Liebhaber von Sprache, sinnlich, ver-letzlich und verzweifelt, der sich mit ande-ren Wesen verbinden möchte und danach strebt, eine Welt zu erschaen, die noch nicht bekannt ist. Er ist ein Charakter voller Extreme: Freude, Lust, Schmerz. Die Her-ausforderung besteht darin, all diesen Din-gen Leben einzuhauchen.Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus? Es dauert eine ganze Weile, nach einer Show runter zu kommen. Daher gehe ich ziemlich spät ins Bett und starte am Morgen entspre-chend spät. Nach dem Frühstück nehme ich mir gerne Zeit für Sport und erkunde die Stadt, in der wir gerade gastieren: Kultur – ich liebe Kunst und Architektur –und guter Kaee stehen dabei normalerweise ganz oben auf meiner Prioritätenliste! Gegen 17.00 Uhr gehe ins eater, um eine Kleinig-keit zu essen – und damit, mich allmählich in einen Sweet Transvestite zu verwandeln…Das Musical hat immer mit dem gemeinsamen Verständnis von Geschlechterrollen gebro-chen. Das scheint auf der Bühne gut zu funkti-onieren, im Alltag weniger. Warum ist das so?Kunst aller Art - Literatur, Bildender Kunst, Musik und eater - bietet Kreativen die Möglichkeit, einen Einblick in das zu geben, was die Menschen als Herausforderungen unserer Zeit sehen und sie können Visionen der Zukunft darstellen. Die Welt der Kunst ist jedoch nicht die Welt der Politik.Die Bühne scheint deine Welt zu sein: Was fas-ziniert dich hierbei am meisten? Ich liebe grosse schriftstellerische Werke in all ihren Formen. Ich habe das Glück, sehr vielseitige Angebote zu bekommen: Shakes-peare, moderne Literatur und Musikthea-ter. Am meisten fasziniert mich menschli-ches Verhalten. Es ist ein grosses Privileg als Schauspieler, sich in verschiedene Men-schen verwandeln zu dürfen. Gleichzeitig bewundere ich die Kunst, Worte in Melodi-en zu verwandeln, sehr. Haben es die LGBT*-Leute in unserer Zeit leichter als zu der Zeit, als das Musical ge-schrieben wurde? Ich habe den Eindruck, dass in einigen Tei-len der Welt die Antwort auf diese Frage ein unbestrittenes «Ja» ist: Antidiskriminie-rung, eingetragene Lebenspartnerschaften, gleichgeschlechtliche Ehen, Gleichberech-tigung – all das sind brennende Fragen. Ich glaube, wir dürfen nie vergessen, dass alle Rechte, die wir jetzt haben, im Allgemei- ➔ «Ein sehr interessanter Aspekt ist die Entdeckung der unter-schiedlichen Reaktionen des Publikums in den Regionen und Ländern, die wir besuchen.»«Das Handwerk, Worte in Melo-dien zu verwandeln, bewundere ich sehr.»A N Z E I G ESchweizerische Stellenvermittlung für GesundheitsberufeWir suchen laufend Fachleute aus dem Gesundheitsbereich, Pflegefachfrau/-Mann HF, DNII, DNIPhysiotherapeuten, Ergotherapeuten sowie Ärzte und medizinische Fachangestellte – kostenlose und unverbindliche Beratung! Alle weiteren Infos unter www.danyacare.ch.Danya Care GmbH Badenerstrasse 621, 8048 ZürichTel.: + 41 (0)44 401 04 07 Mobil: +41 (0)76 393 48 48Alle Vermittlungsdienste kostenlos – staatlich und kantonal anerkanntDanya Care

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14CR U I S E R FEBRUA R 2018PORTRAITGARY TUSHAWnen hart erkämpft sind und geschützt und ge feiert werden müssen, und wir müssen uns bemühen, diese Fragen weiter voranzu-bringen. Zwei Freunde von mir – beide Ehe-männer – haben kürzlich ein Kind in Eng-land adoptiert. Ich weinte vor Freude, als ich zum ersten Mal Bilder von ihnen zusam-men sah. Das ist ein Fortschritt!Was glaubst du, worum es bei diesem Musical geht? Was ist die Botschaft? Das Herz, die Seele und die Botschaft des Musicals ist einfach: «Don't dream it, be it». Die «Rocky Horror Show» und ihre legendäre Verfilmung, die «Rocky Horror Picture Show», umgibt ein einzigartiger Fankult. Sobald die ebenso witzige wie schrille Story um das junge, biedere Paar Brad Majors und Janet Weiss und den diabolischen Ausserirdischen Dr.Frank’n’Fur- ter (Gary Tushaw, im obigen Interview) ihren Lauf nimmt, steigt das Publikum ohne Rücksicht auf gute Sitten in die Geschichte ein und macht einfach mit. Auch im Theater darf gerufen, ge-buht und mit Lichtern geschwenkt werden, was das Zeug hält! Über eine Million Fans liessen sich seit der Weltpremiere 2008 in Berlin von der international hochgelobten Inszenierung des Regisseurs Sam Buntrock begeistern. 300 000 Besucher machten allein die letzte Tournee zum ausverkauften Hit und beweisen damit, dass sich diese Inszenierung einen festen Platz in den Herzen der Rocky-Fans erobert hat. Fast so wichtig wie der Event an sich sind aber auch die Erzähler die quasi durch das Musical führen. Am Start stehen zwei bekennende Rocky Horror-Fans: Der deutsche Schauspieler Sky du Mont sowie der Schweizer Musiker und Moderator David Kohler alias Knackeboul. Die «Rocky Horror Show» ist vom 10. bis 15. April 2018 im Theater 11 Zürich und vom 17. bis 22. April 2018 im Musical Theater Basel zu sehen. Alle Infos auf www.musical.ch«Ich glaube, wir dürfen nie ver-gessen, dass alle Rechte, die wir jetzt haben, im Allgemeinen hart erkämpft sind und geschützt und ge feiert werden müssen, und wir müssen uns bemühen, diese Fragen weiter voranzu bringen.»Rocky Horror Show: Im wohl schrägsten Trip der Musical-Geschichte versammelt «Sweet Transvestite» Frank'n'Furter (Gary Tushaw) seine Dienerschaft um sich.

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15A N Z E I G Ewww.andreashauri.chSo isch Züri #hauri2018ANDREAS HAURIALS STADTRAT & STADT-PRÄSIDENTKULTURBUCHTIPPBUCHTIPPGisela Wolf: Substanzgebrauch bei Queers. Dauerthema und Tabu. Göttingen 2017.Preis CHF 14.90ISBN 978-3835331204Queer und Sucht – ein häufiges TandemVON B I R G I T K AWOHLDie promovierte Psychologin Gisela Wolf, Jahrgang 1968, widmet sich in dem vor Kurzem in den Hirschfeld-Lectures verö entlichten Band der Pro-blematik, dass es bei queeren Menschen häu ger als bei Heteros zum Gebrauch psy-chotroper Substanzen, aber auch zum Bei-spielen zu Essstörungen kommt. Die Grün-de liegen ihrer Meinung nach bei frühen oder dauerhaften Marginalisierungserfah-rungen von Queers in einer hetero- bzw. cis-normativen Welt. Hieraus ergebe sich für viele Betro ene im Verlauf ihres Lebens Gisela Wolf erreicht sicherlich das Ziel, Verständnis zu wecken und vielleicht in Zukunft Betrof-fene nicht sofort zu verurteilen, sondern einen offenen und em-pathischen Umgang zu pflegen.eine doppelte Ausgrenzung, zum Teil sogar Schwierigkeiten mit der Identitäts ndung und der Akzeptanz des eigenen Ichs. Ob-wohl keine zuverlässigen Zahlen für die Suchtgefährdung von Queers vorliegen, ist sie sicher, dass die Rate der Abhängigen dort weitaus höher liege als bei Heteros.Gisela Wolf gelingt in ihrer Abhand-lung eine verständliche Erklärung der Pro-bleme der Queers, auch wenn man manch-mal den Eindruck gewinnt, nur diese hätten – im Unterschied zu Heterosexuel-len – «echte» Probleme und damit quasi auch ein Recht auf Sucht. Trotzdem er-reicht sie sicherlich das Ziel, Verständnis zu wecken und vielleicht in Zukunft Be-tro ene nicht sofort zu verurteilen, son-dern einen o enen und empathischen Um-gang zu p egen. Warum dann allerdings dieser schmale Band (92 Seiten inklusive Anmerkungen) zwar kein Inhaltsverzeich-nis dafür aber zwei Einführungen hat, durch die sich einige Aussagen wiederho-len, bleibt fraglich.

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16CR U I S E R FEBR UA R 2018WAHL-SPEZIALWER MIT WEM UND WER NICHTRegenbogenpolitik: Du hast die Wahl, wir schaffen DurchblickAm 4. März 2018 fi nden im Kanton Zürich Kommunalwahlen statt. Erstmals fühlen die HAZ nicht nur den Kandidierenden in der Stadt Zürich auf den Zahn, sondern auch allen anderen im Kantonsgebiet.VON PAT R I C K H A DI H U B E R , P R ÄSIDEN T H A ZDie HAZ (Homosexuelle Arbeitsgrup-pen Zürich) verfolgen mit regenbo-genpolititk.ch seit über zwölf Jahren mehrere Ziele: Wir sensibilisieren die Politiker*innen für unsere  emen und scha en Ö entlichkeit. Wir fördern die Meinungsbildung bei den Kandidierenden wie auch bei den Wähler*innen und fordern erstere noch vor dem Wahltag dazu auf, zu LGBTQ+  emen Stellung zu beziehen. Wichtig ist uns eine klare Positionierung und Transparenz, darum stehen die Ant-wortmöglichkeiten «Ja», «Nein» und «Keine Position» zur Verfügung. Bei jeder Frage gibt es Platz für Kommentare mit einer Länge bis zu 300 Zeichen, um die Antwort zu begründen und Nuancen zu benennen. Anhand der vielen Antworten können wir abschätzen, welche Veränderungen oder Inhalte in Zukunft eine Chance auf eine Mehrheit haben und bei welchen  emen wir noch Überzeugungsarbeit leisten müssen. Und ja, es geht uns auch darum, Mandatsträger*innen später an ihre Ver-sprechen erinnern zu können.Mit der Ausweitung des Fragebogens auf alle 168 Gemeinden im Kanton Zürich wird es erstmals möglich sein, ein umfas-sendes Bild zu erhalten – bei Parlaments-gemeinden trennen wir nach Exekutiv- und Legislativ-Kandidierenden. Wir sind uns bewusst, dass dies am Anfang zögerlich genutzt werden wird. Aber mit der Zeit ➔

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17CR U I S E R FEBRUA R 2018WAHL-SPEZIALWER MIT WEM UND WER NICHTregenbogenpolitik.ch: Fragenkatalog zu LGBTQ+-Themen – Antworten der Kandidierenden für den Zürcher Stadtrat, absteigend nach Gesamtwert (Anteil der «Ja»-Antworten in Prozent), bei gleichem Wert alphabetisch nach Vornamen sortiert. Legende: Grün = «Ja», Rot = «Nein», Orange = «Keine Position»TOTAL % «Ja»Aktionsplan LGBTQ+ Jugendliche (Schule)Aktionsplan RegenbogenfamilienAktionsplan TransmenschenBefürwortung Fachstelle für GleichstellungÖffentliche Gelder fürs RegenbogenhausSeparate Unterbringung von LGBTQ+ -FlüchtlingenFluchtgrund sexuelle Orientierung / GeschlechtsidentitätJa zur «Ehe für alle»DiskriminierungsschutzTrans*: Alternative Geschlechtsangaben in offiziellen FormularenTrans*: Alternative Namensführung in DatenbankenAndré Odermatt(SP, bisher)100 %Andreas Hauri(GLP, neu)100 %Claudia Nielsen(SP, bisher)100 %Corine Mauch(SP, bisher)100 %Daniel Leupi(GRÜNE, bisher)100 %Karin Rykart Sutter(GRÜNE, neu)100 %Markus Hungerbühler (CVP, neu)100 %Nina Hüsser(JUSO, neu)100 %Raphael Golta(SP, bisher)100 %Richard Wolff(AL, bisher)82 %Roger Bartholdi(SVP, neu)64 %Michael Baumer(FDP, neu)55 %Susanne Brunner(SVP, neu)36 %Filippo Leutenegger(FDP, bisher)27 %

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18CR U I S E R FEBR UA R 2018WAHL-SPEZIALWER MIT WEM UND WER NICHTAndré Odermatt (SP, bisher)Corine Mauch (SP, bisher)Daniel Leupi (GRÜNE, bisher)Karin Rykart Sutter (GRÜNE, neu)Andreas Hauri (GLP, neu)Claudia Nielsen (SP, bisher)Markus Hungerbühler (CVP, neu)wird es gelingen, weitere Kreise zu ziehen und regenbogenpolitik.ch weit über die Kantonshauptstadt hinaus bekannt zu ma-chen. Übrigens, in Zürich haben wir mittler-weile einen sehr hohen Grad der Anerken-nung erreicht. Mit einer einzigen Ausnahme haben uns sämtliche Kandidat*innen aus dem ganzen Parteienspektrum ihre Mei-nungen zu den wichtigsten LGBTQ+  e-men mitgeteilt. 14 Fragebogen sind bei uns eingegangen. (Einzig Claudia Rabelbauer (EVP) hat trotz Nachfrage nicht reagiert. Sie hat aber immer noch die Chance, dies on-line nachzuholen.) Entsprechend kontro-vers werden unsere  emen diskutiert. Wir danken hierfür und für die spannenden Antworten! Eine Zusammenfassung der Ergebnis-se ist auf Seite 17 zu  nden. Zwei besonders aktuelle Fragen stellen wir an dieser Stelle genauer vor. Die vollständigen Antworten sind auf der Website regenbogenpolitik.ch ersichtlich. Aus aktuellem Anlass: Das RegenbogenhausIm Sommer wurde der Verein «Regenbogen-haus Zürich» gegründet. Das Ziel ist die Scha ung einer regionalen Anlaufstelle und eines geschützten Begegnungsorts für die LGBTQ+-Gemeinschaft, aber auch für An-gehörige, Tourist*innen etc. Ich befürworte die Unterstützung dieses Vorhabens durch jährliche Beiträge der ö entlichen Hand.Ende November haben die HAZ als Hauptmieterin und kurz darauf der Verein Regenbogenhaus jeweils an ausserordentli-chen Generalversammlungen entschieden, per 2020 ins Zollhaus zu ziehen. Mit diesen Entscheiden rückt das Regenbogenhaus in greifbare Nähe und es wird ein Projekt reali-siert, das für die Community im ganzen Kanton und darüber hinaus eine grosse Chance für die Zukunft bietet. Es wird das Zuhause von vielen neuen LGBTQ+-Perso-nen werden. Voraussichtlich wird der Be-trieb nicht ganz ohne ö entliche Gelder funktionieren, weshalb wir diese Frage in den Raum gestellt haben. Der Tenor aller Befragten ist einhellig: Das Projekt wird be-grüsst. Bei der Finanzierungsfrage stellen aber alle Befürworter*innen die konkrete Ausgestaltung eines Leistungsvertrages als Bedingung – was auch richtig ist. Interessant ist, dass die meisten mit ihrem «Ja» dennoch die deutliche Bereitschaft erkennen lassen, darüber konkret zu verhandeln.Einen ö entlichen Beitrag ausschlies-sen würde Filippo Leutenegger (FDP, bis-her). Er äussert sich klar: «Dies ist allerdings kein Feld, wo sich der Staat beteiligen darf», und Susanne Brunner (SVP, neu) fügt an: «Ich begrüsse diese breit abgestützte priva-te Initiative. Der Staat muss aber keine Bei-träge zahlen. Er kann sich höchstens subsi-diär verhalten.» Stadtpräsidentin Corine Mauch sowie die bisherigen Stadträt*innen André Odermatt (HAZ-Member), Claudia Nielsen und Raphael Golta (alle SP) haben den Fragebogen gemeinsam diskutiert ➔

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19CR U I S E R FEBR UA R 2018WAHL-SPEZIALWER MIT WEM UND WER NICHTSusanne Brunner (SVP, neu)Filippo Leutenegger (FDP, bisher)Michael Baumer (FDP, neu)Richard Wolff (AL, bisher)Roger Bartholdi (SVP, neu)Raphael Golta (SP, bisher)Nina Hüsser (JUSO, neu)A N Z E I G EPink Cloud Travel ServiceDER Touristik Suisse AGBahnhofstrasse 888001 ZürichT +41 44 274 15 55mail@pinkcloud.chwww.pinkcloud.chFollow us on: facebook.com/pinkcloudMAKE SURE YOUTRAVEL WITHFRIENDSExclusive Partner Exclusive Partner NEU exklusive Kleingruppen- rundreisen2018-005.01_KR_Bahnhofstrasse_PinkCloud_Cruiser_Inserat_DE_210x140mm.indd 1 18.01.18 16:29

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20CR U I S E R FEBRUA R 2018WAHL-SPEZIALWER MIT WEM UND WER NICHTund entsprechend für alle Fragen eine ge-meinsame Antwort abgegeben: «Die Sicht-barmachung von Anliegen gesellschaftli-cher Minderheiten ist wichtig. Wir freuen uns über diese private Initiative, die einen Ort der Begegnung mitten in der Stadt Zü-rich schat. […] Jährliche Beiträge der öf-fentlichen Hand für ein Regenbogenhaus gilt es zu diskutieren, wenn das Projekt kon-kret wird.» Andreas Hauri (GLP, neu) be-tont, dass geschützte Orte teilweise immer noch notwendig seien, es ihm allerdings ein Anliegen sei, dass «dieser Verein ‹hetero-friendly› aufgestellt ist. Statt Ausgrenzung resp. Separierung ist mir das Zusammenle-ben wichtiger.»Zusammengefasst bedeuten die Ant-worten einen klaren Auftrag an den Verein Regenbogenhaus: «Tretet mit uns ins Ge-spräch, wenn's losgeht.» Dazu sagt Leon-hard Meier, Vereinsvorstand und Verant-wortlicher für Finanzen und Fundraising beim Regenbogenhaus: «Nach dem Okay unserer Generalversammlung arbeiten wir jetzt konkret daran und werden mit dem neu gewählten Stadtrat das Gespräch suchen.»LGBTIQ+-FlüchtlingeGeüchtete aus Ländern, in denen ihnen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität die Todesstrafe, Ver-folgung oder Haft droht, müssen Asyl erhal-ten. Ich befürworte, dass die sexuelle Orien-tierung und Geschlechtsidentität explizit als Fluchtgrund anerkannt wird.Bei dieser Frage, die das Motto des Zurich Pride Festivals 2017 wieder aufgreift, sind die Haltungen kontroverser. Dagegen äussert sich beispielsweise Michael Baumer (FDP, neu) und begründet: «Das Asylver-fahren sollte grundsätzlich nicht noch mehr aufgebläht werden, sondern explizit für po li - tisch Verfolgte gelten.» Bezüglich LGBTIQ+ ergänzt er, «hingegen sollten Flüchtlinge aus den oben genannten Gründen ein-fach(er) vorläug aufgenommen werden, ähn lich wie Kriegsüchtlinge.» Anders klingt es bei seinem bürgerlichen Mitstrei-ter und HAZ-Vorstand Markus Hungerbüh-ler (CVP, neu): «Diese Gruppe verdient einen besonderen Schutz durch den Staat, da sie meistens von den eigenen Angehörigen und Landsleuten im besten Fall ausgegrenzt werden.» Auch von grüner Seite heisst es von Karin Rykart Sutter (GRÜNE, neu), «dass in nicht allzu fernen Ländern auch heute noch Menschen wegen ihrer sexuellen Orien-tierung und Geschlechtsidentität um ihr Leben fürchten müssen.» Ihr Parteikollege Daniel Leupi (GRÜNE, bisher) doppelt nach: «Es ist mehr als stossend, dass dies nicht als Fluchtgrund anerkannt wird.» Die HAZ teilen diese Haltung und set-zen sich darum auch weiterhin dafür ein, dass dieser Fluchtgrund auf nationaler Ebe-ne anerkannt wird. Interessant ist bei dieser Frage übrigens die Haltung des SVP-Kandi-daten Roger Bartholdi, der den Fluchtgrund zwar ablehnt, unsere emen im Allgemei-nen aber sehr positiv bewertet. «Wir sollten uns dafür einsetzen, dass in diesen Ländern keine Verfolgung mehr stattndet.» Da sich die SVP auf nationaler Ebene aber gleichzei-tig für radikale Kürzungen bei der Entwick-lungszusammenarbeit einsetzt, wirkt die-ser Appell wenig glaubhaft. Hierbei müsste sich Bartholdi parteiintern durchsetzen.Wie entscheiden? Wie in der Übersicht aller Antworten (Seite 17) sichtbar wird, haben wir neun Kandidie-rende, die unsere Anliegen zu 100% unter-stützen, wobei wir immer nur die expliziten «Ja»-Antworten als Zustimmung zählten. Neben SP, GRÜNEN, GLP und CVP kommt auch die JUSO-Kandidatin Nina Hüsser (neu) auf diesen hervorragenden Wert. Ri-chard Wol (AL, bisher) schert davon aus, weil er sich beispielsweise nicht zu einem klaren «Ja» beim Regenbogenhaus durch-rang, aber doch auch Diskussionsbereit-schaft signalisierte. Überraschung ist Roger Bartholdi, der (abgesehen von HAZ-Vor-stand Hungerbühler) mit 64% den besten Wert bei den verbleibenden Bürgerlichen erhält. Auf dem letzten Platz rangiert Stadt-rat Filippo Leutenegger, der auch schon vor vier Jahren für Negativ-Schlagzeilen sorgte. Damals beantwortete er die Fragen zu-nächst gar nicht, was die Limmattaler Zei-tung unter dem Titel «Leutenegger gibt Les-ben und Schwulen einen Korb» aufgri.WinterthurUrsprünglich war geplant, die Stadtrats-wahlen in Winterthur nach dem gleichen Muster einzubeziehen. Zwar antworteten Jürg Altwegg (GRÜNE, bisher), die SP-Ver-tretenden Christa Meier (neu), Nicolas Gal-ladé (bisher) und Yvonne Beutler (bisher) und der Pirat Marc Wäckerlin (neu) äusserst positiv auf den Fragebogen. Mit Stefan Frit-schi (FDP, bisher) kam allerdings nur ein einziges Feedback aus Mitte-rechter Sicht, weshalb ein Vergleich an dieser Stelle wenig Sinn macht. Wir arbeiten daran, dass sich dies bis zu den Wahlen noch ändert und in Winterthur sowie in den Landgemeinden viele weitere Kandidierende mitmachen, damit für LGBTQ+-Wählende eine mög-lichst breite Entscheidungsbasis besteht. Wie eingangs betont: Wir wollen Transpa-renz schaen und das gelingt uns nur, wenn wir nachhaken, hartnäckig bleiben und uns für unsere Anliegen auf allen Ebenen ge-meinsam einsetzen. Alle Fragen und Antworten der genannten und vieler weiterer Politiker*innen findest du auf: www.regenbogenpolitik.ch Informiere dich, vergleiche und triff deine Wahl. Denn etwas gilt immer: Wer nicht wählt, über-lässt die Entscheidung anderen. Für eine differenzierte Beurteilung der Antwor-ten sowie zusätzlichen Angaben der Befragten zu den von uns gestellten Fragen empfehlen wir die jewei ligen Bemerkungen der Kandidierenden auf regenbogenpolitik.ch zu lesen. Je breiter die Basis, desto mehr haben unsere Stimmen Gewicht. Darum der HAZ beitreten: www.haz.ch.

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21CR U I S E R FEBRUA R 2018KULTURBUCHTIPPBUCHTIPPiO Tillett Wright: Darling Days. Mein Leben zwischen den Geschlechtern. Berlin 2017. Preis CHF 21.90 ISBN 9783518468036Wenn nicht nur das Geschlecht zum Problem wirdiO Tillett Wright, heute tätig als Autorin, Fernsehmoderatorin und Fotografin, wurde als Mädchen geboren, lebte als Kind jahrelang als Junge und bezeichnet sich nun als trans – ein Leben, das nicht nur Gendergrenzen übertritt.VON B I R G I T K AWOHLSchon der Name ist ungewöhnlich, iO – er benennt sowohl einen Satelli-ten des Planeten Jupiter als auch eine Geliebte von Zeus – und er lässt vermuten, dass jemand mit einem solchen Namen kei-ne normale Kindheit und Jugend verbracht hat. Geboren 1985 in New York in einem künstlerischen Umfeld, wächst iO in chaoti-schen, um nicht zu sagen bedrückenden Verhältnissen auf, sodass sich der Leser die-ser Memoiren mehr als einmal fragt, wieviel ein Kind aushalten kann, bevor es endgültig zerbricht. Der Vater verlässt die Familie, als iO gerade ihren ersten Zahn bekommt, ab diesem Zeitpunkt ist das Kind ganz und gar seiner Mutter ausgeliefert. Den beiden fehlt es dauernd an Geld, sodass die – sehr deso-lat wirkende Wohnung – immer wieder ohne Strom und Heizung ist, der Kühl-schrank ist meist leer, iO muss sich schon früh selbst durchschlagen.Mit sechs Jahren kommt es für iO zu einer Art Befreiung, denn ihre langen Haare müssen, da total verlzt, abgeschnitten werden. Wenn es auch kein Kurzhaarschnitt wird, ermöglicht es iO nun, so herum zu- toben, wie sie will. Am gleichen Abend no-tiert er in sein Tagebuch: «Ich bin jetzt ein Junge.» Doch bald wird klar, dass man sein Geschlecht nicht ohne Probleme einfach selbst bestimmen kann, auch wenn die Eltern hinter iO stehen, denn welche Toi-lette kann er angstfrei benutzen, welchen Umkleideraum?Neben diesen Genderproblemen tre-ten aber ganz andere Schwierigkeiten mehr und mehr in iOs Leben: Die Mutter, zeitle-bens exzentrisch, dreht immer weiter ab – Jahre später wird iO herausnden, dass sie nicht nur alkohol-, sondern auch methab-hängig ist – und macht ein einigermassen normales Leben völlig unmöglich.Als es nicht mehr zum Aushalten ist, wendet sich iO schliesslich an die Schulpsy-chologin, die das Jugendamt einschaltet, wodurch es gelingt, iO aus diesen schädli-chen Verhältnissen herauszuholen. Er darf nun zunächst bei seiner Tante und dann bei seinem Vater, der in dieser Zeit ein Engage-ment an einem deutschen eater hat, woh-nen. Bald wird es aber auch dort schwierig und iO zieht in ein Internat in England.Mit 13 zeigen sich bei iO die normalen weiblichen Körperveränderungen und so entschliesst er sich dazu, fortan doch als Frau zu leben. So hat sie auch ihre ersten se-xuellen Erfahrungen mit einer Frau, später desaströse mit einem Mann, bis sie nach ih-rer Rückkehr nach New York und dem end-gültigen Abnabeln von ihrer Mutter eine echte Liebe ndet.Dieses Werk, als Memoiren angekün-digt, lässt den Leser in weiten Teilen erstar-ren ob der Kälte und der Bitternis, die in dem jungen Leben vorherrschen. Hier wird einem Kind und Jugendlichen so vieles zu-gemutet, dass die Frage nach dem Ge-schlecht fast nebensächlich scheint, auch wenn diese für iO immer gegenwärtig war und ist. Das Desaster wird so plastisch und authentisch erzählt, dass man immer wie-der das Gefühl hat, dringend eingreifen zu müssen. Dabei scheint das Kind selbst das Leben zumindest in seiner Unkonventiona-lität durchaus geniessen zu können, es ar-rangiert sich mit vielem und macht, und das erstaunt ungeheuer, seiner Mutter nie wirk-lich Vorwürfe, sondern sieht diese vielmehr immer wieder auch als Opfer. Psychologen und Suchtexperten würden hier sicherlich von einer Co-Abhängigkeit sprechen.Bei aller Anteilnahme stellt sich aller-dings die Frage, wie diese wahrgenommene Authentizität zu bewerten ist, da sich be-reits ein Vorschulkind an Details erinnern kann, die über eine normale kindliche Wahrnehmung weit hinausgehen. Auch wenn hier vielleicht an der einen oder ande-ren Stelle Zweifel angebracht sein mögen, bleibt diese Autobiograe – zumal sie sich wie ein Roman lesen lässt – ein beachtens-wertes Werk, das den Leser seine Sicht auf das (eigene) Leben in vielem nochmals überdenken lässt. Anmerkung: iO selbst lehnt Pronomen, die ja immer auch ein Geschlecht widerspiegeln, ab. Da sich diese aber im Text nicht komplett ver-meiden liessen, wurden sie je nach dem in die-sem Lebensabschnitt von iO gewählten Ge-schlecht gewählt, sie drücken aber an keiner Stelle eine Wertung aus.

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22CR U I S E R FEBRUA R 2018KULTURKURZNEWSEIN LEBEN ZWISCHEN KUNST UND KAMPFTABUTHEMA BESCHNEIDUNG: KONTROVERSE UM SÜDAFRIKAS OSCAR-KANDIDATENAndreas Walser, Sohn eines Pfarrers, gebo-ren 1908 in Chur. Nach seiner Matura im Jahr 1928 richtet er sich im Haus seiner Eltern ein Atelier ein und betätigt sich als Künstler, Fo-tograf und Schriftsteller. Sein kurzes Leben ist geprägt von überbordenden Gefühlen und dem Kampf mit Zweifeln und Verlangen. Einem Verlangen, das sich mehr auf künstle-rische Anerkennung als auf die Liebe der Frauen bezog, zu dem ihm nämlich, wie er selbst sagte, der Bezug fehlte.Im Herbst 1928 erfüllt sich sein Wunsch und er darf, mit Erlaubnis seiner Eltern, nach Paris reisen. Dort lebt er bis zu seinem Tod und trit viele der damaligen Grössen der (bildenden) Künste wie Pablo Picasso, Jean Cocteau sowie auf Klaus Mann. Wahrschein-lich kommt er im Kreis um Jean Cocteau erstmals mit Drogen in Kontakt, die ihm bald mehr und mehr den Boden unter den Füssen wegziehen werden.Heinz Bütler hat in dieser Zusammen-stellung über das Leben und Wirken Walsers viele Fotos, Schriftstücke und Werke des Künstlers zusammengestellt und so ein um-fassendes Gemälde dieses zu früh verstor-benen Künstlers – die Todesursache ist nach wie vor nicht ganz klar, man ndet sowohl die Variante der Drogen-Überdosis als auch des Suizids durch Erschiessen – erschaen. Hiermit wird die Lücke geschlossen, die da-durch entstanden ist, dass nur ein Teil des Walser’schen Werkes von Frankreich wieder in die Schweiz gelangte. Zugleich gelingt es Bütler, ein Gemälde der wilden Endzwanzi-gerjahre in Paris im künstlerischen Umfeld zu zeichnen, das zwischen Kreativität und (Selbst)Zerstörung pendelt. (BK)Südafrika geht mit einem umstrittenen Film in das Rennen um den Auslands-Oscar. «In-xeba» stellt Männlichkeitsbilder und Tradi-tionen in Frage. Die Darsteller des Films er-halten sogar Todesdrohungen.Eine schwule Love-Story vor dem Hin-tergrund eines uralten Initiationsritus des Xhosa-Volkes: Der international gefeierte südafrikanische Film «Inxeba» (dt.: Die Wunde) schlägt in seiner Heimat Wellen. Er ist dieses Jahr der südafrikanische Kandidat für den Oscar für den besten fremdsprachi-gen Film und geht damit gegen «Aus dem Nichts» ins Rennen. Der Film «Inxeba» (Wunde) beschreibt den Initiationsritus «ulwaluko», bei dem junge Xhosa-Männer zwei Wochen in den Busch ziehen, wo sie ohne Betäubung be-schnitten werden. Vor diesem Hintergrund entfaltet sich die Geschichte um den Fabrik-arbeiter Xolani, der Initiierte betreut und entdeckt, dass einer von ihnen schwul ist. Der Streifen über sexuelle Identität und Männlichkeit in einer traditionellen Gesell-schaft gewann bereits mehrere Filmpreise Heinz Bütler: Metro zum Höllentor. Andreas Walser 1908 Chur – 1930 Paris. Limmat Verlag 2017. Preis CHF 39.90 ISBN 9783857918322im Ausland. In Südafrika, wo Homosexuali-tät zwar erlaubt, aber häug nicht akzeptiert ist, waren die Reaktionen gemischt.Während in vielen Ländern Afrikas Aktivisten gegen weibliche Genitalverstüm-melung kämpfen, wird die Beschneidung männlicher Teenager in Südafrika kaum hinterfragt. Sie gilt trotz mehrerer Todes-fälle jedes Jahr als wichtiger Schritt zum Mannsein. Todesursachen sind entweder verpatzte Beschneidungen, unabsichtliche Amputationen, Infektionen oder Dehydrie-rung. Während Experten zufolge früher Be-schneidungen durch erfahrene Stammesäl-teste durchgeführt wurden, wollen heute oft Quacksalber damit Geld verdienen. Die Re-gierung fördert sichere Beschneidungen im Krankenhaus sogar als zusätzlichen Schutz gegen das HI-Virus. Gcobani Qambela, der an der Rhodes-Universität über Xhosa-Männlichkeitsbilder forscht, ist gegen ein Verbot der traditionellen Inititation. Es solle gemeinsam eine Lösung gefunden werden, die die kulturellen Bedürfnisse erfülle, aber Todesfälle verhindere, sagt er. (HE/DPA)Kultur

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23CR U I S E R FEBR UA R 2018KULTURKURZNEWSZÜRICH PRIDE UNTER DEM MOTTO SAME LOVE – SAME RIGHTSNach einigem internen Gemauschel und seltsamen in der Ö entlichkeit ausgetrage-nen Intrigen haben es die Veranstalter der Zürich Pride dann schliesslich doch noch hingekriegt und ein Motto gebastelt, wel-ches ein Flair von «1980er-Jahre» umgibt. Same Love – Same Rights, so der Knaller von 2018. «Das auf homosexuelle Personen zuge-schnittene Gesetz hat für gleichgeschlecht-liche Paare zweifelsohne zahlreiche juristi-sche und gesellschaftliche Verbesserungen gebracht. Das PartG ist jedoch ein Spezial-gesetz; es stellt sich also die Frage nach der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminie-rung aufgrund der sexuellen Orientierung. Einer der Unterschiede, die Stiefkindadop-tion bei gleichgeschlechtlichen Paaren, wurde per 1. Januar 2018 eliminiert, nach dem gescheiterten Referendum von konser-vativen Kräften aus EDU, SVP und CVP», wir in der Pressemitteilung erklärt. Und weiter: «Wir fordern heute die Ö -nung der Ehe für alle. Es geht dabei um die Zivilehe; die kirchliche Trauung kann nicht durch ein Zivilgesetz geregelt werden. Die in Irland durchgeführte Kampagne zeigt deut-lich, dass diese Präzisierung wichtig ist, um jegliche Verwirrung in der Bevölkerung zu vermeiden». Die verwirrte Cruiser-Redak-tion freut sich aber trotz des Rauswurfs von Denis Klä ger auf die Pride und ho t, dass dort intern nun alles geklärt ist und im Som-mer mehr oder minder im Sinne der Veran-staltung agiert wird … und nicht im Sinne einzelner Veranstalter. (MM)A N Z E I G EA FILMBYMUSICSUPERVISORWRITTEN &PERFORMED BYCASTINGBYCOSTUMEDESIGNERPRODUCTIONDESIGNEREXECUTIVEPRODUCERSPRODUCEDBYAB MÄRZ IM KINOGOLDEN GLOBEAWARDS®3 NOMINATIONENBRITISH ACADEMYFILM AWARDS4 NOMINATIONEN«VON EINER BERÜHRENDEN, ÜBERWÄLTIGENDEN ZÄRTLICHKEIT»«EIN UNVERSCHÄMT SCHWÄRMERISCHER FILM»CBYN-210x140mm.indd 1 18.01.18 09:53

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24CR U I S E R FEBRUA R 2018REPORTAGESCHLANK DURCH GENDIÄT?Die Genanalyse weckt Hoffnung und Ängste. Die einen suchen in den Genen die Gründe für Homosexualität, die anderen wollen damit schlank werden. Uns hat Letzteres interessiert.Lesen inden Genenüber 100-seitigen Bericht nachzulesen, wie hoch der Magnesium-Bedarf ist und welche Nahrungsmittel dem Körper guttun. Zudem gibt es ein persönliches Beratungsgespräch. Kostenpunkt: rund 900 Franken. Das ist viel Geld und hält viele davon ab, den Test durchzuführen. Das spürte in den letzten Wochen auch die Niederlassung des gröss-ten Anbieters in der Schweiz: Die Firma musste Konkurs anmelden. Dafür sind an-dere schnell in die freie Lücke gesprungen.Gentest aus der ApothekeDie Nutrigenetik, also wie Genvarianten unseren Stowechsel beeinussen, ist eine relativ neue Forschungsdisziplin. Ziel ist es, aufgrund der DNA-Analyse präzise Ernäh-rungsempfehlungen für jede Person abzu-geben. Während anfänglich meist Firmen aus den USA wie 23andMe solche kommer-ziellen Gentests anboten, spezialisieren sich nun auch immer mehr europäische Firmen darauf .Unabhängig vom Anbieter: Studien zeigen, dass die Gene mitverantwortlich sind für Fettleibigkeit oder für Unverträg-lichkeiten wie Laktose- oder Glutenintole-ranz. Auch die Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren, Vitaminen oder Antioxidantien wird oenbar von einzelnen Genvarianten beeinusst. Doch helfen die DNA-Analysen aus den Apotheken auch tatsächlich beim Abnehmen? Die «Schweiz am Wochenende» hat sich dieses emas in einem Artikel aus-führlich angenommen und die Autorin hat mit einem Anbieter des Apotheken-Gen-tests gesprochen. Im Artikel der Zeitung kommt Franziska Hunziker zu Wort. Hunzi-ker war früher klassische Ernährungsbera-terin: «Jeder Körper verwertet Nahrung un-terschiedlich. Es kommt nicht nur darauf an, was man isst, sondern wer es isst», sagt Hunziker. Daher sei es beispielsweise nicht sinnvoll, allen von gesättigten Fettsäuren abzuraten. Manche könnten problemlos Mit einem Wattestäbchen streicht René Jenni über die Innenseite der Wange, steckt es in ein Röhrchen, füllt einen Fragebogen zu Alter, Grösse, Gewicht, Sportgewohnheiten sowie Lebensstil aus und schickt alles anonymisiert zur Analyse ins Labor. VON M O E L M A P H YBesonders der schwule Teil der LGBT*-Community (und davon auch wieder nur eine Teilmenge) plagt spätestens nach Neujahr der Gedanke, dass man frü-her oder später wieder auf die Waage steigen sollte. Die guten Vorsätze sind ziemlich si-cher bereits im Januar verput und daher müssen neue Ideen her. Beim Einkauf bei unserem Lieblingsapotheker René Jenni in der Leonhards Apotheke stiessen wir auf eine Broschüre, die viel verspricht: Abneh-men mittels Genanalyse. Natürlich haben wir das ausprobiert! Für die Analyse der Gene wird wie in einem Hollywood-Krimi mittels eines speziellen Test-Sets ein Ab-strich an der Mundschleimhaut gemacht, das Wattestäbchen wird hernach ins Labor zur Analyse geschickt.Nach rund drei Wochen liegen die Re-sultate vor. Sie zeigen, ob beim Probanden eher Fette zu Übergewicht führen, ob er Jo-jo-Eekt-gefährdet ist oder ob dieser auf-grund der Gene dazu tendiert, «mehrere kleine Snacks zu essen». Ebenfalls ist im

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25CR U I S E R FEBRUA R 2018REPORTAGESCHLANK DURCH GENDIÄT?Butter essen, weil bei ihnen das Cholesterin weniger stark ansteige. «Dies lässt sich nur durch die Gene erkennen.»In der Schweiz am Sonntag kamen im Artikel auch kritische Stimmen zu Worte. Sabina Gallati, Professorin für Humangene-tik und Präsidentin der Kommission, die den Bund beim ema Genetik berät, warn-te in der Schweiz am Sonntag davor, Wun-der zu erwarten. «Körperliche Aktivität, Schadstoe und Medikamente sind min-destens so wichtig wie genetische Einüs-se», sagte Gallati in besagtem Artikel. Hinzu komme: «Beim Energiestowechsel spielen mehrere hundert Gene eine Rolle. Doch bei den freikäuichen, sehr standardisierten Tests werden lediglich wenige Dutzend Gen-Varianten untersucht.» Dies verzerre das Resultat und damit auch die Erfolgsaus-sichten, allein aufgrund der Genanalyse Gewicht zu verlieren.Das Zauberwort: NutrigenomikRené Jenni ist einer der Apotheker, der stän-dig auf der Suche nach Innovationen ist und «seine» Apotheke schon längst neu und äus-serst erfolgreich positioniert hat; vom Pil-lenverkaufsladen zum modernen Gesund-heitszentrum. Ergo hat auch er den Test bereits bei verschiedenen seiner Kunden durchgeführt und bestätigt: «Ich weiss nicht, ob es einfach an dem bewussteren Umgang mit der Ernährung liegt oder eek-tiv an der Auswahl der Speisen. Aber ich muss sagen, dass bisher alle, die diesen Test gemacht haben und sich an den damit ver-bundenen Ernährungsplan hielten, gut bis sehr gut abgenommen haben.» Jenni erklärt seinen Kunden aber ganz klar, dass die Er-nährungsumstellung auch ein Stück Arbeit bedeute. «Es kann sein, dass sich jemand bisher extrem kohlenhydratarm ernährt hat und plötzlich stehen wieder Teigwaren und Reis auf dem Speiseplan – das verunsichert die Patienten teilweise enorm. Hier kom-men wir als Apotheke – oder eben als Ge-sundheitszentrum – ins Spiel, denn zum Ernährungsplan gehören auch entspre-chende Gespräche und Beratungen», er-klärt der Apotheker weiter. Die Nutrigeno-mik steht noch am Anfang. Progenom und andere Anbieter verkaufen in der Schweiz jährlich etwa 4000 solcher Gentests, schätzt das Bundesamt für Gesundheit. Nutrigeno-mik als blosse Geschäftemacherei abzutun, greift allerdings zu kurz. Es existieren durchaus Beweise, dass die Gene die Ver-wertung der Nahrung und das Risiko für Krankheiten beeinussen. So bauen Men-schen mit einer bestimmten Genvariante Koein langsamer ab und bekommen eher Herzinfarkte. Dass der bekannteste Anbie-ter in der Schweiz die Segel streichen muss-te, hat unter anderem auch damit zu tun, dass die Bevölkerung mit der ematik noch zu wenig vertraut ist. Jenni sieht es ge-lassen. Es gibt auch andere Möglichkeiten, langfristig Gewicht zu verlieren. Er selbst hält seine schlanke Figur durch tägliches Joggen. «In meinem Fall ist dies die beste Figur-Kontrolle und baut zudem auch Stress ab», sagt der Apotheker und lacht. Studien zeigen, dass die Gene mitverantwortlich sind für Fett-leibigkeit oder für Unverträg -lich keiten wie Laktose- oder Glutenintoleranz.Anhand von rund 60 Genen wird dann der persön-liche Ernährungstyp ermittelt.A N Z E I G EUn-ruhebewahren.al-zh.ch4.3.2018 AL-Liste 6Richard Wolff wieder in den Stadtrat.

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26CR U I S E R FEBR UA R 2018KOLUMNEMIRKODie Schweiz ist keine InselVON M I R KOSeit wir Jugos in der Schweiz sind, tätscht’s eidütig mehr an Silvester und auch am 1. August. Ach je, und die armen Schweizer Haustierchen, die sich nicht daran gewöhnen können. Ich ha scho alles ghört. Ich begri ’s nöd. Ist euch schon klar, d’Zuekunft ghört de Chinese und bi dene chlöpfts grad no chli meh zum Jahres-wechsel. Also gwöhned euch besser scho mol dra und danket üs, dass mir euch scho jetz uf d future vorbereitet. Übrigens mitti Februar beginnt das chinesische Jahr vom Braunerde-Hund, irgendso. Treue, Sinn für Geld und Pragmatismus soll es bringen. Das mit der Treue loht mi chalt, aber wer weiss, han i morn scho Schmetterling im Buuch und alles isch anders. Den Sinn für Geld kann ich brauchen und Pragmatismus, den habe ich schon. Chunnt guet. Ich scha e z Züri und wohne in Dietike und d Ziit im Zug vom Büro hei nutz ich öppe, um Jungs z  n-de für Stress Relief. Usser wenn i is Gym gohn, ja, im Braunerde-Hundjahr soll Sporttreiben auch zu den grossen Trends gehören, han i gläse. Guet, letscht Jahr bin ich weniger in die Muckibude, war ja auch noch kein Hundejahr, mol luege, wie’s das Jahr wird. Also wenn i nöd Gwicht stemme und im Spiegel mich und die andere Bros aluege und au nöd muess scha e oder mit mire Family ume hange, denn machi de Sport vo de Arme, nämli Sex. Kostet nüt und ich fühl mich super danach. Vergässe isch de Arsch vome Kolleg, wo sini Arbeit uf mich abschiebt, oder die anderi mit ihre Gschichte vo ihrem Stecher, wo so guet Ikea-Schränk zämebout. Gseht scho scharf us, das Teil, bi mir chönnt er de Schrank ipackt loh. Ich hätt besser’s ztue für ihn. F*ck, ho entlich wird dieser Text schnell fertig, ich muss dringend uf d Jagd. Weisch, die Kollegin mit de Ikea-Schränk, sie hat no-nes Video von ihrem Typen gezeigt, wie er sich einen abschwitzt in den Fussballshorts beim Montieren der Schubladen. Wissi Shorts sind immer guet, wenn’s verschwitzt sind. Mirko, hör uf! Isch guet. Fertig jetz! Ds Braunerde-Hundjahr soll auch ein Egois-tenjahr werden. Nöd bi mir. De Typ hätt au Spass bi mir, meh als bim Flatpackmöbel-verschrube. Ich bi sackstarch im Nahkampf, chasch glaube! Sex isch ja e chli wie das Chlöpfe am Silvester, es muss viel, laut und heftig sein, sonst wirkt’s nicht. So ne heavy Restart halt. Slivovitz wirkt ähnlich.Aber weisch, wie het mi de Gummi bim Sex scho gnervt. Mängmol isch ok. Aber immer mal wieder war Sex stressig wegen dem Gummi. Ja, denn passt er nöd, denn chlemmt er, denn rutscht er ab. Aber ja, es hat irgendwie schon immer geklappt. Aber sorry, jetzt wo ni weiss, dass es au andersch safe cha sii, nei echt, kei Luscht meh. Ich habe zwar e grossi Schnurre und wenn’s um meinen Spass geht, denn goh ni hart a d Grenze, aber eigetlich han i scho immer uf-passt. Aber echt, es gibt andere Lösungen – und ich hab mich informiert. Die blaue Pil-le, nenei, nöd die, die anderi. Ich meine die anderi blaui Pille, PrEP halt, die Pille, wo’s möglich macht, dass de Gummi chasch wegloh. Also ich ha drüber gläse, ha lang gwartet, dänkt, irgendwenn chunnt denn das i de Schwiiz scho, aber als nichts ging, bin i zum Döktu, aber das isch es Gschiiss gsi. Echt, ich ha das Gspräch abbroche und bi gange. D Rechnig het de Arzt denn doch gschickt, ghulfe het er jo zwar nüt. So han ich wiiter umegfröget und immer war da so ein Riesezügs. Warum tüends bi de Anti-Babypille nöd so dumm? Das isch au Sex nur zum Spass, oder? Was isch denn de Un-terschied? Und denn e Tonne vo Tests, wo mr müessi mache und alles. Meinen die ei-gentlich, d Schwiiz sig en Insle? Meinen sie, ich könne mir im Internet die Infos nöd hole? Ich kam zum Schluss, dass die PrEP gar nöd so e Sach isch. Weisch was, wenn ihr in der Schweiz schwierig tüend, z Dütsch-land isch es eifacher, han i denn letscht Jahr pragmatisch denkt – und es war noch nicht mal das Braunerde-Hundjahr. Jetzt fahr ich ab und zu über d Grenze: Wie megaviel an-deri au, günstig ichoufe – und in meinem Fall no gschnell bim Arzt vorbi und denn ab i d Apitheek – und auch das Medi ist günstig, drei Vodka-Red Bull weniger in Züri, dass isch’s mir wert. Gut, ich könnte es auch in  ailand bestellen und mit Bitcoin bezah-len. Geht auch, aber wenn ich über d Grenz gehe, dann hab ich noch dezue e bitz Ab-wechslig bi de Jungs. Günstig shoppen auf der ganzen Linie. Dann sind alle wieder glücklich, ich uf jede Fall. Shit, jetz chunnt mer de Typ wieder z Sinn, i sine wiisse Shorts und em Ikea-Schrank... Mal schauen, wer weiss, gits bi mim Nachbar no grad öp-pis zum Bohren, oder doch besser per App uf d Jagd? D Rechnig het de Arzt denn doch gschickt, ghulfe het er jo zwar nüt.Für Mirko hat Shoppen in Deutschland mehr Facetten, als sich manch einer vorstellt.

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CR U I S E R FEBR UA R 2018MännerräumeDas Angebot an Meditations-, Massa-ge-, Yoga- und Kuschelabenden für Männer wächst vor allem in Zürich stark. Insbesondere der Verein Bodyworker hat es sich auf die Fahne geschrieben, diese Art von Männerevents als Alternative zu den Gaysaunen, Gayparties, etc. regelmä-ssig zu veranstalten. Hinzu kommen weite-re Anbieter wie das Sexological Bodywork Center, der Naked-Yoga-Lehrer Rolf Matt und die in Berlin ansässigen Veranstalter Authentic Eros und Gay Love Spirit, welche ab und zu auch in Zürich ihre Workshops veranstalten. In dieser Ausgabe stellen wir einige der Angebote vor: MEDITATIONRomeo Todaro ist Experte auf dem Gebiet Meditation & Achtsamkeit und veranstaltet neben seinen Workshops (z. B. Stressbewäl-tigung durch Achtsamkeit) auch an jedem ersten Donnerstag im Monat einen Medita-tionsabend für Männer.HOLD & CUDDLEAn diesem Kuschelabend geht es darum, Nähe und Geborgenheit zu erleben. In ei-nem strukturierten Ablauf mit verschiede-nen auf die Gruppe angepassten Übungen  nden die Männer zueinander und tauchen bewusst in Kontakt und Berührung ein.NAKED YOGAEntspanntes Yoga in absoluter Freiheit. Ohne einengende Kleidung. Das ist das Naked Yoga, das Rolf Matt in seinem Studio an der Militärstrasse jeden Dienstagabend anleitet. Anfänger und Fortgeschrittene sind herzlich willkommen. PLAYFUL TOUCHUnter diesem Titel  ndet jeden Monat ein Massageaustauschabend für Männer mit Bodywork-Erfahrung statt. Zweimal im Jahr gibt es einen Einführungs-Nachmittag für Männer, die noch keine Erfahrung haben oder sich noch nicht sicher sind, ob sie ge-nug Erfahrung mitbringen. NAKED MEN WEEKENDIm März  ndet ein Workshop-Wochenende mit Yoga, Contact Improvisation, Massage, aktive Meditation und vielen weiteren Spie-len statt. Zusammen nackt sein, sich befrei-en, Hemmungen loslassen, auf achtsame Art in Kontakt mit sich selbst und anderen kommen ist das Motto dieses Wochenendes. Ein Highlight wird eine Liquid Love Session sein: Eine gemeinsame Entdeckungsreise, bei der die Sinnlichkeit von  ießendem Hautkontakt mit warmem Öl erforscht wird.In dieser Ausgabe des Cruiser erscheint zum ersten Mal der «Männerräume»- Kalender, welcher monatlich einen Überblick über verschiedene Events, Workshops und Kurse nur für Männer gibt.Z Ü R I C Hn Mi, 14.02.2018, 19:00 - 21:30 UhrHOLD & CUDDLE - Kuschelabendn Mi, 21.02.2018, 18:30 - 22:30 UhrPLAYFUL TOUCH - Massageaustauschn Di, 27.02.2018, 19:30 - 21:30 UhrPLEASURE! - Orgasmus-Trainingn Sa / So, 03. / 04.03.2018NAKED MEN - Workshop-Wochenenden Sa, 10.03.2018, 13:00 - 18:30 UhrPLAYFUL TOUCH basics - Massageaustausch Einsteigerkursn So, 11.03.2018, 12:00 - 17:30 UhrPLAYFUL TOUCH - Massageaustauschn Mi, 14.03.2018, 14:00 - 21:30 UhrEROS TEMPEL - Tantramassage erlebenn Do, 15.03.2018, 19:00 - 21:30 UhrHOLD & CUDDLE - KuschelabendRegelmässige Termine:n jeden ersten Donnerstag im MonatMEDITATION & MINDFULNESSn jeden DienstagNAKED YOGAInfos & Anmeldung beim jeweiligen Anbieter: n www.loveloungezuerich.com n www.bodyworker.ch n www.sexologicalbodywork.ch n www.menbodywork.ch n www.gay-yoga.chKomplette Terminübersicht unter:www.männerräume.infoPeterBolliger-www.peterbolliger.comNiederdorfstrasse67-8001ZürichTelefon+41792363920A N Z E I G EPeterBolligerNiederdorfstrasse67-8001Zürichwww.peterbolliger.com|+41792363920

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28CR U I S E R FEBRUA R 2018BÜRGERLICHE HOMOSEXUELLEIRRITIERENDES SPIESSBÜRGERTUMBürgerliche Homosexuelle in der SubkulturCarolin Emcke sagt: «Wer der Norm entspricht, kann dem Irrtum verfallen, dass es sie nicht gibt.» Ein kluger Satz auch in Bezug auf die Kultur der Homosexuellen?VON PETER THOMMENIch bin aufgewachsen in heterosexuellen Strukturen und knapp dem traditionell-bürgerlichen Homosexuellen-Verständ-nis entronnen. Ich erlebte das Schwulsein als «Nebenwiderspruch» bei Linken der 70er-Jahre und die «Beerdigung der bürger-lichen Familie» im Vierwaldstättersee an einem CSD in Luzern 1983. Nach bald 50 Jahren kommt mir die Schwulenbewegung bereits, als «Nebenwiderspruch» von bür-gerlichen Gays bezeichnet, entgegen. Jede soziale Bewegung läuft einmal in bürger-liche Gewohnheiten und Wiederholungen hinein, wenn sie es aufgibt, Widersprüche und Ungerechtigkeiten zu benennen und Vielfältigkeit auächernd darzustellen.Wer die alten Ausgaben des «Kreis» liest, wird ihn nden: Den Freund, der da-mals nicht zu haben war fürs ganze Leben. Jedenfalls nicht in der bürgerlichen Absi-cherung wie in der heterosexuellen Ehe. In der Ausgabe 4/1960 ndet sich ein Text von Rolf, der sich auf eine Freundschaftsweihe in der griechisch-orthodoxen Kirche bezog: «Mann und Frau lassen ihren Willen zur Lebensgemeinsamkeit weihen vor der höchsten Instanz. Warum nicht auch Freunde? Es würde viele Homoeroten zu einem ganz anderen Leben als der ewigen Jugend nach Abenteuern verpichten und es würde Freunde vor der Allgemeinheit, vor allem aber auch vor Staat und Kirche, in ein ganz anderes Licht stellen als das der bloss sexuellen Berührung.»Männerliebende Männer werden im-mer in Dierenz zur Mehrheit von «richtig Sexuellen» stehen, weil sie nicht dem Ge-schlecht ihrer Gebärerinnen huldigen und sich daher nochmals abnabeln müssen, (was bei frauenliebenden Frauen ganz an-ders ist), auch wenn sie sich in die vertrau-ten Formen der Ehe giessen lassen. Wir soll-ten uns immer daran erinnern können, dass wir meistens aus Fortpanzungs-Familien Auch wenn die Junghomos in einem gestylten Life herumlaufen, sollen sie eine interessante Mentalität dazu entwickeln.

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29BÜRGERLICHE HOMOSEXUELLEIRRITIERENDES SPIESSBÜRGERTUMkommen und unser Leben nicht mit dem später vorgezogenen Geschlecht beginnt, sondern mit dem anderen. Elisabeth Badin-ter* weist darauf hin, dass dies gleich nach der Empfängnis beginnt: «Ein Mann zu werden, heisst in Opposition zur ersten weiblichen Heimat eine Identität zu nden, gegen das Weibliche, später auch gegen die eigene latente Homosexualität...»Der bürgerliche Homosexuelle ist uns historisch als Mann bekannt, der nanziell unabhängig war und sich die Freunde auch ausserhalb seiner Gesellschaftskreise und auf Reisen suchen konnte, oft neben seinen bürgerlichen Verpichtungen. Der «gewöhn-liche Homosexuelle» ist eine relativ neue Umschreibung (Dannecker und Reiche, 1974) und bezieht sich auf Arbeiter, Ange-stellte und Studenten, die erst durch die Schwulenbewegung überhaupt sichtbar wurden und sich selbst sehen konnten, obwohl es sie schon immer vereinzelt irgendwo gegeben hat.Ich begegne immer wieder bürgerli-chen Homosexuellen, oder gar bürgerlichen Schwulen. Sie nutzen Subkultur und Szene, haben aber ständig Kritik daran und sind schwer enttäuscht, wenn sie ihre spezi-schen Bedürfnisse darin nicht befriedigen können. Dabei ist ein Teil von ihnen «Bat-zenklemmer» und ein anderer Teil glaubt, mit Geld leicht und schnell zum Ziel zu kommen. Sie fühlen sich zwar durch Be-dürfnisse mit den anderen verbunden, aber nie als Teil dieser oder jener Gruppe – es sei denn, diese sei etwas abgehoben von den-jenigen, die sie selber innerlich verachten gelernt haben. Ich wurde immer wieder in Diskussionen verwickelt, die für mich kei-nen Sinn ergaben. Bis ich merkte, dass es ihnen gar nicht um Kommunikation, son-dern eigentlich um persönliche Abgren-zung geht. Ähnlich empnde ich aktuelle Diskussionen innerhalb der Buchstaben-menschen: Bestimmte Leute sollen andere nicht diskriminieren. Sie haben keine Ah-nung, warum sich das so entwickelt hat. Sie spüren aber eine Dynamik, die aus der Mehrheit zurückwirkt: Wenn Minderheiten schon Toleranz einfordern, sollen sie erst mal gegenüber der Mehrheit und unterein-ander tolerant sein. Diese Denkebenen sind zwar auf gleicher Augenhöhe: Aber keine/r will weiter über den Ursprung nachdenken müssen. In der queeren Familie wird über die unterschiedlichen Bedürfnisse und wie sie entstanden, geschwiegen. Daran würde eben sichtbar, wie wir uns unterscheiden und dass wir das auch akzeptieren müssen, ohne es uns immer vorzuwerfen, wie das «richtig Sexuelle» ja auch tun. Vor 200 Jah-ren wurden im englischen Bürgertum bei privaten Zusammenkünften die damals neue Schokolade heiss getrunken und dazu wurden witzige Bemerkungen gemacht. So ähnlich empnde ich Heteros, die mal eine witzige Bemerkung über Schwule machen und dann erstaunt sind über eine gescheite Antwort des «Getroenen».Bürgerliche Schwule hatten es nie nötig, in die Subkulturen zu gehen. Viele waren trotzdem immer wieder da, weil sie die Feierlaune, die Bedürfnisbefriedigung oder Freunde da hineinzogen. Wichtig ist immer, dass für ihr Geld etwas geboten wird. «Wir sind nicht wie diese», sagten die bürgerlichen Homophilen über Schwule auf der Strasse. Das gleiche sagen heute die ehe-mals Bewegten über Queers von heute.«Was wirkliche Toleranz von Schein-toleranz unterscheidet, ist ihr Wissen um das noch Dierente und das Akzeptieren des Anderen als Anderen. » (Martin Danne-cker: Der Homosexuelle und die Homo-sexualität, 1978)Dannecker sagte einmal, er habe sich immer auch für Demos ansprechend ange-zogen, weil für eine Schwulenbewegung musste Mann nicht «scheisse aussehen». Und ich ergänze, auch wenn die Jung-homos in einem gestylten Life herumlau-fen, sollen sie eine interessante Mentalität dazu entwickeln.Oft sind bürgerliche Männer verge-ben, aber für vieles oen, bedingen sich aber absolute Diskretion aus. Die Frauen-bewegung hat uns aber gelehrt, dass das Private öentlich kontrolliert wird und das Öentliche das Private mitbestimmt. Mir ist aufgefallen, dass sie «Schönheit» in vielen Formen um sich versammeln oder drapie-ren: Bilder anderer, die sie zu Collagen ver-arbeiten oder eifrig weiter herumzeigen. Bürgerliche Schwule und Lesben wollen zwar ihre Rechte einfordern, aber wie sie privat leben, das geht dann niemanden et-was an. Dabei hat ein Coming-out den Sinn, die innere Welt mit der äusseren Wirklich-keit in ein lebbares Verhältnis zu bringen – das ganze Leben lang. * (frz. Philosophin) in Wochenpost (BRD) Nr. 37, 9. September 1993, S. 34/35 Jede soziale Bewegung läuft einmal in bürgerliche Gewohn-heiten und Wiederholungen hin-ein, wenn sie es aufgibt, Wider-sprüche und Ungerechtigkeiten zu benennen und Vielfältigkeit auffächernd darzustellen.Männerliebende Männer werden immer in Differenz zur Mehrheit von «richtig Sexuellen» stehen, weil sie nicht dem Geschlecht ihrer Gebärerinnen huldigen und sich daher nochmals abnabeln müssen.Bürgerliche Homosexuelle nutzen Subkultur und Szene, haben aber ständig Kritik daran und sind schwer enttäuscht, wenn sie ihre spezifischen Bedürfnisse darin nicht befrie-digen können.CR U I S E R FEBRUA R 2018

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30CR U I S E R FEBR UA R 2018SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURJournalist will wissen, wie Stalin zu Schwulen stehtEin junger, schwuler, britischer Journalist schrieb im Mai 1934 einen Brief an den allmächtigen Sowjetmachthaber Josef Stalin. Harry Whyte, überzeugter Kommunist und in Moskau arbeitend, wollte Klarheit über die Haltung der regierenden Kommu-nistischen Partei gegenüber den Schwulen.Der schwule Journalist Harry White glaubte 1934 mit jeder Faser seines Herzens an den Kommunismus – was sich letztendlich als fatal erwies.

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31SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURVON A L A I N S O R E LEr nahm als engagierter Homosexuel-ler kein Blatt vor den Mund, begrün-dete jeden Satz, reihte Argument an Argument in seinem ausführlichen Schrei-ben an den Genossen Stalin, den Führer der Sowjetunion. Der 27-jährige Harry Whyte aus Edinburgh, von Beruf Journalist und seit 1933 Chefredaktor der «Moscow News» in Moskau, war beunruhigt über ein neues Gesetz, das Homosexualität mit fünf bis acht Jahren Lagerhaft oder Unterbringung in der Psychiatrie bestrafte.Nur kurze Verschnaufpause für HomosexuelleWhyte verstand die Welt nicht mehr. Mit je-der Faser seines Herzens an den Kommu-nismus glaubend, hatte er auf die Befreiung der Schwulen in der Sowjetunion vertraut, in der Annahme, das neue Staatsmodell bringe Freiheit und Gleichheit dem Volk und auch allen Minderheiten, überwinde Kapitalismus und Knechtschaft und sei be-rufen, die Weltrevolution zu verwirklichen. Bezogen auf Schwule waren denn auch nach der Machtübernahme der kommunis-tischen Bolschewiki vor jetzt 100 Jahren – am 7. November 1917 – in der Tat Anzeichen, wenngleich verhaltene, einer Liberalisie-rung auszumachen gewesen. Zum neuen Gesetz aber, das am 7. März 1934 vom Zentralexekutivkomitee der Sowjetunion bekräftigt wurde, hatte Whyte Fragen und er brannte auf Antworten. War-um nicht von jenem, der an der Spitze des 1922 gegründeten, noch jungen Staates stand und auch die Kommunistische Partei beherrschte? Stalin musste doch ein pro-fundes Wissen über gesellschaftspolitische Zusammenhänge besitzen und Whyte ent-weder die Lage darlegen können – oder ein-schreiten. «Schwul, und doch ein guter Revolutionär»Au allend ist, dass Whyte nicht in der Lage war, aus freiem Geist heraus schlicht und einfach ein Plädoyer zugunsten der vom neuen Gesetz bedrängten Homosexuellen zu halten. Die Zeilen widerspiegeln sein krampfhaftes Bemühen, seine Veranlagung mit seiner kommunistischen Überzeugung in Einklang zu bringen. Die Ideologie hat ihn verbogen, hat sein Weltbild gefärbt. Un-terschwellig kommt stets die Angst zum Vorschein, wegen seiner Homosexualität nicht in die Kommunistische Partei der So-wjetunion überführt zu werden, wie das für Mitglieder ausländischer kommunistischer Parteien – Whyte gehörte der britischen an – möglich war. Aufschlussreich ist, dass er Zeugen zi-tiert, die ihm bestätigt hätten, er könne trotz seiner Veranlagung ein «guter Revolutio-när» sein. Ganz o ensichtlich hätte eine ge-genteilige Meinung gereicht, ihn zutiefst zu verunsichern. Nach dem Motto «Weil nicht sein kann, was nicht sein darf» sieht er ➔ Als glühender Kommunist hatte er auf die Befreiung der Schwu-len in der Sowjetunion vertraut.29 ForscHunGHiv & A lt e r Body Esthetic Ästhetische Behandlungen in Zürich bodyestehtic.ch / 044 381 20 20 Alle Behandlungen unter ärztlicher Leitung Hyaluronsäure Filler z.B. Nasolabialfalte / Lippen je 400.- Penisverdickung 400.- Botulinumtoxin z.B. Stirn / Augen je 180.- Zornesfalte 200.- Kryo – Fett weg mit Kälte z.B. Bauch / Lenden je 199.- (inklusive Endermologie) Dauerhafte Haarentfernung SHR z.B. Achseln 69.- Rücken / Schulter 329.- ANZEIGESTERBEN WAR GESTERN: alTern miT HiVSchwelle bei 60 gesetzt, dann hätten wir viel weniger Patienten einschliessen können. Ein bedeutender Vorteil dieser Studie ist die grosse Zahl an Teilnehmern sowie deren Zu-sammensetzung, die repräsentativ ist für die HIV-positiven Personen in der Schweiz. Das wird sich in den Resultaten spiegeln.Liegen bereits Resultate vor?Nein. Die erste Testreihe wurde erst im Spätsommer 2016 bei allen Teilnehmern abgeschlossen.Wie geht eine solche Untersuchung vonstatten?Für alle Tests bei einem Studienteilnehmer benötigen wir einen ganzen Tag. Wir neh-men Blut- und Urinproben (nüchtern) ab, messen die Knochendichte, fahren eine ko-ronare Computertomograe und erfassen mittels neuropsychologischer Testung die geistige Fitness. Bei der Verlaufsuntersu-chung nach zwei Jahren führen wir zusätz-lich ein Interview zu den Ernährungsge-wohnheiten durch.Damit festgestellt werden, ob Menschen mit HIV schneller altern als die Allgemein- bevölkerung, muss mit einer negativen Kontrollgruppe verglichen werden … Für die Herzkranzgefässe-Untersuchung haben wir eine HIV-negative Kontroll- gruppe. In dieser erfassen wir zusätzliche Informationen wie Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Medika-menteneinnahme, körperliche Tätigkeit und weitere Informationen.Doch für die gesamte M+A-Studie haben wir keine HIV-negative Kontroll-gruppe. Das wäre logistisch und nanziell eine grosse Herausforderung. Zudem wäre es grundsätzlich schwierig, eine geeignete Vergleichsgruppe zu nden.Werden Sie die Frage, ob HIV das Altern beschleunigt, beantworten können?Ich hoffe es. Unsere Resultate werden ein wichtiger Mosaikstein sein zur umfassen-den Beantwortung dieser Frage. Helen Kovari ist Oberärztin mit erweiterter Verantwortung an der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene des Universitätsspitals Zürich. Als HIV-Spezialistin ist sie sowohl in der Betreuung von Patienten wie in der Forschung tätig. Im Rahmen der Schweizerischen HIV-Kohortenstudie leitet sie zurzeit zwei Studien, die sich mit dem Alterungsprozess HIV- positiver Personen sowie dem Einfluss von HIV auf die Leber beschäftigen.* Das Interview ist in ausführlicher Form in den «Swiss Aids News» des Bundesamts für Gesundheit (BAG) nachzulesen.A N Z E I G E

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32CR U I S E R FEBRUA R 2018SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURdie Befreiung der Schwulen nur in einem kommunistischen System gewährleistet. Er schreibt, er habe die Verhaftung von Homo-sexuellen stets akzeptiert, wenn die Grün-de dafür politischer Natur gewesen seien. Das legt den Schluss nahe, dass er für den Schutz Andersdenkender, für Meinungs-freiheit und demokratischen Wettbewerb kein Gehör hatte.Whyte unterteilte in seinem Brief an Stalin die Homosexuellen in zwei Katego-rien: Die einen waren für ihn konstitutionell, von Geburt an so veranlagt, während die an-deren, einst heterosexuell, durch «Laster-haftigkeit» oder wirtschaftliche Not schwul geworden seien. Die zweite Gruppe rückte er unbedenklich in die Nähe der Bourgeoisie. Und von da war es für ihn nur noch ein klei-ner Schritt zum Kapitalismus, der gegen die Homosexualität sei, weil sie eine Bedrohung für die Geburtenrate darstelle. Der Kapita-lismus brauche aber für sein Gedeihen ei-nen beständigen Nachschub aus einer per-sonellen Reserve. Das war ein ideologischer Eiertanz mit einem versteckten, anbiedern-den Appell an den Kommunismus, in sei-nem Kampf gegen den Kapitalismus zum Beschützer der Homosexuellen zu werden. Für Stalin ein «Degenerierter»Zumindest die konstitutionell bedingte Ho-mosexualität sei als prozentual unbedeu-tende Minderheit in einem sozialistischen Staat keine Bedrohung für die Gesellschaft, führte er aus. Das sieht so aus, als habe er den Machthaber mit einer Art «Obergrenze» gnädig stimmen wollen. Whyte hote, mit Stalin in eine Dis-kussion eintreten zu können. Der Diktator las zwar den Brief, würdigte aber den Ver-fasser keiner Antwort. Ob dieser vom Ver-merk des Sowjetgewaltigen auf der ersten Seite des Briefs je Kenntnis erhielt? Dort stand: «Ins Archiv. Ein Idiot und Degene-rierter. J. Stalin». Worte der Verachtung, die ihn entlarvten: Stalin war gegen die Schwu-len. Davon abgesehen: Stalin diskutierte nicht – er liess morden. Unter seiner Schre-ckensherrschaft kamen Millionen Men-schen ums Leben. Stalins Terror verschonte niemanden, weder Unschuldige, noch seine selber mit Blut besudelten Helfershelfer und Handlanger, die er aber, wohlverstanden, nicht wegen ihrer Untaten stürzte, sondern, weil er ihnen misstraute oder sie nicht mehr in sein Konzept passten.Am 7. März 1934 wurde auf Druck des damaligen Geheimdienstes die Strafbarkeit schwuler Sexualität in der Sowjetunion wieder eingeführt. Stalin stimmte dem neuen Gesetz zu.Der Arbat-Platz in Moskau war in den frühen 1930er-Jahren ein beliebter Treffpunkt für kontakt suchende Männer. Das Regime tolerierte anfänglich das öffentliche Cruising auf diesem Platz.«Ins Archiv. Ein Idiot und Degenerierter. J. Stalin.»Auch Whyte hätte ohne Weiteres von der Geheimpolizei abgeholt werden und in einem der Arbeitslager verschwinden kön-nen, auf Nimmerwiedersehen. Doch er kam mit dem Leben davon. Überliefert ist, dass er die Sowjetunion verliess, in seinem Beruf blieb und 1960 im Alter von 53 Jahren ver-starb. Stalins Schwulenparagraph aber überlebte den Untergang der UdSSR im Jahre 1991 und wurde erst zwei Jahre später aufgehoben. Totalitäre Systeme, ideologisch einander sonst diametral entgegengesetzt, zeigten bei der Regelung erotischer Fragen stets eine auallende Ähnlichkeit: Prüderie, gepaart mit Spiessbürgertum. Mehr oder weniger versteckt findet sich das Thema Männerliebe in der Weltgeschichte, der Politik, in antiken Sagen und traditionellen Mär-chen – aber auch in Wissenschaft, Technik, Computerwelt. Cruiser greift einzelne Beispiele heraus, stellt sie in zeitgenössische Zusammen-hänge und wünscht bei der Lektüre viel Spass – und hie und da auch neue oder zumindest auf-gefrischte Erkenntnisse. In dieser Folge: Ein Brief eines jungen Schwulen an Stalin.

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33CR U I S E R FEBR UA R 2018RATGEBERDR. GAYDR. GAYDr. Gay ist eine Dienstleistung der Aids-HilfeSchweiz. Die Fragen werden online aufwww.drgay.ch gestellt. Ein Team von geschul-ten Beratern beantwortet dort deine Fragen,welche in Auszügen und anonymisiert im«cruiser» abgedruckt werden.Dr. GayVON VINICIO ALBANIMEIN PARTNER HAT MICH BETROGENMein Partner und ich waren zwei Jahre zusammen und hatten eine offene Beziehung. Doch es gab Regeln. Er hat sie gebrochen und hatte Sex mit seinem Ex. Mein Ver-trauen war dahin und ich beendete die Beziehung. Danach war er am Boden zerstört. Ich bin momentan völlig durcheinander und habe immer noch Gefühle für ihn. Hast du einen Rat für mich? Tobias (33)Hallo TobiasIch kann deinen Entscheid, die Beziehung zu beenden, gut verstehen. Dein Vertrauen wurde missbraucht. In so einem Fall fällt es schwer zu verzeihen und das zerstörte Ver-trauen wieder aufzubauen. Aber Vertrauen ist in einer Beziehung essenziell. Höre auf dein Herz und dein Bauchgefühl, versuche aber trotzdem, sachlich zu bleiben. Vielleicht könnte etwas Abstand helfen. Nach einer gewissen Zeit siehst du klarer und kannst die Situation besser einschätzen, wenn du deine Emotionen besser im Gri hast. Sobald du bereit bist, suche das Gespräch mit ihm. So kannst du abwägen, ob du ihm zukünftig wieder vertrauen kannst, ob es ein einma-liger Fauxpas war und ob es sich lohnt, an eurer Beziehung zu arbeiten. Finde heraus, was seine Beweggründe waren und ob er es wieder tun würde. Wenn du ein gutes Gefühl hast, wäre es vielleicht einen erneuten Ver-such wert. Wenn du unsicher bist oder merkst, dass du ihm nicht mehr trauen kannst, ziehe einen Schlussstrich. Denn hier gilt ganz klar: besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.Alles Gute, Dr. GayICH KOMME MIT KONDOMEN EINFACH NICHT KLARIch bin HIV-negativ und komme mit Kondomen einfach nicht klar. Das führt dazu, dass ich schlussendlich keinen Sex mehr habe. Wenn ich nun täglich die PrEP nehme und ohne Kondom Analverkehr hätte, wie hoch wäre dann die Wahr-schein lichkeit, dass ich mich mit HIV infi ziere? Thomas (35)A N Z E I G EHallo  omasPrEP steht kurz für Prä-Expositionsprophy-laxe und ist eine medikamentöse Behand-lung zum Schutz vor HIV. Ärztlich begleitet und richtig eingenommen, ist der HIV-Schutz für einen PrEP-Benutzer beim Anal-verkehr mindestens so gut wie mit einem Kondom. Es ist allerdings äusserst wichtig, sich vor dem Beginn der PrEP von einem spezialisierten Arzt untersuchen zu lassen (HIV-Status, Nierenwerte, andere sexuell übertragbare Infektionen etc.). Ohne die -se Untersuchungen sind gesundheitliche Schäden oder das Versagen des Schutzes nicht ausgeschlossen. Nach Beginn der PrEP wird der Verlauf und der Gesundheits-zustand inklusive aller relevanten sexuell übertragbaren Infektionen (STI) in regel-mässigen Abständen überprüft. Die PrEP kann gerade für Personen wie dich, die mit dem Kondom nicht klarkommen, ein idea-les Schutzmittel sein. Am besten, du infor-mierst dich über deine Möglichkeiten und das weitere Vorgehen. Mehr Informationen zu PrEP sowie Kontakte zu Praxen  ndest du auf drgay.ch.Alles Gute, Dr. Gay5 C R U I S E R S o m m E R 2 0 17sliPPerySub j e C t SVoN MARTIN MüHLHEIMC oming-out-Filme gibt es mittlerweile viele, und entsprechend unterschied-lich kommen sie daher: leichtfüssig- komisch wie der britische Klassiker Beautiful ing (1996), eher nachdenklich wie das brasilianische Kleinod Seashore (2015), bisweilen auch zutiefst tragisch – so im israelischen Drama Du sollst nicht lieben (2009), das in der ultraorthodoxen Gemein-de in Jerusalem spielt.Angesichts solcher Unterschiede er-staunt es umso mehr, mit welcher Regel- mässigkeit uns Coming-out-Filme Jungs oder Männer zeigen, die – alleine, zu zweit oder in Gruppen – schwimmen gehen. Nun könnte man das natürlich als Zufall oder Neben-sächlichkeit abtun. Bei genauerem Nachden-ken zeigt sich allerdings, dass sich gleich mehrere Gründe für diese erstaunliche Häu-gkeit nden lassen.Nackte Haut ohne allzu viel SexEine erste, nur scheinbar oberächliche Er-klärung ist, dass (halb)entblösste Körper sich nicht bloss auf der Leinwand, sondern auch auf Filmpostern und DVD-Covern äus- serst gut machen. Schwimmszenen bieten ein perfektes Alibi für das Zeigen von nack-ter Haut: Sex sells, wie es so schön heisst.Warum «Alibi»? Weil man – gerade bei Filmen mit jungen Protagonisten – aufpas-sen muss: «Sex sells» mag zwar zutreen, aber allzu explizite Sexszenen können schnell mal zu hohen Altersfreigaben füh-ren. Dies wiederum möchten Filmemacher in der Regel vermeiden: Filme, die erst ab 18 freigegeben sind, lassen sich nämlich weni-ger einfach vermarkten. Auf Amazon.de zum Beispiel werden Filme mit Altersfreiga-be 18 nur an nachweislich volljährige Perso-nen verkau – und gerade für Coming- out-Filme, die sich auch an ein junges Publi-kum richten, ist dies sicher kein wünschens-werter Eekt.Schwimmszenen bieten hier eine per-fekte Kompromisslösung: Man kann nackte Haut lmisch ansprechend inszenieren, da-bei aber allzu heisse Techtelmechtel tugend-ha vermeiden (beispielsweise, indem der Wasserspiegel immer über der Gürtellinie bleibt, wie im niederländischen Film Jon-gens, 2014). Um das Rezept knapp zusam-menzufassen: Man nehme eine grosszügige Portion feuchter Erotik, eine vorsichtige Pri-se Sex – und um Himmels Willen kein Körn-chen Porno. Eingetaucht ins TrieblebenMan täte den lesBischwulen Filmemache-rInnen aber unrecht, wenn man ihre erzäh-lerischen Entscheidungen allein auf nan-zielles Kalkül reduzieren wollte. Es gibt nämlich auch ästhetisch-symbolische Grün-de, die Schwimmszenen für das Genre inter-essant machen. Da wäre zunächst die Funktion des Wassers als Symbol für das Unbewusste. Dieses Unbewusste, so weiss man spätestens seit Sigmund Freud, hat viel mit der Triebna-tur des Menschen zu tun – und so erstaunt es nicht, dass Hauptguren auf der Suche nach ihrer sexuellen Identität sozusagen symbo-lisch in die Tiefen des Unbewussten eintau-chen müssen, um ihr gleichgeschlechtliches Begehren zu entdecken. Figuren in der SchwebeDarüber hinaus hat die Filmwissenschale-rin Franziska Heller in ihrem Buch über die Filmästhetik des Fluiden (2010) gezeigt, dass schwimmende Figuren immer wieder als «schwebende Körper» inszeniert werden: o in Zeitlupe und seltsam herausgelöst aus dem sonst zielstrebig voranschreitenden Erzählprozess. Dieser Schwebezustand wie-derum ist eine wunderbare visuelle Meta-pher für die Phase kurz vor dem Coming-out: Man ist nicht mehr der oder die Alte, aber auch noch nicht ganz in der neuen Identität angekommen. Ein Film macht das Schweben sogar explizit zum ema: In Kinder Gottes aus dem Jahr 2010 zeigt Romeo dem neuro-tisch-verklemmten Johnny, wie befreiend das «Floating» im Meer sein kann.Neben der Inszenierung von Schwebe-zuständen und dem Wasser als Symbol für das Unbewusste ist drittens das Motiv von ➔ Filme, die ersT ab 18 FreiGeGeben sind, lassen sicH nämlicH WeniGer einFacH VermarKTen.ANZEIGE«Was geht mich meine Gesundheit an!» Wilhelm Nietzsche Wir sind die erste Adresse für diskrete Beratung in allen Gesundheitsfragen.Stampfenbachstr. 7, 8001 Zürich, Tel. 044 252 44 20, Fax 044 252 44 21 leonhards-apotheke@bluewin.ch, www.leonhards.apotheke.chIhr Gesundheits-Coach.rz_TP_Leonhards_Apotheke_210x93.3_Cruiser_4c_280317.indd 1 28.03.2017 10:07:37

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34CR U I S E R FEBRUA R 2018MEINUNGMICHI RÜEGGWer schützt uns vor der Polizei?In seinem Artikel auf den Seiten 4 bis 7 beschreibt Michi Rüegg, wie die Zürcher Stadtpolizei mit erfundenen Datingprofilen schwulen Sexworkern nachstellt. Hier sagt er seine Meinung dazu.VON M I C H I R Ü E GG«Auch das Internet ist kein rechts-freier Raum», schreibt Sicher-heitsvorsteher Richard Wol in einem Brief an mich. Damit hat er Recht. Doch auch mein Schlafzimmer ist kein rechtsfreier Raum, nur weil es sich in mei-ner privaten Wohnung bendet. Die Frage ist, wie leicht die Polizei Zutritt zu einem Raum erhalten soll, um dort ihrem Bedürf-nis nachzukommen, für Ordnung zu sor-gen. In mein Schlafzimmer darf sie jeden-falls nicht ohne Weiteres. Paradoxerweise scheinen aber die User von Gay-Websites wie Planetromeo frei von einem Recht auf Privatsphäre zu sein. Denn die Zürcher Stadtpolizei tummelt sich dort mit falschen Prolen, um vermeintli-che Rechtsbrecher ausndig zu machen. Zwar beschränkt sie sich bislang auf Escort-Prole, doch die schwammige Gesetzeslage würde durchaus mehr möglich machen. Beispiel: User geben an, dass sie auf Chem-sex stehen. Was, wenn diese Zielgruppe nun auch ins Visier der Gesetzeshüter rückt? Schliesslich ist auch Drogenkonsum verbo-ten. Zudem ist es für niemanden angenehm, wenn die Polizei einen zur Einvernahme bestellt – etwa, weil man mit einem Escort gechattet hat, oder die eigene Handynum-mer auf dem Telefon eines «verdächtigen» Sexworkers gefunden wurde. Einst hat das Bundesgericht diesem Treiben der Stadtpolizei einen Riegel ge-schoben, weil die gesetzliche Grundlage ge-fehlt hat. Doch nun darf sie unter dem Titel «verdeckte Fahndung» wieder schalten und walten. Den Ausschlag für die Gesetzesän-derung gaben pädosexuelle Straftäter. Ih-nen, so hiess es, wolle man zu Leibe rücken. Keine Frage, wer sich an Kindern vergreifen will, dem muss das Handwerk gelegt wer-den, lautete der gesellschaftliche Konsens. Doch nun jagt die Polizei nicht etwa nur Pä-dosexuelle, sondern erwachsene Männer, die einvernehmlichen Sex suchen. Davon war nie die Rede. Nur in ganz schweren Fäl-le soll so gefahndet werden dürfen, verspra-chen Politiker. Und haben sogleich jedes Versprechen wieder vergessen. Der Zürcher Sicherheitsvorsteher Ri-chard Wol sieht im Vorgehen seiner Beam-ten auf Gay-Websites nichts Problemati-sches. Er weist darauf hin, dass man seitens der Stadt seit Jahren Arbeitsgruppen zum ema Prostitution habe – mit vielen Part-nern aus dem sozialen Bereich. Dabei könn-te er ganz leicht die Ressourcenfrage stellen: Wem nützt die aufwändige Suche nach dis-kret arbeitenden Escorts, die eventuell ge-gen das Ausländergesetz verstossen? Ein leichtes Vergehen – wer zu schnell Auto fährt, begeht eine weitaus schwerere Tat.Wieso setzen Polizei und Justiz in Ba-gatellfällen wie demjenigen von Kulat (siehe Hauptartikel) solche Mittel ein? Haben sie tatsächlich keine anderen Prioritäten? Eine mögliche Antwort auf diese Frage liefert die Polizei selber. Gegen Wuchervermieter, die männliche und auch weibliche Prostituier-te ausnützen, könne eben nicht so leicht vorgegangen werden. Diese Strafverfahren seien schwierig.Viel leichter ist es, einen jungen Escort unter falschem Namen irgendwohin zu locken und ihn tagelang ins Gefängnis zu sperren. Kann man angesichts dieser Prio-ritätensetzung im März den Namen von Si-cherheitsvorsteher Richard Wol noch auf den Stadtrats-Wahlzettel schreiben? Der frühere Hausbesetzer misst oenbar nicht jede Gesetzesübertretung mit gleich lan-gen Ellen. Doch das alles sind nur Symptome ei-ner weit gewichtigeren Problematik: Wie stark soll ein Staat seine Bürgerinnen und Bürger überwachen dürfen? Überträgt man Polizei und Strafverfolgungsbehörden erst einmal eine gewisse Macht, muss man sich nicht wundern, wenn diese davon Ge-brauch machen. Mitunter auch auf eine Art und Weise, die eigentlich nicht so vorgese-hen war.

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35CR U I S E R FEBRUA R 2018gaycity.chgaycity.chWhere to go in the little big cityInteresse in diesem Inserat aufgeführt zu sein? Anfragen an: info@zbiro.chCRANBERRYBar Metzgergasse 3www.cranberry.ch15TIP TOP BARDie Schlager BarSeilergraben 13www.tip-top-bar.ch Dienstag – Samstag ab 18.30 Uhr14PARAGONYAWellness ClubMühlegasse 11www.paragonya.ch12TIP TOP BARPREDIGERHOFbistro – barMühlegasse 15www.predigerhof.ch13MACHOCity ShopHäringstrasse 16www.macho.ch11LEONHARDS-APOTHEKEStampfenbachstr. 7www.leonhards.apotheke.ch044 252 44 20LES GARÇONSBar/TanzbarKernstrasse 60www.garcons.chTäglich geöffnet ab 18.30 Uhr34MOUSTACHEDie Sauna für MännerEngelstrasse 4www.moustache.ch(Nachtsauna jeden Fr / Sa)HUUSMAAKafi – Reschti – BarBadenerstrasse 138044 241 11 18www.huusmaa.chSa & So Brunch 10:00 – 15:002MED. DENT. KLAAS FRIEDELHeinrichstrasse 239Mit Tram 4/8/13/17 bis Escher-Wyss-Platzwww.swissdentalcenter.ch 043 444 74 005CHECKPOINTGesundheitszentrumKonradstrasse 1www.checkpoint-zh.ch044 455 59 107DANIEL H.Bar-RestaurantMüllerstrasse 518004 Zürich044 241 41 78www.danielh.ch8PARACELSUSApotheke & DrogerieLangstrasse 122paracelsus@bluewin.ch044 240 24 059BEAUTY LOUNGE FOR MENHaarentfernung, Kosmetik, Anti-Aging und BodyformingKalkbreitestrasse 42www.beautyloungeformen.ch 079 533 41 01INFINITYBar + Lounge auf drei EtagenZähringerstrasse 118001 Zürich www.infinity-bar.chTäglich geöffnet ab 17 Uhr 16auf drei EtagenANORY Massagen, Haarentfernung,Skincare und Beratungen.Winterthurerstrasse 708006 Zürichwww.anory.ch 043 810 09 2217www.anory.ch 043 810 09 221016MEN BODYWORKMassagen & Tantra für MännerSchiffbaustrasse 9awww.menbodywork.ch076 222 66 88Gaycity_Cruiser_Januar_2018.indd 2 08.11.17 15:26

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36CR U I S E R FEBR UA R 2018SLIPPERYSUBJECTS Dein Queer-Team für gleiche Rechte!ZÜRICH. DIE OFFENE SCHWEIZ.4. MÄRZ: SP – LISTE 1www.sp-zuerich.chAndreas Eggenschwiler, SP 1 & 2 Ruedi Schneider, SP 1 & 2Patrick Hadi Huber, SP 4 & 5 Nina Hüsser, SP 4 & 5Marco Denoth, SP 6 Andrea Fuchs-Müller, SP 6 Ivo Bieri, SP 7 & 8 Ivo Braunschweiger, SP 7 & 8Dominique Jaussi, SP 7 & 8 Alan David Sangines, SP 9 Simone Brander, SP 10Alexander Herren, SP 11 Tobias Urech, SP 12bisherbisherbisherbisherBarbara Spirig, SP 10 Dein Queer-Team für gleiche Rechte!ZÜRICH. DIE OFFENE SCHWEIZ.4. MÄRZ: SP – LISTE 1www.sp-zuerich.chAndreas Eggenschwiler, SP 1 & 2 Ruedi Schneider, SP 1 & 2Patrick Hadi Huber, SP 4 & 5 Nina Hüsser, SP 4 & 5Marco Denoth, SP 6 Andrea Fuchs-Müller, SP 6 Ivo Bieri, SP 7 & 8 Ivo Braunschweiger, SP 7 & 8Dominique Jaussi, SP 7 & 8 Alan David Sangines, SP 9 Simone Brander, SP 10Alexander Herren, SP 11 Tobias Urech, SP 12bisherbisherbisherbisherBarbara Spirig, SP 10