Message SEIT 1986 DAS ÄLTESTE QUEERE MAGAZIN DER SCHWEIZ – MÄRZ 2025 CHF 8.10KUNST, KULTUR & LEBENSSTIL FÜR DIE LGBT*-COMMUNITY4 Schwule Beziehungen Ist Monogamie das Nonplusultra? 12 Truman Capote Schwul, genial und früh verstorben 28 Toxische Männlichkeit Auch Schwule sind hier Täter
SPINAS CIVIL VOICESHerrenlose Netze fischen immer weiter. Sie töten jedes Jahr hunderttausende Meerestiere. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass Fischernetze nicht mehr im Meer entsorgt werden: oceancare.org/geisternetzeFatalGenialOC_Fueller_Octopus-Geisternetz_210x285_RA_ZS_RZ_d.indd 1OC_Fueller_Octopus-Geisternetz_210x285_RA_ZS_RZ_d.indd 1 23.02.24 12:0323.02.24 12:03
4 GESELLSCHAFT SCHWULE BEZIEHUNGEN 10 KULTUR BUCHTIPP12 KULTUR TRUMAN CAPOTE 16 KOLUMNE MARIANNE WEISSBERG18 KULTUR THEATER-TIPP20 SERIE HOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATUR23 KOLUMNE MICHI RÜEGG25 AUSLAND TRUMP UND QUEERE JUGENDLICHE27 KOLUMNE PETER THOMMEN28 GESELLSCHAFT TOXISCHE MÄNNLICHKEIT32 LISTICLE DIE 12 ULTIMATIVEN GAY-SONGS34 RATGEBER DR. GAYCRUISER MAGAZIN PRINTISSN 1420-214x (1986 – 1998) | ISSN 1422-9269 (1998 – 2000) | ISSN 2235-7203 (Ab 2000) Herausgeber & Verleger medienHay GmbHInfos an die Redaktion redaktion@cruisermagazin.chChefredaktor Haymo Empl Stv. Chefredaktorin Birgit Kawohl Bildredaktion Haymo Empl Alle Bilder mit Genehmigung der Urheber*innen.Art Direktion Lili WagnerAutor*innen Haymo Empl, Birgit Kawohl, Ahme Olymp, Michi Rüegg, Alain Sorel, Peter Thommen, Marianne WeissbergKorrektorat | Lektorat Birgit KawohlHinweis: Artikel, die mit «Team Cruiser» gekennzeichnet sind, stellen in der Regel bezahlte Empfehlungen (Publireportagen) der Redaktion dar.Anzeigen anzeigen@cruisermagazin.chChristina Kipshoven | Telefon +41 (0)31 534 18 30Druck werk zwei Print+Medien Konstanz GmbHREDAKTION UND VERLAGSADRESSECruiser | Clausiusstrasse 42, 8006 Zürichredaktion@cruisermagazin.chHaftungsausschluss, Gerichtsstand und weiterführende Angaben auf www.cruisermagazin.ch Der nächste Cruiser erscheint am 7. April 2025Unsere Kolumnist*innen widerspiegeln nicht die Meinung der Redaktion. Sie sind in der Themenwahl, politischer /religiöser Gesinnung sowie der Wortwahl im Rahmen der Gesetzgebung frei. Wir vom Cruiser setzen auf eine grösst mögliche Diversität in Bezug auf Gender und Sexualität sowie die Auseinandersetzung mit diesen Themen. Wir vermeiden darum sprachliche Eingriffe in die Formulierungen unserer Autor*innen. Die von den Schreibenden gewählten Bezeichnungen können daher zum Teil von herkömmlichen Schreibweisen abweichen. Geschlechtspronomen werden ent spre chend implizit eingesetzt, der Oberbegriff Trans* beinhaltet die ent- sprechenden Bezeichnungen gemäss Medienguide «Transgender Network Schweiz».Cruiser wurde als einzige LGBT*-Publikation als «kulturell relevant» eingestuft und wird daher in der Schweize rischen Nationalbibliothek, der ZB Zürich sowie in der deutschen Nationalbibliothek archi viert. Cruiser ist zudem via SMD (schweizerische Mediendatenbank) allen Medienschaffenden zugänglich.Achim und Herny: Als Paar perfekt? Nicht ganz: Auch sie haben mit alltäglichem Beziehungsstress zu kämpfen. Mehr dazu ab Seite 4. IMPRESSUM EDITORIALLiebe Leser*innen Wir hätten euch gerne mit einem Editorial voller Optimismus in den Frühling geschickt – aber die Weltlage macht es uns nicht leicht. Während sich die Natur langsam aus dem Winterschlaf erhebt, stecken wir politisch in einer Eiseskälte, die besonders LGBT*-Menschen zu spüren bekommen. In den USA treibt Donald Trump mit seinen politischen Marionetten eine Agenda voran, die nicht nur reaktionär, sondern bis ins Absurde grotesk ist. Gesetze, die Masturbation bestrafen wollen? LGBT*-Geschichts-bücher aus Schulen verbannen? Trans Menschen in Gefängnisse zwingen, in denen sie akut gefährdet sind? Doch wir lassen uns nicht einschüchtern. Diese Ausgabe des Cruiser stellt sich entschlossen gegen Hass und Ignoranz. Wir beleuchten, wie queere Jugendliche in den USA zur Flucht gezwungen werden, zeigen, wie toxische Männlichkeit unser aller Leben beeinflusst, und fragen, ob sich die Gesellschaft von ihren hart erkämpften Rechten verabschieden muss. Zudem werfen wir einen Blick auf das Leben und Werk von Truman Capote – einen queeren Autor, der nicht nur mit seinem literarischen Schaffen, sondern auch mit seiner exzentrischen Persönlichkeit für Furore sorgte. Dazu gibt’s Kultur, Geschichte, Unterhaltung – und ja, auch Humor. Denn wenn uns die Politik derzeit eines lehrt, dann dies: Wer lacht, hat noch nicht verloren.Viel Spass beim Lesen – und bleibt widerständig! Eure Cruiser-Redaktion Birgit & HaymoSPINAS CIVIL VOICESHerrenlose Netze fischen immer weiter. Sie töten jedes Jahr hunderttausende Meerestiere. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass Fischernetze nicht mehr im Meer entsorgt werden: oceancare.org/geisternetzeFatalGenialOC_Fueller_Octopus-Geisternetz_210x285_RA_ZS_RZ_d.indd 1OC_Fueller_Octopus-Geisternetz_210x285_RA_ZS_RZ_d.indd 1 23.02.24 12:0323.02.24 12:03
4CRUISER MÄRZ 2025GESELLSCHAFTSCHWULE BEZIEHUNGEN4Wie viel Offenheit hält eine Beziehung aus?VON HAYMO EMPLHerny kam erschöpft von seiner Nachtschicht nach Hause. Seit gut acht Monaten war er mit seinem Freund zusammen. Das Bett war warm, da-rin lag Achim – der Mann, mit dem er sein Leben teilen wollte, monogam, mit gemein-samen Erlebnissen, vielleicht mit gelegent-lichen Abenteuern, aber immer zusammen. Die Stimmung war jedoch angespannt.Achim war die ganze Nacht in einer Sauna gewesen. Nicht das erste Mal, aber diesmal hatte er hoch und heilig verspro-chen: «Ich will nur entspannen, wirklich. Kein Küssen, keine Berührungen, kein Sex.» Doch während der Nacht summten Nach-richten auf Hernys Handy, Nachrichten, die er in seiner Pause nur üchtig überiegen konnte. Herny mochte die nächtlichen Aus-üge seines jüngeren Partners, der einmal in nicht allzu ferner Zukunft sein Mann werden sollte, gar nicht. Diese Nachrichten waren eigentlich dazu gedacht, Herny zu beruhigen. Aber: Etwas fühlte sich seltsam an, Müdigkeit und Arbeit hielten ihn jedoch davon ab, tiefer nachzuforschen.Jetzt, am späten Morgen, stand Achim plötzlich auf, zog sich hektisch an. «Es ist al-les scheisse», murmelte er. Herny blickte ihn an, spürte das Unheil in der Luft. «Bleib. Was ist los?»Achim hielt inne, schaute ihm in die Augen. «Ich habe diese Nacht jemanden ge-ckt. Ich habe dich betrogen.»Stille.Es war, als würde die Welt stillstehen. Herny fühlte sich, als würde ihm der Boden Ein Vertrauensbruch erschüttert eine Beziehung: Soll es weitergehen? Ist Mono-gamie ein veraltetes Konzept? Welche Beziehungsmodelle bieten Alternativen?Media © Adobe StockDie Beziehung als Balanceakt – hier als Symbol für die Herausforderungen in Beziehungen. Ver-trauen, Kommunikation und gemeinsame Regeln sind entscheidend, um nicht aus dem Gleichge-wicht zu geraten.
5CRUISER MÄRZ 2025unter den Füssen weggezogen. Nicht nur die Worte, sondern das Versprechen, das nun gebrochen war, dröhnte in seinen Ohren. Diese Beziehung sollte anders sein. Endlich sollte es die eine sein – eine, die hielt, die auf gegenseitigem Vertrauen basierte.Aber jetzt?Hernys Gedanken rasten. War es der Vertrauensbruch, der schmerzte? War es das Gefühl, dass Achim ihn angelogen hat-te? Oder war es die Erkenntnis, dass er in einer anderen Lebensphase war, mit ande-ren Erwartungen? Herny war älter, erfahre-ner, selbstbewusster. Achim hingegen war jünger, unerfahrener, unsicherer – und ge-nau deshalb hatten sie beschlossen, dass ihre gelegentlichen Sauna-Besuche nur zu zweit stattnden sollten.Und jetzt das.Achim weinte. Unaufhörlich. Herny war verletzt. Tief. Und dann war da diese Leere, diese Ratlosigkeit: Wie sollte es wei-tergehen? Sollten sie sich trennen? Sollten sie sich auf eine oene Beziehung einlassen? War Liebe genug, um das zu überstehen?MONOGAMIE – DAS KLASSISCHE IDEAL? Die romantische Vorstellung der Monogamie ist in unserer Kultur tief veran-kert: eine*n Partner*in fürs Leben, Treue als oberste Priorität. Viele Men-schen fühlen sich nur in einer monogamen Beziehung emotional sicher. Doch gleichzeitig bedeutet Monogamie oft, dass beide Partner*innen mit ihren sexuellen Bedürfnissen auf einer Wellenlänge sein müssen – und das ist nicht immer der Fall.Gerade in queeren Beziehungen, in denen oft weniger klassische Rollenvor-bilder existieren, wird Monogamie manchmal hinterfragt. Doch sie kann funktionieren – wenn beide sie bewusst wählen und die Regeln klar sind.Vorteile:✔ Tiefe emotionale Sicherheit✔ Kein Risiko von Eifersucht durch Dritte✔ Klare RegelnNachteile:✖ Kann für einen oder beide Partner*innen sexuell frustrierend sein✖ Erfordert sehr ähnliche Bedürfnisse und WerteIhre Beziehung hatte einen Riss be-kommen. Das Fundament wackelte. Und das bereits nach nicht einmal einem Jahr. Die Frage stand im Raum: Welche Beziehungsmodelle können funktionieren? ➔Wie viel Offenheit hält eine Beziehung aus? Treue und Vertrauen sind zentrale Fragen in jeder Partnerschaft. Die Debatte um Monogamie und alternative Modelle bleibt aktuell.
66Was ist die richtige Lösung?Die Geschichte von Herny und Achim zeigt, wie komplex das ema Treue und Vertrau-en ist. Was als festes Beziehungsmodell be-gonnen hat, wird plötzlich hinterfragt.Die Wahrheit ist: Es gibt keine univer-selle Lösung. Jede Beziehung muss individu-ell aushandeln, was für beide Partner*innen funktioniert.Für Herny und Achim bedeutet das eine schwierige Entscheidung: Bleiben sie zusammen? Finden sie neue Regeln? Oder müssen sie sich eingestehen, dass sie nicht das Gleiche wollen?Nach einer solchen Krise ist es wichtig, die eigenen Bedürfnisse zu reektieren. Be-sonders in der schwulen Community, wo traditionelle Beziehungsmodelle oft hinter-fragt werden, zeigt die Forschung interes-sante Perspektiven auf.CRUISER MÄRZ 2025GESELLSCHAFTSCHWULE BEZIEHUNGENOFFENE BEZIEHUNG – FREIHEIT MIT REGELN Eine Alternative zur strikten Monogamie ist die offene Beziehung. Hier haben beide Partner*innen die Möglichkeit, auch ausserhalb der Beziehung sexuelle Kontakte zu pflegen – oft mit klaren Regeln, etwa: «Kein Sex mit gemeinsa-men Freund*innen» oder «Nur, wenn wir es uns erzählen».Für manche Paare bedeutet das eine Befreiung vom Druck der Exklusivität, ohne dass die emotionale Bindung leidet. Doch eine offene Beziehung funkti-oniert nur, wenn beide tatsächlich damit einverstanden sind und die Kommu-nikation offen bleibt.Vorteile:✔ Sexuelle Freiheit, ohne die Beziehung zu gefährden✔ Weniger Risiko für unerfüllte BedürfnisseNachteile:✖ Vertrauen muss besonders stark sein✖ Eifersucht kann entstehen, wenn Regeln nicht eingehalten werdenEin Paar geniesst einen glücklichen Moment am Strand – Zweisamkeit kann wunderschön sein. Doch jede Beziehung braucht Pflege, denn Liebe allein reicht nicht aus, um eine Beziehung dauer-haft bestehen zu lassen.Media © Adobe Stock
7GESELLSCHAFTSCHWULE BEZIEHUNGENANZEIGE5 CRUISER SommER 2017sliPPerySubjeCtSVoN MARTIN MüHLHEIMC oming-out-Filme gibt es mittlerweile viele, und entsprechend unterschied-lich kommen sie daher: leichtfüssig- komisch wie der britische Klassiker Beautiful ing (1996), eher nachdenklich wie das brasilianische Kleinod Seashore (2015), bisweilen auch zutiefst tragisch – so im israelischen Drama Du sollst nicht lieben (2009), das in der ultraorthodoxen Gemein-de in Jerusalem spielt.Angesichts solcher Unterschiede er-staunt es umso mehr, mit welcher Regel- mässigkeit uns Coming-out-Filme Jungs oder Männer zeigen, die – alleine, zu zweit oder in Gruppen – schwimmen gehen. Nun könnte man das natürlich als Zufall oder Neben-sächlichkeit abtun. Bei genauerem Nachden-ken zeigt sich allerdings, dass sich gleich mehrere Gründe für diese erstaunliche Häu-gkeit nden lassen.Nackte Haut ohne allzu viel SexEine erste, nur scheinbar oberächliche Er-klärung ist, dass (halb)entblösste Körper sich nicht bloss auf der Leinwand, sondern auch auf Filmpostern und DVD-Covern äus- serst gut machen. Schwimmszenen bieten ein perfektes Alibi für das Zeigen von nack-ter Haut: Sex sells, wie es so schön heisst.Warum «Alibi»? Weil man – gerade bei Filmen mit jungen Protagonisten – aufpas-sen muss: «Sex sells» mag zwar zutreen, aber allzu explizite Sexszenen können schnell mal zu hohen Altersfreigaben füh-ren. Dies wiederum möchten Filmemacher in der Regel vermeiden: Filme, die erst ab 18 freigegeben sind, lassen sich nämlich weni-ger einfach vermarkten. Auf Amazon.de zum Beispiel werden Filme mit Altersfreiga-be 18 nur an nachweislich volljährige Perso-nen verkau – und gerade für Coming- out-Filme, die sich auch an ein junges Publi-kum richten, ist dies sicher kein wünschens-werter Eekt.Schwimmszenen bieten hier eine per-fekte Kompromisslösung: Man kann nackte Haut lmisch ansprechend inszenieren, da-bei aber allzu heisse Techtelmechtel tugend-ha vermeiden (beispielsweise, indem der Wasserspiegel immer über der Gürtellinie bleibt, wie im niederländischen Film Jon-gens, 2014). Um das Rezept knapp zusam-menzufassen: Man nehme eine grosszügige Portion feuchter Erotik, eine vorsichtige Pri-se Sex – und um Himmels Willen kein Körn-chen Porno. Eingetaucht ins TrieblebenMan täte den lesBischwulen Filmemache-rInnen aber unrecht, wenn man ihre erzäh-lerischen Entscheidungen allein auf nan-zielles Kalkül reduzieren wollte. Es gibt nämlich auch ästhetisch-symbolische Grün-de, die Schwimmszenen für das Genre inter-essant machen. Da wäre zunächst die Funktion des Wassers als Symbol für das Unbewusste. Dieses Unbewusste, so weiss man spätestens seit Sigmund Freud, hat viel mit der Triebna-tur des Menschen zu tun – und so erstaunt es nicht, dass Hauptguren auf der Suche nach ihrer sexuellen Identität sozusagen symbo-lisch in die Tiefen des Unbewussten eintau-chen müssen, um ihr gleichgeschlechtliches Begehren zu entdecken. Figuren in der SchwebeDarüber hinaus hat die Filmwissenschale-rin Franziska Heller in ihrem Buch über die Filmästhetik des Fluiden (2010) gezeigt, dass schwimmende Figuren immer wieder als «schwebende Körper» inszeniert werden: o in Zeitlupe und seltsam herausgelöst aus dem sonst zielstrebig voranschreitenden Erzählprozess. Dieser Schwebezustand wie-derum ist eine wunderbare visuelle Meta-pher für die Phase kurz vor dem Coming-out: Man ist nicht mehr der oder die Alte, aber auch noch nicht ganz in der neuen Identität angekommen. Ein Film macht das Schweben sogar explizit zum ema: In Kinder Gottes aus dem Jahr 2010 zeigt Romeo dem neuro-tisch-verklemmten Johnny, wie befreiend das «Floating» im Meer sein kann.Neben der Inszenierung von Schwebe-zuständen und dem Wasser als Symbol für das Unbewusste ist drittens das Motiv von ➔ Filme, die ersT ab 18 FreiGeGeben sind, lassen sicH nämlicH WeniGer einFacH VermarKTen.ANZEIGE«Was geht mich meine Gesundheit an!» Wilhelm Nietzsche Wir sind die erste Adresse für diskrete Beratung in allen Gesundheitsfragen.Stampfenbachstr. 7, 8001 Zürich, Tel. 044 252 44 20, Fax 044 252 44 21 leonhards-apotheke@bluewin.ch, www.leonhards.apotheke.chIhr Gesundheits-Coach .rz_TP_Leonhards_Apotheke_210x93.3_Cruiser_4c_280317.indd 1 28.03.2017 10:07:37Was die Forschung über schwule Beziehungen weissEine umfassende Studie des renommierten Sozialpsychologen Dr. Justin Lehmiller, der als Research Fellow am Kinsey Institute tä-tig ist, zeigt, dass schwule Paare im Ver-gleich zu heterosexuellen Partnerschaften oft einen oeneren Umgang mit Beziehungs-krisen pegen. Sie tendieren dazu, Heraus-forderungen in ihrer Beziehung nicht nur direkter anzusprechen, sondern auch exib-ler auf mögliche Lösungen einzugehen. Da-bei zeigt sich, dass sie häuger alternative Beziehungsmodelle in Betracht ziehen und in ihre Partnerschaftsdynamik einiessen lassen.Während heterosexuelle Paare oft stärker an traditionellen Vorstellungen von Exklusivität und klassischen Rollenmus-tern festhalten, neigen schwule Paare dazu, kreativer über individuelle Beziehungsfor-men nachzudenken. Dies schliesst oene Beziehungen, polyamore Konstellationen oder andere nicht-monogame Modelle mit ein, die sie aktiv reektieren und oft in ge-meinsamen Gesprächen thematisieren. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass die-se Oenheit dazu beitragen kann, Krisen besser zu bewältigen und partnerschaftli-che Zufriedenheit langfristig zu erhalten. ➔POLYAMORIE – MEHR ALS NUR SEX Während offene Beziehungen meist die Trennung zwischen Liebe und Sex betonen, geht Polyamorie noch weiter: Hier ist Platz für mehrere emotionale und sexuelle Beziehungen gleichzeitig. Liebe ist nicht exklusiv, sondern kann auf mehrere Partner*innen verteilt werden.Das erfordert eine aussergewöhnlich hohe emotionale Reife und die Bereit-schaft, ständig miteinander zu kommunizieren. Für einige ist es die perfekte Lösung, für andere unvorstellbar.Vorteile:✔ Mehr emotionale und sexuelle Erfüllung✔ Keine strikte Entweder-Oder-DynamikNachteile:✖ Sehr hohe Kommunikationsanforderungen✖ Gesellschaftliche Akzeptanz ist oft gering
88 ANZEIGEDie Bedeutung der Community für schwule Paare in Beziehungskrisen Die Forschung von Frost und Meyer ver-deutlicht, dass der Community-Aspekt eine zentrale Rolle bei der Bewältigung von Be-ziehungskrisen spielt. Schwule Paare pro-tieren in herausfordernden Zeiten insbe-sondere von: • Unterstützung durch die LGBT*-Commu-nity, die als soziales Auangnetz fungiert. • Erfahrungsaustausch mit anderen Paa-ren, der neue Perspektiven und Lösungs-ansätze erönet. • Zugang zu spezischer Beratung, die auf die besonderen Dynamiken gleichge-schlechtlicher Beziehungen eingeht. • Vorbildern für alternative Beziehungmo-delle, die Möglichkeiten jenseits traditio-neller Partnerschaftsstrukturen aufzeigen. GESELLSCHAFTSCHWULE BEZIEHUNGENPrEP fürCHFApotheke Schaffhauserplatzswissprep.chKrankenkassenpreis 72 CHF + 15% Rabatt.Im Webshop oder in der Apotheke. Seminarstrasse 1 8057 Zürich 044 361 61 61Erfolgreiche Strategien nach Vertrauensbrüchen Eine Studie der University of Toronto zeigt, dass schwule Paare, die nach einem Ver-trauensbruch oen über ihre Erwartungen sprechen und gemeinsam neue Vereinba-rungen treen, eine höhere Wahrschein-lichkeit haben, zusammenzubleiben. Kom-munikation und Verhandlungsbereitschaft sind dabei entscheidende Faktoren für den langfristigen Erfolg der Beziehung. Besondere Herausforderungen in schwulen Beziehungen Eine Untersuchung im «Archives of Sexual Behavior» identiziert spezische Heraus-forderungen, mit denen schwule Paare kon-frontiert sind: • Unterschiedliche Coming-out-Erfahrun-gen, die zu abweichenden Vorstellungen über Oenheit in der Partnerschaft füh-ren können. • Variierende Verbindungen zur LGBT*-Community, die sich auf die sozialen Netzwerke und den Umgang mit gesell-schaftlichen Erwartungen auswirken. • Der Umgang mit sexueller Freiheit, ins-besondere in Bezug auf Monogamie oder oene Beziehungsmodelle. • Die Balance zwischen Individualität und Partnerschaft, die in jeder Beziehung eine Rolle spielt, bei schwulen Paaren jedoch oft in einem besonderen Spannungsfeld steht. Manchmal stehen Paare vor Herausforderungen, die unausgesprochen im Raum stehen. Doch echtes Zuhören und offene Gespräche können Brücken bauen, wo gerade noch Mauern waren.Die Meta-Analyse des «Journal of Homosexuality» identifiziert mehrere Besonderheiten homo- sexueller Beziehungen• Oenere Kommunikation über sexuelle Bedürfnisse• Flexiblere Handhabung von Beziehungsregeln• Grössere Bereitschaft, etablierte Modelle zu hinterfragen• Stärkerer Community-Bezug bei BeziehungsentscheidungenMedia © Adobe Stock
RUBRIKXXXXXXX9CRUISER MÄRZ 2025Riesenauswahl. Immer. Günstig. ottos.ch AUSZUGSTISCHGartenloungeTed Gestell Aluminium pulverbeschichtet, mit Polywoodablagen, Kissen Spun-Polyester (waschbar), Garnitur: 222/150 x 71 x 72 cm, Beistelltisch: 60 x 37 x 44 cm 699.-individuell zusammenstellbarBalkonset CadizCadiz Sessel: 56 x 74 x 72 cm, Beistelltisch mit Glasplatte: 40 x 35 x 40 cm 69.90Gartenlounge Toronto Sessel: 67 x 66 x 72 cm, Bank: 123 x 66 x 72 cm, Beistelltisch mit Glasplatte: 80 x 40 x 50 cm399.- TischSydney 180/240 x 75 x 100 cm599.- statt 899.--33% Stuhl Sydney 49.90 statt 69.--27% stapelbarCruiser_3_3_105x280_gm_001 1Cruiser_3_3_105x280_gm_001 1 30.01.25 16:0730.01.25 16:07ANZEIGEQuellenverzeichnisVerwendete wissenschaftliche Studien:1. Lehmiller, J. (2018): «Sexual and Relationship Satisfaction in Consensually Non-Monogamous and Monogamous Relationships» Journal of Social and Personal Relationships https://doi.org/10.1080/00224499.2018.15318672. Anderson, M. et al. (2020): «A Meta-Analysis of Gay Male Relationship Dynamics» Journal of Homosexuality https://doi.org/10.1080/00918369.2020.17121403. Thompson, A. et al. (2018): «Relationship Satisfaction and Communication Patterns in Same-Sex Couples» University of Toronto https://doi.org/10.1177/02654075177467874. Martinez, D. & Johnson, K. (2017): «Sexual Be-havior and Relationship Agreements Among Gay Male Couples» Archives of Sexual Behavior https://doi.org/10.1007/s10508-017-1096-0Fazit: Krisen als Chance zur Weiterentwicklung Der Weg aus einer Beziehungskrise kann herausfordernd sein – doch Forschungser-gebnisse legen nahe, dass schwule Paare häug über die emotionalen Werkzeuge und die Unterstützung der Community ver-fügen, um solche Phasen erfolgreich zu meistern. Wer den Mut hat, individuelle Lö-sungen zu nden, kann nicht nur die Part-nerschaft stabilisieren, sondern auch lang-fristig daran wachsen.In unserem ktiven Beispiel entschei-den sich Herny und Achim, ihre Beziehung nicht vorschnell aufzugeben, sondern oen über ihre Bedürfnisse, Ängste und Grenzen zu sprechen. Sie vereinbaren neue Regeln, die für beide funktionieren, und nehmen sich bewusst Zeit, das Vertrauen wieder auf-zubauen. Gemeinsam erkennen sie, dass ihre Liebe stärker ist als ein einzelner Fehler – solange sie bereit sind, ehrlich miteinander zu sein. Media © Adobe Stock
CRUISER MÄRZ 2025VON BIRGIT KAWOHLUm omas Mann kommt im Jahr 2025 wahrlich niemand herum, der sich in irgendeiner und sei es auch noch so geringsten Form mit Literatur be-fasst, denn man feiert den 150. Geburtstag des Nobelpreisträgers mit zahlreichen Ver-anstaltungen und eben auch Neuerschei-nungen. Darunter der jüngst erschienene Roman «Teufels Bruder» von Matthias Loh-re, der sich – im Unterschied etwa zu Colm Tóibíns Roman-Biographie «Der Zauberer» – mit einer kurzen Episode in Manns Leben befasst, nämlich mit den Jahren 1896 / 97, die der junge omas weitgehend in Italien verbringt. Dorthin ist er regelrecht geo-hen, nachdem sein Leben in Deutschland mehr und mehr den Bauch heruntergeht. Den Tod des Vaters hat er lange noch nicht verkraftet, seine schulischen Leistungen sind desaströs (er bleibt letztendlich drei Mal sitzen) und Geld hat er sowieso keins. Dafür aber grosse Pläne und noch grössere Träume: Schriftsteller will er werden. Aber wenn das mal so leicht wäre. Noch dazu hat er einen älteren Bruder, Heinrich, dem ge-nau dieser Traum schon gelungen zu sein scheint, denn Heinrich, der das Leben so-wieso leichter lebt als er, kann schon Veröf-fentlichungen vorweisen. Wo er Heinrichs Hilfe bräuchte, tritt eher Rivalität zutage, die den Jüngeren noch mehr verzweifeln lässt.Lohre schildert diese Zeit des Um- und Aufbruchs stilsicher und zugleich unter-haltsam. Man leidet mit omas mit, der in Italien immer wieder von Gedanken an sei-ne Jugendfreundin Ilse eingeholt wird, die nun – aus nanziellen Gründen – einen un-sympathischen Kaufmann heiraten soll. Wie gerne würde er sie retten und ein bür-gerliches Leben mit ihr führen. Aber dann schrecken ihn diese Gedanken aufs Heftigs-te, denn wie soll er dieses Leben nanzie-ren, sicher nicht als Kaufmann. Und dann ist da noch dieser blonde Jüngling, der ihn in den Bann zieht und dem er quasi willen-los durch Italien folgt. Wer sich hierbei so-fort an die Novelle «Der Tod in Venedig» mit dem alternden Schriftsteller Gustav von Aschenbach und seine honungslose Liebe erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch. Doch bei genauerem Hinsehen, tun sich diverse Unterschiede auf: Zum einen ist omas Mann selbst gerade mal 21, als er diese Epi-sode erlebt, und zum anderen ist er – leider – noch kein etablierter Schriftsteller und dann entpuppt sich der blonde Jüngling auch als Schimäre. Lohre gelingt ein gut recherchierter Roman, der sich unabhängig von omas BUCHTIPPMatthias Lohre: Teufels Bruder. Piper Verlag 2025.Preis CHF 34.90ISBN 978-3-492-07279-3Wie gerne würde er sie retten und ein bürgerliches Leben mit ihr führen. Aber dann schre-cken ihn diese Gedanken aufs Heftigste, denn wie soll er dieses Leben finanzieren, sicher nicht als Kaufmann. Und dann ist da noch dieser blonde Jüngling, der ihn in den Bann zieht und dem er quasi willenlos durch Italien folgt. Thomas Mann ist wahrscheinlich der am besten ausgeleuchtete deutschsprachige Autor. Und doch lohnt es sich, diesen neuen Roman von Matthias Lohre zu lesen.Mann auch wunderbar als Coming-of-Age-Geschichte eines jungen Mannes, der sei-nen Weg ins Leben und in die Liebe sucht, lesen lässt und damit der Nobelpreisträger ein würdiges Denkmal setzt. Bruderzwist und Liebessuche10KULTURLITERATURTIPPBuchtippMarz
Du musst nicht perfekt sein, um das Klima zu schützen. Weniger fliegen hil schon viel. Mehr erfahren und spenden
12KULTURTRUMAN CAPOTEMedia © Wikimedia / Adobe StockCRUISER MÄRZ 20251924 geboren, schon mit 60 Jahren gestorben, dazwischen aber mehr gelebt als viele andere: Truman Capote hielt zu Lebzeiten die Welt in Atem. «Was wir auch tun, es geschieht aus Angst»Der Mann hinter Audrey Hepburns Welterfolg «Breakfast at Tiffany’s»: Truman Capote.VON BIRGIT KAWOHLBreakfast at Tiany’s: Wer kennt das nicht? Auch wenn sicherlich die meis-ten zunächst an die kongeniale Verl-mung mit Audrey Hepburn aus dem Jahr 1961 denken und nicht sofort an die 1958 er-schienene Romanvorlage von Truman Capo-te, ist der Sto nicht mehr aus dem kulturel-len Schaensschatz wegzudenken. Wenn man sich mit dem Leben Capotes beschäf-tigt, lassen sich Parallelen zu der Protagonis-tin des Romans, Holly Golightly, erkennen: So kann man z. B. festhalten, dass auch die Kindheit von Capote nicht unbedingt das war, was man ideal nennt. Als er vier Jahre alt ist, lassen sich die Eltern scheiden. Anders als in den meisten Scheidungsfamilien lebt er fortan aber nicht bei einem Elternteil, son-dern zunächst bei seiner Verwandtschaft in Alabama. Dort schliesst er – ein bemerkens-wertes Detail aus seinem aufregenden Leben - Freundschaft mit Harper Lee. Harper wer? Ja genau, die Harper Lee, die später mit ih-rem Roman «Wer die Nachtigall stört» welt-weit Berühmtheit erlangen wird. Noch heute
KULTURTRUMAN CAPOTE13CRUISER MÄRZ 2025ist der Roman immer wieder im Lesekanon von Maturand*innen zu nden.Erst mehrere Jahre später «erinnert» sich seine Mutter dann, nachdem sie zum zweiten Mal geheiratet hat, an ihren Sohn und holt ihn zu sich nach New York. Anusch-ka Roshani, die sich für die Suche nach ei-nem verlorenen Manuskript Capotes in die USA begibt und dort mit Weggefährten, Be-kannten und Kolleg*innen Capotes spricht – woraus ein akribisch recherchiertes und spannendes Buch entstanden ist -, zitiert den Schriftsteller in «Truboy»: «My mother was the single worst person in my life.» Ein Satz, der viel, wenn nicht alles über die Beziehung von Capote zu seiner Mutter aussagt.Schon früh ein SchreibenderDas Schreiben beginnt er viel früher als die meisten seiner Berufskolleg*innen, denn schon mit acht Jahren setzt er sich nachmit-tags nach der Schule an eine Schreibmaschi-ne und schreibt Geschichten, die zunächst u.a. in einer Schülerzeitung veröentlicht werden. Mit 19 Jahren gewinnt er für «Mi-riam», eine Kurzgeschichte, seinen ersten Preis, den O. Henry Award. Ab Mitte der 1940er-Jahre nimmt seine Bekanntheit stetig zu u. a. wegen seiner Kurzgeschichten. Aber auch mit seinen Romanen, z. B. «Andere Stimmen, andere Räume», wird er zu einem Liebling des Lesepublikums. Anfang der 1980er-Jahre führt Law-rence Grobel mehrfach Interviews – bzw. «ein intimes Gespräch», wie der Verlag Kein & Aber es bei der Veröentlichung 2024 nennt – mit Truman Capote. Darin geht es selbstverständlich auch immer wie-der ums Schreiben und den Weg dorthin. Capote, dem bereits in ganz jungen Jahren klar ist, dass sein Berufswunsch der des Schriftstellers ist, ergreift diesen Beruf spä-ter nahezu selbstverständlich. Aber ehr-lich, hätte man sich den kleinen Mann mit der hohen, nahezu piepsigen Stimme als KfZ-Mechatroniker oder Molekularbiolo-gen vorstellen können? Trotzdem ist es nicht so, dass er das Schreiben als reine Er-leichterung empndet: «Es ist ein ganz schauriges Leben, dieses leere Blatt Papier anzusehen jeden Tag, und hinauangen zu müssen irgendwo in die Wolken und etwas aus ihnen herauszuholen (Grobel, S. 106). Bemerkenswert dabei ist, dass er gemäss eigener Aussage am liebsten im Bett schreibt, denn als Leser*in hat man häug das Bild eines stra organisierten und dis-ziplinierten Schreibenden vor Augen, wenn man ein umfassendes literarisches Oeuvre vorndet. ➔ANZEIGEDas Zewo-Gütesiegel steht für seriöse Hilfswerke.SPINAS CIVIL VOICESIhre Spende in guten Händen.Hilfswerke finden:ZEWO_Fueller_Fake-Fakt_210x141_RA_D_ZS.indd 1ZEWO_Fueller_Fake-Fakt_210x141_RA_D_ZS.indd 1 13.10.23 16:4913.10.23 16:49Truboy: «My mother was the single worst person in my life.» Ein Satz, der viel, wenn nicht alles über die Beziehung von Capote zu seiner Mutter aussagt.
14KULTURTRUMAN CAPOTECRUISER MÄRZ 2025Anders in jeglicher Hinsicht…Aber Truman Capote war in vielerlei Hin-sicht anders als der Durchschnitt und das lag an verschiedenen Faktoren: Oben er-wähnt wurde schon sein Erscheinungsbild: Mit 1.60 Meter war er für einen Mann recht klein, dazu kam seine blasse Haut und seine stelige Stimme, was ihn aber nicht dazu veranlasste, sich zurückzuhalten. Seine Auftritte waren meist auällig und und exentrisch. Roshani schreibt, dass er bei vie-len Leuten «regelrecht Abscheu» ausgelöst habe (Roshani, S. 13). In einem seiner Notiz-bücher ndet Roshani bei ihren Recherchen eine Bleistiftnotiz Capotes, in der er sich selbst als «Calves with to heads» beschreibt. Selbstkritisch scheint er also zumindest ge-wesen zu sein. Auch wenn er dann das, was er sah, nicht immer unbedingt akzeptierte. Sein Freund Don Bachardy sagt in einem Gespräch mit Anuschka Roshani, dass Ca-pote mehrere schönheitschirurgische Ein-grie hatte vornehmen lassen, u. a. eine Haartransplatation sowie mehrere Facelif-tings (Roshani, S. 256).Seine Stimme war nicht nur auallend hoch, davon kann man sich in einigen er-haltenen Filmaufnahmen überzeugen, sie wurde von vielen auch als Demonstranz seiner augenscheinlichen Homosexualität empfunden, aus der er übrigens niemals ei-nen Hehl machte. Capotes Tante erzählt von einem Erleb-nis, als Truman 16 Jahre alt war. Sie sassen zusammen und er habe gesagt: «Ich werde ein strahlender, feiner, weibischer, warmer Homo sein». Für ihn scheint seine Sexualität also kein Problem gewesen zu sein, und das im Jahr 1940, wo Toleranz diesbezüglich ab-solut noch keine Selbstverständlichkeit war. … auch in schriftstellerischerCapote war nicht nur ein Exentriker, auch in Bezug auf sein Schreiben war er nicht mit dem Durchschnitt zu vergleichen, denn «obwohl literarisch ungebildet, brillierte Truman Capote als Stilist. Seine Sätze lesen sich wie Musik.», so Franziska Hirsbrunner am 30.09.2024 auf srf.ch.So wurde «Other Voices, other Rooms» im Jahr 1948 zu einem sensationellen Debüt, was auch in vielen Zeitungen lautstark kundgetan wurde. Dies war natürlich Bal-sam auf die Seele des jungen Mannes, der sich bestätigt fühlte in dem, was er tat. Und natürlich schrieb er weiter: Kurzgeschich-ten, Romane und schliesslich (1965) den Tat-sachenroman «Kaltblütig». Darin geht es um die mysteriöse Ermordung einer ganzen Fa-milie. Capote hat hierfür nicht nur Akten gesichtet und selbst recherchiert, nein, er nahm Kontakt zu den beiden Tätern auf, wo-raus sich nach und nach eine Art Beziehung entwickelte. Irgendwie hat er zu den Män-nern einen Draht gehabt, der dazu führte, dass ihm viel Intimes anvertraut wurde. Als das Buch erschien, ritt Capote ganz hoch auf der Welle des Erfolgs.Was dann folgt, ist eine mehrjährige Schreibkrise, die weissen Blätter starrten ihn an und er konnte sie nicht füllen. Es kommt, wie es kommen mussCapote ist nicht der einzige Künstler, der ir-gendwann in einen Strudel aus Drogen, Al-kohol, Entgiftung, Abstinenz und Rückfall gerät. Sein Leben pendelt zwischen der Su-che nach Erfolg und Liebe und dem augen-scheinlichen Misserfolg und verspürter Ab-lehnung hin und her. Er konsumiert alles wild durcheinander: Medikamente (u.a. Valium und Librium) sowie Alkohol (z. B. Vodka, Daiquiris).Er ist ein «Meister der Täuschungen und Selbsttäuschungen», so Paul Jandl in der NZZ am 30.04.2024, und die innere Iso-lation habe ihn in die Sucht geführt. Inwie-weit kann es ihm hier noch gelingen, sein Publikum, seine Gönner und seine Freunde zu täuschen? Und vor allem: Erkennt er ir-gendwann selbst, was das schieäuft? Im Interview mit Lawrence Grobel spricht er von den Schmerzen, die er habe. Wenn man das liest, dass hier ein sehr ka-putter Mensch spricht, jemand, für den es kaum noch Hilfe geben kann. Was mögen die Gründe dafür gewesen sein? Und kann man überhaupt solch ein Leben auf der Überholspur über Jahrzehnte leben?«Ich werde ein strahlender, feiner, weibischer, warmer Homo sein». Mit «Breakfast at Tiffany’s» setzte Audrey Hepburn Massstäbe, schauspielerische, aber auch modische.Schön muss man ihn nicht nennen, selbst-bewusst aber ganz sicher, Truman Capote bestach durch Exzentrik.Media © Jack Mitchell / Adobe Stock
15KULTURTRUMAN CAPOTE1515CRUISER MÄRZ 2025Hinzu kommen dann doch Selbst-zweifel und fehlende Anerkennung. Er habe sich als Schriftsteller verkannt gefühlt, wie Gerald Clarke feststellt (Roshani, S. 223) und später habe er dann den Glauben an sich selbst verloren. Seine einstige Selbstsi-cherheit schwindet ebenso wie sein Ver-trauen in sein Können. Was bleibt, sind die Drogen und die Reaktion eines in die Enge getriebenen Tieres: der Angri. Vom Genie zum PariaMit «La Côte Basque» (später als Roman un-ter dem Titel «Answered Prayers» veröent-licht) schiesst er sich dann selbst ins Ab-seits. Das ehemalige «Maskottchen» der Reichen und Schönen wird schlagartig zu einer persona non grata. Wie konnte das passieren? Ganz einfach: Das Werk plaudert die geheimsten Dinge aus der damaligen High Society aus. Viele nur kaum unkennt-lich gemachte Frauen fühlen sich von Capo-te verraten und reagieren entsprechend mit dem Ausstossen des ehemaligen Lieblings aus ihren Gesellschaftskreisen. Dabei hät-LITERATURTIPP Anuschka Roshani: Truboy. Mein Sommer mit Truman Capote. Verlag Kein & Aber 2024. ISBN 978-3-0369-5053-2. CHF 29.90.Truman Capote. Ich bin schwul. Ich bin süchtig. Ich bin ein Genie. Ein intimes Gespräch mit Lawrence Grobel. Verlag Kein & Aber 2024. ISBN 978-3-0369-5961-0. CHF 17.90.FILMTIPP Anuschka Kaltes Blut – Auf den Spuren von Truman Capote (Spielfilm USA 2006) Capote (Spielfilm USA 2005) Truman Capote und «Kaltblütig» – eine mörderi-sche Nacht (Doku, arte Mediathek)ten sie es eigentlich ahnen können, Capote selbst hatte schon immer die dunkle Seite der Schreibenden oengelegt: «Der Künst-ler ist ein gefährlicher Mensch, weil er sich jeglicher Beherrschung entzieht.» (zit. nach Jandl). Zudem hatte er Heilige wie z. B. Mutter eresa immer schon suspekt gefunden. Wieso sollte er dann selbst einer sein? Letztendlich hat er damit aber seiner Karriere und damit sich selbst das eigene Grab geschaufelt. Er, der immer von dem gelebt hat, was die High Society im bot, schriftstellerisch, aber auch als Mensch, gibt diesen Menschen einen Tritt. Da darf er sich nicht wundern, als Paria zu enden.Truman Capote ist ein Meilenstein in der amerikanischen Literatur des 20. Jahr-hunderts, weswegen sein Werk zu Recht im Zürcher Verlag Kein & Aber neu aufgelegt wird. Man sollte in die Welt eintauchen, die an vielen Stellen eine ganz andere als unse-re heutige ist, und doch nicht weniger Prob-leme aufweist. ANZEIGEGemeinsam für zukunftsfähige Wirtschaftssysteme. Jetzt aktiv werden: greenpeace.ch/dreampeaceUNSER TRAUM:EIN GLOBALGERECHTES LEBEN.GP_Fuellerinserat_Change_210x140_ZS_D.indd 1GP_Fuellerinserat_Change_210x140_ZS_D.indd 1 17.04.23 16:3417.04.23 16:34
16KOLUMNEMARIANNE WEISSBERGCRUISER MÄRZ 2025Flaken Sie auch schon? Eine queerbeet- Recherche!VON MARIANNE WEISSBERG Kürzlich nannte mich mein bester, schwuler Freund Harry «Die Königin der Absage». Eigentlich ist das ein Kompliment, denn a) Ich bin immerhin so höich und sage korrekt ab. Und b) Ich bin also eher nicht aky, was momentan ein Wort ist, das neudeutsch gesagt: trendet. Eine Person ist aky, wenn sie unzuverlässig ist, im Sinne von: Nicht absagen, wenn sie zugesagt hat. Oder zu kurzfristig absagen, weil sie, wie die britische Zeitung Guardian in einer Umfrage herausgefunden hat, doch lieber im Bett, vor dem Fernseher, auf dem Sofa liegen bleibt als auszugehen. Lokale und Events würden unter Flaking leiden. Und auch das private Umfeld würde durch Fla-king quasi porös. Weil Flaking kein seltenes Phänomen mehr sei, sondern ein Verhalten, das von Jung bis Alt scheinbar normal gewor-den sei, ja sogar diebische Freude bereite. Aha, aber wie sieht’s speziell in der queeren Szene aus? Ich befragte also Harry, der die quee-ren Fakten über Flaking ermittelt hat: «In der queeren Dating-Szene kennt man das Phänomen nur zu gut. Auf Grindr wird man angeschrieben, chattet stundenlang, ver-einbart ein Date – und dann ghostet das Ge-genüber kurz vorher oder erscheint erst gar nicht. Oder man ist selbst derjenige, der in letzter Minute kalte Füsse bekommt und lie-ber zu Hause bleibt. Das ‹Sorry, mir ist was dazwischengekommen› ist mittlerweile so häug wie das Önen der App selbst. Und seien wir ehrlich: Die Community-Events und queeren Partys sind auch nicht ver-schont geblieben. Da meldet man sich für den Pride-Brunch an oder verspricht, beim schwul-lesbischen Sportverein vorbeizu-schauen, nur um dann doch lieber Netix zu schauen.» Dazu wundert er sich: «Gerade in der queeren Szene, wo oft Spontaneität gefeiert wird, ist es doch ironisch, wie oft spontane Zusagen in letzter Minute zurück-genommen werden.» Ich muss Harry zugu-tehalten, dass er stets zuverlässig und pünktlich wie eine Stechuhr erscheint. Da möchte ich echt nicht mithalten. Hier folgt drum meine ganz persönli-che Meinung. Ja, es kann mir durchaus Freude bereiten, wenn ich mich endlich durchringe, das Treen, die Einladung, die einem eigentlich schon ab der voreiligen Se-kunde der Zusage stinken, mit einer Ausrede wieder abzusagen. Dann innerlich juble: Oh, wie schön, muss ich nicht hin!! Es folgt meine queerbeet-Anleitung, wo und wie auch Sie ablehnen oder, falls blö-derweise voreilig zugesagt, aufatmend absa-gen dürfen. • Sie werden an einen Familienschlauch eingeladen, an dem Sie voraussichtlich höchstens drei Figuren ohne Sodbrennen aushalten. Ausserdem ndet der Anlass Mal ehrlich, würden Sie nicht lieber auf dem gemütlichen Sofa liegenbleiben, statt aus dem Haus zu eilen? Dann sind Sie womöglich ein Fallbeispiel für Flaking. Das beste Fundament für Flaking: Ein herrlich bequemes Sofa. Eine Person ist flaky, wenn sie unzuverlässig ist, im Sinne von: Nicht absagen, wenn sie zuge-sagt hat.
KOLUMNEMARIANNE WEISSBERG17CRUISER MÄRZ 2025sehr früh an einem weit entfernten Ort statt, umrahmt von kreischenden Klein-kindern. Stets wird das Ganze von dem bluenden Cousin (bitte passendes ein-setzen) organisiert, der im Porsche vor-fahren wird, nachdem er bereits stunden-lang Fitness gemacht hat. Sodass Sie sich wie üblich wie das fette, arme Würstli vorkommen. Sie quälen sich dahin, da-nach haben Sie garantiert Magenbrennen und Tinnitus. Nächstes Mal sagen Sie, wo und wann und vorallem mit wem das Ganze stattnden könnte. Und mit wem jaaa nicht. Das wird man natürlich ableh-nen – und Sie dürfen wegen plötzlichem Durchfall dasselbe machen. • Sie werden an eine Party oder an ein Dinner gebeten. Doch hoppla, es gibt einen strengen Dresscode / Nemo ist an-gekündigt / ein mehrgängiges Menu wird serviert. Sie haben aber den Glitzerfum-mel mitsamt passender Accessoires grad nicht im Schrank / möchten den Show-case nicht durch eine pekuniäre Gabe mitnanzieren (ich habe mal einen schon ausgefüllten Einzahlungsschein mitsamt der Einladung erhalten!) / sicherlich kei-nen kompletten Menu-Gang plus Wein für zehn Gäste mitbringen müssen. Wenn Sie und ich eingeladen sind, dann haben wir uns das verdient. Ohne Kosten und Malo-che! Solch unechte Einladungen ablehnen mit der Begründung, dass andere sicher waaahnsinnig gerne kommen würden. Und denen möchten Sie keinen der be-gehrten Plätze stehlen. So stehen Sie erst noch als Held*in da. • Sie sollen jemanden zu einer ganz be-stimmten Zeit / für eine genau ausge-messene Zeitdauer / an einem eher un-gemütlichen Ort treen. Früher fand ich solche Verabredungen passend, ich hatte viele Deadlines und zuviel Toleranz, es war mir egal, dass das Lokal so laut wie ein Flughafenterminal war und wir nach max. einer Stunde wieder davon stress-ten. Heute nicht mehr. Ich will nicht in ei-nen Slot gestopft werden, weil mein super-busy Visavis das verlangt. (Gäll Harry). Und wenn ich wo Ka trinke, dann an ei-nem angenehmen Ort, mit Open End. An-sonsten bleibe ich lieber in meiner eige-nen Gesellschaft sitzen, gerne daheim. Ich bin nicht mehr Frischeisch, nehmt Rücksicht!• Sie sollen monatelang oder wochenlang im Voraus für eine Veranstaltung / einen Doctermin zusagen. Wenn das Ganze einigermassen spannend oder nötig er-scheint, ruhig erst mal zusagen. Eine An-standswoche bis minimal einen Tag vorher können Sie immer noch absagen. Wie sollten Sie denn damals wissen, ob der Vortrag Sie jetzt noch interessiert / Sie jetzt wieder gesund sind. Ehrlich gesagt, ist dieses Spektrum meine persönliche Spezialität, es muss sich um die berühmte FOMO (fear of missing out) handeln, also schlicht Schiss, etwas zu verpassen. Trit garantiert nicht zu. Zusagen, dann absa-gen ist also quasi logisc h. • Sie werden von einer Person oensicht-lich als Notnagel gedatet, denn jemand aus deren A-Liste ist ausgefallen und jetzt sollen Sie subito zur Verfügung stehen. Einmalig mag das ja noch amüsant sein, aber wenn jemand das regelmässig macht, dann sollten Sie zusagen – und logo nicht erscheinen oder nicht zu Hause sein, wenn es klingelt. Hier ist Flaking legal. • Sie haben in einem Anfall von Wahn-sinn zum Essen eingeladen. Zu sich nach Hause! Hilfe!!! Ich schrieb in meinen ers-ten Kochgeschichtenbuch «Meine Chaos Küche» ein ganzes Kapitel über «Feste ganz ohne störende Gäste», also über das selige Solo-Schlemmen. Das beschrieb ich, weil ich in meinen jüngeren Jahr-zehnten wie schon meine Oma ausufern-de Tischrunden bewirtete, danach nudel-fertig war. Aber oft kann man solch mühsamen Gewohnheiten, die einen ja als unglaublich gute Köchin beliebt ma-chen, lange nicht abwerfen. Bis ich vor einigen Jahren eine dermassen gruslige Runde bekochte (alle ausfallend und besoen), dass ich ein Gastgeberinnen-Trauma erlitterlitt und mir schwor: Du deckst hinfort höchstens für zwei Men-schen, maximal zum Frühstück mit ein paar Gipfeli. Und wenn ich jemanden ku-linarisch beglücken möchte, dann in ei-nem Restaurant meiner Wahl. Und wenn man jammert: Aber du hast früher sooo tolle Einladungen gegeben – jä nu, früher gab es auch noch Mammuts, heute sind die ausgestorben. Eben. Das wär’s gewesen zum ema «Sorry, ich komme nicht, wenn ich keine Lust dazu habe.» (Ja, wieso auch bei dieser Gelegen-heit nicht...?) Getrauen Sie sich zu widerste-hen – es muss ja nicht grad es aky sein. Grindr-Flirts verlaufen nicht immer wie geplant – stundenlanges Chatten, ein vereinbartes Date, und dann: Funkstille. Foto aus «Meine Chaos Küche» von Marianne Weissberg: Am stilvollsten kocht man nur für sich selbst statt für störende Gäste!MARIANNE WEISSBERGwohnt in Zürich, ist uchautorin, Kolumnistin und schreibt exklusiv für den Cruiser in unregel- mässigen Abständen. Mehr von Frau Weissberg gibt es unter www.marianneweissberg.ch
18KULTURTHEATER-TIPPFamilienplanung kann so einfach sein – oder auch nicht. In der Komödie Vier werden Eltern trifft Kinderwunsch auf Bürokratie und Bettsofa-Performance.Ein Baby, vier Eltern und jede Menge ChaosVON MOEL MAPHYDie schräge Komödie «Vier werden Eltern» von Roman Riklin und Michael Elsener zeigt: Familiengründung ist heute kom-plizierter als ein IKEA-Regal ohne Anleitung. Auf der Bühne der Comedy-Bühne «Weisser Wind» in Zürich gerät der Wunsch nach einem Kind in eine aberwitzige Schieage – mit liebenswerten Figuren, kuriosen Ideen und einer ganz besonderen Bettsofa-Perfor-mance.Vier Menschen, ein Baby – und das absolute GefühlschaosBinja und Samy träumen seit Jahren von Nachwuchs, doch Samys Spermien sind leider so motiviert wie ein Faultier auf Baldrian. Gleichzeitig versuchen ihre besten Freunde, das schwule Paar Nico und Janosh, ein Baby zu adoptieren – aber die Bürokratie hat ihnen mehr Steine in den Weg gelegt als ein mittelalterlicher Stadtmauer-bauer. Bei einem feucht-fröhlichen Abendessen kommt die Schnaps-idee: Warum nicht einfach gemeinsam Eltern werden? Was als logi-sche Lösung erscheint, entpuppt sich schnell als die emotionalste Achterbahnfahrt ihres Lebens.Besonders heikel: Binja möchte nach etlichen hormonellen Be-handlungen nur eine natürliche Befruchtung. Das Ergebnis? Ein denkwürdiger Moment auf dem Bettsofa, bei dem nicht nur die Figu-ren, sondern auch das Publikum zwischen Lachkrämpfen und Fremdscham taumeln.Zwischen Lachtränen und gesellschaftlicher SprengkraftWährend auf der Bühne die Emotionen eskalieren, sorgt das Stück auch für Denkanstösse. Immerhin gibt es Menschen, die mit Sex nicht nur Babys, sondern auch Spenden für gute Zwecke produzie-ren – siehe die Zürcher, die mit intimen Livestreams für queere Pro-jekte sammelten. Solche Grenzgänge zeigen: Wer heute Familie wer-den will, braucht oft mehr als nur Liebe, nämlich – eine gesunde Portion Pragmatismus, Kreativität und eine sehr belastbare Couch.Media © Christian Knecht / vasistas.ch ia © ZvG / WikkpediaCRUISER MÄRZ 2025
19«Vier werden Eltern» nimmt die klassischen Normen von Mut-ti-Vati-Kind auseinander und zeigt, dass Familie das ist, was man daraus macht – manchmal eben auch mit etwas Bettsofa-Magie. Wie weit darf man gehen, um Eltern zu werden? Was sagt die Gesell-schaft dazu? Und wer wechselt am Ende die Windeln? Zwischen skurrilen Dialogen und brillanter Situationskomik bekommt das Publikum auf all diese Fragen mindestens eine Antwort – oder zu-mindest einen hysterischen Lachanfall.Theater, das wehtut – vor LachenRegisseur Alexander Stutz schickt ein umwerfendes Ensemble (Michèle Hirsig, Florian Butsch, Sebastian Krähenbühl und Domi-nik Widmer) in einen emotionalen Hindernislauf, der zwischen brüllend komischen Missverständnissen und echten Gefühlen ba-lanciert. Am Ende bleibt eine Erkenntnis: Elternwerden ist kein Zu-ckerschlecken – aber verdammt lustig, wenn man nur zuschauen muss.Ob als satirischer Kommentar zu modernen Familienmodellen oder als einfach grandioser Comedy-Abend – «Vier werden Eltern» richtet sich an alle, die gerne lachen, ihre Familienplanung über-denken oder einfach wissen wollen, was man mit einem Bettsofa al-les anstellen kann. «Vier werden Eltern» ist ein turbulentes Schau-spiel voller überraschender Wendungen, das Mut macht, das Setting Familie neu zu denken. VIER WERDEN ELTERN Mit: Michèle Hirsig, Florian Butsch, Sebastian Krähenbühl & Dominik Widmer Regie: Alexander StutzBuch: Roman Riklin & Michael Elsenerab 6. März 2025Comedy Bühne Weisser Wind ZürichTickets: https://shakecompany.ch/vier-werden-eltern/Dauer: 2 x 45 Minuten, zzgl. PauseSprache: SchweizerdeutschAltersempfehlung: je nach Aufklärungsstand ab ca. 14 JahreKULTURTHEATER-TIPPANZEIGEcruiserbraucht dich!Abonniere uns!Meine Cruiser-Bestellung Jahresabo, Selbstkostenpreis: CHF 68.– Gönner*innen Jahresabo: CHF 250.–Einsenden an: Cruiser, Clausiusstrasse 42, 8006 Zürichwww.cruisermagazin.ch/aboDAS MAGAZIN FÜR DIE QUEERE LEBENSART10 AUSGABEN FÜR NUR CHF 68. Der Cruiser kommt in neutralem Umschlag direkt in deinen Briefkasten. Einfach Coupon ausfüllen und einschicken oder online bestellen unter www.cruisermagazin.ch/aboVorname | NameStrasse | Nr.PLZ | Ort E-MailUnterschrift
Media © Shutterstock / WikipediaCRUISER MÄRZ 2025Die 25 hat es in sich, wenn sie Teil einer Jahreszahl ist. Eine solche ist mit dem Coming-out eines Schriftstellers durch eines seiner Werke verbunden.Das Jahr, in dem Sodomiten gejagt werden20VON ALAIN SORELAndreas, 18-jährig, hat sein gutbürger-liches Elternhaus verlassen, weil er in der Hauptstadt Berlin das Gross-stadtleben kennenlernen will. Er taucht ein in eine neue Welt, verdingt sich als Tänzer und Sänger und lernt auf einem Ausug Niels kennen, in den er sich unsterblich ver-liebt. «Andreas gab sich dieser Liebe ganz hin, die er nicht als Verirrung empfand», schreibt sein Interpret. «Ihm kam es nicht in den Sinn, sie vor sich zu leugnen, sie zu be-kämpfen als Entartung oder als Krankheit. Diese Worte berührten die Wahrheit so we-nig, sie kamen aus einer anderen Welt. Gut hiess er die Liebe vielmehr ganz und gar, er lobte sie, wie alles, was Gott gab und ver-hängte – sei es noch so leicht oder schwierig zu tragen.» Mit dieser Haltung folgt Andreas dem Geliebten nach Paris, er ist in sich ge-festigt, aber: Seine Liebe ndet auf Dauer keine Erfüllung. Auf ihn wartet schliesslich Einsamkeit. 2025 ist noch jung. Auch Gay-Men-schen fragen sich, was es ihnen bringt. Es lohnt sich, einmal einen Blick zu werfen auf frühere «Fünfundzwanzigerjahre». Gehen wir auf eine Zeitreise in die Vergangenheit homosexueller Leben.Wir machen einen ersten Halt bei 1925. Es war das Auftaktjahr zu den soge-nannten Golden Twenties, einer kurzen Epoche, in der Deutschland und andere In-dustrienationen eine Zeit relativer Wirt-SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATUR
21schaftsstabilität erlebten. Auch Wissen-schaft und Kultur blühten auf. Letztlich aber erlebten Deutschland und andere Mächte nur eine Atempause zwischen zwei Weltkriegen. Ein mutiges OutingIn jenem Jahr 1925 veröentlichte ein 19-jähriger Deutscher den Roman «Der fromme Tanz». Andreas, die Hauptgur da-rin, trägt die Züge des Schriftstellers Klaus Mann. Der Autor hat literarisch aufgespielt zu einem Tanz der Sinne und Sehnsüchte. Ausgelebt im Vertrauen auf eine schicksal-hafte, gottgegebene Bestimmung – daher der Titel –, genauso, wie für Manns Haupt-gur Andreas auch die Liebe zu Niels be-schaen ist. «Der fromme Tanz» war ein mu-tiges Werk, denn Mann zeigte sich damit als Homosexueller, für jene Zeit nicht selbstver-ständlich, war doch Homosexualität in der Weimarer Republik strafbar. Im Unterschied zu seinem berühmten Vater, dem Schriftsteller omas Mann, leb-te Klaus Mann seine Homosexualität aus. omas Mann setzte sich mit dieser Proble-matik aber ebenfalls auseinander, etwa in seiner – auch verlmten – Novelle «Der Tod in Venedig», in der ein alternder Schriftstel-ler bei einem Erholungsaufenthalt in Vene-dig dem schönen jungen Burschen Tadzio verfällt und dabei seine Würde verliert. Klaus Mann litt zeitlebens an seinem Vater, aber vereint waren sie in ihrer Gegnerschaft zum Nationalsozialismus, den sie aus dem Exil heraus bekämpften. 1949 beging Klaus Mann Suizid. Razzien gegen Gay-Menschen1925 hielt sich Klaus Mann länger in Paris auf, wo er viele französische Schriftsteller kennenlernte – eine prägende Zeit für ihn. Ob er die Tuilerien, den Jardin du Luxem-bourg, die Quais an der Seine oder den dar-über führenden Pont Neuf besuchte? Das waren seinerzeit bekannte Cruising Areas. Hier ist der Moment, die Zeitreise fort-zusetzen und wieder einen Stopp einzule-gen lange vor Manns Lebenszeit, nämlich 200 Jahre früher: 1725. Schauplatz: Paris. Angenommen, ein Mann namens Fabien stösst im Jardin des Tuileries, einem Barock-Schlosspark am Louvre, auf einen jungen Burschen, der ihm auf Anhieb gefällt, und mietet für sie beide ein Zimmer in einer der Tavernen. Doch ➔ Andreas lernt auf einem Ausflug Niels kennen, in den er sich unsterblich verliebt.Im Unterschied zu seinem be-rühmten Vater, dem Schriftsteller Thomas Mann, lebte Klaus Mann seine Homosexualität aus.SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURKlaus Mann als US-Sergeant in Italien, 1944. Er verfasste vor allem Flugblätter (im Hintergrund zu sehen).Eines der ältesten Bilder des Jardin des Tuileries, einst ein beliebter Treffpunkt für geheime Begegnungen. Schon vor Jahrhunderten war der Park ein diskreter Ort für Männer, die ihre Liebe nicht offen zeigen durften.
22da greift die Staatsmacht zu, Fabien wird bei einer Razzia der Polizei festgenommen und abtransportiert. Er ist einem agent provoca-teur zum Opfer gefallen; der Jüngling war einer der vielen Lockvögel, welche die Poli-zei eingesetzt hat, um eine Liste von «Sodo-miten» erstellen zu können. Insgesamt sind es etwa 20’000, von denen jährlich rund 50 verhaftet werden. Freiheitsstrafe langsamem Tod vergleichbar«Sodomiten» werden im christlichen Mit-telalter bis in die Frühe Neuzeit all jene ge-nannt, die nicht auf die Fortpanzung aus-gerichtete sexuelle Handlungen pegten, darunter auch Homosexuelle. Zurück geht der Begri der Sodomie auf die in der Bibel geschilderte Zerstörung der Städte Sodom und Gomorra wegen deren angeblicher Sündhaftigkeit. Im deutschen Sprachge-brauch wird «Sodomie» heute ausschliess-lich für sexuelle Praktiken mit Tieren ver-wendet.Obwohl Sodomie damals im französi-schen Königreich als Kapitalverbrechen eines heterosexuellen Scheins zu einer Ehe und zum Versteckspiel gezwungen waren, zeigt die letzte Jahreszahl unserer Zeitreise: 1625. James, der König von England, Irland und Schottland, stirbt am 27. März. Den Fortbestand seiner Dynastie hatte er durch Heirat mit einer Prinzessin gesichert, seine grosse Liebe aber gehörte zeitlebens George Villiers, den er mit höchsten Adelswürden und Titeln ausstattete. In unserer Epoche haben wir Regierungschefs, die zu ihrer gleichgeschlechtlichen Orientierung ste-hen. Aber ist die Toleranz gegenüber der ho-mosexuellen Identität heute breit gewähr-leistet? Nun, Homophobie und Prüderie bedrohen sie auch 2025 immer noch. HOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURWeltgeschichte, der Politik, dem Sport, in anti-ken Sagen und traditionellen Märchen – aber auch in Kunst, Wissenschaft, Technik, Compu-terwelt. Cruiser greift einzelne Beispiele heraus, würzt sie mit etwas Fantasie, stellt sie in zeitge-nössische Zusammenhänge und wünscht bei der Lektüre viel Spass – und hie und da auch neue oder zumindest aufgefrischte Erkenntnisse. In dieser Folge: ganz bestimmte Jahre, die immer wieder das schwule Leben geprägt haben.Fabiens Sexpartner war ein agent provocateur.SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURgilt, wird Fabien nicht hingerichtet, aber zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe ver-urteilt. Das ist einem langsamen Tod ver-gleichbar. In Frankreich gärt es zwar 1725 bereits gegen das Königtum, aber noch wird es 64 Jahre dauern bis zum Beginn der Fran-zösischen Revolution, welche 1791 die Ho-mosexualität in Frankreich legalisierte.So weit waren andere Staaten noch lange nicht. Dass das Ausleben gleich- geschlechtlicher Neigungen gesellschaft-lich weitherum geächtet war, die Betroe-nen, sogar gekrönte Häupter, zur Wahrung Porträt des etwa vierzigjährigen King James von John de Critz, um 1606. Schon zu Lebzeiten wurde über sei-ne mögliche Homosexualität diskutiert.ANZEIGESchreinerstrasse 44 | 8004 Zürich | Telefon 044 291 39 90 | www.haargenau.chDeine fabelhafte LGBT*-friendly Hairstylistin freut sich auf deinen Besuch.
Media © Wikipedia23CRUISER MÄRZ 2025Masturbation mit StrafzettelAuch wenn Trump bislang Mainstream-Gays nicht direkt attackiert hat, schat er dennoch ein hochgradig LGBT*-feindliches Klima. Was darin gedeiht, zeigt ein Beispiel aus dem Bundesstaat Mississippi. Anfang dieses Jahres hat der republikanische Abge-ordnete im Senat des Staates im Süden (An-grenzend an den Golf von Mexiko oder eben Amerika), Bradford Blackmon, den soge-nannten «Contraception Begins at Erection Act» eingebracht. Der Gesetzesvorschlag, wörtlich übersetzt mit «Verhütung beginnt bei der Erektion» will «den Ausstoss von ge-netischem Material ohne die Absicht, einen Embryo zu befruchten» unter Strafe stellen. Wer also Samen ergiesst, ohne damit eine Frau schwängern zu wollen, müsste 1000 Dollar Strafe zahlen. Bei einem zweiten Ver-gehen 5000 Dollar und danach 10’000. Ob sich angesichts solch drastischer Bussen Pubertierende künftig davon abhalten las-sen, Hand an sich zu legen? Was, wenn die strenggläubige Mutter unter dem Bett ein vollgewixtes Kleenex ndet? Ruft sie dann die Polizei? Um künftig Sex zu haben, dürfte ein schwules Paar also nur noch bis kurz vorm Abspritzen vögeln. Denn ein Spermi-um, das von vornherein seinen Weg zu einer Eizelle nicht antreten kann, genösse künftig gesetzlichen Schutz. Das ist insofern schon mal erstaunlich, als dass pro Samenerguss VON MICHI RÜEGGEs fällt mir derzeit schwer, Nachrich-ten mit Bezug zur Trump-Präsident-schaft zu lesen. Die vier Jahre unter seiner Fuchtel haben erst begonnen, und bereits hat Google Maps in vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem máximo líder im Weissen Haus den Golf von Mexiko umbe-nannt in Golf von Amerika. Ausserdem soll der Panamakanal unter US-amerikanische Kontrolle fallen, ebenso Grönland sowie Kanada, und der Gazastreifen soll mittels ethnischer Säuberungen von Palästinenser- *innen geräumt und in eine Art Mar-a-Lago am Mittelmeer verwandelt werden. Russ-land dürfte die von ihm okkupierte Ostukra-ine erhalten, ein Präsent an Freund Putin.Trumps Vize JD Vance beschuldigt Eu-ropa in einer Ansprache in München der-weil, die Meinungsfreiheit mit Füssen zu treten und die Demokratie zu gefährden. Die Regierung in Washington macht vor, was sie damit meint: Sie hat die traditions-reiche unabhängige Medienagentur Associ-ated Press aus dem Presseraum des Weissen Hauses verbannen lassen, weil die sich wei-gert, den bereits erwähnten Golf von Mexi-ko einen solchen von Amerika zu nennen.Abgesehen hat es der Präsident auch auf LGBT*-Menschen und deren Rechte. So will er etwa den Schulen verbieten, Mittel für «Gender-Ideologie» und Gleichberechti-gung zu verwenden. Trans Menschen dür-fen nicht mehr für die Streitkräfte arbeiten. Im Januar beschloss er ausserdem, dass es in den USA nur noch zwei Geschlechter ge-ben dürfe. Sein Vorgänger, Joe Biden, hatte einen geschlechtsneutralen Eintrag einge-führt. Weibliche trans Menschen in Frauen-gefängnissen wurden entfernt, isoliert und sollen neu in Männerknästen einsitzen. Lehrer*innen, die minderjährige Schüler*in- nen in irgendeiner Art bei ihrer Transition unterstützen, sollen bestraft werden. Auf Trumps Geheiss musste das Center for Di-sease Control and Prevention CDC (die Be-hörde wurde während der Covid-Pandemie bekannt) Inhalte über HIV von seiner Web-site löschen, weil Trump alles innerhalb des Regierungsapparates verbieten will, das auf irgendeine Art Diversität, Gleichheit und In-klusion zum ema hat. Indem er auf Vor-schlag von Über-Minister Elon Musk auch die gesamte Auslandshilfe streichen will, sind zahlreiche AIDS-Programme (etwa die Versorgung mit HIV-Medikamenten) in Af-rika bedroht. Derselbe Elon Musk gibt übri-gens den liebevollen Papa und schleppt sei-ne kleinen Kinder zu Presseterminen, über seine erwachsene trans Tochter sagte er, sie sei für ihn ein Mann und faktisch tot.Derselbe Elon Musk gibt übri-gens den liebevollen Papa und schleppt seine kleinen Kinder zu Presseterminen, über seine erwachsene trans Tochter sagte er, sie sei für ihn ein Mann und faktisch tot.Die Heiligsprechung desSpermiumsDonald Trumps Oligarchenregierung pusht eine queerfeindliche Stimmung. Daraus resultieren erschreckend absurde Ideen.KOLUMNEMICHI RÜEGGWer also Samen ergiesst, ohne damit eine Frau schwängern zu wollen, müsste 1000 Dollar Strafe zahlen. Bei einem zweiten Vergehen 5000 Dollar und da-nach 10’000.
24Media © Shutterstock / Adobe StockCRUISER MÄRZ 2025KOLUMNEMICHI RÜEGGwerden sollten wie Masturbation auf der Toilette. Und auch die drohenden Schäden an der Prostata bei staatlich verordnetem Samenstau waren bei Einreichung noch kein ema.Für einmal ist die Sache übrigens glimpich ausgegangen. Der Gesetzesvor-schlag ging sogar dem republikanisch domi-nierten Parlament von Mississippi zu weit. Und Blackmon meinte kleinlaut, nachdem er mehrere Morddrohungen erhalten hatte, sein Vorschlag sei ein nur Scherz gewesen. Das wiederum hält nun Politiker*innen an-derer Gliedstaaten nicht davon ab, den Vor-schlag kopieren zu wollen.Es dürften weitere solche Ideen den Weg in die Parlamente nden. Sie werden 11KOLUMNEMICHI RÜEGGUnd der heisst: Ich habe ein leichtes bis mittleres Familienweihnachtstrauma. Ich verbinde das eigentliche Fest nicht mit hollywoodesk glitzernden Kindheitserin-nerungen. Sondern mit Abenden, an denen ich mich am liebsten in Luft aufgelöst hätte. Was nicht ging, denn die Luft war schon sti-ckig genug – Oma litt unter mittelschweren Darmproblemen. Ich hätte mich lediglich vom Esstisch erheben und auf die Couch setzen können. Aber die war das Reich der missratenen Promenandenmischung, die Oma und Opa einst im Tierheim gefunden hatten. Oma hatte ein gutes Händchen für psychisch labile Hunde. Und Zita, wie das Vieh hiess, stand ihrer Vorgängerin Nora in diesem Punkt in nichts nach. Sie dachte, alle Sofakissen wären ihre Kinder und ver-teidigte diese Zähnefl etschend gegen Ein-dringlinge. Seht ihr, liebe Leser*innen. Da ist so viel Unverarbeitetes, ich komme einfach nicht davon los.Jingle Bells oder Jingle Balls?Trotzdem gehen die Festtage irgendwie nicht ohne Fest. Denn einfach Fisttage draus zu machen, «Jingle Bells» in «Jingle Balls» umzuwandeln und das Elektrosti-mulationsgerät aus dem Schrank zu holen, deckt mein Bedürfnis nach Weihnachten irgendwie nicht. Also habe ich versucht, al-ternative Rituale zu fi nden.Und ich fand sie. Indem ich nach dem Grundsatz lebe: Ich liebe es, Weihnachten mit der Familie zu verbringen, solange es nicht meine eigene ist. Seit ich diese Regel anwende, ist Weih-nachten wieder ein Fest der Liebe gewor-den. Einige Jahre war ich jeweils bei den Schwiegereltern eines guten Freundes zu Besuch. Die hatten ein Ferienhaus in einem Bündner Skigebiet. Das war super, wenn’s mir im Haus stank, holte ich die Skier her-aus und ging auf den Berg. Und wenn nach dem Fondue Chinoise am Weihnachts-abend die Bescherung anstand, kriegte ich jeweils auch irgendwas in Papier Eingewi-ckeltes. Doch meine Anwesenheit war das eigentliche Geschenk. Für die Gastgeber. Ich war wie eine Art heimatloser Jesus, der aus der Kälte kam und dem sie nun einen Platz an ihrem Tisch überliessen. Dadurch konnten sie sich nützlich und gut fühlen. Und ich kriegte eine warme Mahlzeit und reichlich Alkohol. Als sich mein Bekannter von seiner Frau und ihrer Familie scheiden liess, war leider Schluss mit Weihnachten in den Ber-gen. Ich überbrückte diese Zeit mit einer weiteren Beziehung und Festtagen bei mei-nen Schwiegereltern an der ungarischen Grenze. Das war ziemlich exotisch, denn früher war da Krieg und die hatten damals nicht viel. Darum konsumieren sie heute umso mehr, vor allem Obstbrände. Als die-ses Set Schwiegereltern Geschichte war, gab’s Neue und die sind auch ganz nett. Auch wenn mir lieber ist, wenn ich die Mahlzeit für alle koche. Kulinarisch ist bei denen nicht so. Und auch der Baum sieht ge-legentlich etwas grenzwertig aus.Aber hey, ich erlebe Weihnachten und es ist nicht die eigene Familie. Was mehr könnte man sich für die Festtage wünschen? Und lieben kann ich ganz viele Leute, doch, doch. Dafür braucht es keine Blutverwandt-schaft. Eine warme Mahlzeit, ein ge-schmückter Besen, nette Leute, die man nicht allzu gut kennt, ordentlich Salz am Karto elstock, ein paar nutzlose, in Papier gewickelte Geschenke unter dem Baum und reichlich Alkohol. So muss Weihnachten. Und Lametta, etwas mehr Lametta. Michis Grosi hatte ein gutes Händchen für psychisch labile Hunde. Sein Trauma diesbezüglich ist noch nicht therapiert worden.Jedenfalls hatte Oma einen Narren an diesem Scheiss-Engelshaar gefressen. Aber das allein war nicht das Problem.Die eigentliche Schwierigkeit lag im Baum. Denn anstelle einer kräftigen Nord-manntanne gab’s jeweils einen Besen aus eigenem Anbau. Opa hatte in einem Anfall geistiger Umnachtung – als zum vierten Mal eine Eisenbahngesellschaft in den USA Plei-te ging, von der er ein paar Aktien gekauft hatte – einen Teil seines Ersparten in ein Waldstück gesteckt. Der Wald lag etwa fünf-zehn Autominuten von daheim in der Nähe einer geplanten Autobahnstrecke. Dafür hätten eigentlich die privaten Waldbesitzer enteignet werden sollen. Hätte man doch…Dorthin, in seinen kleinen Wald, zog es im Dezember jeweils Opa mit einer rosti-gen Säge im Gepäck. Und wenn er eine be-sonders jämmerliche Tanne gefunden hat-te, erlöste er sie von ihrem Schicksal und dem lebensnotwendigen Wurzelstock und schleppte sie nach Hause. So jämmerlich diese Dinger auch aussahen, sie waren praktisch immer länger als das Wohnzim-mer hoch war. Daher schnitt Opa die Spitze ab oder liess sie sich entlang der Decke bie-gen. Wer nun meint, die unter dem Baum liegenden Geschenke hätten die Stimmung gehoben, irrt. Opa hätte einen sowieso ver-gessen, Oma hingegen nicht. Sie wollte, dass alle Kinder gleich behandelt werden, was ihr insofern nicht gelang, als dass die Kinder der Diabetikerin etwas mehr galten. Aber ich will hier nicht alte Wunden aufreis-sen, sondern bei Gelegenheit zum Punkt kommen.MICHI RÜEGGMichi Rüegg ist Journalist, Theaterautor, Moderator und wirklich sehr, sehr langjähriger Cruiser-Kolumnist. Er ist mittlerweile einiges über 40 und lebt in einem zweistelligen Zürcher Kreis mit einer dominanten Katze.«Ich liebe es, Weihnachten mit der Familie zu verbringen, solan-ge es nicht meine eigene ist.»etwa 40 bis 100 Millionen Spermien aus dem Penis schiessen. Jedes einzelne sollte also gemäss Blackmon, der den Gesetzesvor-schlag einreichte, vor dem Gesetz besserge-stellt sein als eine durch Vergewaltigung ge-schwängerte Frau. Vielleicht möchte der Republikaner allen Spermien gleich noch das Wahlrecht hinterherreichen, damit könnten die Republikaner bei den nächsten Präsidentschaftswahlen auf Billiarden von Spermien-Stimmen hoen.Monty Python als prophetische GesetzgeberOb der Politiker sich dessen bewusst war oder nicht, die Inspiration für seine Idee kommt eigentlich von keinen geringeren als der britischen Satirikertruppe Monthy Py-thon. In ihrem Lied «Every Sperm is Sacred» im Film «e Meaning of Life» aus dem Jahr 1983 machten sie sich lustig über die An-sicht der römisch-katholischen Kirche, dass jedes Spermium heilig sei und nicht ver-schwendet werden dürfe. Wieso allerdings nur eines der dutzenden Millionen Spermi-en pro Orgasmus seinen Job machen kann, während der Rest sich opfert, dafür haben weder die Kirche noch Bradford Blackmon eine vernünftige Erklärung.Die Frage, wie genau die Einhaltung des Gesetzes garantiert werden sollte, darü-ber fehlten Angaben. Ob etwa unbeabsich-tigte nächtliche Ergüsse ebenso bestraft nicht nur menschenverachtend sein, son-dern ganz gezielt LGBT*-Menschen das Le-ben schwer machen. Die nächsten vier Jah-re werden zeigen, ob wir uns von unseren Rechten und der über Jahrzehnte erkämpf-ten gesellschaftlichen Akzeptanz verab-schieden dürfen. Die Homophobie hält mit wehenden Fahnen Einzug in die gesellschaftliche Mitte. Wenn wir uns ihr nicht entschieden in den Weg stellen, werden wir es bald be-reuen. In ihrem Lied «Every Sperm is Sacred» im Film «The Meaning of Life» aus dem Jahr 1983 mach-ten sie sich lustig über die An-sicht der römisch-katholischen Kirche, dass jedes Spermium heilig sei und nicht verschwen-det werden dürfe. Flucht der heiligen Spermien – Amerika war ihnen doch zu eng: Während Republikaner ihnen göttlichen Status verleihen wollen, schwimmen die Spermien lieber in Richtung Freiheit – weit weg von den absurden Gesetzen der USA.
25AUSLANDTRUMP UND QUEERE JUGENDLICHEMedia © Shutterstock / Adobe StockCRUISER MÄRZ 2025Die Welle diskriminierender Gesetze zwingt immer mehr LGBT*-Jugendliche dazu, ihre Heimat zu verlassen. Die systematische Feindseligkeit droht zu eskalieren.Die Flucht queerer Jugendlicher in den USAVON AHME OLYMPIn den vergangenen Jahren haben sich anti-queere Gesetzesinitiativen in den Vereinigten Staaten massiv vervielfacht. Allein im Jahr 2023 wurden über 500 diskri-minierende Vorstösse auf kommunaler und bundesstaatlicher Ebene eingebracht, viele davon tatsächlich verabschiedet und in gel-tendes Recht umgewandelt. Diese ver-schärfte Gesetzgebung trit insbesondere queere Jugendliche hart. Sie erleben Stig-matisierung, Diskriminierung im Schul- und Gesundheitswesen und sogar gesetzli-che Verbote medizinischer Behandlungen, die für trans Personen essenziell sind.Besonders alarmierend ist die Lage für trans und nicht-binäre Menschen. Laut einer Studie des Trevor Projects in Zusam-menarbeit mit dem Movement Advance-ment Project (MAP) erwägen 68 Prozent der queeren Jugendlichenaus den betroenen Bundesstaaten einen Umzug. Bereits 18 Pro-zent der Befragten sind tatsächlich umgezo-gen – oft, um wieder Zugang zu adäquater medizinischer Versorgung zu erhalten. Neben den direkten gesundheitlichen und sozialen Folgen erleben viele queere Ju-gendliche zunehmend feindliche gesell-schaftliche Bedingungen. Schulen verbie-ten Bücher mit LGBT*-emen, queere Lehrkräfte werden entlassen und es wer- ➔ Donald Trump verschärft die Lage für queere Jugendliche in den USA. Seine Politik bedroht Schutzräume und zwingt viele junge Menschen zur Flucht aus konservativen Bundesstaaten.
CRUISER MÄRZ 202526den Richtlinien durchgesetzt, die das Co-ming-out von Schüler*innen erschweren. Dadurch entsteht eine Atmosphäre der Angst und Unsicherheit.Die politische Spaltung der USA ist in dieser Debatte besonders deutlich. Wäh-rend einige Bundesstaaten, darunter Kali-fornien, Illinois und New York, progressive Schutzgesetze eingeführt haben, entwi-ckeln sich andere Staaten wie Florida, Texas und Tennessee zu Orten, in denen queere Menschen gezielt diskriminiert und ent-rechtet werden. Besonders besorgniserre-gend ist die zunehmende Kriminalisierung der Unterstützung für trans Jugendliche: Ärzt*innen, erapeut*innen und sogar El-tern, die armierende Massnahmen ergrei-fen, werden mit Repressalien bedroht.Trumps Rolle in der Eskalation der DiskriminierungDie Situation für queere Menschen in den USA hat sich unter der politischen Führung von Donald Trump weiter verschärft. Wäh-rend seiner ersten Präsidentschaft erliess Trump zahlreiche anti-LGBT*-Verordnun-gen, die Schutzmassnahmen für queere Menschen massiv einschränkten. Dazu ge-hörten die Abschaung von Diskriminie-rungsschutz für trans Personen im Militär, der Entzug von Gesundheitsrechten für LGBT*-Personen sowie die Zulassung reli-giöser Ausnahmen, die es Unternehmen er-möglichten, queeren Menschen Dienstleis-tungen zu verweigern.Bereits vor seiner Rückkehr ins Weisse Haus hat Trump angekündigt, neue restrik-tive Massnahmen zu erlassen. Seine Dro-hungen reichen von der Rücknahme beste-hender Antidiskriminierungsgesetze bis zur gezielten Eliminierung von Schutzräumen für trans Personen. Diese Ankündigungen befeuern eine politische Stimmung, die schon zu einem verstärkten Anstieg queer-feindlicher Gewalt geführt hat.All das hat Konsequenzen: Neben den initiierten Umzügen berichten viele betrof-fene Jugendliche von Traumata. Ein Um-zug bedeutet oft den Verlust ihres sozialen Umfelds, den Bruch mit der eigenen Ge-schichte und immense psychische Belas-tungen. Einige müssen ihre Schulbildung unterbrechen, andere nden sich in unsi-cheren nanziellen Verhältnissen wieder. Studien zeigen, dass (queere) Jugendliche, die in feindlichen Umfeldern aufwachsen, ein signikant erhöhtes Risiko für Depres-sionen, Angststörungen und Suizidgedan-ken haben. Die erzwungene Migration queerer Jugendlicher in den USA ist eine der gravie-rendsten gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre. Sie zeigt nicht nur die tiefen politischen und sozialen Gräben in-nerhalb des Landes, sondern macht auch deutlich, wie existenziell die Frage der Gleichberechtigung ist. Langfristig wird sich zeigen, ob pro-gressive Bundesstaaten in der Lage sind, diesen Jugendlichen eine sichere Zukunft zu bieten. In der Zwischenzeit fordern Menschenrechtsorganisationen dringende-Massnahmen auf Bundesebene, denn ein Land, das seine eigene Jugend nicht in allen Bereichen schützt, stellt seine demokrati-schen Grundwerte infrage. Die Regenbogenflagge steht weltweit als Symbol für Vielfalt und Gleichberechtigung. Doch auch heute bleibt der Kampf für Akzeptanz und echte Gleichstellung eine Herausforderung. Unter Trump mehr denn je.Bereits vor seiner Rückkehr ins Weisse Haus hat Trump an-gekündigt, neue restriktive Massnahmen zu erlassen. Seine Drohungen reichen von der Rücknahme bestehender Anti-diskriminierungsgesetze bis zur gezielten Eliminierung von Schutzräumen für trans Personen. Media © Shutterstock
27SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURKOLUMNEPETER THOMMENCRUISER MÄRZ 2025VON PETER THOMMENManchmal denke ich, die schwule Welt dreht sich rückwärts und ich sei wieder in den 60er-Jahren ange-kommen. In jenen Jahren trafen sich Schwule privat oder in hetero Lokalen und hatten «beste Freundinnen» allerorten...Vor Jahrzehnten gab es für Insider auch Bademöglichkeiten in Freibädern und man nahm da neben Zeitungen auch Bü-cher mit, über deren Rand attraktive Gäste beobachtet werden konnten. Ich erinnere mich an einen Roman von Alan Hol-linghurst von 1988, in dem er über eine «Schwimmbadbibliothek» schreibt. Vorne war ein Bild von David Hockney mit «Swim-mingpool-Boys» abgedruckt. Diese Kombi-nation fand ich interessant. Doch ich habe mir über die Jahre völlig falsche Vorstellun-gen über die Geschichte gemacht. Sie spielt in einem privaten inhouse Bad-Club, dem eine Bücherstube angegliedert ist.Moderne Gaysaunen bieten keine Bib-liothek, höchstens Haufen alter Zeitschrif-ten für die Langeweile zwischen Sexaben-teuern. Der eine oder andere Gast verschwindet schon mal in der Umkleide, um sein iPhone zu konsultieren, oder um zu sehen, ob jemand, auf den er wartet, unter-wegs in die Sauna ist. Der geschützte Raum einer Sauna – es hat weitere Männer hier, das Personal ist besorgt um das Wohl der Gäste – bietet Sicherheit vor Übergrien. Zudem gibt es Getränke und Snacks sowie Wohlfühlräume und ja – ein Sprudelbad. Also alles was «anonyme Orte» nicht bieten können. Bei Barzahlung ist auch der Sauna-besuch anonym.Saunen für Schwule kamen in der Schweiz erst in den 70ern in Mode. Mir ist aufgefallen, dass sich seit damals etwas nicht geändert hat: Das Schweigen unterei-nander. In der MAWI Sauna sind junge Elsässer Schwestern mit ihrem fröhlichen Geplapper jeweils unangenehm aufgefallen – weil die Suche nach einem Sexualpartner war doch eine ernste Sache.Zufällig hat es sich letzthin mehrmals ergeben, dass ich in normale Gespräche mit irgendeinem Gast hineingeraten bin. Sei es an der Bar, in der Dusche, oder im Umklei-deraum beim Weggehen. Ein Saunaclub kann also auch Kommunikation. Harmlo-ses Plaudern, interessante Gespräche und intime Unterhaltung an einem der Tisch-chen am Sofa. Natürlich auch in einer Sex-kabine. Wer nicht auf einen erwartetes Sex-erlebnis trit, kann unerwartet auch ein Gesprächsabenteuer erleben.Da ich nicht mehr an die verschiede-nen Partys gehen kann, weil diese in meiner Schlafenszeit organisiert werden, kreuze ich in der Sauna schon mal einen alten Be-kannten oder junge Homos. Wenn Leute ei-nen regelmässig sehen, grüsst man sich auch mal unverbindlich. Oder jemand ö-net sich für einen Schwatz oder es werden gemeinsame Erinnerungen aufgefrischt. In jungen Jahren sah ich jeweils die älteren Männer am Rheinufer sonnenbaden oder Ein letztes Relikt im Leben von uns Männern, die mit Männern Sex haben wollen, ist die Männersauna, (verschämt auch mal Männerbad genannt). Entspannung und Kommunikation schliessen sich nicht aus.Ein Saunaclub kann also auch Kommunikation. Harmloses Plaudern, interessante Gesprä-che und intime Unterhaltung an einem der Tischchen am Sofa. im Naturistenbad auf Margrethen. Später war ich engagiert im Beruf und in der Szene. Heute ist meine Welt umgedreht: Jetzt bin ich der Ältere und sehe, wie die Jungen älter werden. Die Sauna ist für mich aber noch immer ein safer space für Körper und Geist.Ab und zu bringen Gäste Substanzen mit oder verschwinden mit etwas in der ge-schlossenen Hand in der Dampfsauna oder im Labyrinth der Kabinen. Damit bringen einige Gäste selbst einen gesundheitlichen Übergri mit und der safer space ist am Arsch. Media © ShutterstockPETER THOMMENPeter Thommen ist Licht-, Gallions- und Reiz- figur aus Basel und schreibt in unregelmäs sigen Abständen für den Cruiser seit dessen Grün-dung 1986. Er betrieb über 40 Jahre lang den schwulen Buchladen «Arcados» und betreibt eines der grössten Online-Archive über die Schwulenszene der Schweiz. www.arcados.ch
CRUISER MÄRZ 202528GESELLSCHAFTTOXISCHE MÄNNLICHKEITTraditionelle Männlichkeitsbilder und ihre destruktiven Folgen – besonders für schwule Männer.Wenn Männlichkeit zur Gefahr wirdMedia © Adobe StockToxische Männlichkeit ist nicht nur ein Problem heterosexueller Männer. Auch schwule Männer stehen unter Druck, bestimmte Maskulinitätsnormen zu erfüllen – mit oft unterschätzten Folgen.
29CRUISER MÄRZ 2025GESELLSCHAFTTOXISCHE MÄNNLICHKEITVON BIRGIT KAWOHL & HAYMO EMPLDer Begri der «toxischen Männlich-keit» existiert bereits seit den 1980er-Jahren und ist heute aktueller denn je. Er beschreibt Verhaltensweisen, die in traditionellen Männlichkeitsbildern ver-wurzelt sind und sich negativ auf die Gesell-schaft sowie auf die Männer selbst auswir-ken. Dazu gehören Dominanzverhalten, die Ablehnung von Emotionen, Aggressivität und das Abwerten von allem, was als «un-männlich» gilt. Diese Denkmuster führen dazu, dass besonders Frauen und LGBT*-Personen vermehrt Opfer von Hass und Ge-walt werden.Wenig beachtet hingegen ist, dass toxi-sche Männlichkeit nicht nur von heterose-xuellen Männern ausgeht. Auch innerhalb der LGBT*-Community existiert Maskuli-nismus, der sich beispielsweise in der Ab-wertung von «weiblich» wahrgenommenen schwulen Männern oder von femininen Geschlechtsidentitäten, z. B. trans Frauen, zeigt. Dadurch reproduziert sich das gesell-schaftliche Idealbild des starken Mannes auch innerhalb einer Gruppe, die eigentlich selbst um Akzeptanz kämpft und sich gerne als oen und tolerant darstellt.Hate Crimes in der Schweiz: Eine BilanzDie Schweiz hat in den letzten Jahren deut-liche Fortschritte bei der Erfassung von Hassverbrechen gemacht. Seit 2022 werden Hate Crimes oziell erfasst, was einen wichtigen Schritt in Richtung besserer Do-kumentation und Bekämpfung solcher Vor-fälle darstellt. Der «Crime Survey 2022» zeigte erstmals repräsentative Zahlen zu Hate Crimes in der Schweiz. Demnach be-richteten 3,4 % der Befragten, im letzten Jahr einen Übergri aufgrund ihrer Grup-penzugehörigkeit erlebt zu haben.Die Daten der LGBT*-Organisationen, insbesondere von Pink Cross, bestätigen diese Problematik: Der Hate Crime Bericht 2024 verzeichnete 305 Meldungen, was ei-ner Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr entspricht. Besonders beunruhigend ist, dass 70 % der gemeldeten Fälle verbale Be-schimpfungen oder Beleidigungen betra-fen, während 21 % physische Gewalt um-fassten. Diese Entwicklung zeigt, dass es nach wie vor eine erhebliche Bedrohung für LGBT*-Personen in der Schweiz gibt (pink-cross.ch).Regionale Unterschiede bei der AkzeptanzDie Akzeptanz von LGBT*-Personen vari-iert stark zwischen städtischen und ländli-chen Gebieten der Schweiz. Während in Grossstädten wie Zürich, Basel oder Genf eine oenere Atmosphäre herrscht, berich-ten LGBT*-Personen in ländlichen Regio-nen häuger von Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung. Diese Unterschiede spiegeln sich auch in den Abstimmungs- ergebnissen zu LGBT*-relevanten Vorlagen wider, bei denen städtische Gebiete typi-scherweise progressiver abstimmen als ländliche Regionen.Digitale Gewalt nimmt zuParallel zu einem leichten Rückgang physi-scher Gewalt im öentlichen Raum haben sich Anfeindungen und Diskriminierung zu-dem stärker in den digitalen Raum verlagert. Soziale Medien bieten Hassgruppen und Einzelpersonen eine Plattform, um ihre Vor-urteile anonym und ungeltert zu verbrei-ten. Der «Crime Survey 2022» zeigte, dass Cybercrime-Delikte in der Schweiz weiter zunehmen, darunter auch Hate Speech ge-gen LGBT*-Personen (pinkcross.ch).Cybermobbing ist für viele Betroene besonders belastend, da es rund um die Uhr stattndet und oft schwer zu kontrollieren ist. Anonyme Hassnachrichten, Drohungen und organisierte Shitstorms sind keine ➔ Media © Adobe StockDer Hate Crime Bericht 2024 verzeichnete 305 Meldungen, was einer Verdoppelung gegen-über dem Vorjahr entspricht. Stark sein um jeden Preis? Die queere Szene hinterfragt zunehmend, welche Vorstellungen von Männlichkeit wirklich gesund sind. Emotionale Offenheit kann eine neue Form von Stärke sein.Soziale Medien bieten Hass- gruppen und Einzelpersonen eine Plattform, um ihre Vorurteile anonym und ungefiltert zu ver-breiten. Der «Crime Survey 2022» zeigte, dass Cybercrime-Delikte in der Schweiz weiter zunehmen, darunter auch Hate Speech gegen LGBT*-Personen.
CRUISER MÄRZ 202530GESELLSCHAFTTOXISCHE MÄNNLICHKEITSeltenheit. Gleichzeitig erhalten Diskrimi-nierungen im digitalen Raum weniger straf-rechtliche Konsequenzen als physische Angrie, was die Betroenen zusätzlich in eine hilose Lage bringt.Der vom Basler Psychologen Udo Raucheisch geprägte Begri «Homonega-tivität» hat sich inzwischen in der Fachwelt etabliert. Im Gegensatz zum veralteten Be-gri «Homophobie», der eine irrationale Angst suggeriert, beschreibt Homonegativi-tät eine bewusste und oft aggressive Ableh-nung von gleichgeschlechtlicher Liebe oder nicht-binären Identitäten (psychologie-heute.de). Diese Unterscheidung ist wichtig, da sie hilft, gezielte Gegenmassnahmen zu entwickeln.Gesetzliche Entwicklungen: Wo steht die Schweiz?Die Gesetzgebung hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Am 9. Februar 2020 wurde per Volksabstimmung die Er-weiterung der Anti-Rassismus-Strafnorm beschlossen, die nun auch Diskriminie-rung aufgrund der sexuellen Orientierung umfasst. Diese Änderung trat am 1. Juli 2020 in Kraft.Trotz dieser Fortschritte bleibt eine grosse Lücke im Schweizer Recht: Hassver-brechen aufgrund der Geschlechtsidentität sind bislang nicht explizit im Gesetz veran-kert. Internationale Menschenrechtsorga-nisationen haben die Schweiz wiederholt wegen ihres mangelhaften gesetzlichen Schutzes kritisiert und eine umfassende Antidiskriminierungsgesetzgebung gefor-dert.Die Schweiz hat mit der Einführung der «Ehe für alle» und der erweiterten Ge-setzgebung gegen Hate Crimes wichtige Meilensteine erreicht. Nun gilt es, diese rechtlichen Fortschritte in gelebte gesell-schaftliche Realität zu überführen. Die Zi-vilgesellschaft spielt hierbei eine zentrale Rolle: Nur durch aktives Eintreten gegen Der vom Basler Psychologen Udo Rauchfleisch geprägte Begriff «Homonegativität» hat sich inzwischen in der Fach- welt etabliert. Diskriminierung, sei es online oder oine, kann toxische Männlichkeit und Homo- negativität nachhaltig bekämpft werden. Männlichkeit als starres Ideal kann zerstörerisch wirken – für andere und für einen selbst. Auch in der queeren Community sind alte Rollenbilder nicht immer leicht zu durchbrechen.DR. UDO RAUCHFLEISCHDr. Udo Rauchfleisch, geb. 1942 in Osnabrück, ist ein Schweizer Klinischer Psychologe und Psychotherapeut, der lange Zeit am Universi-tätsspital Basel tätig war. Häufig befasste er sich in seiner Arbeit mit Delinquenten und dissozialen Patienten.Media © Adobe Stock
Fairtrade Max Havelaar ermöglicht seit über 30 Jahren bessere Einkommen.Arbeiter braucheneinen Lohn zum Lebeneinen Lohn zum Lebeneinen Lohn zum Leben
32LISTICLEDIE GRÖSSTEN GAY-HYMNENCRUISER MÄRZ 202512 LGBT*-Hymnen, die die Community lieben muss! Manche Songs sind mehr als nur Musik – sie sind Kampfansagen, Coming-out-Soundtracks oder die perfekte Begleitung für eine dramatische Lippen-Sync-Performance im Badezimmer. 327. «Freedom! ’90» – George Michael (1990) Weil George Michael uns gezeigt hat, dass Freiheit bedeutet, sein wahres Ich zu leben (und dabei in einer Lederjacke unglaublich gut auszusehen).4. «Somewhere Over the Rainbow» –Judy Garland (1939) Weil Judy Garland uns den queeren Soundtrack für Eskapis-mus geschenkt hat – und niemand ein dramatischeres «There’s no place like home» sagen kann als jemand nach drei Nächten auf einer Pride-Party.3. «Vogue» – Madonna (1990) Weil sich niemand im Club so elegant in einen Lichtkegel drehen kann wie eine Drag Queen, die ihre inneren Grace-Kelly-Vibes channeln will.2. «Born This Way» – Lady Gaga (2011) Weil Lady Gaga eigentlich die Mutter aller queeren Einhörner ist und der Song eine offizielle LGBT*- Beitrittserklärung sein könnte.1. «I Will Survive» – Gloria Gaynor (1978) Weil jede*r schon mal beim dritten Margarita über den Ex hinwegkommen musste – ob real oder imaginär.5. . «Y.M.C.A.» – Village People (1978) Weil dieser Song offiziell nie wieder gespielt werden darf, nachdem die Village People sich für einen Auftritt bei Trump entschieden haben – Schande über ihr Feder-schmuck-Kostüm!6. «I Want to Break Free» – Queen (1984) Weil Freddie Mercury und Co. im Drag-Musikvideo nicht nur ikonisch aussahen, sondern auch die ultimative Befreiungs-hymne schufen – perfekt für Coming-outs und das Gefühl, endlich die toxische Ex-Freundschaft loszuwerden.Media © Shutterstock
33CRUISER MÄRZ 2025LISTICLEDIE GRÖSSTEN GAY-HYMNEN33LISTICLEKURZ, KNACKIG & QUEER!10. «Can't Get You Out of My Head» – Kylie Minogue (2001) Weil Kylie Minogue einfach Gottes Geschenk an die queere Community ist. Punkt.11. «Believe» – Cher (1998) Weil niemand jemals so herzzerreissend gefragt hat «Do you belieeeve in life after love?» – ausser viel-leicht man selbst, sonntagmorgens um 6 Uhr in einer schwulen Bar-Toilette.8. «I Am What I Am» – aus La Cage aux Folles (1983) Weil es nichts Schöneres gibt, als sich morgens im Spiegel anzusehen und zu denken: «Ja, verdammt, das bin ich!» (Und dann trotzdem noch 20 Minuten für die Frisur zu brauchen.)9. «Smalltown Boy» – Bronski Beat (1984) Weil Jimmy Somerville eine der wenigen Stimmen ist, die dich zum Weinen und zum Tanzen bringen kann – manchmal gleichzeitig.12. «I Wanna Dance with Somebody» –Whitney Houston (1987) Weil es DER Song ist, der den Club auf einmal in einen gigantischen Glee-Moment verwandelt – mit oder ohne Alkohol.Bonus: «Padam Padam» – Kylie Minogue (2023)Weil niemand genau weiss, was es bedeutet, aber wir alle wissen, dass es uns in hypnotischen Trance versetzt – und wahrscheinlich direkt an die Bar.. Media © Shutterstock
34CRUISER SOMMER 2024RUBRIKENTITELRUBRIKENUNTERTITEL34Mein Freund verliert beim Sex öfters die Kontrolle über sich und fügt mir ungewollt Schmer-zen zu. Manchmal kommt es auch zu Verletzungen. Darauf angesprochen antwortet er, ich mache ihn halt so geil. Wie soll ich mich ihm gegenüber verhalten? Moritz (25)Hallo Moritz Rede mit deinem Freund und mache ihm unmissverständlich klar, dass du das nicht willst. Ihm scheint das entweder nicht be-wusst zu sein oder er nimmt dich nicht ernst. Sollte das nicht helfen, könnte der (vorübergehende) Verzicht auf Sex eine Möglichkeit sein, ihm das klar zu machen. Wenn auch dann keine Einsicht besteht, scheint ihr sexuell oenbar nicht (mehr) zusammen zu passen. Dann gilt es abzu-wägen, welche Lösungen für euch in Frage kommen. Vielleicht eine oene Beziehung oder eine Paartherapie, vielleicht aber auch eine Trennung. Unter drgay.ch/lieben n-dest du entsprechende Informationen rund um das ema.Alles Gute, Dr. GayBei Dr. Gay ndest du alles rund um das Leben in der Community: Sexualität, Beziehungen, Drogen und mehr. Dr. Gay ist ein Angebot der Aids-Hilfe Schweiz und för- dert die Gesundheit von schwulen, bi & queeren Männern, sowie trans Personen durch Präventionsarbeit mit der Community.Ich nehme seit einem Jahr die tägliche PrEP und fühle mich gut und sicher dabei. Nun habe ich gehört, dass PrEP nur vor «normalen» HI-Viren schützt, nicht aber vor aggressiveren HIV-Stämmen. Stimmt das? Nil s (31)Hallo NilsKeine Sorge, die HIV-PrEP schützt richtig eingenommen zuverlässig vor HIV. Das was du ansprichst sind Resistenzen. Diese können sich bei Beginn oder Fortsetzung der HIV-PrEP nach einer nicht diagnosti-zierten akuten HIV-Infektion entwickeln. Darum ist es u.a. wichtig, dass vor Beginn einer HIV-PrEP eine ärztliche Beratung mit HIV- und STI-Tests stattndet, damit eine HIV-Infektion ausgeschlossen werden kann. Alles Gute, Dr. Gay drgay.ch drgay_official @drgay_officialMehr Infos «Alles zum Thema Sexualität» gibt es hier:34RATGEBERDR. GAYCRUISER MÄRZ 2025
Mehr Infos «Alles zum Thema Sexualität» gibt es hier:RUBRIKENTITELRUBRIKENUNTERTITELIhre kompetente Stellenvermittlung im GesundheitswesenDanya Care GmbH vermittelt qualifizierte Arbeitskräfte: professionell, zuverlässig, schnell und exakt auf die Vakanz abgestimmt.Auch für Arbeitgeber*innen sind wir Vermittlungs- Spezialisten!Suchen Sie qualiziertes Pegefachpersonal für Ihr Team? Wir helfen Ihnen, die richtige Person für Ihre Vakanz zu nden.Sie sind eine ausgebildete Fachkraft im Pege- oder Medizinalbereich mit guten Arbeitszeugnissen; Sie geben uns Auskunft über Ihre Erwartungen an die neue Stelle, Ihre Qualikationen, Fähigkeiten, Aus- und Weiter- bildungen und persönliche Daten.Wir entwickeln basierend auf Ihren Angaben ein Bewerber*innenprol und formulieren Ihre Erwartungen bezüglich der gewünschten Arbeitsstelle.Wir prüfen aufgrund der Anfragen unserer Mandanten und in fachspezischen Netzwerken passende Stellenangebote.Für Stellensuchende ist unsere Dienstleistung kostenlos!Für eine erfolgreiche Stellenvermittlung!Kontaktieren Sie uns – es lohnt sich für Arbeit- gebende und Arbeitnehmende!Danya CareDanya Care GmbH, Buckhauserstrasse 36, 8048 Zürich info@danyacare.ch, www.danyacare.chCRUISER_Oktober_2024_alt.indd 20CRUISER_Oktober_2024_alt.indd 20 23.09.24 15:4623.09.24 15:46
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