Message SEIT 1986 DAS ÄLTESTE QUEERE MAGAZIN DER SCHWEIZ – MAI 2025 CHF 8.10KUNST, KULTUR & LEBENSSTIL FÜR DIE LGBT*-COMMUNITY4 Alle Jahre wieder Gay-Megaevent ESC 10 Das Versteckspiel geht weiter Kaum Fortschritte für schwule Fussballer20 Nicht totzukriegen Die Operette lebt weiter
FASTGESCHAFFT!BIS 2030 KEINE HIV-ÜBERTRAGUNGEN.Seit 40 Jahren ist die Aids-Hilfe Schweiz mit Fachstellen und Community engagiert. Unser gemeinsames Ziel: Bis 2030 keine HIV-Übertragungen beim Sex zwischen Männern. Wer seinen Status kennt, hilft mit. Darum jetzt zum Test: drgay.ch/2030Angebot nur für Männer und trans Personen, die Sex mit Männern haben.Nur im MaiBuche den Rest dazuHIV- und Syphilis-TestHauptsponsorSupported by
4 KULTUR EUROVISION SONG CONTEST 8 KULTUR BUCHTIPP10 THEMA SCHWUL IM FUSSBALL 16 KOLUMNE MARIANNE WEISSBERG20 KULTUR GAYS UND OPERETTE22 KULTUR THEATER IN DER ROTEN FABRIK 24 KULTUR WARMER MAI25 KULTUR ROBIN HOOD IM PFAUEN28 SERIE HOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATUR 30 KOLUMNE MICHI RÜEGG32 LISTICLE GAY-OLYMPICS ESC34 RATGEBER DR. GAYCRUISER MAGAZIN PRINTISSN 1420-214x (1986 – 1998) | ISSN 1422-9269 (1998 – 2000) | ISSN 2235-7203 (Ab 2000) Herausgeber & Verleger medienHay GmbHInfos an die Redaktion redaktion@cruisermagazin.chChefredaktor Haymo Empl Stv. Chefredaktorin Birgit Kawohl Bildredaktion Haymo Empl Alle Bilder mit Genehmigung der Urheber*innen.Art Direktion Lili WagnerAutor*innen Haymo Empl, Oliver Fritz, Birgit Kawohl, Ahme Olymp, Michi Rüegg, Alain Sorel, Marianne WeissbergKorrektorat | Lektorat Birgit KawohlHinweis: Artikel, die mit «Team Cruiser» gekennzeichnet sind, stellen in der Regel bezahlte Empfehlungen (Publireportagen) der Redaktion dar.Anzeigen anzeigen@cruisermagazin.chChristina Kipshoven | Telefon +41 (0)31 534 18 30Druck werk zwei Print+Medien Konstanz GmbHREDAKTION UND VERLAGSADRESSECruiser | Clausiusstrasse 42, 8006 Zürichredaktion@cruisermagazin.chHaftungsausschluss, Gerichtsstand und weiterführende Angaben auf www.cruisermagazin.ch Der nächste Cruiser erscheint am 2. Juni 2025Unsere Kolumnist*innen widerspiegeln nicht die Meinung der Redaktion. Sie sind in der Themenwahl, politischer /religiöser Gesinnung sowie der Wortwahl im Rahmen der Gesetzgebung frei. Wir vom Cruiser setzen auf eine grösst mögliche Diversität in Bezug auf Gender und Sexualität sowie die Auseinandersetzung mit diesen Themen. Wir vermeiden darum sprachliche Eingriffe in die Formulierungen unserer Autor*innen. Die von den Schreibenden gewählten Bezeichnungen können daher zum Teil von herkömmlichen Schreibweisen abweichen. Geschlechtspronomen werden ent spre chend implizit eingesetzt, der Oberbegriff Trans* beinhaltet die ent- sprechenden Bezeichnungen gemäss Medienguide «Transgender Network Schweiz».Cruiser wurde als einzige LGBT*-Publikation als «kulturell relevant» eingestuft und wird daher in der Schweize rischen Nationalbibliothek, der ZB Zürich sowie in der deutschen Nationalbibliothek archi viert. Cruiser ist zudem via SMD (schweizerische Mediendatenbank) allen Medienschaffenden zugänglich.Malek fiebert dem ESC entgegen und hat sich schon mal vorab ins richtige Outfit geschwungen. IMPRESSUM EDITORIALLiebe Leser*innen der Frühling bringt nicht nur frische Luft, sondern auch den Eurovision Song Contest 2025! In dieser Ausgabe widmen wir uns ausführlich dem ESC – dieser kulturellen Institution mit besonderer Bedeutung für die queere Community. Von den Anfängen im beschaulichen Lugano 1956 bis zu Nemos triumphaler Performance haben wir die schillernde Geschichte und Bedeutung dieses Ereignisses für uns als Community aufgearbeitet.Auch der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie am 17. Mai findet seinen Platz – wir beleuchten Homosexualität im Profifussball, wo trotz gesellschaftli-chem Fortschritt Sichtbarkeit noch immer fehlt.Für einen Hauch Leichtigkeit sorgt Marianne Weissberg, die sich mit ihrem schwulen Freund Harry über die perfekte Spring-Putz-Playlist voller Gay-Icons von Kylie bis Gloria austauscht.Diese Themen zeigen, wie vielfältig unsere Community ist – im Kampf für Sichtbarkeit, im kulturellen Ausdruck und im alltäglichen Leben. Ob im Stadion, auf der ESC-Bühne oder beim Frühjahrsputz – wir prägen die Welt auf unsere ganz eigene Art.Herzlich; Haymo Empl, Chefredaktor FASTGESCHAFFT!BIS 2030 KEINE HIV-ÜBERTRAGUNGEN.Seit 40 Jahren ist die Aids-Hilfe Schweiz mit Fachstellen und Community engagiert. Unser gemeinsames Ziel: Bis 2030 keine HIV-Übertragungen beim Sex zwischen Männern. Wer seinen Status kennt, hilft mit. Darum jetzt zum Test: drgay.ch/2030Angebot nur für Männer und trans Personen, die Sex mit Männern haben.Nur im MaiBuche den Rest dazuHIV- und Syphilis-TestHauptsponsorSupported by
Media © Creative Commons / Thomas Hanses EBU4KULTUREUROVISION SONG CONTEST Glitzer, Politik und Identität – Der ESC als queerer EventDer Eurovision Song Contest ist ein kulturelles Phänomen mit besonderer Bedeutung für die queere Community.VON HAYMO EMPLEs war ein unscheinbarer Maiabend im Jahr 1956, als im beschaulichen Luga-no der allererste Eurovision Song Contest – damals noch unter dem Namen «Grand Prix Eurovision de la Chanson» – über die Bühne ging. Mit Lys Assia sicherte sich die Schweiz auf heimischem Boden den allerersten Sieg – der Auftakt einer kompli-zierten Liebesbeziehung zwischen dem klei-nen Alpenland und dem grössten Musik-wettbewerb der Welt, die 2024 mit Nemos triumphaler Performance von «e Code» einen vorläugen Höhepunkt fand.Der anfänglich konventionelle Schla-gerwettbewerb entwickelte über die Jahr-zehnte eine unterschwellige Anziehungs-kraft für queere Zuschauer. Mit dem legendären Sieg von ABBA 1974 begann eine neue Ära – die bunten Kostüme, dramati-schen Performances und zunehmende ea-tralik schufen eine Ästhetik, die in schwulen Kreisen besonders enthusiastisch aufge-nommen wurde. In einer Zeit, in der Homo-sexualität in vielen Ländern noch kriminali-siert wurde, bot der ESC einen seltenen Moment der Gemeinsamkeit und – wenn auch meist implizit – der Repräsentation.Der wahre Durchbruch für die Sicht-barkeit der LGBT*-Community kam 1998, als Dana International, eine trans Frau aus Israel, mit ihrem Song «Diva» den Sieg er-rang. Die darauolgenden Jahre festigten diese Verbindung nur noch weiter. Acts wie Verka Serduchka (Ukraine), Conchita Wurst (Österreich) und Måneskin mit dem bisexu-ellen Frontmann Damiano David (Italien) brachten queere Ästhetik und Identität noch stärker in den Wettbewerb ein. Besonders Conchitas triumphaler Sieg 2014 mit «Rise Like a Phoenix» wurde zu einem ikonischen Moment für die gesamte Community.Die Schweiz im ESC: Vom ersten Sieg bis zum queeren TriumphNach Lys Assias Triumph 1956 folgte eine CRUISER MAI 2025Napoleons Ende und Anfang der immer noch gefeierten Pop-Legenden: ABBA schrieb mit Waterloo ESC-Geschichte.
5KULTUREUROVISION SONG CONTEST ANZEIGE5 CRUISER SommER 2017sliPPerySubjeCtSVoN MARTIN MüHLHEIMC oming-out-Filme gibt es mittlerweile viele, und entsprechend unterschied-lich kommen sie daher: leichtfüssig- komisch wie der britische Klassiker Beautiful ing (1996), eher nachdenklich wie das brasilianische Kleinod Seashore (2015), bisweilen auch zutiefst tragisch – so im israelischen Drama Du sollst nicht lieben (2009), das in der ultraorthodoxen Gemein-de in Jerusalem spielt.Angesichts solcher Unterschiede er-staunt es umso mehr, mit welcher Regel- mässigkeit uns Coming-out-Filme Jungs oder Männer zeigen, die – alleine, zu zweit oder in Gruppen – schwimmen gehen. Nun könnte man das natürlich als Zufall oder Neben-sächlichkeit abtun. Bei genauerem Nachden-ken zeigt sich allerdings, dass sich gleich mehrere Gründe für diese erstaunliche Häu-gkeit nden lassen.Nackte Haut ohne allzu viel SexEine erste, nur scheinbar oberächliche Er-klärung ist, dass (halb)entblösste Körper sich nicht bloss auf der Leinwand, sondern auch auf Filmpostern und DVD-Covern äus- serst gut machen. Schwimmszenen bieten ein perfektes Alibi für das Zeigen von nack-ter Haut: Sex sells, wie es so schön heisst.Warum «Alibi»? Weil man – gerade bei Filmen mit jungen Protagonisten – aufpas-sen muss: «Sex sells» mag zwar zutreen, aber allzu explizite Sexszenen können schnell mal zu hohen Altersfreigaben füh-ren. Dies wiederum möchten Filmemacher in der Regel vermeiden: Filme, die erst ab 18 freigegeben sind, lassen sich nämlich weni-ger einfach vermarkten. Auf Amazon.de zum Beispiel werden Filme mit Altersfreiga-be 18 nur an nachweislich volljährige Perso-nen verkau – und gerade für Coming- out-Filme, die sich auch an ein junges Publi-kum richten, ist dies sicher kein wünschens-werter Eekt.Schwimmszenen bieten hier eine per-fekte Kompromisslösung: Man kann nackte Haut lmisch ansprechend inszenieren, da-bei aber allzu heisse Techtelmechtel tugend-ha vermeiden (beispielsweise, indem der Wasserspiegel immer über der Gürtellinie bleibt, wie im niederländischen Film Jon-gens, 2014). Um das Rezept knapp zusam-menzufassen: Man nehme eine grosszügige Portion feuchter Erotik, eine vorsichtige Pri-se Sex – und um Himmels Willen kein Körn-chen Porno. Eingetaucht ins TrieblebenMan täte den lesBischwulen Filmemache-rInnen aber unrecht, wenn man ihre erzäh-lerischen Entscheidungen allein auf nan-zielles Kalkül reduzieren wollte. Es gibt nämlich auch ästhetisch-symbolische Grün-de, die Schwimmszenen für das Genre inter-essant machen. Da wäre zunächst die Funktion des Wassers als Symbol für das Unbewusste. Dieses Unbewusste, so weiss man spätestens seit Sigmund Freud, hat viel mit der Triebna-tur des Menschen zu tun – und so erstaunt es nicht, dass Hauptguren auf der Suche nach ihrer sexuellen Identität sozusagen symbo-lisch in die Tiefen des Unbewussten eintau-chen müssen, um ihr gleichgeschlechtliches Begehren zu entdecken. Figuren in der SchwebeDarüber hinaus hat die Filmwissenschale-rin Franziska Heller in ihrem Buch über die Filmästhetik des Fluiden (2010) gezeigt, dass schwimmende Figuren immer wieder als «schwebende Körper» inszeniert werden: o in Zeitlupe und seltsam herausgelöst aus dem sonst zielstrebig voranschreitenden Erzählprozess. Dieser Schwebezustand wie-derum ist eine wunderbare visuelle Meta-pher für die Phase kurz vor dem Coming-out: Man ist nicht mehr der oder die Alte, aber auch noch nicht ganz in der neuen Identität angekommen. Ein Film macht das Schweben sogar explizit zum ema: In Kinder Gottes aus dem Jahr 2010 zeigt Romeo dem neuro-tisch-verklemmten Johnny, wie befreiend das «Floating» im Meer sein kann.Neben der Inszenierung von Schwebe-zuständen und dem Wasser als Symbol für das Unbewusste ist drittens das Motiv von ➔ Filme, die ersT ab 18 FreiGeGeben sind, lassen sicH nämlicH WeniGer einFacH VermarKTen.ANZEIGE«Was geht mich meine Gesundheit an!» Wilhelm Nietzsche Wir sind die erste Adresse für diskrete Beratung in allen Gesundheitsfragen.Stampfenbachstr. 7, 8001 Zürich, Tel. 044 252 44 20, Fax 044 252 44 21 leonhards-apotheke@bluewin.ch, www.leonhards.apotheke.chIhr Gesundheits-Coach .rz_TP_Leonhards_Apotheke_210x93.3_Cruiser_4c_280317.indd 1 28.03.2017 10:07:37wechselhafte Geschichte. Der strahlendste Moment der frühen Schweizer ESC-Ge-schichte ereignete sich 1988, als Céline Dion mit «Ne partez pas sans moi» den Wettbe-werb in Dublin für die Schweiz gewann. Nach diesem Triumph folgte jedoch eine lange Durststrecke.Während der ESC in der Schweizer Mehrheitsgesellschaft an Bedeutung verlor, wurde er in der schwulen Community zu ei-nem kulturellen Anker. ESC-Partys in priva-ten Wohnzimmern und Clubs entwickelten sich zu elaborierten Ritualen mit selbst- gestalteten Punktetafeln, landestypischen Speisen und thematisch passenden Dekora-tionen.Ein Wendepunkt kam 2019, als Luca Hänni mit «She Got Me» den vierten Platz erreichte. Zwei Jahre später folgte Gjon’s Tears mit «Tout l’Univers» auf Platz drei. Und dann kam Nemo. Die Entscheidung, eine nichtbinäre Person zum ESC zu schi-cken, war bereits ein starkes Statement für Diversität. Nemos Song «e Code» thema-tisierte explizit die eigene Reise zur nicht- binären Identität – «Ich habe den Code ge-knackt» wurde zur zentralen Metapher für das Brechen geschlechtlicher Normen.Als Nemo dann tatsächlich trium-phierte, brachen in den queeren Lokalen des Landes alle Dämme. Dieser Sieg markiert nicht nur für die Schweiz, sondern für die gesamte queere Community einen histori-schen Moment: Zum ersten Mal gewann eine oen nichtbinäre Person den ESC. In einer Zeit, in der Transphobie und Feindse-ligkeit gegenüber nichtbinären Personen in vielen Ländern zunehmen, sendet dieser Triumph ein kraftvolles Signal der Akzep-tanz und des Stolzes.Das politische Spannungsfeld: Der ESC als Barometer für LGBT*-AkzeptanzTrotz der oziellen Position der European Broadcasting Union (EBU), dass der ESC ein unpolitischer Event sei, war der Wettbewerb stets ein Spiegelbild gesellschaftspolitischer Entwicklungen. Die geograsche Expansion des Wettbewerbs nach dem Fall des Eiser-nen Vorhangs brachte diese Dynamik be-sonders deutlich zum Vorschein. Als Länder mit restriktiver LGBT*-Gesetzgebung wie Russland, Aserbaidschan und Belarus Teil des Wettbewerbs wurden, entstanden neue Spannungsfelder.Besonders deutlich wurde dies 2014, als Conchita Wursts Sieg in Russland zu empör-ten Reaktionen führte. Diese Spannungen manifestieren sich auch im Abstimmungs-verhalten. Die Punktevergabe oenbart oft kulturelle und politische Allianzen oder An-tagonismen.Während der ESC in der Schwei-zer Mehrheitsgesellschaft an Bedeutung verlor, wurde er in der schwulen Community zu einem kulturellen Anker. Thomas Neuwirth, alias Conchita Wurst, erregte 2014 mit langen Haaren, Glitzerkleid und Vollbart viel Aufmerksamkeit beim ESC.➔
Media © ETH Bilderarchiv / Wikipedia6KULTUREUROVISION SONG CONTEST CRUISER MAI 2025Die Vergabe des Wettbewerbs an die Schweiz im kommenden Jahr wird diese po-litische Dimension weiter verstärken. Als eines der ersten Länder Europas, das die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert hat, kann die Schweiz den ESC als Plattform nutzen, um ihre progressive Haltung zu LGBT*-Rechten zu demonstrieren.Die ESC-Fankultur: Ein schwuler Mikrokosmos in der SchweizIn der Schweiz hat sich eine vielfältige ESC-Fankultur entwickelt. Von urbanen Zentren bis in kleinere Städte haben sich über die Jahrzehnte Traditionen und Rituale rund um den Wettbewerb etabliert. Im Zentrum stehen die legendären ESC-Partys, die jedes Jahr im Mai stattnden – beispielsweise im «Heaven»-in Zürich. Was macht den ESC zu einem so integ-ralen Bestandteil schwuler Kultur? Die Ant-wort liegt in einer spezischen Ästhetik, die von Susan Sontag bereits in den 1960er-Jah-ren als «Camp» beschrieben wurde – eine Sensibilität, die das Übertriebene, künst-lich Überhöhte und eatralische feiert.Der ESC verkörpert diese Ästhetik in Reinform. Von den aufwendigen Kostümen über die oft überbordenden Bühnenbilder bis zu den dramatischen Gesangsdarbie-tungen – alles am Wettbewerb ist grösser als das Leben. In einer Gesellschaft, die histo-risch von Schwulen verlangte, sich zu ver-stecken, entwickelte sich eine Gegenkultur, die genau das Gegenteil zelebrierte: Sicht-barkeit, Expressivität, Überschwang.Die Vorliebe für Diven, die im ESC re-gelmässig brillieren, ist ein weiteres verbin-dendes Element. Diese Diven verkörpern oft Eigenschaften, die in der heteronormativen Männlichkeit keinen Platz haben: emotio-nale Oenheit, dramatischer Selbstaus-druck, stilisierte Weiblichkeit.In der heutigen Schweizer Schwulen-szene wird der ESC nicht mehr heimlich verfolgt, sondern öentlich und gemein-schaftlich zelebriert. Die Transformation spiegelt die veränderte gesellschaftliche Po-sition der schwulen Community wider – vom Versteck in die Sichtbarkeit, von der Scham zum Stolz.Die Zukunft: Der ESC in der Schweiz als Chance für die CommunityMit Nemos historischem Sieg und der be-vorstehenden Austragung des Eurovision Song Contest in der Schweiz im Jahr 2025 beginnt ein neues Kapitel. Die Austragung des ESC im eigenen Land wird der Schwei-zer LGBT*-Community eine beispiellose in-ternationale Plattform bieten.In den grösseren Städten des Landes werden schon länger Pläne für ein umfas-sendes Rahmenprogramm geschmiedet. Diese Aktivitäten bieten nicht nur Unterhal-tung, sondern auch eine wichtige Gelegen-heit für politische Sichtbarkeit. In einer Zeit, in der LGBT*-Rechte in vielen Teilen Euro-pas unter Druck geraten, kann die Schweiz als Austragungsland ein starkes Zeichen für Akzeptanz und Inklusion setzen.Für die jüngere Generation schwuler Männer in der Schweiz wird die Austragung im eigenen Land zu einem denierenden Die Vorliebe für Diven, die im ESC regelmässig brillieren, ist ein weiteres verbindendes Element. Diese Diven verkörpern oft Eigenschaften, die in der heteronormativen Männlichkeit keinen Platz haben: emotio- nale Offenheit, dramatischer Selbstausdruck, stilisierte Weib-lichkeit.Lyss Assia gewann 1956 mit dem Chanson «Refrain» den allerersten Eurovision Song Contest – und schrieb damit Schweizer Musikgeschichte.1998 stieg Dana International mit dem Song «Diva» für Israel in den ESC-Ring und gewann als erste trans*Frau den Wettbewerb.
IHR GÜNSTIGER ONLINE-WEINKELLERM de Minuty Côtes de Provence AOPJahrgang 2023* Traubensorten: Grenache Cinsault Syrah8 VentsVdT MallorcaJahrgang 2019*Traubensorten: Cabernet Sauvignon, Callet Merlot75 clArzuaga Reserva EspecialRibera del DueroJahrgang 2019*Traubensorten: Tempranillo Cabernet Sauvignon150 clBorgeri Giorgio Meletti CavallariBolgheri DOCJahrgang 2023*Traubensorten: Cabernet Sauvignon, Merlot, Syrah75 clI Frati Lugana DOCJahrgang 2024*Traubensorte: Turbiana75 clTacher Hallau Pinot NoirSchaffhausen AOCJahrgang 2018*Traubensorte: Pinot Noir75 clBellavista Alma RoséFranciacorta DOCGTraubensorten: Chardonnay Pinot Nero Pinot Bianco75 cl75 cl-58%11.95 Konkurrenzvergleich 28.50Nur solange Vorrat! *Jahrgangsänderungen vorbehalten! Preis pro Flasche.-49%12.95 Konkurrenzvergleich 25.50-28%34.95 Konkurrenzvergleich 48.90Bestelleinheit 1 FlascheBestelleinheit 6 FlaschenBestelleinheit 6 FlaschenBestelleinheit 6 FlaschenBestelleinheit 6 FlaschenBestelleinheit 6 FlaschenBestelleinheit 6 FlaschenONLINE-33%13.95 Konkurrenzvergleich 21.--32%16.95 Konkurrenzvergleich 24.95ottos.ch14.95 Konkurrenzvergleich 18.95 119.- Konkurrenzvergleich140.- MagnumCruiser_5_5_105x280_webwein.indd 1Cruiser_5_5_105x280_webwein.indd 1 27.03.25 11:4827.03.25 11:48ANZEIGEMoment ihrer kollektiven Erfahrung. Der ESC in der Schweiz wird zu ihrem «Wood-stock» – ein Moment des gemeinsamen Er-lebens, der in der kollektiven Erinnerung fortleben wird.Nach Nemos Sieg herrscht in der Schweizer schwulen Szene ein tiefes Gefühl des kollektiven Triumphs. Die Botschaft von «e Code» – das Brechen normativer Codes, das Finden der eigenen Wahrheit – resoniert tief mit der Lebenserfahrung vie-ler queerer Menschen. Nemos Triumph wird so zum Symbol für einen breiteren kul-turellen Wandel: von der Marginalisierung zur Sichtbarkeit, von der Toleranz zur Feier.In diesem Sinne ist der Eurovision Song Contest mehr als nur ein Musikwett-bewerb. Er ist ein kulturelles Ereignis, das die Geschichte der schwulen Emanzipation in Europa begleitet und mitgestaltet hat. Und mit seiner Rückkehr in die Schweiz schliesst sich ein Kreis, der vor fast sieben Jahrzehnten in Lugano begonnen hat. Nemos Triumph wird so zum Symbol für einen breiteren kultu-rellen Wandel: von der Marginali-sierung zur Sichtbarkeit, von der Toleranz zur Feier.Nemo holte letztes Jahr den ESC in die Schweiz und brachte viele queere Herzen in Wallungen.
8KULTURBUCHTIPPCRUISER MAI 2025VON BIRGIT KAWOHLObwohl uns Menschen aus dem ara-bischen Raum (inzwischen) tagtäg-lich begegnen, weil es vor allem seit dem Arabischen Frühling viele von ihnen aus ihrer Heimat vertrieben hat, sind sie uns oft immer noch sehr fern. Das mag an der Sprache liegen, an der Kultur oder auch an der Religion. Trotz der scheinbaren Nähe wissen wir wenig voneinander. Des-wegen, aber nicht nur, sollte man dem be-reits viel gelobten Erstling des kanadischen Autors Éric Chacour (*1983 in Montreal) sicherlich Beachtung schenken. Der Roman spielt in Ägypten und in kleineren Teilen in der Heimat des Autors, in Montreal. Die Ge-schichte beginnt in Kairo im Jahr 1961, als die Zukunft des damals zwölfjährigen Ta-rek beschlossen wird: Er soll Arzt werden und damit in die Fussstapfen seines Vaters treten. Genau das macht er auch und als sein Vater früh stirbt, übernimmt Tarek dessen Praxis und erönet zugleich ein Ge-sundheitszentrum in einem Armenviertel, in dem er Bedürftige kostenlos behandelt. Früh ist auch die familiäre Zukunft klar, denn schon als Teenager kommen sich Ta-rek und Mira näher und werden Jahre spä-ter ein Paar. Das Leben könnte sich also zu einer kompletten Idylle entwickeln. Dass es ganz anders kommt, liegt an dem jungen Ali, der wegen seiner Mutter ins Gesund-heitszentrum kommt und der Tarek kom-plett in seinen Bann zieht. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Freundschaft, die den aufstrebenden Arzt verwirrt, zu-gleich aber auch erfüllt. Der junge Mann, der aus ärmsten Verhältnissen stammt, zeigt sich interessiert an Medizin, sodass er zunächst zum Gehilfen und schliesslich – und das ist das Entscheidende – zum Ge-liebten des Arztes wird, womit dessen Schicksal besiegelt ist, denn Homosexuali-tät ist nicht nur das schlimmste Schimpf-wort auf den Schulhöfen des Landes (wie leider übrigens heute auch noch im deutschsprachigen Raum), es ist klar, dass man damit kein angesehenes Mitglied der Gesellschaft mehr sein kann. Statt dem Arzt zu vertrauen, wirft man die Scheiben seines Hauses ein. Als seine Familie von seiner «Neigung» erfährt, bricht auch hier alles zusammen, sodass Tarek das Land verlässt. Diesem ersten Teil des Romans mit dem Titel «Du», der aus der Perspektive ei-nes Erzählers berichtet wird, folgt der zweite Teil «Ich», in dem sich eben dieser Erzähler als Tareks Sohn zu erkennen gibt, von dem Tarek nichts weiss und der sich auf die Su-che nach seinem Vater begibt. Dieser Pers-pektivwechsel ist interessant, weil er deut-lich macht, was das Auswandern, das Ver-stossenwerden, der Bruch im Allgemeinen für Auswirkungen auf die ganze Familie hat. Andererseits geht durch den Wechsel der Perspektive – zumal auf den unbekann-ten Sohn, warum nicht eher auf den jungen BUCHTIPPÉric Chacour: Was ich von dir weiss. Gutkind Verlag 2025Preis CHF 34.90ISBN 978-3-9894101-0-7Statt dem Arzt zu vertrauen, wirft man die Scheiben seines Hauses ein. Als seine Familie von seiner «Neigung» erfährt, bricht auch hier alles zusam-men, sodass Tarek das Land verlässt. Ein Mann, der Arzt wird, weil sein Vater das auch ist – und er mit 12 nicht weiss, was ein Ingenieur ist. Und dessen Welt irgendwann explodiert, weil er einen Mann liebt.«Konnte es sein, dass du ihm gefielst?»BuchtippMaiGeliebten? Und woher weiss er die ganzen Details? – viel verloren, dass die Leser*innen interessiert hätte, vor allem die Frage, ob Tarek seine Homosexualität in Kanada end-lich frei ausleben kann oder ob ihn seine Erziehung so fest im Gri hat, dass er sich jegliche Sexualität versagt. So ist das Ganze eine gut geschriebe-ne, üssig zu lesende Familiengeschichte, die letztendlich nicht genau weiss, worauf sie ihren Fokus legen soll.
A PAA PAORYORYEIN LGBT-FILM VONEIN LGBT-FILM VONNICOLA BELLUCCIA PALERMO LOVE STORYA PALERMO LOVE STORYAB 8. MAI IM KINOBuchtippMai
10Media © Flickr / Adobe StockTHEMASCHWUL IM FUSSBALLSchweigen auf dem Rasen – Homosexualität bleibt im Fussball tabuHomosexualität bleibt auf dem Rasen weiterhin ein Tabuthema. Auch daran soll am 17. Mai erinnert werden.VON HAYMO EMPLAm 17. Mai ist der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Trans-phobie – ein Tag, der weltweit genutzt wird, um auf die fortbestehende Diskrimi-nierung queerer Menschen hinzuweisen. Gerade im Fussball, wo Milliarden inves-tiert und ganze Generationen sozialisiert werden, bleibt die Unsichtbarkeit von Ho-mosexualität erschreckend gross. Sichtbar-keit bedeutet Schutz – das gilt auch und ge-rade für queere Sportler*innen. Deshalb widmet Cruiser in dieser Maiausgabe dem Profussball einen genaueren Blick. Denn solange Homosexualität im Stadion, auf dem Trainingsplatz oder in der Kabine ein Tabuthema bleibt, kann von echter Gleich-stellung keine Rede sein.Als sich Justin Fashanu 1990 als erster Profussballer outete, wurde seine Ge-schichte zur Tragödie: Als Schwarzer in der Schwul im Profifussball – auch im Jahr 2025 ist ein Outing hier längst keine Selbstverständlichkeit.CRUISER MAI 2025britischen Liga ohnehin schon Ziel rassisti-scher Anfeindungen, verlor er nach dem Coming-out den Rückhalt seines Umfelds – und nahm sich acht Jahre später das Leben. Sein Schicksal wirkt bis heute nach, gleich einem Schatten, der über der Fussballwelt liegt. Der ehemalige Stürmer von Norwich City und Nottingham Forest wurde nach seinem Coming-out von Fans, Mitspielern und sogar seinem eigenen Bruder John,
11Media © Flickr / Adobe StockTHEMASCHWUL IM FUSSBALLebenfalls Profussballer, öentlich ange-feindet. Fashanu üchtete in die USA, wo er später von einem 17-jährigen Jungen der se-xuellen Nötigung beschuldigt wurde. Die Vorwürfe trieben ihn zurück nach London, wo er Suizid beging – in seinem Abschieds-brief beteuerte er seine Unschuld, was das traumatische Ende zusätzlich tragisch er-scheinen lässt und bis heute als mahnendes Beispiel wahrgenommen wird.Obwohl sich in den letzten Jahrzehn-ten die gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexualität stark verändert hat, bleibt der Fussball ein nahezu hermetisch abge-riegelter Ort, in dem sexuelle Vielfalt kaum sichtbar werden darf. Die Diskrepanz zwi-schen der geschätzten Zahl homosexueller Spieler – statistisch gesehen müsste es in je-dem Pro-Kader mehrere geben – und der realen Zahl von Outings ist frappant. Diese Dissonanz zeigt, wie stark der Fussball noch immer in traditionellen Denkmustern ver-haftet ist, während andere Bereiche des öf-fentlichen Lebens längst einen oeneren Umgang pegen.Noch immer dominiert in den Kabi-nen und auf den Rängen ein heteronormati-ver Männlichkeitskult, der keinen Raum für Abweichungen lässt. Der Fussball verkauft sich als Bühne für Stärke, Kampfgeist und Siegeswille – Attribute, die mit einem archa-ischen Bild von «echten Kerlen» verknüpft sind. Die Körperlichkeit des Sports, das Um-kleiden in den Kabinen, die Emotionalität auf dem Platz – all das wird in ein starres Männlichkeitskorsett gepresst. «Fussball ist ein Testosterongeschäft», sagt der Schwei-zer Regisseur Marcel Gisler, «da wird ein traditionelles Männlichkeitsbild vermark-tet.» In diesem Milliardengeschäft scheint Homosexualität ein Störfaktor zu sein, der nicht ins Hochglanz-Image passt und das Marketingpotenzial vermeintlich schmä-lern könnte.Die Geschichte kennt erschreckende Beispiele für die tief verankerte Homopho-bie im Fussball. Aussagen wie jene des kroa-tischen Nationaltrainers Otto Baric aus dem Jahr 2004 – sinngemäss sagte er: «Ich erken-ne einen Schwulen in zehn Minuten, und ich will ihn nicht im Team» – haben sich ins kol-lektive Gedächtnis eingebrannt. Auch der inzwischen verstorbene deutsche Trainer Christoph Daum sorgte für Entsetzen, als er 2008 Homosexualität und Pädophilie in ei-nem Atemzug nannte – obwohl er erklärte, genau das vermeiden zu wollen. Solche Äu-sserungen sind zwar heute nicht mehr sa-lonfähig und würden mit Sanktionen be-legt, doch in den Köpfen vieler Fans und Als sich Justin Fashanu 1990 als erster Profifussballer outete, wurde seine Geschichte zur Tragödie: Als Schwarzer in der britischen Liga ohnehin schon Ziel rassistischer Anfeindungen, verlor er nach dem Coming-out den Rückhalt seines Umfelds – und nahm sich acht Jahre später das Leben. «Fussball ist ein Testosteron- geschäft», sagt der Schweizer Regisseur Marcel Gisler, «da wird ein traditionelles Männlich-keitsbild vermarktet.»➔ ANZEIGEPrEP fürCHFApotheke Schaffhauserplatzswissprep.chKrankenkassenpreis 72 CHF + 15% Rabatt.Im Webshop oder in der Apotheke. Seminarstrasse 1 8057 Zürich 044 361 61 61➔Justin Fashanu war der erste Profi, der sich während seiner Karriere outete.
12THEMASCHWUL IM FUSSBALLCRUISER MAI 2025Media © Wikipedia / ZVGFunktionäre scheinen ähnliche Gedanken noch immer präsent. Die unausgesproche-ne Angst: Ein homosexueller Spieler könnte die Kabinenatmosphäre stören, die Sponso-ren verschrecken oder – besonders perde – sich zu seinen Mitspielern hingezogen fühlen. Diese Mythen halten sich hartnä-ckig, obwohl sie jeder rationalen Grundlage entbehren.Einzelne Lichtblicke – aber kaum BewegungImmerhin: Es gibt erste Brüche im Schwei-gen, vereinzelte Stimmen, die den Mut fan-den, sich zu äussern. Im Jahr 2014 bekannte sich der ehemalige deutsche Nationalspie-ler omas Hitzlsperger öentlich zu seiner Homosexualität – allerdings erst nach dem Ende seiner aktiven Karriere. Seine Enthül-lung in der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit» schlug hohe Wellen: «Ich äussere mich zu meiner Homosexualität. Ich möchte gern eine öentliche Diskussion voranbringen – die Diskussion über Homosexualität unter Prosportlern», erklärte er damals. Seine Oenbarung wurde weithin positiv aufge-nommen, doch eine Lawine weiterer Co-ming-outs löste sie nicht aus.Auch in der Schweiz sorgte 2017 das Coming-out des FIFA-Schiedsrichters Pas-cal Erlachner für mediales Aufsehen. Der Spitzen-Referee gab in einem vielbeachte-ten Interview preis, dass er schwul ist – und blieb danach weiterhin in der höchsten Schweizer Liga tätig. Sein Mut wurde von Verbänden und Medien weitgehend positiv gewürdigt. «Ich hatte genug von meinem Doppelleben», erklärte Erlachner damals. «Ich hatte keine Lust und Kraft mehr, mich immerzu verstecken zu müssen, ich wollte so sein, wie ich bin.» Sein Beispiel zeigte, dass ein Coming-out im Fussballumfeld möglich ist, ohne die Karriere zu gefährden – zumindest als Schiedsrichter.Doch es blieb bei diesen Einzelfällen – vor allem unter aktiven Spielern ist der Schritt weiterhin extrem selten. Der briti-sche Teenager Jake Daniels vom Zweitligis-ten Blackpool FC ist seit 2022 einer der ganz wenigen aktiven Prospieler im europäi-schen Männerfussball, die oen schwul le-ben. Seine mutige Entscheidung machte in-ternational Schlagzeilen – und oenbarte zugleich das Vakuum, in dem er sich ben-det. Er steht mit seiner Oenheit nahezu al-lein auf weiter Flur, was die Frage aufwirft: Wo sind all die anderen?Die Angst vor einem Karriereknick, dem Verlust von lukrativen Sponsorenver-trägen oder der stillschweigenden Ableh-nung durch Mitspieler, Trainer und Fans ist real und nicht unbegründet. Viele homo- sexuelle Spieler führen ein anstrengendes Doppelleben – nicht aus Scham über ihre Identität, sondern aus pragmatischem Selbstschutz. Sie verbergen ihre Partner bei Mannschaftsevents, ernden Freundinnen für Medienberichte und vermeiden jede Si-tuation, die Fragen aufwerfen könnte. Diese permanente Selbstzensur kostet Kraft und Konzentration.Sportpsychologen warnen vor den tief-greifenden Folgen: Wer seine Identität dau-erhaft verstecken muss, lebt in einem Zu-stand der Daueranspannung. Die ständige Angst vor Entdeckung, das minutiöse Pla-nen jeder sozialen Interaktion, das Lügen gegenüber nahestehenden Personen – all das kann die mentale Gesundheit ebenso belasten wie die sportliche Leistungsfähig-keit. Die psychische Energie, die für diese Maskerade aufgewendet werden muss, fehlt an anderer Stelle. Die logische Konsequenz ist eine sich selbst reproduzierende Kultur des Schweigens – weil es kaum sichtbare Vorbilder gibt, weil sich junge Spieler anpas-sen müssen, um nicht aufzufallen, und weil man sich lieber zurückhält, als zur Projekti-onsäche für gesellschaftliche Debatten zu werden.Von Lippenbekenntnissen und strukturellen BarrierenZwar geben sich viele Fussballverbände inzwischen diversitätsbewusst und aufge-schlossen: Die UEFA lanciert medienwirksa-me Kampagnen wie «Equal Game», nationa-le Verbände und Vereine in Deutschland, England und der Schweiz beteiligen sich am «Rainbow Laces»-Aktionsmonat, und Funk-tionäre betonen bei jeder Gelegenheit öent-lich ihre Weltoenheit. Regenbogenaggen wehen an den Pride-Monaten auf Vereinsge-bäuden, und in den sozialen Medien teilen Teams bunte Graken gegen Diskriminie-rung. Doch zwischen diesen wohlfeilen PR-Massnahmen und der gelebten Realität klat oft eine gewaltige Lücke.Noch immer fehlen verbindliche Leitli-nien, wie mit homophoben Gesängen im Sta-dion, mit diskriminierenden Äusserungen in Jugendteams oder mit Hasskampagnen auf Social Media umzugehen ist. Sanktionen Die Angst vor einem Karriere-knick, dem Verlust von lukrati-ven Sponsorenverträgen oder der stillschweigenden Ablehnung durch Mitspieler, Trainer und Fans ist real und nicht unbegründet. Thomas Hitzlsperger outete sich erst nach seiner Karriere als deutscher Nationalspieler – und würde das wieder so machen.Auch für FIFA-Schiedsrichter ist ein Outing nicht einfach, wie man durch Pascal Erlacher weiss.
13THEMASCHWUL IM FUSSBALLANZEIGEbleiben oft symbolisch und ohne nachhalti-ge Wirkung, und Diskriminierung wird im Alltag zu selten systematisch thematisiert und bekämpft. Besonders verstörend wirkt die Doppelmoral, wenn der internationale Fussball in Ländern gastiert, in denen Ho-mosexualität kriminalisiert wird. In Katar, das 2022 die Weltmeisterschaft austrug, ist gleichgeschlechtliche Liebe strafbar – doch der Weltfussball verbeugt sich dort vor dem Geld und nicht vor Menschenrechten. Die Botschaft, die dadurch an homosexuelle Spieler gesendet wird, ist verheerend.Selbst in europäischen Ländern mit fortschrittlicher Gesetzgebung gibt es kaum systematische Schutzkonzepte für queere Spielerinnen und Spieler. In den Jugendaka-demien, in denen die Stars von morgen aus-gebildet werden, fehlt es an gezielter Sensibi-lisierung. Hier entsteht die Fussballkultur der Zukunft – doch statt Vielfalt wird oft un-reektiert eine veraltete Vorstellung von Männlichkeit reproduziert. In manchen Fangruppen dominieren nach wie vor toxi-sche Männlichkeitsideale, die sich in Gesän-gen, Bannern und Kommentaren manifes-tieren und selten konsequent sanktioniert werden.Besonders problematisch ist die er-zwungene Nähe im Probetrieb: In Trai-ningslagern, Hotelzimmern, Mannschafts-bussen – überall dort, wo physische und emotionale Nähe entsteht – wird Unsicht-barkeit zur Überlebensstrategie für homose-xuelle Spieler. Die permanente Angst, beim Duschen, in der Kabine oder beim abend- lichen Ausgehen falsch interpretiert zu wer-den, führt zu einer beständigen Selbstkont-rolle, die ermüdet. Wer mitmacht, passt sich an. Wer ausbricht, riskiert nicht nur seine Karriere, sondern auch sein seelisches Wohlbenden. So bleibt es vor allem quee-ren Fussballerinnen überlassen, den Wan-del voranzutreiben: In den Frauenteams ou-ten sich vergleichsweise viele Spielerinnen, auch an der Spitze. Ihre Sichtbarkeit norma-lisiert das ema und schat Räume für Au-thentizität, auch wenn die Betroenen im Nachhinein manchmal ihr Outing bereuen, zu hart sind die Anfeindungen im Stadion und vor allem im Netz. Beim Männerfuss-ball hingegen herrscht weiter Funkstille – selbst bei jenen, die ihre Karriere längst be-endet haben und theoretisch nichts mehr zu verlieren hätten.➔Die permanente Angst, beim Duschen, in der Kabine oder beim abendlichen Ausgehen falsch interpretiert zu werden, führt zu einer beständigen Selbstkontrolle, die ermüdet.
Media © Adobe Stock14THEMASCHWUL IM FUSSBALLCRUISER MAI 2025Neue Narrative braucht das SpielDass es auch anders gehen könnte, zeigt der bemerkenswerte Film «Mario» von Marcel Gisler aus dem Jahr 2018. Mit Unterstützung der Berner Young Boys erzählt er die Ge-schichte eines talentierten Nachwuchsstür-mers, der sich unvermittelt in seinen neuen Mitspieler verliebt – und plötzlich zwischen Karriere und Liebe zerrieben wird. Der Film porträtiert eindrücklich die Zerrissenheit des Protagonisten, seine Versuche, durch eine Alibi-Freundin den Schein zu wahren, und den enormen Druck, der auf ihm lastet. «Die Last der Selbstverleugnung tragen al-lein die schwulen Spieler», sagt Regisseur Gisler. Sein eindringliches Werk macht emo-tional erfahrbar, was es bedeutet, sich selbst zu verleugnen, um dazugehören zu dürfen – ein stillschweigender Pakt, der nicht nur die Betroenen belastet, sondern auch die Fuss-ballkultur als Ganzes verarmt und in ana-chronistischen Mustern gefangen hält. Der Film ist ein eindringliches Plädoyer für mehr Menschlichkeit in einem durchkom-merzialisierten Hochleistungssystem.Dass es längst Zeit für einen grundle-genden Wandel ist, zeigt nicht nur das Kino, sondern auch die gesellschaftliche Realität ausserhalb der Fussballblase: Die jüngere Generation ist deutlich oener gegenüber sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, sozi-ale Medien haben neue Räume der Sichtbar-keit und Identikation geschaen, und das gesamtgesellschaftliche Klima verändert sich zunehmend in Richtung Akzeptanz. Doch der Fussball scheint in einer Zeitkap-sel zu verharren und hinkt dieser Entwick-lung erstaunlich weit hinterher. Die Vereine, die Medien, die Funktionäre, die Sponsoren – sie alle sind dringend gefordert, aktiv ge-schützte Räume zu schaen, in denen Viel-falt nicht als Risiko oder Makel gilt, sondern als selbstverständlicher Teil einer modernen Gesellschaft.Die Verantwortung für Veränderung darf nicht länger allein den Mutigen über-lassen bleiben, die sich unter persönlichem Risiko exponieren. Es braucht vielmehr ein systematisches Umdenken, klare Bekennt-nisse und konsequentes Handeln auf allen Ebenen. Wenn sich ein Spieler eines Tages outet, sollte das so selbstverständlich sein wie ein Torjubel oder ein Trikotwechsel – und keine heroische Ausnahmegeschichte, die medial ausgeschlachtet wird. Denn letztlich geht es beim Fussball um das Spiel selbst, um Teamgeist, Können und Leiden-schaft – nicht um die sexuelle Orientierung der Menschen, die ihn spielen.Die Geschichte von Justin Fashanu mahnt zur Vorsicht und zeigt, welche gravie-renden Folgen Ausgrenzung haben kann. Doch die leisen Fortschritte der letzten Jah-re nähren auch vorsichtigen Optimismus: Der Ball rollt in die richtige Richtung. Nur eben noch viel zu langsam für eine Sportart, die sich sonst durch Tempo und Dynamik auszeichnet.Der 17. Mai erinnert jedes Jahr daran, wie viel Mut es noch braucht, um in man-chen Bereichen der Gesellschaft einfach nur sichtbar zu sein – Fussball inklusive. Der Artikel versteht sich als Teil dieser Sichtbarmachung:Er ist ein Beitrag zu einer längst überfälligen Normalität, in der quee-re Identitäten weder exotisiert noch ver-schwiegen werden müssen. Vielleicht wird es bald keinen Mut mehr brauchen, um im Fussball man selbst zu sein – vielleicht zählt dann einfach nur den Ball am Fuss. Die Verantwortung für Verände-rung darf nicht länger allein den Mutigen überlassen bleiben, die sich unter persönlichem Risiko exponieren. Unsichtbar im Rampenlicht: Noch immer wagen nur wenige Profis den Schritt zum Coming-out – aus Angst vor Repressionen, Sponsorenverlust oder dem Karriereende.Der Film von Mario Gissler aus dem Jahr 2018 zeigt das Ringen eines Fussballers um seine schwule Identität.
15CRUISER APRIL 2025RUBRIKXXXXXXXXXXXXXXXXMIT BETTINASTUCKY PHILHAYES VINCENTFURRERWIE LEBT ES SICH QUEER ZWISCHEN TRADITION UND INNOVATION?JETZT IM KINOEIN FILM VON PIET BAUMGARTNER
16KOLUMNEMARIANNE WEISSBERGMedia © Marianne WeissbergCRUISER MAI 2025Das Raketentool des Putzens!Den Drang, die Höhle zu putzen, hatten schon Steinzeitleute. Im Lenz wird es auch bei uns Zeit qu(e)erdurch zu fegen. Doch wie und womit, ist die saubere Frage! VON MARIANNE WEISSBERG Die Sensation! Ich kaufte zum ersten Mal in meinem Leben einen Swier. Quasi das Raketentool des Putzens. Doch der Kauf hat eine tragisch anmutende Vorgeschichte: Ich wohne seit fünfzehn Jah-ren am selben Ort, und ich träume schon seit vierzehndreiviertel Jahren vom Umzie-hen. Dorthin, wo ich mich nicht mitten in eine Kita gebeamt fühle. Ich bin logo keine Kinder- & Eltern-Freundin, denn ich nde, wenn eine wie ich den Job (zwei Stück) be-reits aktiv erledigt hat, sollte ich das Chaos nicht nochmals passiv mitbekommen. Aber das wusste ich damals ja nicht, als ich in eine urbane Siedlung einzog – und halt ge-blieben bin, die Zeiten, als wir noch zwi-schen drei hübschen, günstigen Wohnun-gen wählen konnten – hach, vorbei! Item. So sammelte sich eben mit der Zeit auch Staubiges auf und unter den Rega-len an, drum herum putzte ich meine über-schaubare Wohnung regelmässig selbst. Mit Putzzeugs, das schon meine Grosseltern ge-schätzt hatten. Aber vor einigen Wochen fand ich, dass ich den Rundum-Frühlings-putz erstmals extern vergeben wollte. Das, weil mir der eine Sohn erzählte, dass er nun eine exzellente Reinigungsrma beschäfti-ge. Das verdankte er übrigens mir, denn er hatte sich ein Bein gebrochen und mich al-Todesfalle Haushalt: Wer nicht aufpasst, fällt tief. Wie hier Frau Weissberg.
17KOLUMNEMARIANNE WEISSBERGCRUISER MAI 2025len Ernstes gefragt, ob ich mal bei ihm durchputze. «Engagier eine Putzhilfe!!», hatte ich genervt geschrien. Wieso (auch schwule) Söhne glauben, dass ihre Mütter ihnen lebenslang den Dreck wegmachen, ist skandalös. Aber leider noch voll aus dem Leben gegrien. Jedenfalls bei mir. Ich per-sönlich hatte immer mit dem Gedanken ge-hadert, dass eine Person den Dreck wegput-zen sollte, den sie gar nicht verursacht hat. Zurück in meine Wohnung, da gab es verschlierte Fenstern. An den Küchenfron-ten Fingerabdrücke. Generell gab es Zonen, wo ich nicht mehr auf gwaggligen Schemel-chen stehend zu fegen versuchte. Es war logo nicht dreckig, aber nur schon das Ge-fühl, dass da was war, das sich gut tarnen konnte, nervte mich. Sicherlich wollte ich keine unterbezahlte Putzhilfe, die hier in Schwarzarbeit durchwedeln sollte, ergat-terte so den Tipp, S. anzufragen, die hätte eine eigene superkorrekte Firma. S. war eine Energiebombe, die erklärte, ich müsste auf jeden Fall noch vieles an Putzchemie einkaufen. Ich war ein wenig eingeschüch-tert, auch von ihrem Fashionista-Outt und dem grandiosen Po, made by Schönheits-chirurgie, leider nicht von ihrem Parfum, das sie wohl kübelweise über sich gegossen hatte. Weil die Parfumlady anderntags spontan bei mir putzen wollte, ich mutig ei-nen passenderen Termin vorgeschlagen hatte, den sie dann ganz spontan nicht ein-hielt, suchte ich weiter. Und dachte mir: Was der Sohn empehlt, sollte doch auch bei der Mom passen. Und so buchte ich jene exzel-lente Firma, die einen exzellenten Tarif ver-langte, den ich in meinem Arbeitsleben sel-ten erreiche, aber hey, ich war vom Suchen gerädert. Kennen Sie das auch? Sie wollen etwas absolut Passendes erwerben, suchen wie verrückt, und dann sind Sie vom vielen Vergleichen konfus – und schlagen bei ir-gendwas zu. Hauptsache, abgehakt. Ich rief trotzdem ein Putz-Moratorium aus und beschloss, noch Best Friend Harry zu befragen: Wie hält er es mit der Putzerei? «Voilà, ich gebe mir gerne Anweisungen, auf französisch, weil das mondäner wirkt. Etwa: ‹Mais non, chérie, ce chion ist nicht sauber genug für die Küche!› Und mit jeder Bewegung entferne ich nicht nur Staub, sondern auch schlechte Vibes und hetero-normative Rückstände aus der Wohnung.» Ich war beleidigt, dass er sich nicht bereit erklärte, mir das live vorzuführen, natür-lich in meiner Wohnung. Begleitet von sei-ner Spring-Putz-Playlist, betitelt: «‹Gay-Icons-Cleaning Essentials›, von Kylie über Britney und Barbra bis zu Gloria!», wie er schwärmte. «Und als Finale zelebriere ich jeweils das genüssliche Eincremen meiner vom Wischen wunden Händen», fügte er an. Doch mein Putz-Problem liess sich nicht so kreativ wegfegen: Und so rückte er-wähntes Exzellenz-Team gleich zu Dritt an. Leider nicht zur vereinbarten Zeit, sondern erst als ich bei der Chen des Ladens eine Vermisstmeldung aufgab. Man sei halt län-ger bei einer pingeligen Seniorin steckenge-blieben, erklärte sie mir. Ja, ich war sauer, ich hasse Unzuverlässigkeit! (Auch bei mir, fairerweise.) Dann rückte die Truppe end-lich an. Gut, ich hatte ein bisschen Beden-ken, denn der Jüngling, an dem zig Goldket-teli baumelten, schien irgendwie nicht so der Putztyp zu sein. Die Anführerin hatte eine Riesenerkältung und sah total ver-Ich persönlich hatte immer mit dem Gedanken gehadert, dass eine Person den Dreck wegputzen sollte, den sie gar nicht verursacht hat. Begleitet von seiner Spring- Putz-Playlist, betitelt: «‹Gay-Icons-Cleaning Essentials›, von Kylie über Britney und Barbra bis zu Gloria!», wie er schwärmte. «Und als Finale zelebriere ich jeweils das genüssliche Eincre-men meiner vom Wischen wunden Händen», fügte er an.Harry schwört auf eine edle Handmaske nach dem Frühlingsputz. ➔
18MARIANNE WEISSBERGist Historikerin / Anglistin, emsige Buchautorin, Bloggerin & Kolumnistin und schreibt gerne öfters für den CRUISER. Sie lebt zmitzt in Zürich, sehnt sich aber heimlich nach der Idylle in einem pinken Cottage in Cornwall. Bis dahin kann sie gerne hier besucht werden: www.marianneweissberg.chMedia © Marianne WeissbergCRUISER MAI 2025schwollen aus. Womöglich auch von der fri-schen, gigantischen Lippenaufspritzung stammend. Ich hatte noch die Kaeema-schine frisch gefüllt, Guezli gekauft. Ich meine, ich durfte ja jetzt posten gehen, wäh-rend das Team bei mir malochte. Ich war die ese Kapitalistin, sie das arme, arbeitende Volk. Als ich nach zwei Stunden zurückkam, war das Team bereits am Aufbrechen. Ich war perplex, sooo schnell alles tipptopp? Der Jüngling sah allerdings immer noch so aus wie frisch vor der Disco. Jetzt, wo die Wohnung da und dort sauberer war, el mir auf, dass dort oben, wo ich gerne geputzt ge-habt hätte, noch immer Staub lag. Es gab neu einige Dellen, wo vermutlich der Disco-Jüngling geübt hatte. Genervt putze ich also tagelang wie wild nach.Fazit: Ich putze wieder selbst. Und n-de das gar nicht mehr so schlimm. Auch weil ich es a) richtig gut mache und b) nur mich dabei ausbeute. Und weil ich so wie zu Anfang erwähnt, endlich auf den inken Swier kam, der auch so tut, wie wenn er bei mir so richtig super putzen würde. Was na-türlich Quatsch ist. Zum Schluss fix saubere Tipps, damit das Durchputzen nicht so dröge ist:«Ameisenputzen», also lieber wenig, dafür tig erledigen, z.B. jeden Tag nur ein Fenster, statt alle am selben Tag. Keine Batterien an schädlichen Putz-mitteln anschaen: Ein Ökoreiniger, Putzessig, Badreiniger, Schmierseife (ja die altmödige) reichen.Honigduftende Bodenfeuchttüchter lassen Parkett erstrahlen. Die können an den Swier geheftet werden, dessen eigene Feuchttücher ätzen alles weg.Ja nicht auf Schemeli klettern, sondern eine handliche Putzleiter anschaen, wussten Sie, dass Tod durch Haushalt ganz weit vorne liegt? Handliche (Putz-)Kids von nebenan ausleihen, die robben auch mal unters Bett, um Staubmäuse zu fangen. Und nden das auch noch megalustig. Dann rückte die Truppe endlich an. Gut, ich hatte ein bisschen Bedenken, denn der Jüngling, an dem zig Goldketteli baumelten, schien irgendwie nicht so der Putztyp zu sein. Ein Swiffer adelt jeden Putzschrank, aber ob er so gründlich fegt wie der gute, alte Schrubber? Nö.KOLUMNEMARIANNE WEISSBERG
Unsere Ozeane drohen zu gigantischen Mülldeponien zu werden – mit tödlichen Folgen für die Meeresbewohner. Engagieren Sie sich mit uns für saubere Meere: oceancare.orgSPINAS CIVIL VOICESIdiotischExo tischOC_Fueller2019_Fruehling_Nemo_210x282_ZS.indd 1 03.10.19 11:17
Media © Philip Frowein20VON BIRGIT KAWOHL E rkennen Sie die Melodie?: Dies war der Titel einer Ratesendung, in der ab 1969 (bis etwa 1985) Melodien aus den Bereichen Oper, Operette und Musical erraten werden mussten. Viele Kinder und natürlich auch Erwachsene im deutsch-sprachigen Raum wurden durch diese Sen-dung – in Ermangelung wesentlicher Kon-kurrenz – musikalisch sozialisiert und damit früh an das Musiktheater herange-führt. Ob man sich etwas von den gezeigten Bühnenbildern oder Liedern gemerkt hat, mag dahingestellt bleiben, aber die meisten Zuschauer*innen waren doch gehörig be-eindruckt ob der Frisuren (Toupets bei Männern, hochtoupiertes Etwas bei Frauen) sowie der bunten Glitzerwelt, die jeweils präsentiert wurde. Operette und schwule KulturFür Schwule wurde die Operette wichtig, weil dort «in Ermangelung positiver schwu-ler Lebensentwürfe […] kulturelle Räume und ein Zeichensystem, das zum Erkennen Erkennen Sie die Melodie?Heutzutage feiert das Musiktheater steile Erfolge (Musicals) oder aber ein Nischenda-sein (Operette). Warum sich Schwule trotzdem von dieser Welt angezogen fühlen.CRUISER MAI 2025KULTURGAYS UND OPERETTE Media © Freepik
21‹Gleichgesinnter› und zur Verständigung untereinander beitrug» geschaen wurden. So stellt es Christoph Dompke in einem Essay in dem von Kevin Clarke herausgege-benen grossartigen Sammelband «Glitter & Be Gay Reloaded», der jüngst im Männer-schwarm Verlag erschienen ist, dar. Allein der eben zitierte Satz macht deutlich, wie wichtig diese Musiksparte für schwule (Sub-)Kultur war und – zumindest in Teilen – immer noch ist, auch wenn gerade der Be-reich der Operette sicherlich heutzutage ein noch grösseres Nischendasein führt als von wenigen Jahrzehnten. Zu vielfältig ist die Musik mittlerweile, zu global die Einüsse, als dass die Konzentration noch auf diese doch sehr europäische Performance gelegt werden kann.Umso wichtiger und auch spannender ist es, in die Operettenwelt einzutauchen, diese aus ganz unterschiedlichen Blickwin-keln zu betrachten, sei es eher wissen-schaftlich-analysierend oder eher persön-lich-emotional. Kevin Clarke ist es gelungen, eine sehr ausgewogene Mischung aus populären Er-kenntnissen und fachspezischen Details zusammenzutragen, wofür auch die gelun-gene Auswahl an Autor*innen verantwort-lich ist. Die Operette im Wandel der ZeitEs ist erstaunlich, mit welcher Beharrlich-keit sich die Operette in der Kultur etablie-ren und halten konnte. Während der Erfolg des Musicals gefühlt eine relativ junge Ent-wicklung ist, gehört die Operette zu den al-ten Tanten der Musik. Und das ist jetzt bitte nicht despektierlich zu verstehen. Die erste erste schwullesbische Operette («Les Mes-dames de la Halle») entstand bereits 1858, eine Zeit, in der die meisten Menschen we-nig Zeit hatten, Gedanken an die Kultur und schon gar nicht an die schwule zu ver-schwenden, weil sie entweder 14 Stunden in Fabriken schufteten, treu den Normen des Kaisers folgten – in Frankreich und Deutschland – oder aber sowieso gar kein Interesse an oder Wissen über nicht hetero-normativen Lebensformen hatten. Doch schon damals scheint man diese innige Ver-bindung von Gays und Operette gespürt zu haben. Kein Wunder also, dass es dann in der Zeit des Nationalsozialismus quasi zum Niedergang der ideologiefreien Operette kam, da man alles «Andersartige» aus der Kunst zu vertreiben gedachte – was zum Glück trotz aller deutscher Gründlichkeit nicht in Gänze gelang. Dazu gehörten ne-ben den jüdischen Komponisten und Sänger*innen selbstverständlich auch der Anklang an alles Homoerotische. Weg von «Vogelhändler» und Co.Die moderne Operette hat mittlerweile ei-nen grossen Wandel hingelegt. Standen frü-her Stücken wie «Der Vogelhändler» oder «Die lustige Witwe» auf dem Programm, n-den interessierte Besucher*innen heute Werke, die sich mit politische emen be-schäftigen («e Beastly Bombing»). Bei vie-lem, was man liest, ist man über die Hinter-gründe erstaunt und zugleich beeindruckt von der Vielfalt und der Durchsetzungskraft dieser immer etwas abwertend betrachte-ten Musikrichtung.Die enge Verbindung von Gays und Operette manifestiert sich letztendlich in der «Operette für zwei schwule Tenöre» (Musik Florian Ludewig, Text Johannes Kram). Die-ses moderne Werk – schon im ersten Lied werden sich alle schwulen Paare sofort wie-dernden: «Wann fahr’n wir wieder zu Ikea?» – schat die einmalige Verbindung von Mu-sikgenre mit queeren Inhalten und steht da-mit für die moderne Kultur at its best. Wem jetzt nocht nicht klar ist, warum eigentlich jede*r Schüler*in in die Operet-tenwelt eingeführt werden sollte und warum dies eine echte Coming-out-Hilfe für viele Queers wäre, macht wiederum Christoph Dompke deutlich: «Mit den Operettendiven konnte man sich als heranwachsender Schü-ler identizieren, in der Vorstellung wurden Frauen zu schwulen Männern […].» Und das mag auch 2025 immer noch eine Hilfestel-lung sein, die viele queere Jugendliche benö-tigen, die sich mit Selbstakzeptanz und Coming-out schwertun.Einen guten Einstieg für alle Operet-ten-Anfänger*innen bietet der von Kevin Clarke mit viel Liebe und Kenntnis zusam-mengestellte Band aus dem Männer-schwarm Verlag. Mit seiner Vielfalt und e-menbreite ist dieser Band aber auch etwas für eingeeischte Operetten-Liebhaber*in- nen, denn es gibt für jede*n jede Menge zu entdecken oder zum Erinnern. KULTURGAYS UND OPERETTE Kevin Clarke ist es gelungen, eine sehr ausgewogene Mi-schung aus populären Erkennt-nissen und fachspezifischen De-tails zusammenzutragen, wofür auch die gelungene Auswahl an Autor*innen verantwortlich ist. Operette zum Nachlesen in allen (schwulen) Facet-ten: Der Sammelband von Kevin Clarke im Verlag Männerschwarm.Bei vielem, was man liest, ist man über die Hintergründe er-staunt und zugleich beeindruckt von der Vielfalt und der Durch-setzungskraft dieser immer etwas abwertend betrachteten Musikrichtung.CRUISER MAI 2025Media © Freepik
22KULTURTHEATER IN DER ROTEN FABRIK CRUISER MAI 2025Lichtpartikel, Körperträume und das Ich in AuflösungMit «DAWN (lucid edit)» bringt das Kollektiv OH!Darling im Mai eine bildstarke und hochsinnliche Performance in die Rote Fabrik Zürich, quasi ein luzider Theatertraum.VON AHME OLYMP E s ist nicht der Sonnenaufgang selbst, dem sich DAWN widmet, sondern das, was ihm vorausgeht – diese vibrieren-de, schwebende Phase zwischen Nacht und Tag, zwischen Nichtsein und noch nicht. Die Bühne wird zum Resonanzraum für moleku-lare Bewegungen, Radiowellen und mensch-liche Innenwelten. Wer sich auf dieses Stück einlässt, gleitet mit den Performer*innen durch eine Welt, in der Realitäten ineinan-deriessen, sich Geräusche in Licht verwan-deln und Identitäten immern wie Sterne vor der Morgendämmerung.Das Stück ist weder lineare Erzählung noch klassische Performance – vielmehr ein immersiver Zustand. Auf der Bühne: irren-de Klanglandschaften von Niki Neecke, Vio-linphrasen von François Girard-Garcia, eine Performance zwischen Traumwiderhall und körperlicher Erfahrung. Raum, Licht und Material (entworfen von Noemi Eglo & Anne Andresen) schaen eine Umgebung, die sich permanent wandelt – wie der Däm-merungszustand selbst.Was bleibt vom Ich, wenn es erwacht?Zentraler Ausgangspunkt von DAWN ist das Aufwachen – dieser kurze Moment, in dem das Ich noch nicht vollständig zurückge-kehrt ist in den Körper, in die Struktur, in das Raster der Welt. «Träume ich oder bin ich schon wach?», fragt sich die Performerin Susanne Abelein. Die Antwort bleibt oen – und genau darin liegt der Reiz.DAWN (lucid edit)» von OH!Darling lässt Identitäten flimmern wie Sterne vor der Morgendämmerung – ein luzider Traum zwischen Licht, Klang und Körperlichkeit.Es unterwandert die Vorstellung, dass Identität fest, klar oder gar biologisch determiniert sein muss. Media © OH!Darling
23KULTURTHEATER IN DER ROTEN FABRIK CRUISER MAI 2025ANZEIGEOSLO STORIES:MOTLYS AND VIAPLAY GROUP PRESENT IN CO-PRODUCTION WITH OSLO FILMFOND JAN GUNNAR RØISE THORBJØRN HARR SIRI FORBERG BIRGITTE LARSEN THEO DAHL NASRIN KHUSRAWI ANNE MARIE OTTERSEN VETLE BERGAN IVER INNSET CASTING CELINE ENGEBRIGTSEN DIRECTOR OF PHOTOGRAPHY CECILIE SEMEC PRODUCTION DESIGN TUVA HØLMEBAKK COSTUME DESIGN IDA TOFT MAKEUP AND HAIRSTYLING MAREN ANNA OLSTAD LINE PRODUCER HENRIK BORGE 1ST AD PAUL TUNGE EDITOR JENS CHRISTIAN FODSTAD SOUND DESIGN GISLE TVEITO AND YVONNE STENBERG COMPOSER PEDER CAPJON KJELLSBY CO-PRODUCER LEIF HOLST JENSEN EXECUTIVE PRODUCERSESPEN OSMUNDSEN KARI MOEN KRISTIANSEN TANJA NANETTE BADENDYCK HEGE SKJERVEN CLAUSEN PRODUCED BY YNGVE SÆTHER AND HEGE HAUFF HVATTUM WRITTEN AND DIRECTED BY DAG JOHAN HAUGERUDA Film Trilogy by Dag Johan HaugerudLOVE DREAMS SEXSEXMIT DEN OSLO STORIES LEGT DER GEFEIERTE NORWEGISCHE FILMEMACHER UND SCHRIFTSTELLER DAG JOHAN HAUGERUD SEIN MEISTERWERK VOR, EINE FILMTRILOGIE, WIE ES NOCH KEINE GAB. AB 22. MAI IM KINOOSLO STORIES: LOVE DREAMS SEXOSLO STORIES:MOTLYS AND VIAPLAY GROUP PRESENTS IN CO-PRODUCTION WITH OSLO FILMFOND “LOVE”ANDREA BRÆIN HOVIG TAYO CITTABELLA JACOBSEN THOMAS GULLESTAD LARS JACOB HOLM MARTE ENGEBRIGTSENCASTING CELINE ENGEBRIGTSEN DIRECTOR OF PHOTOGRAPHY CECILIE SEMEC PRODUCTION DESIGNER TUVA HOLMEBAKK COSTUME DESIGNER IDA TOFT HAIR AND MAKE UP DESIGNER MAREN ANNA OLSTAD LINE PRODUCER HENRIK BORGE FIRST ASSISTANT DIRECTOR PAUL TUNGE EDITOR JENS CHRISTIAN FODSTADSOUND DESIGNERS GISLE TVEITO AND YVONNE STENBERG COMPOSER PEDER KJELSBY CO-PRODUCER LEIF HOLST JENSENEXECUTIVE PRODUCERS ESPEN OSMUNDSEN KARIMOEN KRISTIANSEN TANJA NANETTE BADENDYCK AND HEGE SKJERVEN CLAUSENPRODUCERS YNGVE SÆTHER AND HEGE HAUFF HVATTIUM WRITTEN AND DIRECTED BY DAG JOHAN HAUGERUDA Film Trilogy by Dag Johan HaugerudLOVE DREAMS SEXJETZT IM KINO JETZT IM KINOMOTLYS AND VIAPLAY GROUP PRESENTS IN CO-PRODUCTION WITH OSLO FILMFOND ELLA ØVERBYE SELOME EMNETU ANE DAHL TORP ANNE MARIT JACOBSEN ANDRINE SÆTHER INGRID GIÆVER LARS JACOB HOLMCASTING CELINE ENGEBRIGTSEN DIRECTOR OF PHOTOGRAPHY CECILIE SEMEC PRODUCTION DESIGNER TUVA HØLMEBAKK COSTUME DESIGNER IDA TOFTHAIR AND MAKE UP DESIGNER MAREN ANNA OLSTAD LINE PRODUCER HENRIK BORGE FIRST ASSISTANT DIRECTOR PAUL TUNGE EDITOR JENS CHRISTIAN FODSTAD SOUND DESIGNERS GISLE TVEITO AND YVONNE STENBERG COMPOSER ANNA BERG CO-PRODUCER LEIF HOLST JENSEN EXECUTIVE PRODUCERS ESPEN OSMUNDSEN KARI MOEN KRISTIANSEN TANJA NANETTE BADENDYCK AND HEGE SKJERVEN CLAUSEN PRODUCERS YNGVE SÆTHER AND HEGE HAUFF HVATTUM WRITTEN AND DIRECTED BY DAG JOHAN HAUGERUD A Film Trilogy by Dag Johan HaugerudLOVE DREAMS SEXOSLO STORIES:DREAMS BESTER FILMAN DER BERLINALE 2025Für ein queeres Publikum erönet sich hier eine besonders spannende Pers-pektive: DAWN umarmt den Zustand der Unschärfe. Es erlaubt, mit sich zu experi-mentieren. Es unterwandert die Vorstel-lung, dass Identität fest, klar oder gar biolo-gisch determiniert sein muss. Die Künstler*innen von OH!Darling – allen voran Regisseurin Anne Andresen und Performerin Susanne Abelein – arbei-ten an der Schnittstelle von Kunst, Wissen-schaft und Performance. DAWN ist ihre dritte Produktion mit dem Fabriktheater Zürich und gleichzeitig das Resultat einer Auseinandersetzung mit atmosphärischen Zuständen, der inneren Logik von Morgen-stunden und den biologischen Mechanis-men, die in unseren Körpern zu wirken be-ginnen, sobald Licht auf die Netzhaut trit.Niki Neecke dokumentierte im Schlaf-labor seine eigenen Hirnströme und Kör-persignale beim Schlafen und Aufwachen und verwandelte sie in Kompositionen. Feldbeobachtungen von Sonnenaufgängen wurden in Texte und klangliche Strukturen überführt. Es entsteht ein ästhetisches Ge-echt, das zwischen Wissenschaft, Poesie und Performance oszilliert – ohne die Span-nung jemals zu verlieren.Warum sich das Queer-Lesen lohntDAWN (lucid edit) ist kein queeres Stück – aber es önet Räume, die für queeres OH!DARLINGDAWN (lucid edit)Ort: Fabriktheater Rote Fabrik, ZürichPremiere: 10. Mai 2025, 20 Uhr. Weitere Vorstellungen: 11. Mai / 18. Mai jeweils 18 Uhr15. Mai / 16. Mai / 17. Mai jeweils 20 UhrWeitere Infos: www.ohdarling.chEs entsteht ein ästhetisches Geflecht, das zwischen Wissen-schaft, Poesie und Performance oszilliert – ohne die Spannung jemals zu verlieren.Denken höchst anschlussfähig sind. Es the-matisiert Transformation, Übergang, Mehr-deutigkeit. Es lässt Körper als Material auf-treten, das nicht normiert ist, sondern empfänglich für alles: Licht, Luft, Klang, das Andere. Es verhandelt Menschsein nicht als geschlossene Form, sondern als osmoti-sches System. Und es bietet Momente, in de-nen das Publikum ganz bei sich und gleich-zeitig ganz woanders sein kann.
CRUISER MAI 202524KULTURWARMER MAIMedia © Image generated using AI technology by OpenAI / Inès Manai VON OLIVER FRITZ W armer Mai – das ist seit 25 Jahren die Plattform, auf der man queere und queer-ane Kulturevents ent-decken kann. Und auch wenn der Event Warmer Mai heisst, dauert er doch viel län-ger als nur einen Monat, nämlich vom März bis in den Juni.Die Warmer Mai-Agenda ist auch die-ses Jahr wieder voll und vor allem span-nend. Und natürlich auch sehr divers in jeg-licher Hinsicht, sodass für jede*n etwas dabeisein sollte: Von Queer Joyce (Literatur-lesung, 9. Mai), Oh G! It s Drag (Drag-Show, 9. Mai), Renegades: Queer Life in San Fran-cisco (Ausstellung Mitte Mai-Mitte Juni) bis Same Love (Tanz, 23./24. Mai) sind unter-schiedlichste Veranstaltungen und Ausstel-lungen im Programm. Und auch Klassiker wie Karaoke, die Komödie «Vier werden El-tern» oder die Fetisch-Show Cabaret Bizarre dürfen in diesem Jahr nicht fehlen.Besonders zu empfehlen ist sicher die Ausstellung «RENEGADES. San Francisco: Queer Life in the 1990s», welche Fotos von Chloe Sherman in der Photobastei zeigt.Die Fotogran schreibt dazu: «San Francisco in den 90er-Jahren war eine ent-scheidende, wegweisende Zeit und ich hatte Kultur und Vielfalt beim «Warmen Mai»Auch dieses Jahr gibt es zwischen März bis Juni beim Warmen Mai wieder vieles zu entdecken – nichts wie hin!das Glück, ein Teil davon zu sein. Ich fand Schönheit, Anmut und Tapferkeit in der queeren Subkultur, die sich eine eigene Identität abseits der Mainstream-Gesell-schaft schuf. Meine Fotograen dokumen-tieren den einzigartigen Puls der Stadt wäh-rend dieser Zeit und halten fest, wie wir das Anderssein in der Sicherheit unserer Gemeinschaft feierten.»Also lasst euch inspirieren und ge-niesst die Vielfalt!Alle Angaben auf www.warmermai.chBunter denn je: Der «Warme Mai» lässt Zürich aufblühen – ein Fest queerer Vielfalt von Frühling bis Frühsommer.
25KULTURROBIN HOOD IM PFAUENVON BIRGIT KAWOHL D ie Stimmung der Zuschauenden wird bereits bei der Platzsuche und dem Warten auf den Beginn der Vorstel-lung gesetzt, denn der Vorhang ist erhoben, auf der Bühne stehen Getreidebüschel und drumherum bewegen sich hektisch kleine Gestalten, die sich bei näherem Betrachten als Eichhörnchen erweisen. Dazu erklingt eine nahezu einlullende (Panöten-?) Mu-sik. Irgendwie passen Bewegungen und scheinbare Idylle nicht zusammen, der Im-puls genügt, um die Aufmerksamkeit zu stei-gern und das Gehirn zu aktivieren.Das Stück gehört zur Reihe des Jungen Programms, mit dem Wu Tsang und das Kol-lektiv Moved by the Motion das Zürcher Pu-blikum bereits 2022 mit «Pinocchio» mit grosser Bildkraft überzeugen konnten. Dazu passt natürlich die nahezu kindlich wirken-de Bühnengestaltung und auch die Übertra-gung in die Tierwelt und damit ins Mär-chenhafte scheint oberächlich betrachtet der Verbindung zum Kinder- und Jugend-theater geschuldet zu sein. Aber das ist viel zu kurz gedacht, auch wenn Wu Tsang im Interview mit Joshua Wicke die Bedeutung ihres Stückes für junge Zuschauer*innen ab etwa zehn Jahren deutlich macht: «Kinder sind in dieser Zeit [als Zehnjährige] sehr weise, selbstbewusst und daran interessiert, die Gesellschaft und ihre Regeln zu verste-hen und herauszunden, was gut und was schlecht ist.» Vielleicht ist dies ein An-Robin Hood – Held in the WoodWer kennt ihn nicht: Robin Hood. Ob als Rächer oder als Held, er zählt zum allgemeinen Kulturgut und wird doch auf der Bühne neu erfunden.➔CRUISER MAI 2025Vorsicht ist geboten, denn der Feind lauert überall. Doch Robin Hood (Tosh Basco) weiss auch auf der Bühne, was zu tun ist.
26CRUISER MAI 2025KULTURROBIN HOOD IM PFAUENsatz, die Gesellschaft wieder auf die richtige Spur zu bringen, indem man Angebote schat, die zum einen Interesse wecken und dennoch einen moralischen Pfad vorgeben, ohne gleichzeitig mit erhobenem Zeigen-ger Ge- und Verbote zu äussern.Mythos goes ModerneDass diese unterschwellige Pädagogik mit «Robin Hood» funktioniert und zumindest der Spass nicht zu kurz kommt, hat man spätestens am Ende des Stückes gesehen, als die Kinder und Jugendlichen begeistert im Stehen, zum Teil auf ihren Sitzen, ap-plaudierten und mit leicht geröteten Ge-sichtern ins Foyer traten. Wie konnte das gelingen? Der Robin Hood von Moved by the Motion, fuchsig ver-körpert von Tosh Basco, unterscheidet sich vom althergebrachten Literatur- oder Spiel-lm-Robin, von dem sicherlich jede*r ein Bild im Kopf hat, schon alleine dadurch, dass er als Fuchs daherkommt. Ebenso wie seine Freunde, Little John als Bär (Josh Johnson) oder Tuck als Eule (Ilknur Ba-hadir), womit dann auch die reine Männer-gesellschaft des altbekannten Robin Hoods aufgeboben wird, erscheinen alle Charakte-re als Tiere. Auch die Geschundenen und Unterdrückten entspringen der Fauna, etwa als Eich- oder Streifenhörnchen. Robin ist aber nicht irgendein Tier aus dem Wald, er verbindet als Fuchs den edlen Heldenmut des Diebes und Wohltäters mit der Gewitzheit von Reineke Fuchs, der den nötigen Widerstand eben nicht mit Brachial-gewalt leistet, sondern der den Reichen und Mächtigen mehr als einmal einen Spiegel vorhält. Hiermit wird Robin Hood so etwas wie ein Schweizer Nationalheld (mea culpa Wilhelm Tell), denn welche*r Schweizer*in hat nicht im Innersten ein Bild in sich von Widerstand gepaart mit Intelligenz und Moral und das umgeben von jeder Menge Natur?Moral und Modernität«Freiheit kann nicht bestehen ohne Acht-samkeit», so Tuck. Damit wären wir wieder bei einem ganz wichtigen Merksatz für un-sere Gesellschaft, in der alle Freiheit für sich reklamieren, die wenigsten aber Acht-samkeit vorleben. Dass diese Ich-Bezogen-heit nicht zum wahren Lebensglück führt, macht die Inszenierung wunderbar an dem von Sebastian Rudolph dumpfbackig-lie-benswert gespielten Hund deutlich. Ihn macht vor allem die Einsamkeit böse, letzt-endlich sieht er dies ein und geniesst es of-fensichtlich, zum ersten Mal in seinem Le-ben ein Teil von etwas zu sein, akzeptiert zu werden, auch wenn er nicht unbedingt von allen mit oenen Armen empfangen wird. Aber zeigt das nicht auch, dass man zum ei-nen sich ändern kann und zum anderen man Änderungen bei anderen fördern und bestärken sollte? Wenn wir unsere Gesell-schaft mit ihren zementierten (Vor-)Urtei-len betrachten und uns dabei selbst mal an die eigene Nase fassen, merken wir, dass es viel zu tun gibt in Bezug auf Toleranz und Miteinander.Modern ist auch das Urkonzept von Robin Hood: die Umverteilung des Reich-tums. Eines Reichtums, der oft auf Lasten der «Kleinen», der Eichhörnchen der Gesell-schaft, erwirtschaftet wird. «Ein Büschel [Getreide] pro Schweif [Eichhörnchen] oder ihr seid kerkerreif», verkündet der Hund im ersten Akt, ganz Handlanger der Herr-schenden und Besitzenden. Media © Inès Manai Hiermit wird Robin Hood so etwas wie ein Schweizer Natio-nalheld (mea culpa Wilhelm Tell), denn welche*r Schweizer*in hat nicht im Innersten ein Bild in sich von Widerstand gepaart mit Intelligenz und Moral und das umgeben von jeder Menge Natur?Wenn wir unsere Gesellschaft mit ihren zementierten (Vor-)Ur-teilen betrachten und uns dabei selbst mal an die eigene Nase fassen, merken wir, dass es viel zu tun gibt in Bezug auf Toleranz und Miteinander.Robin Hood (Tosh Basco) erklärt Yung Hörnchen (Nancy Mensah-Offei), dass man sich gegen die Herrschenden auflehnen kann.Die Sphynx-Katze Brütsie (June Ellys Mach) ist die teuflische Figur neben dem Sheriff und komplett vom System überzeugt.
27CRUISER MAI 2025KULTURROBIN HOOD IM PFAUENROBIN HOODBiest-Ballade von Moved by the Motion. Inszenierung e Wu Tsang. Text Sophia Al-Maria. Ort: Schauspielhaus ZürichAufführungsdauer: Mehrere Vorstellungen im April und Mai. Tickets: www.schauspielhaus.chEin Gegenkonzept zu Gier und MachtDieses Konzept, das bereits im 19. Jahrhun-dert von Marx, Engels und anderen Kommu-nisten und Sozialisten angeprangert wurde, gilt heute in den meisten Staaten der Welt immer noch. Gerade deswegen ist es Wu Tsang und dem Kollektiv so wichtig, bei Kin-dern anzusetzen, in ihnen die Aufmerksam-keit für Ungerechtigkeiten oder schlechten Umgang mit der Natur zu wecken und sie damit zum Nachdenken über mögliche Alternativen zu bringen. Gar nicht merk-würdig aber, dass sich auch viele der er-wachsenen Zuschauer*innen angesprochen fühlten, ist es doch ein ema, das alterslos daherkommt. Bis auf die etwas unnötigen Vorhänge, mit denen bei Bühnenverände-rungen die Bühne verdeckt wurde und hin-ter denen dann Schattenspiele mit Hase, Fuchs und Eichhörnchen stattfanden, was arg kindisch wirkte und überhaupt nicht notwendig gewesen wäre, da man an ande-rer Stelle den Umbau vor Augen des Publi-kums vornahm, war es eine Inszenierung für alle Altersklassen.Dass dabei aber der Spass und die Un-terhaltung nicht zu kurz kommen darf, denn keiner mag einen moralinsauren Vortrag hören oder das bessere Leben eingepeitscht bekommen, zeigen Moved by the Motion ge-konnt. So stellt Althörnchen (Lukas Vögler) sein Gitarrenspiel und seinen Gesang mal schnell von Moll auf Dur um - und schon sieht die Welt ganz anders aus. Dies alles wurde am Ende vom Publi-kum auch mit Standing Ovations belohnt und macht Lust auf weitere Produktionen in der Reihe des Jungen Programms. Der Sieg wird letztendlich gemeinsam, inklusive des «bekehrten» Sheriffs (Sebastian Rudolph), mit einem Tanz gefeiert.
VON ALAIN SOREL S päter wird er sein Missgeschick ewig beklagen, der bärenstarke Held Hera-kles, Sohn des griechischen Götterva-ters Zeus und einer Sterblichen, Kämpfer für das Gute und Unschuldige, aber auch jähzor-nig und gewalttätig. Auf der Fahrt übers Meer zerbricht ihm das Ruder, und er muss an Land gehen, um ein neues herzustellen. Seine Kameraden bleiben auf dem Schi zu-rück. Nur seinen Waenträger und Gelieb-ten, den jungen Hylas, nimmt er mit. Zuerst noch eine UmarmungEs bereitet Herakles, dem Halbgott, keine Mühe, aus dem Erdreich einen Baum zu zie-hen und den Stamm für seine neue Aufgabe zu Wasser herzurichten. Die Arbeit macht Durst, und so schickt er Hylas aus, um fri-sches Quellwasser zu holen. Bevor der Bur-sche weggeht, umarmen sich beide ganz fest. Sie halten es kaum aus ohne einander; Herakles mahnt ihn, sich zu beeilen. Das hört Hylas noch so gerne.Beschwingt eilt er einem kleinen Wäldchen entgegen. Er hot, dort aus einer Quelle Wasser schöpfen zu können. Schliesslich gelangt er an einen kleinen See, auf dessen spiegelglatter Oberäche ihm die wunderschönen Seerosen auallen. Es ist eine friedliche Stimmung, weiches Moos lädt zum Verweilen ein. Er beginnt Wasser zu schöpfen. Eigentümlich losgelöst fühlt er sich von der Welt. Und hat irgendwie plötz-lich das Gefühl, nicht mehr allein zu sein, Den schwulen Geliebten beim Wasserholen verlorenHylas, der Geliebte von Herakles, kehrte vom Wasserholen nicht zurück. 1896 hat John William Waterhouse auf einem seiner Bilder gezeigt weshalb. 28Media © Alamy / WikipediaCRUISER MAI 2025SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURHylas und die Nymphen, 1896. Öl auf Leinwand. John William Waterhouse (1849 – 1917), englischer Maler.
29sondern aus nächster Nähe beobachtet zu werden. Das Wasser fängt an, sich zu kräu-seln, kleine Wellen plätschern gegen den Strand.Wo bleibt er nur?Herakles sieht immer wieder nach dem Wäldchen hin. Hylas müsste bald auftau-chen. Die Kehle des Helden ist völlig ausge-trocknet und überhaupt: Die Abwesenheit des Freundes löst bei ihm von Kopf bis Fuss Entzugserscheinungen aus. Er wartet und wartet und wartet…Aber Hylas kommt nicht. Er wird nie mehr zurückkehren. Nach und nach mer-ken die Reisegefährten von Herakles auf dem Schi und dieser selbst, dass etwas nicht stimmt. Sie werden unruhig und star-ten eine Suchaktion. Sind schnell am Ufer des kleinen Sees im Wäldchen. Umsonst. Hylas ist wie vom Erdboden verschluckt.Herakles ist ausser sich vor Schmerz. Er bricht die Reise zusammen mit seinem Neen und Wagenlenker Iolaos ab. Sie wer-den ein neues Liebespaar, werden aber noch lange weiter nach Hylas forschen. He-rakles quält sich Jahre hindurch mit Vor-würfen. Immer wieder sagt er sich, dass er ja ganz in der Nähe gewesen sei, als Hylas im Wäldchen verschwand, dass er mit wenigen Schritten dort hätte sein und ihn beschüt-zen können. Was aber ist am See passiert, was ist Hylas zugestossen?Blick frei auf einen muskulösen RückenDie Sage gibt die Antwort. Der britische Ma-ler John William Waterhouse (1849 bis 1917) hat eine ihrer Schlüsselszenen 1896 veran-schaulicht auf einem Gemälde. Zu sehen darauf sind mehrere nackte junge Frauen, die bis zur Taille in einem Gewässer voller Seerosen stehen. Barbusig blicken sie auf einen jungen Mann in einem schulterlosen Gewand; die eine hält mit beiden Händen scheinbar sanft seinen rechten Arm fest. Er ist im Pro-l gemalt; der Blick des Bildbetrachters ist freigegeben auf den muskulösen Rücken mit der kräftigen rechten Schulterpartie und dem starken Arm. Wie der Bursche von vorne aussieht, kann (leider) nur erraten werden. Den Frauen in der dargestellten Szene selbst bleibt freilich nichts verborgen. Was sie sehen, gefällt ihnen oenbar.Der junge Mann ist Hylas. Die Frauen sind Najaden, Wasserwesen, die über den See wachen, den der Jüngling aufgesucht hat. Das Werk von Waterhouse, «Hylas und die Nymphen», zeigt plastisch, wie dicht sie bereits an ihn herangekommen sind. Ihre Haltung hat etwas Lockendes, Sinnliches. Sein Oberkörper ist gebeugt, weil die eine an ihm zieht und zerrt. Man spürt, er wird demnächst in den See stürzen. Die Sage selbst spricht Klartext: Sie werden ihn in die Tiefe ziehen, wo er die schönste ihrer Seero-sen werden soll. Da hatte er auf Erden Erre-genderes vor. Die Najaden also haben zugeschlagen und die Zukunftspläne von Herakles und seinem Geliebten durchkreuzt. Das wissen wir dank der Sage. Sie wird weiter für Hylas zeugen. Das Bild von Waterhouse hoent-lich auch. Das war 2018 nicht mehr so si-cher. Das Gemälde verschwand von seinem angestammten Platz in der Manchester Art Gallery. An dem dadurch freigewordenen Platz sollten Besucher Zettelchen an die Wand pinnen und ihre Meinung über solche Bilder in der heutigen Zeit kundtun. Die Ku-ratorin verstand dies als «eigenständige Kunstperformance», inspiriert teilweise durch die Debatten über #MeToo und Sexis-mus. Sie stiess aber auf eindeutige Ableh-nung von Seiten der User*innen im Netz.Nach einigen Diskussionen hängt das Bild inzwischen wieder und die Besucher dürfen den Impuls verspüren, Hylas von den Nymphen zurückzureissen. Er hatte Erregenderes vor, als eine Seerose zu werden. Hylas und Herakles halten es kaum aus ohne einander.CRUISER MAI 2025SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURMehr oder weniger versteckt findet sich das Thema Männerliebe in der Weltgeschichte, der Politik, in antiken Sagen und traditionellen Märchen – aber auch in Wissenschaft, Technik, Computerwelt. Cruiser greift einzelne Beispiele heraus, würzt sie mit etwas Fantasie, stellt sie in zeitgenössische Zusammenhänge und wünscht bei der Lektüre viel Spass – und hie und da auch neue oder zumindest aufgefrischte Erkenntnisse. Hylas und die Nymphe. Statue in St. Johns Lodge Gardens in London.
30VON MICHI RÜEGGEs gibt für mich keinen beschisseneren conversation opener als die Frage «Wie geht’s?». Klar, wäre ich soeben medienwirksam nach fünf Jahren Folter-haft aus einem türkischen Gefängnis zu-rückgekehrt, könnte ich die Frage verste-hen. Schliesslich würden meine Bekannten wissen wollen, ob ich den Albtraum gut überstanden habe und wie viele meiner in-neren Organe Schaden genommen haben. Aber wenn jemand, den ich pro Jahr drei Dutzend Mal sehe, mich das jedes veruchte Mal fragt, lässt mich das ratlos zurück.Ich bin wirklich nicht der Typ, der um Antworten verlegen ist. Aber was um Him-mels Willen soll ich auf «Wie geht’s?» ant-worten? Erwartet wird eh nur ein standardi-siertes «gut». Niemand möchte wissen, ob mein Stuhlgang regelmässig ist, mein ein-gewachsenes Haar am Sack nun eitert oder meine Katze vergangene Nacht aufs Duvet gekotzt hat. Wie es mir wirklich geht, möch-te niemand wissen.Dass die Frage überhaupt so inatio-när gestellt wird, verdanken wir wohl ame-rikanischen TV-Serien. In den USA wird immer irgendeine Form von «how are you?» zu Beginn eines Gesprächs eingeworfen. Und man ignoriert es oder wirft beiläug ein «great» hinüber. Aber nie und nimmer sollte man über seinen tatsächlichen Ge-sundheits- oder anderweitigen Zustand zu referieren beginnen. Selbst wenn man den Job verloren hat, einem der Partner mit dem besten Freund durchgebrannt ist, der Hund soeben eine Krebsdiagnose erhalten hat und das Basilikum auf dem Fensterbrett eingegangen ist, muss stets ein positives Ad-jektiv folgen. Ein Nachbar leiht sich gelegentlich mein Auto aus. Doch statt in seiner Handy-nachricht zu schreiben «Hey, brauchst du Dienstag die Karre?» kommt erst ein «Wie geht es dir?». Und dann muss ich zurück-schreiben, dass es mir gut geht, ihn fragen, ob es ihm auch gut geht, er sagt dann, es gehe ihm auch gut, danach fragt er, ob er Dienstag die Karre haben könne. Nach ein paar Runden bat ich ihn, doch jeweils direkt nach dem Auto zu fragen und den Umweg über unser allgemeines Benden sein zu lassen.Klar, wenn ein guter Freund mich fragt, wie es mir geht, kann tatsächlich eine gewisse gute Absicht dahinterstecken. Und ich muss dann jeweils aufpassen, dass ich nicht allzu zynisch antworte, weil die meis-ten Menschen zu blöd sind, auch nur einen Hauch von Ironie einordnen zu können. Doch was ist mit Dating-Apps? Auf Dating-Apps schreiben einem Pro-le ohne Foto, ohne Stats, ohne irgendwas. Und was schreiben sie? «How are you?». Je-mand, der also zu dumm ist, ein Foto von sich zu zeigen, fragt mich, den er noch nie gesehen hat, und den er mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit auch nie treen wird, wie es mir geht? Fuck. Was soll ich schrei-ben? Gut, danke, dir? Gut. Pics? Und danach wird blockiert. Aber wichtig war, dass die Person sich «ernsthaft» danach erkundigt hat, ob es mir denn auch gut gehe.Vor allem aber: Was heisst denn gut? Ist gut einfach die Absenz schwerer Krank-heit? Denn irgendwas tut ja ab 40 immer weh.Oder ist gut besser als durchschnitt-lich? Und wenn ja, wann soll es einem denn gutgehen? So 10 Prozent der Zeit beschis-sen, 60 Prozent durchschnittlich, der Rest gut? Oder muss man unterscheiden zwi-schen gut und sehr gut? Was sind die Krite-rien fürs Gutgehen? Und wie gut muss es einem gehen, damit man behaupten kann, es gehe sehr gut? Und wenn ich sage, es gehe mir gut, mein Gegenüber aber ndet, ich sähe aus wie eine ausgekotzte Feld-maus, darf ich dann überhaupt sagen, es gehe mir gut oder gar sehr gut, wenn der optische Eindruck meiner Aussage zuwi-derläuft? Warum können Leute mit der blöden Fragerei nicht einfach aufhören und sagen: «Hoi, gut siehst du aus!» Das hört man doch immer gern. Und man steckt nicht in der misslichen Lage, Auskünfte zum eigenen Gemütszustand erteilen zu müssen. Und ja, das wirkt auch auf Dating-Apps. Dort besonders gut. Sehr gut, sogar. Selbst wenn man den Job ver- loren hat, einem der Partner mit dem besten Freund durchge-brannt ist, der Hund soeben eine Krebsdiagnose erhalten hat und das Basilikum auf dem Fenster-brett eingegangen ist, muss stets ein positives Adjektiv folgen. Jaja, es geht,whatever Menschen mit Standardfragen zeigen oft Routine statt echtes Interesse. Michi Rüegg hinterfragt diese oberflächliche Form vorgetäuschter Empathie.CRUISER MAI 2025KOLUMNEMICHI RÜEGG
Wir brauchen jetzt deine Unterstützung!1. Twint-App önen2. QR-Code scannen3. Adresse angeben4. CHF 100.– sendenFertig2022 Du bist Mitglied bei schwulengeschichte.ch Die Website schwu len ge schich te.ch macht die Ge schich te von Schwulen in der Schweiz in all ihren Facetten zu gäng lich. Betrieb und Wei ter ent wick lung wird von eh ren amt li chen Mit ar bei tern si cher ge stellt.WERDE MITGLIED UND HILF, DASS UNSERE GESCHICHTE NICHT VERGESSEN WIRD 1930 1940 1950 1960 1970 19801990 2000 2010 20201943 Der Kreis1957 Kreis-Ball1973 Gay-Liberation1986 AIDS2004 Partnerschafts-gesetz Demoschwulengeschichte-inserat.indd 1schwulengeschichte-inserat.indd 1 11.06.22 11:5511.06.22 11:55
32LISTICLEGAY OLYMPICS ESC20 Gründe warum der ESC «Gay Olympics» heissen sollte Der Eurovision Song Contest ist längst mehr als ein Gesangswettbewerb – er ist ein queerer Ausnahmezustand, eine glitzernde Identitätsparty auf globaler Bühne.327. Wo sonst feiern Menschen in 180 Ländern dieselbe Powerballadegleichzeitig? Global Gay Unity in drei Minuten – mit Nebelmaschine.2. Die Kostüme sprengen jede Fashion-Logik Drag, Theater und Sci-Fi treffen sich zu einem explosiven Couture-Karneval.4. Es gibt Punkte, aber niemand weiss,wie sie genau vergeben werden Und trotzdem sitzen alle wie bei der Fussball-WM mitfiebernd vor dem Bildschirm.1. Mehr Glitzer als in jedem Durchschnittsgayclub Sogar die Discokugel in deinem Lieblingsclub fühlt sich beim ESC underdressed.3. Windmaschinen sind hier ein legitimes Stilmittel Wenn der Refrain kommt, fliegt nicht nur das Haar – sondern auch das Drama.5. Die Performance ist wichtiger als der Gesang Beim ESC gewinnt oft nicht die beste Stimme, sondern der grösste Auftritt.6. Jede queere Nation hat ihr persönliches Dream-Team Man liebt Litauen für die Outfits, Finnland für den Wahn-sinn und Schweden für die Ohrwürmer.CRUISER MAI 2025VON MOEL MAPHYWer ihn schaut, erlebt nicht einfach Musik, sondern eine schillernde Show der Vielfalt, in der Camp, Couture und Community verschmelzen. Kurz: Der ESC ist das einzig wahre «Gay Olympics». Und falls das noch jemand be-zweifelt – hier kommen zwanzig schillernde Beweise.8. Es gibt mehr Pride-Fahnen als Nationalflaggen Und keine einzige davon wird ironisch geschwenkt.
33LISTICLEGAY OLYMPICS ESC3311. Die Outfits wirken wie aus dem Ru-Paul-Drag Race-Finale geklaut Wir vom Cruiser vermuten, dass das manchmal auch getan wurde.12. Key Changes sind Standard – je mehr, desto besser Emotionen werden nicht dosiert, sondern ins All geschrien.19. Die Aftershow-Partys sind legendär Und enden öfter in einer queeren Romanze als in einem One-Night-Stand.20. Man verliebt sich mindestensdreimal pro Show Zweimal in den Act, einmal in den Kommentator.9. Weil ein queeres Gefühl schon in der Titelmelodie mitschwingt Man hört die ersten Töne – und weiss: «It’s camp o’clock!»10. Der ESC ist ein sicherer Ort für queere Selbstdarstellung Hier dürfen alle glänzen – egal, ob mit Bart, Kleid oder beidem.15. Selbst Island bringt im ESC mehr Sexappeal als Hollywood Latex, Elfenkostüme und Vibes inklusive.13. Bühnenlicht ersetzt beim ESC fast schon die Pyrotechnik Ein einziges LED-Feuerwerk der Gefühle.16. Das Voting ist so spannend wie ein Thriller Nur mit besseren Outfits und weniger Toten.14. Hier darf man laut sein, queer sein und kitschig sein – gleichzeitig Und wird dafür gefeiert, statt gecancelt.1 7. Man braucht mehr Ausdauer als ein Marathonläufer Denn eine ESC-Performance ist wie ein Sprint in Stilettos mit Pyro.18. Man wird für das Anderssein belohnt, nicht bestraft Beim ESC ist «weird» ein Qualitätsmerkmal.ANZEIGESchreinerstrasse 44 | 8004 Zürich | Telefon 044 291 39 90 | www.haargenau.chDeine fabelhafte LGBT*-friendly Hairstylistin freut sich auf deinen Besuch.
34CRUISER SOMMER 2024RUBRIKENTITELRUBRIKENUNTERTITEL3434RATGEBERDR. GAY drgay.ch drgay_official @drgay_officialBei Dr. Gay ndest du alles rund um das Leben in der Community: Sexualität, Beziehungen, Drogen und mehr. Dr. Gay ist ein Angebot der Aids-Hilfe Schweiz und fördert die Gesundheit von schwulen, bi & queeren Männern, sowie trans Personen durch Präventionsarbeit mit der Community.Deine Fragen zu STI:Ich habe seit ein paar Tagen mehrfach Durchfall und leichte Bauchkrämpfe. Bei einem Be-kannten von mir wurde kürzlich Ruhr diagnostiziert. Jetzt frage ich mich, ob ich mich damit auch inziert haben könnte. Ich hatte Arsch geleckt, mein Be-kannter. Immer vorher gut ge-spült. Jetzt bekam ich erst mitt-lere Symptome eines grippalen Infektes, Coronatest war nega-tiv. Jetzt noch leichte Restsyymp-tome von allem. omas (37)Hallo omasRuhr (Shigellose) ist eine bakterielle Infek-tion, die oft in warmen Ländern mit niedri-gen Hygienestandards auftritt und manch-mal bei sexuellen Praktiken, die mit anal-oralem Kontakt verbunden sind, über-tragen werden kann. Es ist aber keine typi-sche sexuell übertragbare Infektion (STI) und wird meist durch kontaminierte Le-bensmittel bzw. Trinkwasser übertragen. Wenn ein Bekannter von dir kürzlich mit Ruhr diagnostiziert wurde und du ähnliche Symptome wie Durchfall und Bauch-krämpfe hast, ist es möglich, dass du dich angesteckt hast. Deine Symptome können aber auch andere Ursachen haben. Eine Ferndiagnose ist hier leider nicht möglich. Um der Sache auf den Grund zu gehen, wende dich bitte direkt an eine medizini-sche Fachperson. Diese kann eine ange-messene Diagnose stellen und eine ent-sprechende Behandlung empfehlen.Alles Gute, Dr. GayIch habe eine Frage zum Hepa-titis C-Risiko. Wenn der Aktive mit Kondom jemanden penet-riert und dann mit gleichem Kondom (ohne auällige Blut-spuren) mich, ist das ein hohes Risiko für Hepatitis C? Tino (26)Hallo TinoDas Hepatitis C-Risiko beim Sex ist klein. HCV wird durch Blut zu Blut-Kontakt über-tragen, deshalb ist eine Infektion vor allem bei härteren Praktiken wie Fisten, BDSM oder beim Teilen von Drogenutensilien möglich. eoretisch wäre zwar bei der von dir beschriebenen Situation eine Übertra-gung möglich, das Risiko ist aber bei HIV und anderen STI um einiges höher. Grund: hier braucht es für eine Infektion es nicht unbedingt Blut, die Erreger können beim Wechsel von einem Arsch zum anderen «wandern», auch wenn das Kondom sauber aussieht oder kein direkter Kontakt besteht. Wir empfehlen deshalb, für jeden Arsch ein neues Kondom zu verwenden. Als Bottom ist dies je nach Situation nicht immer einfach zu kontrollieren. Die PrEP könnte hier mehr Sicherheit geben als ein Kondom. Mehr In-formationen zur PrEP gibt es auf drgay.ch. Alles Gute, Dr. GayCRUISER MAI 2025
drgay.ch drgay_official @drgay_officialDeine Fragen zu STI:RUBRIKENTITELRUBRIKENUNTERTITELIhre kompetente Stellenvermittlung im GesundheitswesenDanya Care GmbH vermittelt qualifizierte Arbeitskräfte: professionell, zuverlässig, schnell und exakt auf die Vakanz abgestimmt.Auch für Arbeitgeber*innen sind wir Vermittlungs- Spezialisten!Suchen Sie qualiziertes Pegefachpersonal für Ihr Team? Wir helfen Ihnen, die richtige Person für Ihre Vakanz zu nden.Sie sind eine ausgebildete Fachkraft im Pege- oder Medizinalbereich mit guten Arbeitszeugnissen; Sie geben uns Auskunft über Ihre Erwartungen an die neue Stelle, Ihre Qualikationen, Fähigkeiten, Aus- und Weiter- bildungen und persönliche Daten.Wir entwickeln basierend auf Ihren Angaben ein Bewerber*innenprol und formulieren Ihre Erwartungen bezüglich der gewünschten Arbeitsstelle.Wir prüfen aufgrund der Anfragen unserer Mandanten und in fachspezischen Netzwerken passende Stellenangebote.Für Stellensuchende ist unsere Dienstleistung kostenlos!Für eine erfolgreiche Stellenvermittlung!Kontaktieren Sie uns – es lohnt sich für Arbeit- gebende und Arbeitnehmende!Danya CareDanya Care GmbH, Buckhauserstrasse 36, 8048 Zürich info@danyacare.ch, www.danyacare.chCRUISER_Oktober_2024_alt.indd 20CRUISER_Oktober_2024_alt.indd 20 23.09.24 15:4623.09.24 15:46
Meine Cruiser-Bestellung Jahresabo, Selbstkostenpreis: CHF 72.– Gönner*innen Jahresabo: CHF 250.–Einsenden an: Cruiser, Clausiusstrasse 42, 8006 Zürichwww.cruisermagazin.ch/aboDAS MAGAZIN FÜR DIE QUEERE LEBENSART10 AUSGABEN FÜR NUR CHF 72.– Der Cruiser kommt in neutralem Umschlag direkt in deinen Briefkasten. Einfach Coupon ausfüllen und einschicken oder online bestellen unter www.cruisermagazin.ch/aboVorname | NameStrasse | Nr.PLZ | Ort E-MailUnterschriftcruiserbraucht dich!Abonniere uns!