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Cruiser im September 2022

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cruiserSEIT 1986 DAS ÄLTESTE QUEERE MAGAZIN DER SCHWEIZ – SEPTEMBER 2022 CHF 8.10KUNST, KULTUR & LEBENSSTIL FÜR DIE LGBT*-COMMUNITY50 Jahre HAZ 4Ein Rückblick auf Kampf und ErfolgAffenpocken 12Ein weiteres Virus wütet in der CommunityLeben mit bipolarer affektiver Störung 22Simon Froehlings neuer Roman gibt Aufschluss

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50 JAHRE 1976, Marilyn Kaga and Paul Watson, Soviet Whaling Action.EIN HAUFEN HIPPIES …… DIE SEIT 50 JAHREN DEN PLANETEN RETTEN.Wir haben Träume. Und verwirklichen sie. greenpeace.ch#dreampeacelb_2021-10311_GP_Anzeige_210x275_DFI_CO_V2.indd 1lb_2021-10311_GP_Anzeige_210x275_DFI_CO_V2.indd 1 01.09.21 08:5101.09.21 08:51ANZEIGE

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EDITORIALLiebe Leser*innen Einer der heissesten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen geht seinem Ende entgegen – es ist zwar noch nicht merklich kühler, aber definitiv schon dunkler als vor Kurzem. Die Menschen werden sich mehr in Innenräumen aufhalten und damit dem Corona-Virus wieder ausreichend Möglichkeiten des Ausbreitens bieten. Aber ist Corona überhaupt noch wichtig? Wird doch die männliche Community gerade von einem sehr aggressiven Virus heimgesucht, das sich wohl besonders gerne beim Geschlechtsverkehr verbreitet, auch wenn dies vor allem die Politik vehement und beharrlich zu leugnen versucht. Wir blicken zusammen mit Michi Rüegg (S. 12) ein wenig hinter die Kulissen rund um die Affenpocken, schauen aber auch ganz positiv und bewundernd mit Ernst Ostertag auf 50 Jahre HAZ und all das, was einst und immer noch von vielen guten Geistern auf die Beine gestellt wird. Hier wird seit Jahrzehnten Community im eigentlichen Sinne gelebt, was man an den vielen Veranstaltungen wunderbar ablesen und erleben kann.Lasst euch also inspirieren und nicht unterkriegen und bleibt hoffentlich gesund.Herzlich; Birgit Kawohl Co-Chefredaktorin4 GESCHICHTE 50 JAHRE HAZ12 KOLUMNE MICHI RÜEGG14 KULTUR BUCHTIPP16 WISSENSCHAFT KRANKHEITEN UND IHRE NAMEN18 POLITIK NEOFASCHISMUS IN ITALIEN22 KULTUR SIMON FROEHLING26 SERIE HOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATUR30 KULTUR BUCHTIPP34 RATGEBER DR. GAY IMPRESSUMCRUISER MAGAZIN PRINTISSN 1420-214x (1986 – 1998) | ISSN 1422-9269 (1998 – 2000) | ISSN 2235-7203 (Ab 2000)Herausgeber & Verleger medienHay GmbHInfos an die Redaktion redaktion@cruisermagazin.chChefredaktor Haymo Empl Stv. Chefredaktorin Birgit KawohlBildredaktion Haymo Empl, Astrid Affolter. Alle Bilder mit Genehmigung der Urheber.Art Direktion Astrid AffolterAgenturen SDA, DPA, KeystoneAutor*innen Vinicio Albani, Haymo Empl, Birgit Kawohl, Christiane Oelrich, Ernst Ostertag, Michi Rüegg, Manuel Schwarz, Alain Sorel Korrektorat | Lektorat Birgit KawohlAnzeigen anzeigen@cruisermagazin.chChristina Kipshoven | Telefon +41 (0)31 534 18 30WEMF beglaubigte Auflage 11 539 Exemplare (2016)Druck Druckerei Konstanz GmbHWasserloses DruckverfahrenREDAKTION UND VERLAGSADRESSECruiser | Clausiusstrasse 42, 8006 Zürichredaktion@cruisermagazin.chHaftungsausschluss, Gerichtsstand und weiterführende Angaben auf www.cruisermagazin.chDer nächste Cruiser erscheint am 3. Oktober 2022Unsere Kolumnist*innen widerspiegeln nicht die Meinung der Redaktion. Sie sind in der Themenwahl, politischer /religiöser Gesinnung sowie der Wortwahl im Rahmen der Gesetzgebung frei. Wir vom Cruiser setzen auf eine grösst - mögliche Diversität in Bezug auf Gender und Sexualität sowie die Auseinandersetzung mit diesen Themen. Wir vermeiden darum sprachliche Eingriffe in die Formulierungen unserer Autor*innen. Die von den Schreibenden gewählten Bezeich- nungen können daher zum Teil von herkömmlichen Schreib- weisen abweichen. Geschlechtspronomen werden entspre - chend implizit eingesetzt, der Oberbegriff Trans* beinhaltet die entsprechenden Bezeichnungen gemäss Medienguide «Transgender Network Schweiz».Auf das Kennenlernen folgt im Glücksfall die Liebe, so wie bei diesem glücklichen Paar.

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4CRUISER SEPTEMBER 2022Erinnerungen, Begegnungen und Fortschritt: 50 Jahre HAZGESCHICHTE50 JAHRE HAZWenn ein Jubiläum gefeiert wird, ist es unerlässlich, auf die Anfänge zurückzublicken. Schön, dass es noch Zeitzeugen wie Ernst Ostertag gibt, die alles hautnah erlebt haben.

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5CRUISER SEPTEMBER 2022GESCHICHTE50 JAHRE HAZVON ERNST OSTERTAGFünf Jahre vor der HAZ-Gründung starb die erste nationale und interna-tionale Schwulenorganisation der Schweiz, der «Kreis» mit seiner dreisprachi-gen Zeitschrift, im 35. Jahr nach ihrer Grün-dung in Zürich. Sie endete in Folge der Re-pression durch Polizei und Behörden sowie der Verleumdung durch die Presse. Homo-sexuelle galten als Kriminelle, die minder-jährige Strichjungen verführen, davon war eine Mehrheit des Volkes überzeugt. Es war Ende 1967. Wir waren eine kleine Gruppe von relativ Jungen, die nun eine Nachfolge und zugleich eine Erneuerung realisieren wollten. Die feindliche Umwelt zwang uns, einen sicheren Trepunkt zu schaen und ein alle verbindendes Organ. Genügend Schutz bot damals nur ein Getto. Der Tre-punkt war ein geschlossener Club, wie ihn der «Kreis» früher führte. Das Organ war eine Zeitschrift, vorläug einsprachig. Bei-des gehörte zur Organisation, die den Na-men «Kreis» nicht mehr führen konnte. Wir starteten am 1. Januar 1968. Eine gewaltige Arbeit lag hinter uns, die sich nun mit un-veränderter Heftigkeit fortsetzte. Später trugen Zeitschrift und Club den Namen «hey», die Organisation hiess nun SOH (Schweizerische Organisation der Homo-philen). Sie wurde 1993 ins eben gegründete Schwulensekretariat Pink Cross überführt und damit aufgelöst.Die 68-er und ihre Folgen für die Schwulenbewegung1968 begann der gesellschaftliche Wandel in Europa. Die Befreiungsbewegungen aus den USA, jene der Schwarzen und auch der Frauen, waren angekommen und mischten sich mit Vorstellungen und Bedürfnissen der europäischen Nachkriegsgeneration. In Frankreich und Deutschland entstanden progressive Studentenorganisationen. In Zürich begann der Kampf um ein autono-mes Jugendzentrum. Die Jungen besetzten das ehemalige Globusprovisorium an der Bahnhofbrücke, was nicht geduldet wurde, weswegen es zu den «Globus-Krawallen» kam. Damit war für uns klar: Jetzt hatten Behörden und Polizei andere, dringendere Probleme zu lösen, als uns mit Razzien und Registereinträgen zu verfolgen. Im Schatten dieser Ereignisse konnten wir nun aktiv werden, wollten wir die Befreiung organi-sieren und vorantreiben. Wir passten uns den Jugendlichen an, wurden mutiger und mit eindeutigen Forderungen ebenso pro-gressiv. Unter den schwulen Studenten bei- der Zürcher Hochschulen entstand im Som-mer 1972 eine neue Bewegung, die Homo- sexuellen Arbeitsgruppen Zürich (HAZ). ➔ Genügend Schutz bot damals nur ein Getto. Der Treffpunkt war ein geschlossener Club, wie ihn der «Kreis» früher führte. Das Organ war eine Zeitschrift, vorläufig einsprachig.Wenn ein Jubiläum gefeiert wird, ist es unerlässlich, auf die Anfänge zurückzublicken. Schön, dass es noch Zeitzeugen wie Ernst Ostertag gibt, die alles hautnah erlebt haben.Zum Glück gibt es noch vielfältiges Material der jahrzehntelangen Arbeit der HAZ, die als Zeit-zeugnisse wertvolle Erinnerungsarbeit leisten.Bilder © Sozialarchiv Zürich

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6CRUISER SEPTEMBER 2022 Mitglied der «hey»-Redaktionsgruppe und fand, wir müssen nicht so extrem wie die Studenten auftreten, aber ihre Aktionen zur Aufklärung der Allgemeinheit, die wollen wir mittragen. 1974 wurde ich Mitglied der HAZ, nur als Unterstützer, sozusagen inko-gnito, denn ich benutzte meinen richtigen Namen. In der Szene war zumeist nur das Pseudonym geläug, unter dem ich im «hey» publizierte. Das Zusammenspannen von HAZ und SOHEnde 1978 zog die HAZ als Untermieterin ins SOH- und «hey»-Büro ein. Es war die lo-gische Folge einer normal gewordenen Zu-sammenarbeit, die in diesem Jahr beson-ders deutlich wurde: HAZ und SOH führten am 24. Juni 1978 zusammen mit der HFG (Homosexuellen Frauengruppe Zürich) den ersten CSD der Schweiz durch, der zugleich Sie wollten die Gesellschaft radikal ver-ändern und waren auch oen für Stu- dentinnen. Wir Älteren mit der «Kreis»-Ver-gangenheit waren in ihren Augen bürger-lich-verklemmte Gettoschwestern, mit de-nen man nicht zusammenspannte. Doch das blieb nicht lange so. In unserer Zeit-schrift «hey» publizierten und besprachen wir schon ab Ende 1972 von der HAZ ini-tiierte Anlässe. Ich war von Anfang an GESCHICHTE50 JAHRE HAZBilder © Sozialarchiv ZürichGEMEINSAM EMOTIONEN ERLEBENLivioCeciniFabian Koller Viola TamiSusanne Kunz Diego Valsecchi07. – 18.12.2022 Theater 11 ZürichAb September 2022 Theater 11 Zürichmusical.ch29. – 31.12.2022 Theater 11 ZürichSammeli_Inserat_Cruiser_210x140mm.indd 2Sammeli_Inserat_Cruiser_210x140mm.indd 2 05.08.22 13:4405.08.22 13:44Auf uns machen manche Flyer oder Plakate einen wenig professionellen Eindruck, ihre Wirkung war aber oft fulminant.

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7CRUISER SEPTEMBER 2022GESCHICHTE50 JAHRE HAZund vor allem unserer gemeinsamen Petiti-on zur Abschaung der Zürcher Homore-gister galt. Innert ca. fünf Stunden sammel-ten wir über 5400 Unterschriften. Es war das erste Mal, dass Homosexuelle sich in der Öentlichkeit zeigten und eine Aktion durchführten. Ein gewaltiger Schritt, den wir nur gemeinsam tun konnten. Im Febru-ar 1979 gab die Stadt oziell das Ende der Registrierung und die Vernichtung der Lis-ten bekannt. Am 18. November 1978 nahmen HFG, SOH und HAZ (in der vier Jahre zuvor ge-gründeten Dachorganisation HACH) an ei-nem Antirepressionskongress des linken DM (Demokratisches Manifest) teil. Es ging um den Kampf gegen die von bürgerlichen Kreisen und Parteien lancierte Schaung einer Bundessicherheitspolizei (BUSIPO). Uns allen war dieser Kampf enorm wichtig. Schliesslich gehörten wir Älteren aus-nahmslos zu den Opfern von Polizeiüber-grien, waren also gebrannte Kinder. Im Dezember verwarf das Volk das BUSIPO-Projekt deutlich. ANZEIGEGEMEINSAM EMOTIONEN ERLEBENLivioCeciniFabian Koller Viola TamiSusanne Kunz Diego Valsecchi07. – 18.12.2022 Theater 11 ZürichAb September 2022 Theater 11 Zürichmusical.ch29. – 31.12.2022 Theater 11 ZürichSammeli_Inserat_Cruiser_210x140mm.indd 2Sammeli_Inserat_Cruiser_210x140mm.indd 2 05.08.22 13:4405.08.22 13:44Vier Jahre nach Ende der Schwulenre-gister, im Mai 1983, zog die HAZ in das ihr von der Stadt zu günstiger Miete angebote-ne Centro am Sihlquai 67, wo sie bis 2021 blieb. Im August wurde im Centro der erste gemeinsame Sonntagsbrunch von SOH und HAZ durchgeführt. Daraus entwickelte sich eine beliebte Tradition. Als der SOH ihr Bü-rolokal gekündigt wurde, lag ein Umzug ins Centro der HAZ nahe. Es kam zu einem gut ausgewogenen Vertrag und am 20. August 1984 konnte die SOH einziehen. Am 1. Sep-tember gab es das erste grosse SOH-Fest im Centro-Begegnungszentrum. HAZ- und SOH-Mitglieder feierten gemeinsam bis in die Morgenstunden. Nun aber folgten die bedrückenden Jahre von Aids, die Gründungen der Aids-Hilfe-Organisationen und deren intensiven Tätigkeiten. Fast zugleich begann der lange Kampf um die Revision des schweizeri-schen Strafgesetzes (StGB) von 1942. Dieser Kampf wurde hauptsächlich von einer aus der HAZ hervorgegangenen «Arbeitsgruppe Bundespolitik» und durch die Dachorgani-sation aller kantonalen HA-Gruppen, die HACH, geführt. Er endete 1992 mit der An-nahme der Revision durch das Volk, womit sich auch alle unsere Forderungen erfüll-ten: Gleiches Schutzalter, Zulassen der männlichen Prostitution, Streichung aller diskriminierenden Begrie wie «widerna-türliche Unzucht», Abschaen des Verbots homosexueller Akte im Militär. «Tage der Begegnungen» halten Erinnerungen an alte Kämpfer wachBesonders schöne Erinnerungen habe ich an die HAZ-Idee, ab 2001 einen «Tag der Be-gegnungen» einzuführen. Nach den Grün-dungen der neuen Dachorganisationen LOS (1989) und Pink Cross (1993) begann u.a. der Kampf um gleiche Rechte für gleich-geschlechtliche Paare. Persönliche Begeg-nungen in lokalen Räumen schienen nun wichtig, um die für nationale Anliegen nöti-ge Verbundenheit an der Basis zu schaen. Neben der HAZ waren andere Organisatio-nen entstanden wie Network für schwule Führungskräfte, die Elternorganisation ➔

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8CRUISER SEPTEMBER 2022«fels» (Freund*innen und Eltern von Lesben und Schwulen) oder diverse Sport- und Wandergruppierungen und Gesangsverei-ne wie etwa der «schmaz» (Schwuler Män-nerchor Zürich). Begegnungsanlässe von Mitgliedern aus allen diesen Vereinigungen gab es kaum. Nur die Pride machte hier eine wichtige Ausnahme. Immer wieder gab es Anlässe für Feiern und Begegnungen: 2001 wäre der berühmte Komponist Paul Burk-hard 90 Jahre alt geworden. HAZ und Net-work organisierten einen Gedenkanlass, der zugleich als erster «Tag der Begegnun-gen» mit einer gemeinsamen Wanderung verbunden war. Man traf sich am 8. Septem-ber in Kollbrunn im Tösstal und stieg steil hinauf durch Tobel und dichten Wald zur «Tüfels Chile» und weiter zum Weiler Ober-Langenhard, wo es im Gasthof einen Halt mit Mittagessen gab. Danach ging es hinun-ter bis ins Dorf Zell. Dort erwartete uns eine private Besichtigung des Wohnhauses von Paul Burkhard. Natürlich war auch Musik von ihm zu hören, und wer es noch nicht wusste, erfuhr jetzt, dass Hits wie «O mein Papa» und «Die kleine Niederdorfoper» von einem der Unsrigen stammen, aber auch, dass dieses Haus bald als Museum gestaltet glücklicherweise weiter bestehen bleibe. Im späten Nachmittag stiegen wir erneut durch Wälder in die Höhe und erreichten schliess-lich das historische Hotel Girenbad. Dort stand ein üppiges Abendbrot bereit, das wir sehr genossen. Bei Wein und vielen lebhaf-ten Gesprächen wurde es zu rasch dunkel – und im Schein der Taschenlampen gelang der Abstieg entlang der Strasse relativ leicht bis zum Bahnhof Turbental. Ein weiterer Begegnungstag berührte nochmals das Tösstal. Er galt dem Schul-meister und Dichter Jakob Stutz (1801–1877), der das ganze Leben lang mit seinem Schwulsein haderte, es nie akzeptieren aber auch nie lassen konnte und deswegen Ge-fängnis und Verbannung erlitt. Trotz allem führte der hoch begabte Mann eine erste Schule für Taubstumme, erfand später an einer Landschule den Handwerkunterricht, das Schultheater, die Schulbibliothek und die Schulsparkasse. Mit seinen Schriften, Gedichten und dem eaterstück «Der Brand von Uster» trug er massgebend bei zur Verbesserung der sozialen Zustände des Zürcherischen Landvolks. Man verlieh ihm den Titel des «Volksdichters». Zum 200. Ge-burtstag erstellten Gemeinden, Kanton und Freiwillige einen Wanderweg, der alle Wirk-stätten von Jakob Stutz berührte und an den Stationen seines Lebens mit Bild- und Schrifttafeln informierte. Er führt noch heute vom Heimatmuseum am See in Pfäf-kon hinüber ins Tösstal nach Wila und dann hinauf bis Sternenberg. Am 13. Sep-Persönliche Begegnungen in lokalen Räumen schienen nun wichtig, um die für nationale Anliegen nötige Verbundenheit an der Basis zu schaffen. Bilder © Sozialarchiv ZürichNeben den Schwulen fanden zunächst die Lesben und später das gesamte Spektrum des Regenbogens ihren Platz in der HAZ.GESCHICHTE50 JAHRE HAZ

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9CRUISER SEPTEMBER 2022ANZEIGEVorverkauf nutzen: CHF 50.–Abendkasse: CHF 60.–Mit freundlicher Unterstützung:accurART AGHelvetia VersicherungenHaas & Co. AGHensler Malerarbeiten GmbH Möbel Transport AG kunsthaus.ch/ball 01KUE_Kunsthaus_ZH_ROARING_20s_Ball_Neuauflage_Mannschaft_210x140_220804.indd 101KUE_Kunsthaus_ZH_ROARING_20s_Ball_Neuauflage_Mannschaft_210x140_220804.indd 1 04.08.22 17:1304.08.22 17:13tember 2003 ging es los auf diesem Wander-weg ab Bahnhof Pfäkon mit kundiger Führung durch einen lokalen Kenner, der viele wenig bekannte Details zu erzählen wusste und sich oensichtlich freute, die-sen Begegnungstag mit einer Gruppe von gleichveranlagten Menschen wie Jakob Stutz zu verbringen. Die Organisatoren aus HAZ und Network wollten nun einen Ge-waltmarsch wie vor zwei Jahren vermeiden und setzten das Ziel bei der Kirche von Wila auf der halben Strecke. Ein Sternmarsch setzt ein buntes ZeichenZwischen diesen beiden Wander-Begeg-nungstagen gab es noch einen weiteren, der völlig anders war. Anlass dazu gab die zür-cherische Volksabstimmung vom 22. Sep-tember 2002. Es ging um das erste voll-umfängliche Partnerschaftsgesetz eines Kantons, das wir unbedingt realisiert haben wollten. Der Kantonsrat beriet und be-schloss das Gesetz im Januar endgültig, aber konservative Gegner ergrien sofort das Referendum und brachten es zustande. Das bedeutete für uns die Bereitschaft zu grossen Opfern an Zeit und Geld, den Wil-len zu jeder Form von Einsatz, viel Fantasie und Humor. Wir wollten der Allgemeinheit etwas schenken: mehr Oenheit. Das war ein klarer Vorteil. Die anderen wollten Ver-hindern und Verbieten. Doch die Zeit war knapp. Zündende Ideen mussten her. Eine davon war, den «Tag der Begegnungen» vom 8. September als Sternmarsch durchzufüh-ren, wiederum organsiert von HAZ und Network. Aufrufe zur Teilnahme brachten rasch eine grosse Zahl von Frauen und Männern aus allen Altersgruppen zusam-men. Sie wurden eingeteilt in sechs Wan-derkolonnen von denen sich jede an einem bestimmten Sammelplatz einzunden hat-te. Diese Plätze lagen rund um den geogra-schen Mittelpunkt des Kantons verteilt, je eine gute Wanderstunde davon entfernt. Zudem erhielten die Teilnehmer*innen je-der Kolonne eine Farbe zugewiesen, die sie sichtbar machen sollten, etwa bei gelb durch gelbe Kleidungsstücke oder Accessoires. Zu-sammen ergaben die sechs Farben jene der Regenbogenfahne. Aber das wusste nur die Organisation. Ich erinnere mich gut, unsere Farbe war violett und der Trepunkt lag am Rand von Schwamendingen. Röbi und ich trugen violette T-Shirts und fanden vor Ort eine fröhliche Gruppe violetter Men-schen, fast wie eine Fasnachtsclique, denn es gab violett geschminkte Gesichter, vio-lette Roben und Hüte, aber auch rustikale Sportler*innen in violetten Bérets und di-cken violetten Wandersocken. Viele hatten violette Säcke, Taschen oder Täschchen da-bei und alle bekamen vor Abmarsch einen violetten Ballon ans Handgelenk gebunden. Es gab Leiter und Leiterinnen, die den Weg kannten und uns quasi führten. Wir zogen los Richtung Dübendorf, durch die Siedlung Wangen hinauf bis zu einer Wiese, nahe beim Weiler Rüti. Von einem Hügel sahen wir andere Kolonnen aus allen Richtungen herankommen, fast wie rote, blaue, orange Raupen, die sich auf dieser Wiese zum Fres-sen zusammenfanden. Am Fuss des Hügels stand eine Bühne, viele Menschen rundum, Presse- und Fernsehleute mit Kameras, die Organisatoren. Aus jeder Kolonne, im Rund zur Regenbogenagge geordnet, waren ➔ GESCHICHTE50 JAHRE HAZ

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10CRUISER SEPTEMBER 2022eine oder zwei Personen beauftragt, ein Statement zum JA fürs Partnerschaftsgesetz auf der Bühne ins Mikrofon zu sprechen. Da wurde uns das Motto bewusst: Wir alle sind jetzt in der Mitte des Kantons angekommen; wir wollen auch in der Mitte der Bevölke-rung ankommen.Eine «unverschämte» Ausstellung zum 30. HAZ-Jubiläum sorgt für erneutes Sichtbarwerden Im selben Jahr 2002 feierte die HAZ ihr 30. Jubiläum, das mit einem Extra-Event be-gangen werden sollte. Anfang 2001 begann die Vorbereitung an einer Vollversamm-lung. Man konnte Vorschläge einbringen. Zustimmung fand die Idee einer Ausstel-lung zur Geschichte der HAZ. Röbi und ich hielten nichts davon, denn ein Jahr zuvor hatte es im Landesmuseum im Rahmen des Kulturprogramms der EuroGames, die da-mals in Zürich stattfanden, die Ausstellung über den «Kreis» gegeben. Schon wieder eine Ausstellung anzubieten, war doch eher billig und fantasielos. Leider äusserte ich mich in der heftig werdenden Diskussion mit einem Kompromissvorschlag: Wenn unbedingt Ausstellung, dann eine nie dage-wesene zur gesamten Geschichte der Schwulen in der Schweiz und das zusam-men mit den Lesben und ihrer Geschichte. Das blieb nun an mir und Röbi hängen. Es folgte eine Zeit mit weit heftigerem Arbeits-pensum, als wir es je vor unserer Pensio-nierung leisteten. Und dies parallel zum Kampf um das Partnerschaftsgesetz. Bis wir nur die ersten Frauen mit im Boot hatten, vergingen Monate, in denen wir ein Team zusammenstellten und das Recherchieren aufgleisten. Dann aber setzten sich die Frauen gewaltig ein, was oft zu heissen Aus-einandersetzungen führte. Für uns war es leichter, die Schwulengeschichte war gross-teils unsere eigene Geschichte und jene von Männern, die wir zumeist noch persönlich gekannt hatten. Die Frauen hingegen muss-ten die Spuren lesbischer Geschichte zuerst suchen, zusammentragen und sichten. Es gelang ihnen, ein Team zu bilden, das sich auf vielen Ebenen sofort an die Arbeit mach-te. Sie fanden auch eine erfahrene Ausstel-lungsmacherin, die alle Materialien richtig auswählen und gewichten konnte und zu-sammen mit unserem Graker das Ganze zur eindrucksvollen Schau in die den meis-ten anderen Menschen unbekannte Ge-schichte einer Minderheit gestaltete. Fast wie ein Wunder erschien es uns, als am In-ternationalen Coming Out Day (COD), also am 11. Oktober 2002, im von uns gewünsch-ten Ort, dem Zürcher Stadthaus, die Ausstel-lung «unverschämt, Lesben und Schwule gestern und heute» ihre Erönung feierte. Der ozielle Festakt stand am Vorabend auf dem Programm mit Ansprachen, Musik, vielen Gästen und Medienschaenden aus nah und fern. Natürlich gehörten die Leiter der 30-jährigen HAZ mit auf die Bühne, ebenso wie der Stadtpräsident und weitere Politiker*innen. Auch Abgeordnete aus an-deren Vereinigungen der Community ka-men aufs Podium und besonderen Applaus gab es für das grosse Frauenteam und für Röbi und mich u.a. als Vertreter von Net-work. Die Ausstellung wurde zu den erfolg-reichsten im Stadthaus, und die über 50 Führungen durch Frauengruppen und uns liessen bewegende Momente und unver-gessliche Begegnungen entstehen. Das Ent-scheidende und Bleibende aber ist das Sichtbarmachen der Vergangenheit und Ge-schichte von homosexuellen Menschen in unserem Land und die daraus wachsende Kraft zum weiteren Einsatz und Kampf für gleiche Rechte aller Bürger*innen solange, bis diese vollständig realisiert sind. Denn wer seine Geschichte nicht kennt, kann auch seine Zukunft nicht gestalten. Denn wer seine Geschichte nicht kennt, kann auch seine Zukunft nicht gestalten.Bilder © Sozialarchiv ZürichDas Programm und das Engagement der HAZ war und ist vielfältig. Es reicht von durchschlagenden politischen Aktionen bis zu Freizeitveranstaltungen.GESCHICHTE50 JAHRE HAZ

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11PEPHIV-Risiko? Nach ungeschütztem Anal- oder Vaginalsex gibt es die HIV-Notfallbehandlung PEP. Sie muss innert Stunden begonnen werden, um wirksam zu sein. Mehr Infos auf: drgay.ch/pepPassierts, pressierts!drgay.ch/pepUnterstützt vonANZEIGE

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12CRUISER SEPTEMBER 2022KOLUMNEMICHI RÜEGGVON MICHI RÜEGGSeit Mai breitet sich das Aenpocken-Virus auf der Erde aus. Eine Handvoll Fälle waren es zu Beginn, Zehntau-sende sind es mittlerweile. Als Zielgruppe musste der Erreger ausgerechnet an schwu-le Männer geraten. Für ein Virus, das sich vor allem durch engen Körperkontakt ver-breitet, sind wir natürlich ein idealer Le-bensraum. Kaum war die Covid-Pandemie vorbei, kaum fanden wieder Prides und Darkland und all die anderen Events statt, musste auch schon die nächste Krankheit ihre Runde drehen.Aus Distanz betrachtet ist das höchst ärgerlich. Wenn man sich die Pocken selbst einfängt, ist es beängstigend, schmerzhaft und in selteneren Fällen lebensbedrohlich. Ich bin bislang verschont geblieben, aber die Bomben schlagen immer näher ein. Mittler-weile kenne ich diverse Männer, die eine In-fektion hinter sich haben. Nur einer berich-tete, sie sei wirklich leicht verlaufen. Ein anderer war zwei Wochen im Krankenhaus.Warum der Impfstoff (in der Schweiz) ungenutzt bleibtDass sich Monkeypox derart ungehindert verbreiten konnten, ist schon ein starkes Stück – bedenkt man, dass ein oenbar recht gut wirksamer Impfsto auf dem Markt ist. Der ist zwar gegen andere Po-ckenerreger entwickelt worden, soll aber auch gegen die Aenvariante einen guten Job machen. Bis allerdings Europa, die USA und viele weitere Länder über genügende Mengen des Vakzins verfügten und mit dem Impfen beginnen konnten, war wert-volle Zeit verstrichen. Noch immer ist Im-vanex, wie das Zeug heisst, in den meisten Ländern Mangelware. Doch sexuell aktive Typen scheinen sich impfen zu lassen, die Zahlen steigen (Mitte August) in vielen Ländern etwas weniger stark an oder stag-nieren bereits.Soweit die gute Nachricht. Nun zur schlechten: Die Schweiz hat es bislang als einziges Land weit und breit nicht hinbe-kommen, auch nur ein den Ansatz einer vernünftigen Antwort auf die Aenpocken-Ausbrüche zu entwickeln. Im Gegensatz zu… nun, überall sonst, gibt es ausgerech-net im selbsternannt reichsten Land der Erde mit seinem luxuriösen Gesundheits-system null Impfsto. Und die Schweiz schämt sich nicht einmal dafür. Von o-zieller Seite heisst es, die Zahlen seien ja Wieder dauerte es, bis die Welt kapiert hat, dass die nächste Pandemie in den Startlöchern steht. Besonders die Schweiz zögert und zaudert dabei vor sich hin.Und wieder ein Virus. Dieses Mal aber eins, das besonders die MSM zu betreffen scheint.Die Pocken sind los und Bern macht den Affen

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13KOLUMNEMICHI RÜEGGANZEIGE5 CRUISER SommER 2017sliPPerySubjeCt SVoN MARTIN MüHLHEIMC oming-out-Filme gibt es mittlerweile viele, und entsprechend unterschied-lich kommen sie daher: leichtfüssig- komisch wie der britische Klassiker Beautiful ing (1996), eher nachdenklich wie das brasilianische Kleinod Seashore (2015), bisweilen auch zutiefst tragisch – so im israelischen Drama Du sollst nicht lieben (2009), das in der ultraorthodoxen Gemein-de in Jerusalem spielt.Angesichts solcher Unterschiede er-staunt es umso mehr, mit welcher Regel- mässigkeit uns Coming-out-Filme Jungs oder Männer zeigen, die – alleine, zu zweit oder in Gruppen – schwimmen gehen. Nun könnte man das natürlich als Zufall oder Neben-sächlichkeit abtun. Bei genauerem Nachden-ken zeigt sich allerdings, dass sich gleich mehrere Gründe für diese erstaunliche Häu-gkeit nden lassen.Nackte Haut ohne allzu viel SexEine erste, nur scheinbar oberächliche Er-klärung ist, dass (halb)entblösste Körper sich nicht bloss auf der Leinwand, sondern auch auf Filmpostern und DVD-Covern äus- serst gut machen. Schwimmszenen bieten ein perfektes Alibi für das Zeigen von nack-ter Haut: Sex sells, wie es so schön heisst.Warum «Alibi»? Weil man – gerade bei Filmen mit jungen Protagonisten – aufpas-sen muss: «Sex sells» mag zwar zutreen, aber allzu explizite Sexszenen können schnell mal zu hohen Altersfreigaben füh-ren. Dies wiederum möchten Filmemacher in der Regel vermeiden: Filme, die erst ab 18 freigegeben sind, lassen sich nämlich weni-ger einfach vermarkten. Auf Amazon.de zum Beispiel werden Filme mit Altersfreiga-be 18 nur an nachweislich volljährige Perso-nen verkau – und gerade für Coming- out-Filme, die sich auch an ein junges Publi-kum richten, ist dies sicher kein wünschens-werter Eekt.Schwimmszenen bieten hier eine per-fekte Kompromisslösung: Man kann nackte Haut lmisch ansprechend inszenieren, da-bei aber allzu heisse Techtelmechtel tugend-ha vermeiden (beispielsweise, indem der Wasserspiegel immer über der Gürtellinie bleibt, wie im niederländischen Film Jon-gens, 2014). Um das Rezept knapp zusam-menzufassen: Man nehme eine grosszügige Portion feuchter Erotik, eine vorsichtige Pri-se Sex – und um Himmels Willen kein Körn-chen Porno. Eingetaucht ins TrieblebenMan täte den lesBischwulen Filmemache-rInnen aber unrecht, wenn man ihre erzäh-lerischen Entscheidungen allein auf nan-zielles Kalkül reduzieren wollte. Es gibt nämlich auch ästhetisch-symbolische Grün-de, die Schwimmszenen für das Genre inter-essant machen. Da wäre zunächst die Funktion des Wassers als Symbol für das Unbewusste. Dieses Unbewusste, so weiss man spätestens seit Sigmund Freud, hat viel mit der Triebna-tur des Menschen zu tun – und so erstaunt es nicht, dass Hauptguren auf der Suche nach ihrer sexuellen Identität sozusagen symbo-lisch in die Tiefen des Unbewussten eintau-chen müssen, um ihr gleichgeschlechtliches Begehren zu entdecken. Figuren in der SchwebeDarüber hinaus hat die Filmwissenschale-rin Franziska Heller in ihrem Buch über die Filmästhetik des Fluiden (2010) gezeigt, dass schwimmende Figuren immer wieder als «schwebende Körper» inszeniert werden: o in Zeitlupe und seltsam herausgelöst aus dem sonst zielstrebig voranschreitenden Erzählprozess. Dieser Schwebezustand wie-derum ist eine wunderbare visuelle Meta-pher für die Phase kurz vor dem Coming-out: Man ist nicht mehr der oder die Alte, aber auch noch nicht ganz in der neuen Identität angekommen. Ein Film macht das Schweben sogar explizit zum ema: In Kinder Gottes aus dem Jahr 2010 zeigt Romeo dem neuro-tisch-verklemmten Johnny, wie befreiend das «Floating» im Meer sein kann.Neben der Inszenierung von Schwebe-zuständen und dem Wasser als Symbol für das Unbewusste ist drittens das Motiv von ➔ Filme, die ersT ab 18 FreiGeGeben sind, lassen sicH nämlicH WeniGer einFacH VermarKTen.ANZEIGE«Was geht mich meine Gesundheit an!» Wilhelm Nietzsche Wir sind die erste Adresse für diskrete Beratung in allen Gesundheitsfragen.Stampfenbachstr. 7, 8001 Zürich, Tel. 044 252 44 20, Fax 044 252 44 21 leonhards-apotheke@bluewin.ch, www.leonhards.apotheke.chIhr Gesu ndheits-Coach .rz_TP_Leonhards_Apotheke_210x93.3_Cruiser_4c_280317.indd 1 28.03.2017 10:07:37überschaubar. Die unterschwellige Bot-schaft lautet allerdings: Es betrit ja nur die Homos, also scheissen wir drauf.Alarmierende Zahlen interessieren niemandenDenn die Zahlen sind bei uns (wieder Mitte August) durchaus alarmierend. Nimmt man nur den Kanton Zürich als Beispiel, haben wir mittlerweile weit über hundert Fälle pro Million Einwohner*innen. Vergli-chen mit den weltweiten Zahlen verzeich-net einzig das hart getroene Spanien gleich viele Fälle pro Kopf wie Zürich. Mit anderen Worten: Kaum irgendwo auf der Welt grassiert das Virus derart heftig wie bei uns. Aber wie gesagt: Solange die Bäue-rin aus dem Emmental und der Primarleh-rer im Wallis davon unbetroen sind, inte-ressiert das im Bundesamt für Gesundheit keine Sau.Vordergründing wird vorgeschoben, der Hersteller würde nicht liefern und über-haupt, er müsse erst ein Gesuch stellen, da-mit sein Produkt in der Schweiz verimpft werden könne. Dabei verkennt die Schweiz, dass nicht der Hersteller ein Problem hat, sondern das Land. Es ist, wie wenn wir ge-rade einen Flächenbrand hätten, aber die Feuerlöscher aus EU-Produktion dürfen nicht eingesetzt werden, weil sie in der Schweiz noch nicht durch die Empa geprüft worden sind. Monogamie als ernst gemeinte Empfehlung Die Schweiz hat die Picht, ihre Bürger*-innen zu schützen, auch vor Krankheiten. Das Epidemiengesetz, in der heutigen Form in Kraft seit 2012, hätte dazu die nötigen Tools bereitstellen sollen. Doch es versagt ausgerechnet dort, wo es am meisten nüt-zen sollte: Im Fall, dass ein exotischer Erre-ger die Schweizer Bevölkerung heimsucht.Aber vielleicht ist es einfach mein Feh-ler, zu glauben, dass man als schwuler Mann in diesem Land gleich viel wert ist wie der Rest der Bevölkerung. Viele Zeitungen schreiben seit Wo-chen denselben Mist: Dass Aenpocken nicht Covid und auch nicht HIV seien. Na-türlich ist das wahr. Sie sind ebenso wenig Akne, Hirntumor, Cholera und Sommer-grippe. Statt hervorzuheben, was die Aen-pocken alles nicht sind, wäre es an der Zeit, darüber zu reden, was sie sind: Eine heim-tückische, schmerzhafte Krankheit, bei der bis zu 10 Prozent der Erkrankten in Spital-behandlung müssen, bei einigen Langzeit-schäden wie Inkontinenz oder Narben blei-ben werden. Und wiederum wird ein sehr kleiner Teil vormals gesunder junger Män-ner daran sterben. Das sind die Aenpo-cken. Und indem man sie stets verharmlost (weniger tödlich als HIV und weniger anste-ckend als Covid) spielt man dem Erreger wunderbar in die Hände. Im Tages-Anzeiger riet eine «Wissen-schafts-Redaktorin» tatsächlich zur Mono-gamie. Natürlich auf unbestimmte Zeit, denn die Schweiz werde innert nützlicher Frist keinen Impfsto besorgen und einset-zen können, meint die Autorin. Was bleibt sind Wut und Enttäu-schungKlar, Enthaltsamkeit hat schon zu Aids-Zei-ten wunderbar funktioniert. Dass ein gros-ser Teil von uns gar keine Monogamie prak-tizieren kann, weil ihnen schlichtweg der Partner dazu fehlt, fällt der Dame natürlich nicht ein. Und angesichts eines Gesund-heitsministers, der auch mal gern in fremde Betten hüpft, taugt das kaum als Ratschlag aus Bern.Dieser Text wird erst in rund zwei Wo-chen gedruckt vorliegen. Ich habe keinerlei Honung, dass wir bis dahin auch nur ei-nen Schritt weiter sind. Es bleiben Wut und Frustration über eine Regierung, die es als einzige weit und breit nicht schat, den Ernst der Lage zu erkennen und angemes-sen zu reagieren. Viel lieber wartet sie ab, bis noch etliche gesunde junge Männer er-kranken. Vielleicht hilft ja ein Aenpocken-Toter, damit in Bern endlich jemand auf die Tischplatte haut. Freiwillige bitte vor. Bei Redaktionsschluss war unklar, ob und wann eine Impfung angeboten wird. Informiere dich tagesaktuell unter www.drgay.chDass sich Monkeypox derart ungehindert verbreiten konnten, ist schon ein starkes Stück – bedenkt man, dass ein offenbar recht gut wirksamer Impfstoff auf dem Markt ist.

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14CRUISER SEPTEMBER 2022KULTURBUCHTIPPBUCHTIPPSebas Martin: Hilfe, mein Lover ist ein Hipster. Insektenhaus-Verlag 2021.Preis € 13.95 ISBN 978-3-948800-35-2VON BIRGIT KAWOHLBevor der Herbst mit den «schweren» literarischen Neuerscheinungen ins Land geht, hier noch ein fast som-merlicher Buchtipp, der die Sonne mit in den September zieht, denn zum einen han-delt es sich um eine Graphic Novel – also um ein Mittelding zwischen Roman und Comic bzw. einem Comic mit literarischem An-spruch–, zum anderen spielt das Ganze in Spanien, wo bekanntlich immer die Sonne scheint.Der Autor und Zeichner Sebas Martin (*1961) ist in der Schweiz (leider) noch nicht so bekannt, hat aber in seinem Heimatland in der queeren Community quasi Kult-Sta-tus. Und das nicht nur aufgrund seiner her-vorragenden Comics, sondern auch wegen seines Engagements für Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Queers, u.a. war er Mitglied einer Kampagne gegen Schwu-lenfeindlichkeit innerhalb spanischer Straf-verfolgungsbehörden. Der Insektenhaus-Verlag, der sich zum Ziel gesetzt hat, Sebas im deutschsprachigen Raum bekannt zu machen, vergleicht ihn gar mit Ralf König. Soviel steht auf jeden Fall fest: Ralf Kö-nig gefallen die Zeichnungen von Sebas mit ziemlicher Sicherheit, verfügen die darge-stellten (häug nackten) Männer doch über sehr ausgeprägte Brustwarzen, etwas, was König ja z. B. bei Lucky Luke furchtbar fehlte und was er in seiner Kindheit schon mit dem Bleistift korrigierte. Also eben nackte Männer: Die nden wir in der Geschichte um den 45-jährigen Peluche reichlich. Peluche ist auf der Suche nach der wahren Liebe (wer ist das nicht?), hat dabei aber tragischerweise mit seinem Alter zu kämpfen, denn die Hipster-Umge-bung, in der er sich tummelt, übersieht ihn immer wieder und der Spruch, dass die in-neren die wahren Werte sind, kann man hier auch völlig vergessen. So arbeitet sich der liebenswerte Protagonist, den man nur schütteln möchte, weil er immer wieder gutmütig auf sämtliche Egoisten der Szene hereinfällt, durch einige Kneipen, Betten und Enttäuschungen und liefert damit ein realistisches Abbild des alternden Mannes in der von der Jugend dominierten Welt. Das klingt nur vielleicht erst einmal etwas de-primierend, ist es aber überhaupt nicht, denn Sebas Martin ist ein so aufmerksamer Beobachter und Chronist, dass man immer wieder laut auachen muss, wenn man sich selbst und einen guten Freund in mancher Zeichnung wiedererkennt. Z. B. wenn mal wieder hemmungslos und alles andere als unauällig geglotzt wird, weil einem ein Typ gut gefällt. Oder auch wenn alles, aber auch wirklich alles getan wird, um an Sex zu kommen. Dabei wird aber auch deutlich, dass wir alle oftmals viel zu oberächlich sind und Aussehen und Alter viel zu sehr in den Vordergrund stellen, statt mit uns und auch mit anderen tolerant und ehrlich um-zugehen.Sebas Martin und seine Graphic No-vels sind (noch) ein echter Geheimtipp, die sich aber ihren Platz in jedem Buchregal verdient haben. So arbeitet sich der liebens-werte Protagonist durch einige Kneipen, Betten und Enttäu-schungen und liefert damit ein realistisches Abbild des altern-den Mannes in der von der Jugend dominierten Welt. Peluche ist ein Mann in den besten Jahren. Und das ist in der Welt der spanischen Hipster-Schwulen weiss Gott kein einfaches Los.Von «Bären» und anderen Männern

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15CRUISER SEPTEMBER 2022Jetzt mit Twint/eBanking spenden!QR-Code mit der TWINT oder E-Banking App scannenBetrag und Spende bestätigenQUEERAMNESTYHAT GEBURTSTAG:25 JAHRE!GLEICHE RECHTE UND SELBSTBESTIMMUNGBEKÄMPFUNG VON HASSVERBRECHENLGBT-REFUGEES HILFEUnterstütze unsere Arbeit!www.queeramnesty.chinfo@queeramnesty.chJetzt mit Twint/eBanking spenden!QR-Code mit der TWINT oder E-Banking App scannenBetrag und Spende bestätigenQUEERAMNESTYHAT GEBURTSTAG:25 JAHRE!GLEICHE RECHTE UND SELBSTBESTIMMUNGBEKÄMPFUNG VON HASSVERBRECHENLGBT-REFUGEES HILFEUnterstütze unsere Arbeit!www.queeramnesty.chinfo@queeramnesty.chJetzt mit Twint/eBanking spenden!QR-Code mit der TWINT oder E-Banking App scannenBetrag und Spende bestätigenQUEERAMNESTYHAT GEBURTSTAG:25 JAHRE!GLEICHE RECHTE UND SELBSTBESTIMMUNGBEKÄMPFUNG VON HASSVERBRECHENLGBT-REFUGEES HILFEUnterstütze unsere Arbeit!www.queeramnesty.chinfo@queeramnesty.chANZEIGE

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16CRUISER SEPTEMBER 2022WISSENSCHAFTKRANKHEITEN UND IHRE NAMENAffenpocken: Neuer Name gesuchtVON CHRISTIANE OELRICH, DPA & HAYMO EMPLVirus aus Wuhan, Schweinegrippe, Aenpocken: Was solche Namen für Viren oder Krankheiten auslösen können, ist bekannt. Als sich das neuartige Coronavirus von Wuhan aus Anfang 2020 in der Welt ausbreitete, wurden vielerorts Menschen ausgegrenzt, die für Chinesen gehalten wurden. Wegen der Schweinegrip-pe 2009 wurden in vielen Ländern Millio-nen Schweine geschlachtet und wegen der Aenpocken sind jetzt in Brasilien die ers-ten Aen mit Steinen und Gift attackiert worden – alles irrationale Reaktionen in der irrigen Annahme, man könne sich dadurch vor einer neuen Gefahr schützen.Die WHO macht seit Wochen Druck, dass der Name Aenpocken geändert wird. Aber sind so einprägsame Bezeichnungen nicht besser als Buchstaben- und Zahlen-kombinationen wie H1N1 für Schweine-grippe oder Sars-CoV-2 für das Coronavirus? «Was einfach ist, ist ja nicht notwendiger-weise geboten», sagt Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel der Deut-schen Presse-Agentur.Geografische Bezeichnungen für Krankheiten sind oft irreführendEr unterzeichnete im Juni einen Aufruf, neu-trale Namen für Aenpocken-Untergruppen zu nden und nicht von West afrika- oder Kongobecken-Gruppen zu reden. Damit werde der falsche Eindruck erweckt, die jüngsten Ausbrüche, die überwiegend in Eu-ropa, den USA und Brasilien auftreten, hät-ten etwas mit Afrika zu tun, heisst es darin. Das sei diskriminierend und stigmati-sierend. Die mehr als zwei Dutzend Viro-log*innen kritisierten, dass dazu auch noch oft mit Fotos afrikanischer Patienten gear-beitet werden würde. Am Freitag fruchtete ihr Aufruf: Die Untergruppen werden nun mit römischen Zahlen I und II benannt, wie die WHO am Abend berichtete.«Das Problem mit den geograschen Bezeichnungen ist zum einen, dass sie oft nicht stimmen, zum anderen, dass sie oft dazu führen, dass die Orte, nach denen die Erreger benannt werden, Nachteile erfah-ren», sagt Neher. Zum Beispiel, dass Reisen in die Regionen vermieden werden. Zudem würden Länder, die Krankheiten gut über-wachen und etwa neue Virenvarianten ent-decken und beschreiben, bestraft, wenn die neue Variante dann nach diesem Land benannt werde. Die legendäre Spanische Grippe aus dem Jahr 1918 etwa wurde zwar von Spanien als Erstes gemeldet, die ersten Fälle traten aber schon früher in den USA auf, wie die US-Gesellschaft für Mikrobiolo-gie (ASM) berichtet.Dass sich Begrie wie Schweinegrippe oder Wuhan-Virus schnell durchsetzten, sei menschlich, schrieb Susan Hardy, Dozentin für Sozialwissenschaften auf der Webseite der Universität von Sydney. «Angst braucht einen Namen, und etwas zu benennen, sug-geriert, dass etwas getan wird.» Es gehe auch um die Suche nach Sündenböcken.Affenpocken wurden erstmals in Dänemark an Affen nachgewiesenBei der neuen Inuenza-Virusvariante 2009 waren es die Schweine, obwohl das Virus auch Menschen inziert und von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Beim Seit sich Affenpocken in der Welt ausbreiten, warnen Experten wegen des Namens. Krankheitsnamen sollen nichts und niemanden stigmatisieren. Immer wieder geben Tiere (neuen) Krankheiten ihren Namen. Für die betroffenen Arten sind die Folgen oftmals fatal.

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17CRUISER SEPTEMBER 2022WISSENSCHAFTKRANKHEITEN UND IHRE NAMENAffenpocken: Neuer Name gesuchtCoronavirus sprach nicht nur der damalige US-Päsident Donald Trump vom «Wuhan-» oder «China Virus», um Peking Schuld an der Ausbreitung zuzuschieben. Er verlangte explizit, China müsse zur Rechenschaft ge-zogen werden.Seit 2015 hat die Weltgesundheitsorga-nisation (WHO) Richtlinien, um zu verhin-dern, dass Krankheitsnamen negative Fol-gen für Handel, Reisen, Tourismus oder Tierwohl haben oder kulturelle, soziale, re-gionale oder ethnische Gruppen womöglich an den Pranger stellen.Das Aenpockenvirus heisst so, weil es in den 1950er-Jahren in Dänemark erst-mals in Aen nachgewiesen wurde. Es hätte auch dänisches Virus heissen können, wie das Marburg-Virus, das so heisst, weil es in den 1960er-Jahren in der deutschen Stadt identiziert wurde. Bei den Aenpocken ist heute klar, dass sich zwar Aen – wie Men-schen – inzieren können. Natürliche Wirte sind aber Nagetiere. Bei der jüngsten Aus-breitung wird das Virus durch engen Kör-perkontakt zwischen Menschen übertragen und hat mit Aen nichts zu tun.Stigmatisierung und Diskriminierung sollte eigentlich vermieden werdenFür die Virus-Bezeichnung ist ein Gremi-um aus Hunderten Virologen (ICTV) zu-ständig. Diese haben auch das Coronavirus Sars-CoV-2 benannt. Krankheitsnamen be-schliesst die WHO. Sie nannte etwa die durch Sars-CoV-2 ausgelöste Krankheit Covid-19. Womöglich kann es den ein oder anderen Aen schützen, wenn der Name geändert wird. Doch auch bei Gelbeber-Ausbrüchen wurden in Brasilien Aen an-gegrien.Die Stigmatisierung und Diskriminie-rung der von einer Krankheit Betroenen ist noch eine ganz andere Sache. Die in den 80er-Jahren zuerst bei schwulen Männern in den USA festgestellte Immunschwäche wurde zunächst Grid genannt – für gay- related immune deciency – etwa: mit Schwulen in Verbindung stehende Immun-schwäche. Obwohl seit Langem bekannt ist, dass sich die Krankheit keineswegs auf schwule Männer beschränkt, hat die Ände-rung des Namens in Aids – acquired immu-ne deciency syndrome, etwa: erworbenes Immunschwächesyndrom – zunächst kaum etwas bewirkt. Noch über viele Jahre sind Menschen von Schwulen aus Angst vor ei-ner Ansteckung abgerückt. Bei Redaktionsschluss war unklar, ob und wann eine Impfung angeboten wird. Informiere dich tagesaktuell unter www.drgay.chANZEIGEwww.bodyesthetic.ch16 Jahre Erfahrung in Zürich, jetzt neu auch in LuzernBody EstheticBEZH 044 381 20 20 / LU 044 381 20 18 Bodyesthetic.ch+41 76 403 26 39 @bodyesthetic.chAlle Behandlungen unter ärztlicher LeitungNatürliche Hautstraffungmit Radio Frequenzz.B. Augen 89.–Kryolipolyse – Fett weg mit KälteInklusive Lymphdrainage1 Zone 199.–FaltenbehandlungBotulinumtoxin ab 180.– pro Zone Hyaluronsäure Filler z.B. Lippen 400.–Dauerhafte Haarentfernung SHRz.B. Bikini 69.– bis 99.–Achseln 69.–Das Affenpockenvirus heisst so, weil es in den 1950er-Jahren in Dänemark erstmals in Affen nachgewiesen wurde. Heute ist klar, dass sich zwar Affen – wie Menschen – infizieren können. Natürliche Wirte sind aber Nage-tiere.

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18CRUISER SEPTEMBER 2022POLITIKNEOFASCHISMUS IN ITALIENAngst vor Rückkehr des Faschismus in ItalienVON MANUEL SCHWARZItalien steht vor einem Rechtsruck. 100 Jah- re nach der Machtergreifung der Fa-schisten unter Benito Mussolini haben die rechtsextremen Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) um Parteichen Giorgia Meloni im Herbst beste Chancen auf die Regierungs-übernahme. Am Wochenende präsentierten sie ihr Wahlkampf-Logo. «Ein Symbol, auf das wir stolz sind», sagte Meloni. In dem Emblem lodert eine Flamme in den Farben grün-weiss-rot – es ist seit Jahrzehnten das Kennzeichen der Postfaschisten in Italien. Meloni war gebeten worden, auf das Feuer zu verzichten, auch Holocaust-Überlebende appellierten an sie. Sie änderte es nicht.Nicht nur das Wappen, sondern auch Aussagen und Ansichten Melonis zeigen, in welche Richtung es in Rom nach dieser Wahl am 25. September gehen könnte.Ho-mophob, migrantenfeindlich und europa-skeptisch trat Meloni immer wieder auf. Derzeit schlägt sie zwar etwas moderatere Töne an – Kritiker sehen darin aber nur eine Ablenkung.In einem Italien, das das Jahrhundert-verbrechen des Faschismus nie richtig auf-gearbeitet hat, und wo viele heute oen ihre Bewunderung für den «Duce» Mussolini äussern, sind Melonis Ansichten populär. Laut Umfragen stehen die Fratelli d'Italia (FdI) bei bis zu 25 Prozent.Eine Aufarbeitung des Faschismus gab es in Italien nieMeloni bezeichnet sich nicht als Faschistin, die 45-Jährige will über das ema am liebsten gar nicht reden. Es ist aber brisant, gerade jetzt durch die Enthüllung des FdI-Wahlabzeichens. Die Flamme als Symbol der Rechten gibt es seit 1946. Viele erinnert sie an das Grab Mussolinis, auf dem eine Lampe als ewiges Licht brennt.Vor der Ruhestätte des «Duce» in des-sen Geburtsort Predappio stehen bis heute Verehrer, Nostalgiker und Interessierte Schlange. Auf dem steinernen Sarg in der Familienkrypta liegen frische Blumen, man kann in ein Gästebuch schreiben, in einer Box werden Spenden gesammelt.«Die Sorge, dass nun Faschisten an die Macht kommen, ist real», sagt Gianfranco Miro Gori. Er ist Vertreter der Partisanen-vereinigung ANPI in Forlì in der Nähe von Predappio in der Region Emilia Romagna. «In Italien gibt es diese Nostalgie des Fa-schismus, weil wir anders als die Deut-schen jene Epoche nie richtig aufgearbeitet haben», erklärt der Aktivist der Deutschen Presse-Agentur. «Bei uns musste nie je-mand sagen: Ich war Faschist, ich lag falsch, ich trage eine Mitschuld.»Ein Pendant zu den Nürnberger Pro-zessen gab es nicht, im Gegenteil: Um schnell vom Kriegs- in einen Friedensalltag überzu-gehen, wurden die alten Faschisten fast alle in die neue Verwaltung übernommen.Übrigens, erinnert Gori, seien auch Melonis Verbündete Matteo Salvini und Sil-vio Berlusconi mitverantwortlich für die fortschreitenden Etablierung des (Post-)Fa-schismus. Ex-Ministerpräsident Berlusconi von der Partei Forza Italia behauptete ein-mal, dass Mussolini kein Diktator gewesen sei und auch Gutes geleistet habe. Lega-Chef Salvini sagte noch im Herbst 2021, dass es gar keine Faschisten mehr gebe.Ob man Meloni die moderaten Töne glauben kann, ist zweifelhaftRechtspopulistin Meloni bemüht sich um moderatere Töne, seit nach dem Sturz der Regierung von Mario Draghi klar ist, dass am 25. September in Italien gewählt wird. Europa und die Welt müssten sich um Ita-lien keine Sorgen machen, sagte sie vorige Woche in dem Videoclip.«Ich glaube ihr kein Wort», schimpfte Auschwitz-Überlebende Edith Bruck in ei-nem Interview der Zeitung «La Repubbli-ca». Melonis Beteuerungen seien nur «Fas-sade, um Ministerpräsidentin zu werden». Liliana Segre war ebenfalls im KZ Ausch-witz und sitzt heute in Rom als Senatorin auf Lebenszeit im Parlament. Die 91-Jäh-rige appellierte vorige Woche an Meloni, die faschistische Flamme aus dem Fratelli-Emblem zu streichen, um zumindest ein Zeichen zu setzen.1922 übernahm Mussolini die Macht in Italien. 2022 hat eine Postfaschistin beste Chancen, Ministerpräsidentin zu werden. Wie denkt diese Giorgia Meloni?Giorgia Meloni reiht sich wunderbar ein in die Reihe (junger) rechter Populist*innen, die in ganz Europa zu finden sind.

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19RUBRIKENTITELRUBRIKENUNTERTITELDas Grab von Mussolini ist auch nach mehr als einem Dreivierteljahrhundert nach seinem Tod noch immer ein beliebter Pilgerort der Rechten.Meloni distanzierte sich in einem Vi-deoclip von der Unterdrückung der Demo-kratie und den antijüdischen Gesetzen zu Beginn des 20. Jahrhunderts – den Faschis-mus insgesamt verurteilte sie aber nicht.Mitte Juni war Meloni bei einer Veran-staltung der rechtsextremen spanischen Partei Vox aufgetreten und hatte unter dem Jubel der Zuhörer gebrüllt, was sie alles ab-lehne, von Einwanderern über LGBT*-Gruppen und Gender-Ideologien bis hin zu Brüsseler Bürokraten.Der Ton der Rede und Melonis ideo-logische Verankerung lassen viele erschau-dern. Die Politikwissenschaftlerin Soa Ventura stellt fest, «dass FdI eine ‹emotiona-le› Verbindung mit der faschistischen oder postfaschistischen Historie hält». Den Ras-sisten und Antisemiten Giorgio Almirante, der 1946 erstmals die Flamme als neofa-schistisches Symbol benutzt hatte, nannte Meloni einmal «einen der aussergewöhn-lichsten Männer» der italienischen Nach-kriegshistorie. «Er war Anführer von Gene-rationen, der wichtigste politische Vater.»Am Grab Mussolinis herrscht immer noch grosser AndrangIm früheren Wohnhaus Mussolinis in Forlì sitzt Domenico Morosini, er hat das Gebäu-de um die Jahrtausendwende der Familie des Duce abgekauft und in eine Art privates Museum umgewandelt. Die Räume sind voll von Fotos, Büsten und Kleidungsstü-cken Mussolinis und seiner Familie. «Ich bin kein Faschist, sondern Mussolinist», sagt der 82-Jährige. Zur Begrüssung streckt er kurz den Arm nach oben.Im Garten hat Morosini einen kleinen Shop aufgebaut. Zu kaufen gibt es Ansteck-pins mit Bildern Mussolinis oder anderen Motiven, etwa dem Emblem der Waen-SS. In Predappio sind ganze Läden voll mit De-votionalien des Faschismus und National-sozialismus, von T-Shirts über Büsten, Ge-schirr bis hin zu Babyartikeln. An der Wand hängt eine Hakenkreuz-Fahne, auf einem Regal stehen Statuen von Mussolini und Hitler. Faschistische Symbole oder Gesten sind in Italien erlaubt.Was die Rechten bei einem Wahlsieg aus Italien machen, das wird sich zeigen. Eine Ministerpräsidentin Giorgia Meloni macht jedenfalls vielen Angst. In einem Italien, das das Jahr-hundertverbrechen des Faschis-mus nie richtig aufgearbeitet hat, und wo viele heute offen ihre Bewunderung für den «Duce» Mussolini äussern, sind Melonis Ansichten populär. ANZEIGE

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20CRUISER SEPTEMBER 2022szene & kulturDanya Care GmbH, Badenerstrasse 621, 8048 Zürich, Telefon: +41 (0)44 401 04 07, Mobil: +41 (0)76 393 48 48 Wir vermitteln und beraten Fachleute. Wir unterstützen Sie, damit Ihnen die richtige Wahl leichter fällt. Wir paaren in unserer Tätigkeit Erfahrung, Wissen, Methodik und soziale Kompetenz. Wir setzen uns für Ihre Interessen ein und streben langfristige Partnerschaften an. Wir garantieren absolute Diskretion. Kurzum: Wir sind die geeignete Stellen- vermittlung für Ihren Wunschjob.Für unsere Kunden in der Langzeitpege (mehrere Häuser in der Stadt und im Kanton Zürich) sind wir auf der Suche nach motivierten und qualizierten Fach-kräften. 80 % – 100 % Dipl. Pegefachperson HF/AKP/DNII Fachpersonen Gesundheit (FaGe)Ihre Hauptaufgaben sind: Professionelle Pege und Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner. Interdisziplinäre Zusammenarbeit mit sämtlichen in der Betreuung und Pege eingebundenen Stellen.Sie verfügen über: Eine abgeschlossene Diplomausbildung HF, DNII, AKP, FaGe Belastbarkeit, Flexibilität, Teamfähigkeit Berufserfahrung in der Geriatrie- und Lang-zeitpege PC-Anwenderkenntnisse Wir bieten: Zuverlässige(r) und attraktive(r) Arbeitgeber Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten 5 Wochen FerienFühlen Sie sich angesprochen? Dann freuen wir uns auf Ihre Bewerbung!Ihre vollständige Bewerbung mailen Sie bitte an: info@danyacare.chDie Vermittlungs- spezialisten für Pegefachpersonal Danya CareDanya CareANZEIGE

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Bild © Dieter KubliCRUISER SZENE: AM PULS DER LGBT*-COMMUNITY. AKTUELL, INFORMATIV UND MITTENDRIN.szene & kultur

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22CRUISER SEPTEMBER 2022KULTURSIMON FROEHLINGBipolare affektive Störung – das klingt bedrohlich. Simon Froehling setzt seinen Protagonisten dieser Krankheit aus und erläutert uns im Gespräch seine Motivation.Der Autor im Spiegel: ein Sinnbild für Simon Froehling und die Handlung seines Romans.Bild © Dieter KubliEin Mann zwischen Kunst und Krankheit

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23CRUISER SEPTEMBER 2022KULTURSIMON FROEHLINGVON BIRGIT KAWOHL Beim ersten Lesen des Titel traut man seinen Augen zunächst nicht ganz: «Dürrst»? Müsste es nicht «Durst» heissen? Oder «Dürr»? Die Titelgebung wird recht bald im Roman aufgelöst: Dürrst ist der Spitzname des schwulen Protagonisten Andreas Dürrer, dessen Leben und vor al-lem dessen Schaen als Künstler massgeb-lich von einer Krankheit, einer bipolaren aektiven Störung, beherrscht wird. Was diese Krankheit bedeutet, lernen die Leser*innen sehr schnell und eindringlich. Es heisst, hin- und hergeworfen zu sein zwi-schen manischen und depressiven Phasen, auf Unverständnis in der Familie und im Freundeskreis zu stossen und das eigene Leben kaum steuern zu können. Die Krank-heit, die immer als Hintergrund vorhanden ist, gibt dem Roman eine durchweg ernste Stimmung. Dies ist also sicherlich keine Lektüre für laue Sommerabende, sondern eher für trübe Herbsttage. Gut also, dass es mit dem Sommer nun auch vorbei ist.Dieser Dürrst also nimmt uns mit in sein Leben, das als Sohn einer reichen Zür-cher Familie beginnt, mit der er sich aber bald überwirft, um in einem besetzten Haus im Kreis 5 eine Bleibe, aber noch lange nicht die ersehnte Liebe zu nden. Das, was als Kind, als Jugendlicher und als junger Er-wachsener geschah, erfahren wir in schein-bar wild durcheinandergehenden Rück-blenden. Und nicht nur deswegen sollte man beim Lesen möglichst nicht abgelenkt sein. Denn die elaborierte Sprache Froeh-lings, die gerne von Schachtelsätzen Ge-brauch macht, erfordert einiges an Auf-merksamkeit, so als ob der Autor uns sagen wollte: Konzentriert euch gefälligst, dies ist ein wichtiges ema. Ob das ema von den Leser*innen als ebenso wichtig angesehen wird bzw. ob Kunst und Krankheit für einen ganzen Roman genügen, muss ein*e jede*r selbst entscheiden, auf jeden Fall ndet man hier einen stilistisch einwandfreien Roman, der einen ziemlich schonungslosen Blick auf die queere Community bietet.Birgit Kawohl: «Dürrst» ist dein zweiter Roman nach «Lange Nächte Tag» aus dem Jahr 2010. Wie kam es nach dieser relativ langen Pause zum Schreiben des Romans?Simon Froehling: Nachdem ich in Anfang zwanzig fälschlicherweise als depressiv dia-gnostiziert wurde, erhielt rund zehn Jahre später und kurz nach der Veröentlichung von «Lange Nächte Tag» die Diagnose «bi-polare aektive Störung». Darauf folgte eine längere medikamentöse Odyssee mit er-heblichen Nebenwirkungen. Mit den Jahren fand ich mich damit ab, dass ich wohl nie mehr etwas veröentlichen würde. Aber wie so oft, wenn man etwas loslässt, kommt es plötzlich zurück. Anfänglich schrieb ich nur für mich, mehr Notizen und Skizzen als ausformulierte Texte. 2017 war ich zwei Monate in Amerika e. Dort entstanden erste Fragmente zu «Dürrst». Aber der Knoten ging erst wirklich im Oktober 2019 auf, als ich realisierte, dass mein psychisch kranker Protagonist nur funktionieren würde, wenn ich ihn zur Handlung befähigen, zur akti-ven anstatt zur passiven Figur umschreiben würde. Das geschah passenderweise im griechischen Del, als mir bei einem Abendessen der Anfang des Buchs ein- oder zuel: «Du bist gesund genug, dich zu ver-lieben...». Du hast dir zu Beginn vor allem einen Namen als Dramatiker gemacht, schreibst aber auch Lyrik und epische Texte. Welche Gattung ist dir die liebste? Gibt es Sujets, die besser für die eine oder die andere literarische Gattung passen?Ich gebe zu, dass ich den Roman schon als Königsdisziplin sehe. Aber ich bin auch überzeugt, dass jeder Text die richtige Form ndet, wenn man nur gut genug hinschaut beziehungsweise hinhört. In «Lange Nächte Tag», deinem ersten Roman, war HIV das grosse Thema, jetzt ist es eine bipolare Affektstörung. Was macht Krankhei-ten zum Thema für Literatur?«Happy people have no stories», sagt man. Will heissen: Jede Geschichte braucht ei-nen Konikt, ein Hindernis, damit die Fi-guren überhaupt ins Handeln kommen. Und mich interessieren innere Zerwürfnis-se, möglicherweise, weil ich selbst mit eini-gen Dämonen zu kämpfen habe. Wobei das grössere ema wohl die Vergänglichkeit ist. Schon seit jeher arbeitet sich der Mensch daran ab. Parallel dazu fasziniert mich schon seit Längerem die Tatsache, dass viele Leute, inklusive ich, eine mehr oder weniger stark ausgeprägte selbstzerstöreri-sche Ader haben. Ich frage mich, woher diese rührt, insbesondere was unsere Com-munity angeht. Ich komme dann relativ schnell auf das ema Scham und das leis-tungsgesellschaftliche Tabu rund ums Scheitern. Queere Menschen leiden gemäss diversen Studien überdurchschnittlich an psychischen Erkrankungen und sind stär-ker suizidgefährdet als Cis-Heteros. Ich bin sicher, dass die Scham, die viele von uns seit Kindestagen kennen, hier eine grosse Rolle spielt. Und möglicherweise auch der Druck, den wir uns selbst machen, nicht nur gleich gut zu sein wie die cis-heterose-xuelle Mehrheit, sondern besser. Auf der Meta-Ebene ist «Dürrst» für mich ein Ro-man über die kreative Kraft des Scheiterns, über die Macht des Erzählens und das Phä-nomen der Erinnerung.Wie nah bist du deinem Protagonisten?Ich ernde am besten, was ich gut kenne. Und trotzdem bezeichne ich «Dürrst» nicht als einen autobiograschen Roman. Ich musste schreibenderweise eine sehr grosse Distanz herstellen zu meiner eigenen Ge-schichte, um mich überhaupt der Bipolari-tät widmen zu können. ➔Simon FroehlingROMANDürrstDürrstDas ansprechend gestaltete Cover des Romans lädt zum Lesen ein.«Am Rande geht es mir auch um die Frage, wer es sich in Zürich und in der Schweiz überhaupt leisten kann, künstlerisch tätig zu sein.» Simon Froehling

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24CRUISER SEPTEMBER 2022 «Dürrst» enthält Reminiszenzen an James Baldwin – «Giovannis Zimmer» wird immer wieder namentlich genannt und spielt als Kunstobjekt eine Rolle – und Fritz Zorns «Mars» aus dem Jahr 1977. Hieraus zitiere ich einmal: «Ich bin jung und reich und gebildet; und ich bin unglücklich, neurotisch und allein.» Ist das für dich die perfekte Beschrei-bung deines Protagonisten Andreas Durrer, genannt Dürrst?Ich las «Mars» vor vielleicht zwanzig Jahren zum ersten Mal. Als mein Verlag in der Pro-grammvorschau dann den Vergleich zog, nahm ich es wieder hervor. Und ja, ich war ganz ba als ich diesen Satz las, denn er trit wirklich sehr gut auch auf Dürrst zu. Ich habe meine Hauptgur bewusst in ei-nem reichen, bürgerlichen Umfeld auf-wachsen, weil es mir am Rande auch um die Frage geht, wer es sich in Zürich und in der Schweiz überhaupt leisten kann, künstle-risch tätig zu sein, und um die Tatsache, dass schlussendlich das Kunstschaen wie alles andere immer auch monetär, sprich: nach kapitalistischen Gesichtspunkten, be-wertet wird.Interessant sprichst du den Aspekt des Verkaufs, des Monitären an: Der Bilgerverlag steht für anspruchsvolle Literatur, die nicht so sehr dem Mainstream gefallen will. Was ist für dich persönlich wichtiger: Ein breites Publikum erreichen oder ein wichtiges (Nischen-)Thema behandeln? Oder lässt sich das möglicherweise kombinieren?Ich denke, jede Form von Kunst strebt nach einem Gegenüber. Aber gefallen zu wollen, ist ein schlechter Motor, bin ich überzeugt. Ich schreibe weder, um möglichst aktuelle oder brisante emen an eine Öentlichkeit zu bringen, noch um meine eigene Biograe zu verarbeiten. Viel eher erlaubt mir das Schreiben, Fragen zu ergründen, denen ich nur in der Fantasie nachzugehen wage. Bei meinem ersten Buch war es die Frage, wo-her das Verlangen kommt, sich dem eigenen Verderben hinzugeben – in Form einer An-steckung mit HIV –, während es sich bei meinem aktuellen Werk sozusagen um die Umkehrung handelt: Was wäre, wenn ein Protagonist sich weigerte, seine psychische Krankheit anzuerkennen und sich stattdes-sen gegen sie sträubte?Letztendlich ging es mir bei «Dürrst» aber vor allem darum, mir selbst zu bewei-sen, dass ich nochmals einen Roman schrei-ben kann.Gibt es neben den oben genannten – auf Neudeutsch gesagt – Influencern weitere Vorbilder? Beim Lesen der unendlichen Hypo-taxen fühlt man sich schnell an Heinrich von Kleist und Thomas Mann erinnert. Haben diese eine Bedeutung für dich?Ich selbst würde die Hypotaxen natürlich nicht als «unendlich» bezeichnen, sondern als gekonnt eingesetztes Stilmittel an den genau richtigen Stellen. Nein, im Ernst: Ich bin in einem englischsprachigen Haushalt aufgewachsen und habe mein Abitur mit 18 in Australien gemacht. Der deutschsprachi-ge ist mir deshalb nicht sehr geläug. Aber den grossen amerikanischen Nachkriegs-autor*innen, denen ich in «Dürrst» auch ein wenig Hommage erweise, denen bin ich tat-sächlich verfallen. Du hast dich ja sehr bewusst für das Schrei-ben in der 2. Person Singular entschieden. Für alle, die sich das nicht vorstellen können, hier ein Beispielsatz aus dem Anfang des Romans: «Glücklich und sonnenmüde kehrst du nach deinem Ausflug nach Athen zurück.» Wie kam es zu dieser Entscheidung? Was ist die Idee dahinter?Obwohl der Roman in der 2. Person gehal-ten ist, handelt es sich eigentlich um einen Ich-Erzähler. Daran gefällt mir, dass ich trotz dieser distanzierenden Setzung ge-nauso nahe an die Figur herankomme wie mit der 1. Person. In «Dürrst» geht es auch um die Phänomene des Erinnerns und Er-zählens selbst. Im Grunde ist es ein Selbst-ndungsroman, auch wenn ich den Begri nicht sonderlich mag.Der Roman wechselt immer wieder zwischen verschiedenen Zeitebenen mit einer Zeit-spanne von mehr als zwanzig Jahren. Warum hast du dich gegen eine chronologische Erzählweise entschieden?Die Ebene der Gegenwart wird mehr oder weniger chronologisch erzählt, nur die Ver-gangenheit nicht, denn unsere Erinnerung funktioniert ja nicht linear. Und dann gibt es einen Punkt, wo die beiden Zeiten sozu-sagen in sich zusammenfallen. Man muss sich darauf einlassen, nicht mehr genau zu wissen, wo man sich bendet. Viele bipolare Menschen erleben ihre manischen Phasen als sehr beschleunigt, während sich in den depressiven Phasen die Minuten zu Tagen dehnen mit dauernden Wiederholungen und ohne die Honung auf ein Entkommen in die Zukunft.Der in New York lebende Schweizer Architekt hat das Design-Prinzip «form fol-lows function» umformuliert oder präzi-siert zu «form performs function», und ich nde, das ist auch ein toller Leitsatz fürs Schreiben. Die vorher angesprochenen Hy-potaxen, die abgebrochenen oder besser: verdrängten Gedanken, die Wiederholun-gen –all das sind nicht nur Stilmittel, son-dern Funktionen, die den Lesenden erlau-ben sollen, eine Ahnung von den Empndungen meines Protagonisten zu bekommen, ja mitzufühlen.Vielen Dank für dieses ausführliche und erhellende Gespräch und natürlich viel Erfolg für «Dürrst»! «Schon seit Längerem fasziniert mich die Tatsache, dass viele Leute, inklusive ich, eine mehr oder weniger stark ausgeprägte selbstzerstörerische Ader haben.» Simon FroehlingSimon Froehling ist ein Mann, der viel kann und dessen Ideen nahezu unerschöpflich scheinen.Bild © Dieter KubliKULTURSIMON FROEHLING

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25Mach mit bei Europas grösstem LGBTIQ-Sportevent in Bern26 – 29 Juli 2023 • Jetzt anmelden: www.eurogames2023.chFlag Football Floorball Football Golf HandballHyrox ChallengePride Run 5K & 10KBadminton Basketball Bowling Chess Dance sportDodgeball(Trampoline)Field HockeyTennis Timed Hiking Track & Field Volleyball Water Polo WrestlingQuidditch Roller Derby Rugby Rugby Touch SquashStreet Work-outSwimmingANZEIGE

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26CRUISER SEPTEMBER 2022Er hätte den Begriff «Transgender» vielleicht für sich selbst benutzt, wenn er ihn denn gekannt hätte: Elagabal, römischer Kaiser von 218 bis 222 n. Chr. Römischer Kaiser als Strichjunge unterwegsSERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURFür die antike und die neuzeitliche Nachwelt wurde der Name Elagabal zum Symbol für Lasterhaftigkeit und Dekadenz der römischen Kaiserzeit. Seine Widersacher liess er angeblich in einem Blütenmeer ersticken. Lawrence Alma-Tadema, The Roses of Heliogabalus (1888)

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27CRUISER SEPTEMBER 2022VON ALAIN SORELEr soll sexuell nichts ausgelassen ha-ben in seinem kurzen Leben: Er schlief laut historischen Quellen zu-hauf mit Männern, war Masochist, viel-leicht auch pädophil, verkleidete sich als Prostituierte und vieles mehr. Den Circus Maximus, den grössten seiner Art im anti-ken Rom, suchte der Kaiser sehr gerne auf. Der Bau war geeignet, um Wagenrennen auszutragen, und die römischen Kaiser liebten diese Wettkämpfe. Eines Tages el Elagabal der junge Lenker eines Streitwa-gens auf: Er besass eine schneidige Figur, sein blondes Haar leuchtete in der Sonne. Des Kaisers Lust, geschlagen zu werden«Das ist Hierokles», erfuhr Kaiser Elagabal auf entsprechende Fragen. Auf dem Wagen konnte Hierokles sein Sklavendasein ver-gessen. Der Bursche stammte aus Karien, einer Region in der heutigen Türkei, die von Rom beherrscht wurde. Der Kaiser nahm ihn zu sich, und nun begann eine Bezie-hung, die jeden Rahmen sprengte, wenn man der römischen Geschichtsschreibung glauben darf. Der Herrscher krönte seine Verbindung zu Hierokles mit einer regelrechten «Heirat» und geel sich fortan in einer passiven Rolle. Es gehörte laut dem Chronisten Cassius Dio zu den Maso-Spielchen des Kaisers, von sei-nem Mann auf «Ehebruch», beim Ge-schlechtsakt mit anderen Männern, ertappt und «zur Strafe» beschimpft und geschlagen zu werden und dabei sogar ein Veilchen ver-passt zu bekommen. Elagabal trug sich an-scheinend sogar mit dem Gedanken, Hierok-les den Herrschaftstitel eines Caesars zu verleihen und ihn damit vor aller Welt als designierten Nachfolger des Kaisers zu legi-timieren. Kammerdiener mit RiesenpenisDer Kaiser galt als schwul bis ins Mark hin-ein; daran änderte auch die Tatsache nichts, dass er etwa fünf Ehen mit Frauen einging, die allerdings nur kurz dauerten. Er soll einen gewissen Aurelius Zoticus wegen ➔ Elagabal (* 204 wahrscheinlich in Rom; † 11. März 222 in Rom) war vom 16. Mai 218 bis zu seiner Ermordung römischer Kaiser. Der Name Elagabal, den der von ihm verehrte Gott trug, wurde dem Kaiser erst lange nach seinem Tod beigegeben. (Kapitolinische Museen, Rom)SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURANZEIGESchreinerstrasse 44 | 8004 Zürich | Telefon 044 291 39 90 | www.haargenau.chDeine fabelhafte LGBT*-friendly Hairstylistin freut sich auf deinen Besuch.

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28CRUISER SEPTEMBER 2022SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURdessen Riesenpenis’ zum Kammerdiener erhoben haben. Als Strichjunge verkleidet trieb sich der Kaiser in Tavernen herum. Es hiess, er habe es genossen, «nackt an der Tür seiner Palastgemächer zu stehen, wie es Huren tun, den Türvorhang zu schüt-teln, der mit goldenen Ringen übersät war, und mit sanfter, schmelzender Stimme die Vorbeigehenden anzulocken» (Cassius Dio). Kaiser Elagabal hat nach all diesen Überlieferungen auch immer wieder Klei-dung und Verhalten einer Frau imitiert, war gelegentlich als Prostituierte unter-wegs und soll die Ärzte angeeht haben, ihm eine Vagina zu ritzen.Man kann sich heute fragen, ob der Kaiser seine geschlechtliche Identität nie gefunden habe und ein zutiefst gespaltener Mensch gewesen sei. Aber jüngere histori-sche Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass bei diesen Berichten, zu denen zum Beispiel auch gehört, er habe Gäste unter Blütenlawinen erstickt, teilweise stark übertrieben wurde. Der Grund dafür: Sein Bild wurde nach seinem gewaltsamen Ende auf Münzen und Bauwerken getilgt, er wurde zur Unperson gemacht, die von Chronisten ungestraft mit Dreck beworfen werden konnte. Grossmutter holt zum Schlag ausNach der Ermordung von Kaiser Caracalla im Jahre 217 n. Chr., konnte sich der Haupt-verschwörer und Nachfolger Macrinus nur kurz an der Macht halten. Caracallas Tante, die energische, machtbewusste Julia Mae-sa, rächte sich mit einem Putsch am neuen Machthaber. Sie war reich und üppige Geld-geschenke an die römischen Legionäre ta-ten ihre Wirkung.Ihr Enkel, den sie als unehelichen Sohn Caracallas präsentierte, der vierzehnjährige Varius Avitus Bassianus, Erbe der Priester-würde des Sonnengottes Elagabal von Eme-sa, wurde am 16. Mai 218 zum neuen Kaiser des Weltreiches Rom proklamiert. Avitus hiess als Kaiser Marcus Aurelius Antonius, doch es war der Name seines Gottes, der sich auf ihn übertrug: Die Nachwelt kennt den Kaiser nur als Elagabal. Elagabal dachte nach seinem Einzug in Rom im Jahre 219 nicht im Traum daran, die Regierungsgeschäfte auf Dauer seiner Gross-mutter Julia Maesa zu überlassen, wie diese sich das vorgestellt hatte. Schnell einmal kostete er sein Kaiseramt voll aus und ver-band das atemraubende Tempo seines Se-xuallebens mit einer religiösen Mission: Er plante, den orientalischen monotheistischen Sonnenkult seiner Heimat in Rom einzufüh-ren und den römischen Hauptgott Jupiter und dessen Götterwelt durch den Gott Elaga-bal zu ersetzen und diesen zur allerhöchsten Gottheit zu erklären. Er baute seinem Gott einen Tempel, er liess sich beschneiden, trug bei den Prozessionen weite orientalische Trachten und auf Münzen war sein Kopf mit einem getrockneten Stierpenis geschmückt, der im Orient als Symbol der Fruchtbarkeit galt. Für die Römer war nicht der Sonnenkult an sich, aber die Ausformung durch Elagabal eine stete Provokation.Es war die Grossmutter, welche die Ge-fahr erkannte, in der die Familie durch die Unberechenbarkeit des Kaisers schwebte, der mehrere Putschversuche überstand. Die Gefahr nämlich, die Macht zu verlieren. Un-gerührt schritt Julia Maesa zur Tat – und wie-der half Geld. Am 11. März des Jahres 222 er-folgte der Staatsstreich, wurden Elagabal und seine Mutter Julia Soaemias im Lager der Prätorianergarde ermordet. Sein Cousin Severus Alexander bestieg den ron. Drei-zehn Jahre später verloren auch dieser Kaiser und seine Mutter Herrschaft und Leben. Quellen: Die römischen Kaiser, Chris Scarre, Econ. Die römischen Kaiser, Michael Grant, Bastei Lübbe.Der Kaiser, der im Bordell gern die Hure spielte: Orgien, Verschwendung, öffentlicher Sex. Das Urteil der Historiker schwankt zwischen Dekadenz und Komplott.Auf Münzen war der Kopf von Elagabal mit einem getrockneten Stierpenis geschmückt, der im Orient als Symbol der Fruchtbarkeit galt.HOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURMehr oder weniger versteckt findet sich das Thema Männerliebe in der Weltgeschichte, der Politik, in antiken Sagen und traditionellen Märchen – aber auch in Kunst, Wissenschaft, Technik und Computerwelt. Cruiser greift ein-zelne Beispiele heraus, würzt sie mit etwas Fantasie, stellt sie in zeitgenössische Zusam-menhänge und wünscht bei der Lektüre viel Spass – und hie und da auch neue oder zumin-dest aufgefrischte Erkenntnisse. In dieser Folge: ein römischer Kaiser und Sonnenpriester, eigensinnig und unersättlich männerverrückt.Bild Münze © numisbids.comDer Kaiser gefiel sich in der passiven Rolle.Er flehte die Ärzte an, ihm eine Vagina zu ritzen.

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30CRUISER SEPTEMBER 2022KULTURBUCHTIPPVON BIRGIT KAWOHLSunil Mann ist sicherlich der umtrie-bigste Schweizer Schriftsteller der Gegenwart. Krimis, Schullesungen, Jugendromane, Literaturfestivals, man könnte meinen, seine Tage hätten mehr als 24 Stunden oder er müsste einfach nie schlafen. Das Einzige, was er sich neben sei-ner Arbeit zu gönnen scheint – glaubt man jedenfalls den Sozialen Medien –, sind aus-giebige Essen, gestützt von diversen feinen Getränken.Aber genug des Privatlebens und hin zum neuen Mann’schen Kriminalroman, der vor Kurzem erschienen ist: «Der Kal-mar», ein weiterer Band aus der Reihe um die beiden Zürcher Privatdetektive Bashir Berisha und Marisa Greco, die – typisch Mann – in ein Wespennest in der feinen Ge-sellschaft stechen. Dieses Mal geht es um einen (nicht ganz ernst zu nehmenden) Auf-tragskiller der Maa, Veruntreuungen in beträchtlichem Ausmass und einmal mehr um Prostituierte und Menschenhandel. Man könnte meinen, dass hier die typischen Ingredienzen eines Krimis des mittlerweile weit über die Landesgrenzen hinaus be-kannten Krimi-Autors vorliegen. Dem ist tatsächlich so und ob das so gelungen ist, ist nicht ganz eindeutig zu entscheiden.Klar, der Autor «hat uns mit seinen Krimis ganz schön was zu sagen» und dies macht er wie immer mit «unbestechlichem Blick» wie Charles Linsmayer am 9. Juni auf tagblatt.ch richtig feststellt. Aber reicht das auch für einen guten Kriminalroman?Die Story kommt rasant daher, es fal-len Schüsse, es gibt Verfolgungen und mehr als eine brenzlige Situation. Trotzdem hat man, wenn man schon länger im Mann-Universum unterwegs ist, das schleichende Gefühl der Redundanz. Einige Szenen kom-men einem irgendwie bekannt vor, auch wenn sich der Schauplatz vielleicht verän-Auch im neuen Krimi des Zürchers Sunil Mann geht es einmal mehr um politische Themen. Reicht das für einen guten Krimi?Ein Auftragskiller in NötenMundartgedichte, Jugendbücher, Krimis, es gibt keine Gattung, die Sunil Mann nicht bedienen kann. Klar, dass er so gutgelaunt dreinschauen kann.Bild © Adrian Vollenweider

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31KULTURBUCHTIPPBUCHTIPPSunil Mann: Der Kalmar. Grafit Verlag 2022.Preis CHF 19.90 ISBN 978-3-89425-795-8dert hat. Und dass das Personal – unabhän-gig vom Detektiv-Duo – auch in einigen Po-sitionen das Gleiche geblieben ist, ist in Bezug auf das Gefühl der Wiederholung nicht gerade hilfreich. Der geneigten Leser*innenschaft ist – auch durch Mann schriftstellerisches Engagement – inzwi-schen klar, dass afrikanische und asiatische Frauen, und nicht nur diese, vor allem im Sexgewerbe, aber nicht nur dort, ausgenutzt und mies behandelt werden. An einigen Stellen hat man durchaus das Gefühl, dass der Autor zu viel will und andererseits aber doch im gleichen Teich wie auch schon scht.Andererseits ist der Roman gewohnt üssig geschrieben und unterhält einen gut, auch wenn das gewählte Tempus des Prä-sens nicht immer so viel Sinn zu machen scheint. Aber dies war ja mit Beginn der neuen Reihe eine bewusste Entscheidung, wie uns Mann im Interview zu «Der Schwur» damals erläuterte.So wird Sunil Mann, auch wenn «Der Kalmar» sicherlich nicht als sein bester Ro-man bezeichnet werden kann, weiterhin «die Nummer eins im Schweizer Krimibusi-ness» bleiben, wie Stefan Busz zu Recht ur-teilte, und sich seine Leser*innen schon jetzt auf seinen nächsten (Kriminal-)Roman freuen. Die Story kommt rasant daher, es fallen Schüsse, es gibt Verfolgungen und mehr als eine brenzlige Situation. Trotzdem hat man, wenn man schon länger im Mann-Universum unterwegs ist, das schleichende Gefühl der Redundanz.ANZEIGEKAMMERSPIELE SEEB DAS THEATERERLEBNIS IN BACHENBÜLACH!INFOS & TICKETSkammerspiele.ch +41 44 860 71 47Inserat_Kammerspiele_CruiserMagazin.indd 1Inserat_Kammerspiele_CruiserMagazin.indd 1 20.10.20 17:0520.10.20 17:05

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32CRUISER SEPTEMBER 2022ADVERTORIALMit Fillern in zehn Minuten zehn Jahre jüngerVor allem Männer ab 45 haben oft ein «müdes» Gesicht – obschon sie vor Lebens- freude und Elan strotzen. Höchste Zeit, das Äussere auch dem Inneren anzupassen.ner lassen sich vor allem am Gesicht behan-deln», stellt Robinson Morett, Inhaber der Zürcher Klinik Body Esthetic, fest. Body Es-thetic ist eine der führenden Praxen rund um nicht-invasiver Beauty in der Schweiz und daher stets am Puls der Zeit (und des Trends).Verschiedene Möglichkeiten der VerjüngungAber wie geht eine solche Männergesichts-verjüngung vonstatten? Beispielsweise mit-tels Radiofrequenz (RF). «Wir arbeiten mit den besten Geräten auf dem Markt, bei-spielsweise mit Accent», erklärt Inhaber Robinson Morett. Um Falten zu bekämpfen oder generell ein schöneres Hautbild zu er-zeugen, setzen wir die sogenannte dielektri-sche Erwärmung ein.» Das ist einfach gesagt ein Mechanismus, bei dem hochfrequente (RF) Energie direkt auf das Hautgewebe übertragen wird, was zu einer schnellen Rotation seiner Wassermoleküle führt. «Das sind unglaubliche 40,68 Millionen Übertra-gungen pro Sekunde an das Gewebe», zeigt sich Robinson begeistert. Die Rotation er-zeugt Reibung, die eine starke und eektive Wärme erzeugt. Da die Haut grösstenteils aus Wasser besteht, bewirkt die Erwärmung durch diesen Mechanismus eine volumetri-sche Kontraktion innerhalb der Haut von kontrahierenden, vorhandenen Fasern und stimuliert so die Bildung von neuem Kol-lagen bei gleichzeitiger Verbesserung der Dicke und Ausrichtung. Eine hohe Frequenz ermöglicht eine tiefe, homogene Erwär-mung, die zu gleichmässigen Ergebnissen führt. «Das ist einer der Unterschiede zu gewöhnlichen Kosmetikstudios oder Heim-anwendungen: Unsere Geräte verfügen über die entsprechende Leistung, um eine solche Wärme innerhalb des Gewebes auch eektiv zu erzeugen und nur dadurch lässt sich eine Wirksamkeit garantieren.» Im Prinzip zeigt eine einzige Anwendung bereits die ge-wünschten Eekte. «Viele Patienten sind aber so begeistert von den Resultaten, dass sich diese regelmässig einmal pro Monat für einen Kollagen-Kick entscheiden», führt Morett weiter aus.Filler als IdeallösungWenn die Falten besonders tief sind oder es schnell gehen soll, dann empehlt sich eine Anwendung mit besagten Fillern. Hier kommt dann auch der darauf spezialisierte Arzt Dr. Alvarez ins Spiel – er ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der Filler und Bo-tulinumtoxin. Mit den beiden seit Jahren VON TEAM CRUISEREs beginnt ja noch ganz charmant, so zwischen zwanzig und dreissig, meist mit den Lachfältchen. Diese fein ge-zogenen Linien am äussersten Augenwinkel stehen jedem Gesicht gut, sie machen einen Menschen erst recht sympathisch. Aber DANN: Mit den Jahren werden die Linien länger und tiefer. Die lustigen Lachfältchen mutieren! Und beim Blick in den Spiegel sind die Krähenfüsse plötzlich weniger lustig. Weg damit! Viele Männer – und es sind längst nicht mehr nur die Gays – beugen sich einem oft selbst auferlegten Schönheitsdiktat. «Män-Eine kleine Spritze genügt, um die müde Haut um Jahre jünger aussehen zu lassen.

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33CRUISER SEPTEMBER 2022Body EstheticFiliale ZürichSeefeldstrasse 758008 Zürich044381 20 20Filiale LuzernWinkelriedstrasse 30a6003 Luzern044381 20 18www.bodyesthetic.ch @bodyesthetic.chADVERTORIALetablierten und entsprechende sicheren Anwendungen lassen sich spektakuläre Anwendungen erzielen. «Hier hat sich vor allem das Anwendungsgebiet massiv erwei-tert», erklärt der charmante Arzt. «Wir wis-sen heute wesentlich mehr über die Ge-sichtsmuskulatur und die Mimik als noch vor zehn Jahren – darum lassen sich mit Botulinumtoxin spektakuläre Ergebnisse erzielen.» Hier dringt der Arzt mittlerweile auch in tiefere Hautschichten vor. «Gerade bei Männern ab 45 zeigt sich oft sehr stark, dass das ganze Gesicht etwas müde aus-sieht», führt Dr. Alvarez aus. «Mit einzel-nen, gezielten Filler-Injektionen lässt sich dies günstig und schnell korrigieren», so der Arzt weiter. Es existieren mittlerweile be-kannte Injektionspunkte im männlichen Gesicht, die helfen, schnell zehn Jahre oder mehr zurückzubringen. Das Ganze geht schnell, ist ohne Narkose möglich und we-sentlich günstiger als ein Lifting. Zudem weitgehend unblutig. «Die Ergebnisse sind spektakulär», sagt Dr. Alvarez und demons-triert die Anwendung von Fillern auch gerade an freiwilligen Testpersonen der Cruiserredaktion. Die Anwendung ist eek-tiv weniger schmerzhaft als gedacht – aller-dings darf man naturgemäss keine Angst vor Nadeln haben. Und die Ergebnisse sind ebenfalls unglaublich. «Wir sind heute in der Lage, durch Injektionen in verschiede-nen Tiefen und Bereichen wirklich spekta-kuläre Ergebnisse zu erzielen», freut sich Dr. Alvarez. Seit Jahren ist er einer der ganz Grossen im Bereich Gesichtsverjüngung und man spürt, dass er seine Arbeit nicht Eine «Knitterfalte», wie sie bei der Haut ab 45 bei Männern gerne auftritt. Meistens ist die Schlaf-position dafür verantwortlich. Mit entsprechendem Können lassen sich auch solche Falten mit Fillern aufspritzen.Robinson Morett mit dem Accent. Das Gerät ist einzigartig auf dem Markt, Radiofrequenz stimuliert über die Erwärmung der tiefen Hautschichten die Kollagenbildung. Dadurch wirkt auch dicke Männerhaut bereits nach einer Anwendung wieder prall und fest, die Behandlung dauert eine Stunde und ist weitgehend schmerzfrei.Manchmal wirkt ein Gesicht einfach «alt», ohne dass genau gesagt werden kann weshalb. Hier ist das geschulte Auge des Arztes wichtig. In diesem Fall handelt es sich um Falten rund um das Ohr, welche normalerweise nicht bewusst wahrgenom-men werden. Durch korrektes Aufspritzen wirkt das Gesicht «verjüngt».Vorher Nachhernur mit Leidenschaft, sondern auch viel Kompetenz ausführt. Nach ungefähr einer Woche ist das nale Ergebnis sichtbar – unsere Redaktionstestpersonen waren auch danach noch restlos begeistert. Viele Männer – und es sind längst nicht mehr nur die Gays – beugen sich einem oft selbst auferlegten Schönheitsdiktat.

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34CRUISER SEPTEMBER 2022RATGEBERDR. GAYDR. GAYAuf drgay.ch findest du viele Infos und kannst eigene Fragen stellen. Hinter Dr. Gay stehen Mitarbeiter*innen der Aids-Hilfe Schweiz. Wir engagieren uns für die sexuelle Gesundheit von schwulen, bi & queeren Männern. drgay.ch drgay_official @drgay_officialMein Arzt sagt, ich könne mich für 245 Franken pro Impfung gegen HPV impfen lassen. Kostet das überall so viel? Und lohnt sich die Impfung überhaupt? Jonas (29)Wie wird ein Syphilis-Test gemacht und wie zuverlässig ist er? Nico (33)Hallo JonasHumane Papillomaviren (HPV) können die Ursache für Feigwarzen und / oder gewisse Krebserkrankungen sein. Übertragen wer-den sie durch Haut-zu-Haut-Kontakte. Im Rahmen der kantonalen Impfprogramme ist die Impfung für 11- bis 26-Jährige kos-tenlos. Gewisse Zusatzversicherungen der Krankenkassen übernehmen die Kosten aber auch für Personen, die älter als 26 Jahre sind. Schau auf deiner Police oder informie-re dich direkt bei deiner Krankenkasse. Für den Schutz sind drei Impfungen nötig, wel-che beim Checkpoint je rund CHF 200.– kosten. Wie du vielleicht weisst, ist die HPV-Impfung vor Beginn der sexuellen Aktivität am eektivsten. Aber auch danach kann sie Hallo NicoFür den Nachweis von Syphilis-Bakterien wird in der Regel ein Bluttest durchgeführt. Es ist möglich, dass ein Test nach einer Syphilis-Infektion anfänglich negativ aus-fällt. Im Verdachtsfall sollte der Test deshalb nach etwa zwei bis vier Wochen wiederholt werden. Die Situation muss dann von einem Arzt oder einer Ärztin ein-geschätzt werden, denn sie kennen die Tücken und können, falls nötig, die richti-gen Massnahmen ergreifen. Zum Beispiel noch wirksam sein. Der aktuelle Impfsto schützt gegen neun verschiedene HPV- Typen und damit gegen 95 % der krebsver-ursachenden HPV-Typen. «Lohnen» tut sich eine Impfung dann, wenn sie eine Infektion oder einen schweren Verlauf verhindert. Das Problem ist, dass du das als Geimpfter nicht erfährst und als Nicht-Geimpfter erst dann, wenn es zu spät ist. Lass dich von dei-nem Arzt, deiner Ärztin oder in einem Checkpoint persönlich beraten. Die Kon-taktdaten der Checkpoints und anderen Beratungsstellen ndest du auf drgay.ch unter «Deine Kontakte».Alles Gute, Dr. Gaykann bei Menschen mit Immunschwäche ein Syphilis-Suchtest manchmal trotz kla-rer Symptome negativ ausfallen. Solltest du aufgrund einer spezischen Situation Fra-gen haben, lass dich am besten direkt bei einer Teststelle oder von deiner Ärztin oder deinem Arzt beraten. Spezialisierte Test-stellen ndest du auf drgay.ch unter «Deine Kontakte».Alles Gute, Dr. Gay

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Wir brauchen jetzt deine Unterstützung!1. Twint-App önen2. QR-Code scannen3. Adresse angeben4. CHF 100.– sendenFertig2022 Du bist Mitglied bei schwulengeschichte.ch Die Website schwu len ge schich te.ch macht die Ge schich te von Schwulen in der Schweiz in all ihren Facetten zu gäng lich. Betrieb und Wei ter ent wick lung wird von eh ren amt li chen Mit ar bei tern si cher ge stellt.WERDE MITGLIED UND HILF, DASS UNSERE GESCHICHTE NICHT VERGESSEN WIRD 1930 1940 1950 1960 1970 19801990 2000 2010 20201943 Der Kreis1957 Kreis-Ball1973 Gay-Liberation1986 AIDS2004 Partnerschafts-gesetz Demoschwulengeschichte-inserat.indd 1schwulengeschichte-inserat.indd 1 11.06.22 11:5511.06.22 11:55ANZEIGE