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Cruiser im Sommer 2021

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DAS GRÖSSTE SCHWEIZER GAY-MAGAZIN – SOMMER 2021 CHF 8.10Pinkwashing 4Wenn Unternehmen mit dem Regenbogen Geld machen Kirche & LGBT* 8Der grosse Kampf und KrampfPride 2021 22Und sie kommt doch noch, die Parade

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Ein definierter Bauch – idealerweise ein Sixpack – ist für Männer heutzutage fast schon ein «Muss». Die Voraussetzung für den Weg zum Sixpack beim Mann ist regelmässiger Sport sowie eine gesunde Ernährung. Wenn Männer trotz ausgiebi-gem Sport und normalem BMI unter einer resistenten Fettschicht leiden, welche eine sichtbare Definition der Bauchmuskuatur unmöglich macht, kann operativ nach-geholfen werden.Neue Techniken der Fettabsaugung – High Definition Liposuktion genannt – kann dieses Fett entfernen und den Bauch so definieren, wie die Muskulatur es hergibt und den Sixpack beim Mann schnell ermöglichen. Ganz spezielle Kanülen erlauben eine Modellierung der Höhen und Tiefen des Sixpacks innerhalb einer Stunde. Prinzipiell ist diese Behandlung für jeden Patienten geeignet, Voraussetzung hierfür ist eine gewisse Muskeldefinition. Besonders gefragt ist die Erschaffung von einem Sixpack bei Männern, die keine Zeit haben, um täglich im Gym zu trainieren. Aber auch Herren mit genetisch moderaten oder schlechten Voraussetzungen für einen definierten Waschbrettbauch wünschen sich ein Sixpack. Diese schaffen es nicht, trotz intensivem Sport die definier-ten, ausgeprägten Bauchmuskeln zu erhalten, von denen sie träumen.Ambulant, schmerzfrei und in örtlicher Betäubung in Kombination mit Dämmer-schlaf wird das Fett sorgfältig modelliert, dessen Ergebnis sofort ersichtlich ist. Die strahlenden Gesichter der Männer begeistern Dr. Linde tagtäglich, wenn er ihnen das Ergebnis im Spiegel zeigen darf. Mit einem dicken Verband um den Bauch dürfen Sie direkt nach dem Eingriff nach Hause, bereits am nächsten Tag können Sie den Verband entfernen. Für 1-2 Wochen gibt es einen Bauchgurt, der die Modellierung der Gräben und Höhen fixiert. Das Ergebnis ist dauerhaft.vorher nachherDas erste Beratungsgespräch ist immer kostenlos und unverbindlich. Sixpack durchHigh-DefinitionLiposuctionDr. Linde ist einer der bekanntesten Schönheitsärzte in der Schweiz und ein international anerkannter Ästhe-tik-Experte mit über 25 Jahren Erfah-rung. Er ist auf die Behandlung von Fettpolstern, Falten und Veränderun-gen der Haut mit neuesten, innovati-ven Technologien spezialisiert. Dr. Linde fokussiert sich seit Jahrzehn-ten auf die Behandlung von Männern. +41 (0)844 44 66 88Für weitere Infos: www.beautyclinic.chADVERTORIAL

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EDITORIALLiebe LGBT*-Community Das gab es seit Jahren nicht mehr: Wir, das Epizentrum des LGBT*- Geschehens, mussten googeln, wann «Pride-Monat» ist. Denn irgendwie ist das mit der Pride an uns vorbeigezogen. Bis vor wenigen Jahren gab es das nämlich noch gar nicht in dieser Form: Kleiderhändler dekorieren die Schaufenster bunt, Möbelhändler bieten Rainbowflag-Taschen an und Parfumhersteller produzieren Sondereditionen ihrer beliebtesten Düfte und vermarkten sie als «Pride-Edition». Offenbar hat irgendwann eine findige Marketingabteilung eines Konzerns ent schieden, dass der Sommer nicht mehr die klassische mediale Saure-Gurken-Zeit sei, sondern dass die heissen Monate mit ein bisschen Farbe gefüllt und damit gleichzeitig das Thema «Diversity» abgehandelt werden könne. Wir haben sogar ein «Pride-Trocken-shampoo» zugeschickt bekommen! Löbliche Ausnahmen gibt es – die Vorreiter sind in dieser Ausgabe mit Inse-raten vertreten (wofür wir uns sehr bedanken). Diese engagierten Unternehmen setzen sich effektiv für Akzeptanz und Gleichstellung ein; Diversität ist für sie nicht nur ein farbiges Lippenbekenntnis. Wir haben also Pride dieses Jahr! Derzeit sieht es allerdings so aus, als ob der «Pride-Monat» in der ersten Septemberwoche statt - finden wird (siehe dazu Artikel auf Seite 22). So oder so: Es wird ein bunter Sommer, denn Pride ist da, wo wir sind. Ob sichtbar oder unsichtbar, ob mit Fancy-Rainbowflag-Gadgets oder ohne.Herzlich; Haymo Empl Chefredaktor4 WIRTSCHAFT PINKWASHING8 GESELLSCHAFT KIRCHE12 KULTUR BUCHTIPP13 GESELLSCHAFT PRINCE CHARMING14 KOLUMNE MICHI RÜEGG12 KULTUR BUCHTIPP18 COMMUNITY REGENBOGENHAUS20 LIFESTYLE BRUSTHAARE22 FOKUS PRIDE 202126 KULTUR BOUYGERHL28 SERIE HOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATUR30 POLITIK EHE FÜR ALLE31 KOLUMNE ARTHUR MOLL32 SERIE IKONEN VON DAMALS34 RATGEBER DR. GAY IMPRESSUMCRUISER MAGAZIN PRINTISSN 1420-214x (1986 – 1998) | ISSN 1422-9269 (1998 – 2000) | ISSN 2235-7203 (Ab 2000)Herausgeber & Verleger medienHay GmbHInfos an die Redaktion redaktion@cruisermagazin.chChefredaktor Haymo Empl Stv. Chefredaktorin Birgit KawohBildredaktion Haymo Empl, Astrid Affolter. Alle Bilder mit Genehmigung der Urheber.Art Direktion Astrid AffolterAgenturen SDA, DPA, KeystoneAutor*innen Vinicio Albani, Philip Dethlefs, Haymo Empl, Andreas Faessler, Birgit Kawohl, Marco Krefting, Moel Maphy, Arthur Moll, Michi Rüegg, Britta Schultejans, Alain Sorel, Manolito Steffen Korrektorat | Lektorat Birgit KawohlAnzeigen anzeigen@cruisermagazin.chChristina Kipshoven | Telefon +41 (0)31 534 18 30WEMF beglaubigte Auflage 11 539 Exemplare (2016)Druck Druckerei Konstanz GmbHWasserloses DruckverfahrenREDAKTION UND VERLAGSADRESSECruiser | Clausiusstrasse 42, 8006 Zürichredaktion@cruisermagazin.chHaftungsausschluss, Gerichtsstand und weiterführende Angaben auf www.cruisermagazin.chDer nächste Cruiser erscheint am 2. September 2021Unsere Kolumnist*innen widerspiegeln nicht die Meinung der Redaktion. Sie sind in der Themenwahl, politischer /religiöser Gesinnung sowie der Wortwahl im Rahmen der Gesetzgebung frei. Wir vom Cruiser setzen auf eine grösst - mögliche Diversität in Bezug auf Gender und Sexualität sowie die Auseinandersetzung mit diesen Themen. Wir vermeiden darum sprachliche Eingriffe in die Formulierungen unserer Autor*innen. Die von den Schreibenden gewählten Bezeich- nungen können daher zum Teil von herkömmlichen Schreib- weisen abweichen. Geschlechtspronomen werden entspre - chend implizit eingesetzt, der Oberbegriff Trans* beinhaltet die entsprechenden Bezeichnungen gemäss Medienguide «Transgender Network Schweiz».Roger und Frido sind gut gelaunt, denn der S ommer ist da, das Wetter gut, und dieses Jahr gibt es sogar wieder eine Pride. Was braucht man mehr zum Glücklichsein?

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CRUISER SOMMER 2021WIRTSCHAFTPINKWASHINGClevere Marketingstrategie oder echtes Interesse?Pinkwashing – dieser Begriff ist seit einigen Jahren zum Buzzword geworden. Was hat es damit auf sich und warum wird es gerade im Juni jeweils besonders populär?VON BIRGIT KAWOHLVictor Orbán ist ja mittlerweile so et-was wie der Mephisto unter den schlechten Regierungschefs (damit also noch teuischer als der bereits böse Durchschnitt), insbesondere was den Um-gang mit Toleranz angeht und infolge- dessen auch in Bezug auf die Akzeptanz von Queers. Deswegen konnte es auch nur noch mässig verwundern, als das deutsche Magazin «Der Spiegel» Mitte Juni titelte: «Orbán-Partei will ‹Werbung› für Homo-sexualität verbieten». Zu dem Verbot soll nicht nur das Streichen von Bildungspro-grammen oder das nicht mehr mögliche Veröentlichen von Aufklärungsbüchern gehören, Orbán will sich auch in die Wer-bung von Grossunternehmen einmischen und denjenigen diese untersagen, die ihre Solidarisierung mit der LGBT*-Community erklären. Schön, dass das Land weiterhin in der EU mitmachen darf, egal was man sich dort so gesellschaftspolitisch leistet (sicher-lich ein guter Punkt für Guy Parmelin, um das Nichtgelingen einer Einigung zu ver-kaufen, danke Victor!).Vermehrte Aktionen im Pride-MonatMit seinen Äusserungen liegt der Ungar ein-mal mehr konträr zum Mainstream – aber man muss ja auch mal seine eigene Meinung durchsetzen dürfen –, denn gerade im Pride-Monat Juni erreicht die Aufmerksamkeit für die queere Gemeinschaft auch dank der Regenbogen-Werbung ihren Höhepunkt, 4Alle Bilder © PD

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5WIRTSCHAFTPINKWASHINGANZEIGE5 CRUISER SommER 2017sliPPerySubjeCtSVoN MARTIN MüHLHEIMC oming-out-Filme gibt es mittlerweile viele, und entsprechend unterschied-lich kommen sie daher: leichtfüssig- komisch wie der britische Klassiker Beautiful ing (1996), eher nachdenklich wie das brasilianische Kleinod Seashore (2015), bisweilen auch zutiefst tragisch – so im israelischen Drama Du sollst nicht lieben (2009), das in der ultraorthodoxen Gemein-de in Jerusalem spielt.Angesichts solcher Unterschiede er-staunt es umso mehr, mit welcher Regel- mässigkeit uns Coming-out-Filme Jungs oder Männer zeigen, die – alleine, zu zweit oder in Gruppen – schwimmen gehen. Nun könnte man das natürlich als Zufall oder Neben-sächlichkeit abtun. Bei genauerem Nachden-ken zeigt sich allerdings, dass sich gleich mehrere Gründe für diese erstaunliche Häu-gkeit nden lassen.Nackte Haut ohne allzu viel SexEine erste, nur scheinbar oberächliche Er-klärung ist, dass (halb)entblösste Körper sich nicht bloss auf der Leinwand, sondern auch auf Filmpostern und DVD-Covern äus- serst gut machen. Schwimmszenen bieten ein perfektes Alibi für das Zeigen von nack-ter Haut: Sex sells, wie es so schön heisst.Warum «Alibi»? Weil man – gerade bei Filmen mit jungen Protagonisten – aufpas-sen muss: «Sex sells» mag zwar zutreen, aber allzu explizite Sexszenen können schnell mal zu hohen Altersfreigaben füh-ren. Dies wiederum möchten Filmemacher in der Regel vermeiden: Filme, die erst ab 18 freigegeben sind, lassen sich nämlich weni-ger einfach vermarkten. Auf Amazon.de zum Beispiel werden Filme mit Altersfreiga-be 18 nur an nachweislich volljährige Perso-nen verkau – und gerade für Coming- out-Filme, die sich auch an ein junges Publi-kum richten, ist dies sicher kein wünschens-werter Eekt.Schwimmszenen bieten hier eine per-fekte Kompromisslösung: Man kann nackte Haut lmisch ansprechend inszenieren, da-bei aber allzu heisse Techtelmechtel tugend-ha vermeiden (beispielsweise, indem der Wasserspiegel immer über der Gürtellinie bleibt, wie im niederländischen Film Jon-gens, 2014). Um das Rezept knapp zusam-menzufassen: Man nehme eine grosszügige Portion feuchter Erotik, eine vorsichtige Pri-se Sex – und um Himmels Willen kein Körn-chen Porno. Eingetaucht ins TrieblebenMan täte den lesBischwulen Filmemache-rInnen aber unrecht, wenn man ihre erzäh-lerischen Entscheidungen allein auf nan-zielles Kalkül reduzieren wollte. Es gibt nämlich auch ästhetisch-symbolische Grün-de, die Schwimmszenen für das Genre inter-essant machen. Da wäre zunächst die Funktion des Wassers als Symbol für das Unbewusste. Dieses Unbewusste, so weiss man spätestens seit Sigmund Freud, hat viel mit der Triebna-tur des Menschen zu tun – und so erstaunt es nicht, dass Hauptguren auf der Suche nach ihrer sexuellen Identität sozusagen symbo-lisch in die Tiefen des Unbewussten eintau-chen müssen, um ihr gleichgeschlechtliches Begehren zu entdecken. Figuren in der SchwebeDarüber hinaus hat die Filmwissenschale-rin Franziska Heller in ihrem Buch über die Filmästhetik des Fluiden (2010) gezeigt, dass schwimmende Figuren immer wieder als «schwebende Körper» inszeniert werden: o in Zeitlupe und seltsam herausgelöst aus dem sonst zielstrebig voranschreitenden Erzählprozess. Dieser Schwebezustand wie-derum ist eine wunderbare visuelle Meta-pher für die Phase kurz vor dem Coming-out: Man ist nicht mehr der oder die Alte, aber auch noch nicht ganz in der neuen Identität angekommen. Ein Film macht das Schweben sogar explizit zum ema: In Kinder Gottes aus dem Jahr 2010 zeigt Romeo dem neuro-tisch-verklemmten Johnny, wie befreiend das «Floating» im Meer sein kann.Neben der Inszenierung von Schwebe-zuständen und dem Wasser als Symbol für das Unbewusste ist drittens das Motiv von ➔ Filme, die ersT ab 18 FreiGeGeben sind, lassen sicH nämlicH WeniGer einFacH VermarKTen.ANZEIGE«Was geht mich meine Gesundheit an!» Wilhelm Nietzsche Wir sind die erste Adresse für diskrete Beratung in allen Gesundheitsfragen.Stampfenbachstr. 7, 8001 Zürich, Tel. 044 252 44 20, Fax 044 252 44 21 leonhards-apotheke@bluewin.ch, www.leonhards.apotheke.chIhr Gesundheits-Coach.rz_TP_Leonhards_Apotheke_210x93.3_Cruiser_4c_280317.indd 1 28.03.2017 10:07:37ab hängig davon, dass man infolge des Stone wall-Aufstands von 1969 den Juni zum Pride-Monat erklärt hat, in dem folgerichtig jede Menge Veranstaltungen von und für Queers stattnden. 2020 und auch dieses Jahr sieht es aufgrund von Corona zwar weitgehend schlecht aus, was Umzüge und Festivals angeht, aber üblicherweise sind im Frühsommer jede Menge Prides geplant, was natürlich auch die Marketingleiter gros ser Unternehmen auf den Plan ruft, die da rin eine Chance wittern, ihr Unterneh-men einem breiten – und das darf man nicht zu gering schätzen – in weiten Teilen gut situierten Publikum in Erinnerung zu rufen.So sagte die Drag Queen Candy Crash, bekannt aus Heidi Klums TV-Show «Queen of Drags», in einem Gespräch mit Larena Klöckler im Juni des vergangenen Jahres, dass sie in keinem Monat so viele Werbe-angebote bekomme wie im Juni. Unterneh-men, die sie sonst nicht im Geringsten be-achteten, legten plötzlich Wert auf sie als Werbepartnerin. Dies sei zum einen auäl-lig, zum anderen aber auch fast schon pein-lich, da sie schliesslich das ganze Jahr über sichtbar sei und sein wolle.Nur Aussenwirkung oder auch echtes Engagement?Der CEO der Uhlala Group, Stuart Cameron, erklärt in einem YouTube-Video für das «Handelsblatt», dass man schon genau hin-schauen müsse, um zu unterscheiden, ob es ein Unternehmen ehrlich meine mit seinem queeren Engagement oder ob es sich ledig-lich um eine klug lancierte Werbestrategie handele. So würden viele Unternehmen ihre Produkte im Juni einfach in einer Sonder-Edition mit Regenbogen-Verzierung auf den Markt werfen und sich damit einen coolen und toleranten Anstrich geben. Wichtig sei zu schauen, ob dabei auch Einnahmen aus diesen Produkten in LGBT*-Projekte össen, so z. B. bei den Regenbogen-IKEA-Taschen vor zwei Jahren, bei denen IKEA jeweils ca. 50 % der Einnahme pro Tasche an Organisationen spendete, die sich für quee-re Jugendliche einsetzten. Oder auch die Kooperation von Nivea mit Olivia Jones, bei der ein Teil der Gewinne in das Projekt «Oli-via macht Schule» – hier geht es um Akzep-tanz queerer Jugendlicher und Anti-Mob-bing-Workshops – iesst. Anders hingegen verhalte es sich etwa beim Süsswarenhersteller Katjes, der im vergangenen Jahr mit grossen Plakaten, auf denen sich zwei Frauen küssten, für eines seiner Produkte warb. Denn bei Katjes nde man ausserhalb dieser Plakatwerbung, die augenscheinlich grosse Toleranz und auch entsprechendes Engagement vermittle, kei-ne unterstützenden Strukturen innerhalb des Unternehmens. Schaut man auf die Homepage von Katjes, kann man deutlich erkennen, dass sich das Unternehmen ger-ne in der pinken Sonne aalt. So betont man dort seinen Einsatz für Queerness seit 2018 und titelt weiter in grossen Buchstaben: «At the CSD, Katjes takes a stand for tolerance.» Ein Satz, der mehr entlarvt als beeindruckt. Am CSD setzt man sich also für Toleranz ein, aha, und sonst so? «#Pride 2021: Mehr als nur ein Regenbogen»Kleines Quiz: Zu welchem Weltunternehmen gehört dieser Slogan? Im Prinzip passt er überall, lässt er doch keine Rückschlüsse auf eine bestimmte Branche zu. Es handelt ➔ Im Frühsommer sind jede Menge Prides geplant, was natürlich auch die Marketingleiter gros ser Unternehmen auf den Plan ruft, die da rin eine Chance wittern, ihr Unternehmen einem breiten und gut situierten Publikum in Erinnerung zu rufen.Katjes plakatierte vergangenes Jahr zum Beispiel in Berlin gut sichtbar mit einem queeren Sujet, dabei bleibt es im Konzern aber auch.

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6CRUISER SOMMER 2021WIRTSCHAFTPINKWASHINGPrides stehen immer auch im Zeichen der Liebe. Und damit lässt sich bekanntlich gut Geld machen.sich um Microsoft, das sich gemäss Home-page seit 1989 für Queers mit der Forderung nach Gleichstellung und Gleichberechti-gung einsetzt. In diesem Jahr legt das Un-ternehmen seinen Fokus auf den Aspekt der Intersektionalität. Wow – das klingt be-eindruckend. Für alle, die mit dem Begri nicht sofort etwas anfangen können, hierbei geht es um Überschneidungen von Diskri-minierungsgruppen, also im Prinzip um mehrfach Diskriminierte. Dieser Einsatz umfasst einen «Regen-bogenanstrich» diverser Microsoft-Pro-gramme für die X-Box über Teams bis Out-look. Aber es kommen auch Spenden hinzu, so gibt das Unternehmen an, im Jahr 2020 LGBT*-Projekte mit zwei Mio. Dollar unter-stützt zu haben. Diese Zahl klingt zunächst durchaus beeindruckend, wenn man sich dann aber einmal den Jahresumsatz des Unternehmens anschaut, der für das Jahr 2020 bei knapp 60 Milliarden US-Dollar lag, und berücksichtigt, dass sich solche Spen-den positiv in einer Jahresbilanz auswir-ken, dann ... Die Mode nutzt den RegenbogenPride heisst ja immer auch, dass man sich aufhübscht, die Party-Outts sind jeweils legendär, weshalb es ganz natürlich ist, dass sich besonders die Modebranche den Pride-Monat nicht für ihr Marketing entgehen lässt. In der Regel beschränkt sich dies, ähn-lich wie bei vielen anderen Produkten, auf den Regenbogenaufdruck an irgendeiner Stelle des Kleidungsstückes. In Erinnerung sind einem sicherlich die Nike-Sneaker des letzten Jahres mit ihren regenbogenfarbe-nen Sohlen, die hier als ein Produkt von vie-len genannt werden sollen.Levi’s startet dieses Jahr seine Kampa-gne «All Pronouns, All Love» und will damit auf die gendergerechte Sprache hinweisen bzw. darauf, dass es egal ist, wer man ist. Eine hübsche Idee, ob sie die T-Shirt-Träger und deren Betrachter verstehen werden, sei einmal dahingestellt.Ansonsten beeindruckt unter anderem das Label Michael Kors, das, man kann es kaum fassen, ein Unisex-T-Shirt kreiert hat. Im Ernst? Dass ein Unternehmen überhaupt wagt, mit solch einer Aussage Werbung zu machen und sich damit als tolerant und weltoen beweisen will, ist ein starkes Stück. Immerhin spendet man auch Einnahmen aus Aktionen für LGBT*-Projekte. Gerade das letzte Beispiel zeigt, wie-viel Strategie hinter den Marketingaktionen einzelner Unternehmen steckt, sodass man nicht selten zu Recht den Begri des Pink-washings nutzen darf.Trotzdem haben viele Aktionen zwei Seiten, sie rücken sowohl Queerness als auch das Engagement des Unternehmens in den Fokus und somit kann man durchaus von einer Win-win-Situation sprechen.

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7ADVERTORIALANZEIGESchreinerstrasse 44 | 8004 Zürich | Telefon 044 291 39 90 | www.haargenau.chDeine fabelhafte LGBT*-friendly Hairstylistin freut sich auf deinen Besuch.Peter und Florian sind schon seit über 15 Jahren ein Paar. Seit über 10 Jahren teilen sie sich nicht nur den Haushalt, sondern arbeiten auch gemeinsam in der Apotheke.Bahnhof Apotheke StettbachVON MOEL MAPHYAber erst einmal der Reihe nach. Die beiden haben sich nicht etwa bei der Arbeit kennengelernt, sondern ka men 2006 am Openair St. Gallen zusammen, nachdem sie sich das erste Mal an einer schwulen Jugendkonferenz in Lichtenstein getroen hatten. Genau eineinhalb Jahre später zieht Peter und mit ihm die Kater Leo und Seja in ein kleines Reihenhaus in der Siedlungsgenossenschaft Sunnige Hof direkt neben dem Bahnhof Stettbach in Zürich. Die Zeit im Mattenhof ist eine sehr unbeschwerte, mit viel Freiheit, Grill festen mit Freunden, Bepanzen vom klei nen Schrebergarten und Velotouren rund um den Greifensee. Florian hat seit seinem 16. Geburtstag den grossen Traum, eine ei-gene Apotheke zu führen. Dieser Traum soll im Jahr 2009 in Erfüllung gehen. Peter stu-diert zuerst an der Zürcher Hochschule der Künste Art Education und steigt 2013 voll-ständig in der Apotheke ein. Als Dreierteam mit einem alt be kann-ten Jugendfreund Lilly von «purple moon» bauen sie den grössten Schweizer Webshop im Apothekenmarkt auf und be treiben eine Apotheke mit über 50 Mit arbeitern im Team.2020 kommen Ende und Neuanfang: Wegen der Diagnose Multiple Sklerose muss Florian etwas kürzertreten. Die beiden ent-scheiden kurz nach dem Verkauf ihrer bis-herigen Geschäfte, weiterhin selbständig zu bleiben und gründen die Bahnhof Apo-theke Stettbach. Mit dem Motto «back to the roots», einem Rucksack voller Erfahrung und der Freude an der Apotheke entsteht eine Erlebnisoase mit einer Parkbank neben einem Baum, beg leitet von Vogelgezwitscher mit Blick ins Labor, wo frische Salben hergestellt werden, fühlen sie sich am neuen Standort pudelwohl.Dübai – wie das neue Quartier auch genannt wird, wohl auch aufgrund des gi-gantischen Jabee Towers, hält, was es ver-spricht. Viel Spass beim Entdecken. www.bahnhof-apotheke-stettbach.chBahnhof ApothekeStettbachKennst du deinen Status?autotest VIH® – Zuverlässige Erkennungeiner HIV-Infektion, wenn der Risikokontaktmindestens 3 Monate zurückliegt.Einfach. Schnell. Anonym.autotest VIH® ist ein Medizinprodukt. Bitte lesen Sie die Packungsbeilage. Mepha Pharma AGNeu!Apotheke direkt beimBahnhof Stettbach zwischen Zürich, Wallisellen und Dübendorf Peter und Florian sind von Montag bis Samstag beim Bahnhof Stettbach gerne für euch da.

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8CRUISER SOMMER 2021GESELLSCHAFTKIRCHEDie weltweite Globalisierung hat auch eine Annäherung kultureller Eigenheiten zur Folge. Kann man somit auch mehr Toleranz der Weltreligionen für Queers erwarten?Gott, Jahwe oder Allah – wer meint es wie mit Queers?VON BIRGIT KAWOHLDer Mai begann für die christliche queere Community europaweit mit einem Erfolg: In mehr als 100 euro-päischen Städten segneten katholische Geistliche homosexuelle Paare. Dass dies aber wohl nicht jedem*r geel, zeigt sich un-ter anderem an einer Reaktion in Köln-Lin-denthal in Deutschland. Dort wurde näm-lich zwei Tage nach den Segnungen die vor der Kirche Christi Auferstehung gehisste Regenbogenfahne angezündet. Ein Akt, der Entsetzen hervorrief und schnell mit den Bücherverbrennungen von 1933 in Verbin-dung gebracht wurde, zumal zur Zeit auch immer wieder Fahnen vor Synagogen ange-zündet werden. Hier geht es um eine Aktion, die zwar an sich nicht dramatisch ist, die aber aufgrund ihrer Symbolik eine grosse Strahlkraft hat.Auch in Zürich fanden am 10. Mai auf dem Platzspitz Segnungen statt, aufgerufen hierzu hatte Seelsorger Meinrad Furrer, der sich damit deutlich in Richtung Akzeptanz queerer Menschen positioniert. Eine Mei-nung, die seinem Dienstherrn, dem Churer Bischof Joseph Bonnemain so gar nicht ge-fällt, dieser lehnt nämlich die Segnungen auf «seinem» Boden ab. Mit dieser Position wirkt Bonnemain für Nicht-Gläubige wie aus der Zeit gefallen, aus katholischer Sicht gehört er aber zur Mehrheit, so ist man in weiten Kreisen immer noch der Meinung, dass es sich bei Homosexualität um einen Sünde handele und da Gott Sünde nicht segnen könne, ist eine Ablehnung der Seg-nungen nur folgerichtig.Provozieren darf nur die (katholische) KircheBonnemain sprach in einem Interview mit dem SRF zu diesem ema auch von einer Provokation: «Ich glaube nicht, dass man etwas gewinnt, wenn man auf eine Provoka-tion mit einer Provokation antwortet.» Eine interessante Antwort, denn oenbar beur-Es gibt so viele Religionen wie sexuelle Identitäten, aber harmonisch ist das Verhältnis oftmals nicht.

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9GESELLSCHAFTKIRCHEANZEIGEEigentlich steht Religion auch für Liebe und Toleranz. Dies sehen ihre Vertreter auf Erden allerdings häufig anders.teilt er nicht nur das Verhalten der Schwu-len und Lesben, sondern auch das der Kir-chenoberen als Provokation. Um dann aber klarzustellen, dass die erste Provokation (die der Kirchenoberen) oenbar okay war, die zweite (die der Queers und ihrer Unterstützer*innen) jedoch nicht. An der kirchlichen Position etwas zu ändern, ge-hört trotz allem – wie zu erwarten – nicht zu seinen Vorhaben. Michael Brinkschröder stellt in sei-nem Aufsatz zum Verhältnis von Christen-tum und Homosexualität in dem jüngst in der Edition Waldschlösschen erschienenen Band «Zwischen Annäherung und Abgren-zung. Religion und LSBTIQ* in gesellschaft-licher Debatte und persönlichem Erleben» den grossen Unterschied in den beiden christlichen Religionen dar. Während man in der evangelischen Kirche (mit Ausnahme pietistischer Kreise) heute weitgehend zu einer Akzeptanz queerer Menschen gefun-den habe – hier sehe man die Liebe als Basis der geltenden Norm in einem liberalen theologischen Paradigma-, sei der Entwick-lungsweg der katholischen Kirche um eini-ges steiniger. Tatsächlich habe es auch in der katho-lischen Kirche schon Anfang der 1970er-Jahre erste Versuche der Liberalisierung gegeben, diese seien aber nach wenigen Jahren unterbunden worden. Letztendlich haben dann sicherlich Päpste wie Benedikt XVI. und diverse Bischöfe in diversen euro-päischen Ländern nicht zur Toleranz gegen-über LGBT*s beigetragen.Der Papst zwischen Toleranz und AblehnungAllerdings präsentiere, so Brinkschröder, auch Papst Franziskus keine klare Haltung. Er schwanke immer wieder zwischen scheinbar positiven Äusserungen und kla-rer Abgrenzung. Um die sexuellen Hand-lungen von Homosexuellen macht er wei-terhin lieber einen Bogen, aber immerhin nimmt er diese als Menschen wahr, die auch in Gottes Schöpfung gehören. So sagte er schon 2013 in einem Interview mit Anto-nio Spadaro: «Wenn Gott auf eine homose-xuelle Person schaut, bejaht er die Existenz dieser Person mit Liebe oder verurteilt er sie und weist sie zurück? Man muss immer die Person anschauen.» Dies klingt zwar nicht nach einer direkten Verurteilung aber nach einer gehörigen Distanz, in der man kaum den liebenden Hirten zu erkennen vermag.Im Oktober 2020 allerdings sorgten ei-nige Äusserungen des Papstes für einen ziemlichen Wirbel in Rom, denn Franziskus befürwortete oensichtlich in einer Doku-mentation des russischen Regisseurs Jew-geni Anejewski zivile Partnerschaften für Homosexuelle. So sagte er zum Beispiel: «Homosexuelle haben das Recht, in einer ➔

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10CRUISER SOMMER 2021Familie zu leben», auch seien sie Kinder Gottes. Und dann folgt der entscheidende Satz: «Was wir benötigen, ist ein Gesetz, das eine zivile Partnerschaft ermöglicht.»Ein so nicht gesagter SatzNicht wenige Gläubige guckten mehr als ungläubig, während einige Bischöfe fast vom Glauben abelen, hatte die römische Glaubenskongregation doch 2003 noch ein Schreiben veröentlicht, in dem stand: «Nach der Lehre der Kirche kann die Ach-tung gegenüber homosexuellen Personen in keiner Weise zur Billigung des homose-xuellen Verhaltens oder zur rechtlichen An-erkennung der homosexuellen Lebensge-meinschaften führen.»Schnell recherchierte man, dass man Franziskus hier wahrhaftig so nicht gesagte Worte in den Mund gelegt hatte. Vielmehr hatte der Regisseur geschickt Zitate aus ei-nem 2019 mit dem mexikanischen Sender Televisa geführten Interview zusammenge-schnitten, in dem der Papst – immerhin – gesagt hatte: «Homosexuelle haben das Recht, in einer Familie zu leben.» Ein Satz wie ein Marshmallow, interpretierbar in jede mögliche Richtung.Dass die Meinungen des Papstes und der Bischöfe – Positionen, die meist von als «Hardlinern» empfundenen alten Männern besetzt sind – in der katholischen Kirche so viel zählen, liegt auch an ihrer zentralis-tischen und hierarchischen Struktur, wäh-rend in der evangelischen Kirche Entschei-dungen auf landeskirchlicher Ebene getrof- fen werden können, was hier eine grössere Vielfalt zulässt. Die protestantischen Ent-scheidungsträger benden sich zumeist nahe an ihren Mitgliedern und müssen sich diesen gegenüber auch viel direkter verant-worten. Zudem war die protestantische Kir-che emen wie Sexualität seit jeher oener gegenüber eingestellt als die katholische.Auch wenn es, so der SRF Religions-experte Norbert Bischofsberger in der De-batte um die Segnungen Homosexueller, eine grundlegende Überarbeitung der Stel-lung der katholischen Kirche zu Sexualität brauche, denn die römische Glaubenskon-gregation liege in ihrer Deutung und Ausle-gung der Bibel eindeutig falsch, könne ein progressiver Papst alleine nur wenig aus-richten, denn für alle Entscheidungen be-nötige er die Unterstützung der Bischofsver-sammlung. Wenn man sich dann Bischöfe wie Bonnemain oder seinen Vorgänger Hu-onder anschaut, kann man erahnen, dass dies kein einfaches Unterfangen ist.Neben dem Christentum sind in unse-rer Gesellschaft aber auch andere grosse Religionen mit vielen Mitgliedern vertreten, unter denen sich auch das gesamte LGBT*-Spektrum nden lässt. Wie geht es daher zum Beispiel jüdischen Homosexuellen im Jahr 2021? Für die meisten Menschen, die in einer christlich geprägten Gesellschaft aufge-wachsen sind, ist die orthodoxe jüdische Gemeinschaft wohl immer noch ein Mira-kel. Einblick bekommt man eher über die Medien – z. B. über die Netix-Miniserie «Unorthodox» aus dem Jahr 2020 – als durch direkte Kontakte. Sabine Exner-Krikorians Untersuchung zum Verhältnis von Juden-tum und LGBT* in den USA im oben er-wähnten Band der Edition Waldschlöss-chen viele Informationen, die sich auf europäische Juden übertragen lassen, und leistet damit eine dringend notwendige Aufklärungsarbeit. Doppelte Ausgrenzung in Bezug auf Religion und Sexualität Grundlegend ist sicherlich wichtig zu wis-sen, dass man im Tanach (der Sammlung der Heiligen Schriften des Judentums) keine hebräische Bezeichnung für Homosexuali-tät ndet, hier scheint also per se eine Lücke bzw. eine fehlende Grundlage zu existieren. Das mag allerdings auch daran liegen, dass die Tora nur Geschlechtlichkeit, nicht aber Sexualität kennt.Und sonst? Was erfährt man noch aus den Schriften, bzw. wie werden diese gele-sen und an die Gläubigen vermittelt? Was wird zum Beispiel über religiöse Pichten – die Mitzwa – gesagt? Die rabbinische Litera-tur hält fest, dass die Ehe zwischen Mann und Frau und das Zeugen von Nachkom-men eine Picht der Gläubigen sei, in diese Idealvorstellung passe, so Exner-Krikorian, Homosexualität natürlich nicht hinein. Al-lerdings sei aber das ema Homosexualität im jüdischen Diskurs nicht so wichtig, im orthodoxen Judentum zähle vor allem die Wer sich als Geistlicher so fotografieren lässt, hat mit Ärger von nicht geringem Ausmass zu rechnen.«Was wir benötigen, ist ein Gesetz, das eine zivile Partner-schaft ermöglicht.» Papst FranziskusGESELLSCHAFTKIRCHE

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11CRUISER SOMMER 2021Meinung des Rabbiners, hier scheint es also einen gewissen Spielraum zu geben.Nichtsdestotrotz fühlten sich Betrof-fene oftmals doppelt ausgegrenzt und ab-gelehnt: Nicht nur, dass sie vor allem in letzter Zeit immer stärker mit einer Ableh-nung ihrer religiösen Identität zu kämpfen haben – man erinnere sich an die Szenen in den vergangenen Monaten in Zusammen-hang mit dem Konikt zwischen Israel und Palästina –, hinzu kommt die Ablehnung ihrer sexuellen Identität gerade unter streng gläubigen Juden. Man kann sich nun leicht vorstellen, wie schmerzhaft es sein muss, jüdisch und homosexuell zu sein.Einen Lichtblick scheint es im Reform-judentum zu geben, wo sich z. B. in den USA seit den 1990er-Jahren einiges Richtung pro-LGBT* tut. Der grösste Dachverband der Reformjuden, die «World Union for Pro-gressive Judaism», zählt immerhin weltweit fast zwei Mio. Mitglieder. Das Ziel der Re-formjuden, neben dem primären Ziel der Frauenemanzipation, «ethische Prinzipien der Lebensführung zu entwickeln» steht dem Prinzip der strengen Reglementierung und Kontrolle entgegen. In der Schweiz mit ihren knapp 20 000 Juden / Jüdinnen gibt es schon seit den 1970er-Jahren in Genf, Zürich und Basel Reformbewegungen. Um eine ungefähre Grösseneinschätzung zu haben, kann man sagen, dass sich von den Schweizer Gläubi-gen derzeit ca. ein Zehntel zum Reform-judentum bekennen, allerdings sind sie die Gruppierung, die im Unterschied zu den konservativen Kreisen zur Zeit wachsende Mitgliedszahlen zu verzeichnen hat.Don’t ask – don’t tellWeltweit kam es seit den letzten Jahrzehn-ten des vergangenen Jahrhunderts zu Gründungen von LGBT*-Synagogen, et-was, was z. B. die deutsche UpJ (Union pro-gressiver Juden) ablehnt. Deren Mitglieder plädieren zwar eindringlich für Toleranz im privaten Bereich, leben ansonsten aber lieber nach dem don’t ask - don’t tell-Prin-zip, eine Haltung, die sicherlich in der heu-tigen Zeit nicht unbedingt progressiv ge-nannt werden kann.Ein Verschweigen und Nicht-Hingu-cken ist sicherlich nicht nur für bestimmte Gruppierungen im Judentum konstatierbar, gilt es doch auch im Islam und hier unter an-derem im Nahen Osten. Überhaupt lassen sich einige Parallelen im Umgang mit Ho-mosexualität zwischen Judentum und Islam erkennen. So wie im Judentum die Meinung des Rabbiners von hoher Bedeutung ist, richten sich die islamischen Gläubigen nach der fatwa, also der juristischen Meinung des islamischen Rechtsgelehrten, dem mufti. Dabei ist zu erkennen, dass in den letzten Jahrzehnten häuger Meinungen zu Fragen der (Homo-)Sexualität angefordert wurden, um, so Serena Tolino, die Abgrenzung des Islam von homosexuellen Identitäten klar-zustellen. Es zeige sich für den gleichen Zeit-raum aber auch, dass es nun zu der Entwick-lung es homosexuellen Selbstverständnisses komme, trotz der grundsätzlichen Einschät-zung, dass es sich bei Homosexualität um eine schwere Sünde handele, was eine abso-lute Unvereinbarkeit mit dem Islam bedeu-te. Tolino stellt fest, dass die in den antiho-mosexuellen Diskursen genannten Belege nicht sicher auf den Propheten Mohammed zurückzuführen seien, dies störe die Gegner der Homosexualität und somit der Homose-xuellen aber nicht.Nachkommen als gemeinsames ParadigmaIm Nahen Osten gestalten sich die Möglich-keiten der LGBT*-Community sehr unter-schiedlich. So hat der Libanon eine recht starke queere Bewegung mit Internetprä-senz, Zeitschriften und öentlichen Veran-staltungen. Besonders fortschrittlich er-scheint hier auch die Rechtsprechung, da man im Libanon seit Januar 2014 nicht mehr aufgrund von Homosexualität verurteilt werden kann, man hat ihr das Attribut der «Widernatürlichkeit» genommen. In Ägyp-ten wiederum wurde zwar im Jahr 2010 die Organisation «Bedayaa» gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, der Homosexualität in Ägypten und im Sudan eine Stimme zu ge-ben, doch von Akzeptanz ist man dort noch weit entfernt. So wurden im Jahr 2016 in Ägypten elf Männer wegen so genannter «Ausschweifung» zu Haftstrafen zwischen drei und zwölf Jahren verurteilt. Der Begri der Ausschweifung scheint uns vielleicht et-was merkwürdig, macht in diesem Zusam-menhang allerdings Sinn, weil Homose-xualität eigentlich nach ägyptischen Recht nicht strafbar ist.Übereinstimmend mit dem Judentum und dem Christentum wird auch im Islam die fehlende Möglichkeit der Nachkom-menschaft in homosexuellen Partnerschaf-ten als eins der Hauptargumente angeführt. Nicht nur, dass es heute auch ausreichend heterosexuelle Paare gibt, die – freiwillig – auf Kinder verzichten, wenn wirkt diese Ar-gumentation vollkommen absurd. Trotz-dem nden wir diese Argumente auch immer wieder in westlichen Kulturen und Staaten, z. B. wenn es über das Önen des Ehegelübdes, Stichwort «Ehe für alle», geht. Interessanterweise wird so häug gesamt-gesellschaftlich und nicht etwa nur in reli-giösen Kreisen argumentiert.Das nächste Argument der LGBT*-Gegner, Gott habe den Menschen absolut perfekt geschaen, daher könne er ihn gar nicht homosexuell gemacht haben, das müsse also ein Werk des Teufels sein, geht in seiner fehlenden Logik sogar noch weiter. Wer einmal Nachrichten schaut, wird mit so vielen unperfekten Menschen konfrontiert, das man am göttlichen Perfektionismus per se Zweifel anmelden sollen.Interessant ist, dass in allen drei gros-sen Weltreligionen immer wieder die glei-chen Geschichten bei der Argumentation gegen homosexuelle Identitäten heranzie-hen (Sodom und Gomorrha, die Geschichte des Propheten Lot).Man ndet also eine erstaunliche Meinungsgleichheit zwischen den einzel-nen Religionen im Umgang mit Nicht-Hete-rosexualität, weswegen die Abschätzigkeit, mit der die eine Religion auf die andere blickt, oder der Hass, mit dem Gläubige Andersgläubigen begegnen, noch unsinni-ger als sowieso erscheint. Immerhin vereint doch alle drei grossen Religionen ihr – in orthodoxen Krei sen – antiquierter, konser-vativer Umgang mit Queerness. In allen drei grossen Weltreli-gionen werden immer wieder die gleichen Geschichten bei der Argumentation gegen homose-xuelle Identitäten herangezogen (Sodom und Gomorrha, die Geschichte des Propheten Lot).Carolin Küppers/ Martin Schneider (HG.): Zwischen Annäherung und Abgrenzung. Religion und LSBTIQ* in gesellschaftlicher Debatte und persönlichem Erleben. Edition Walschlösschen im Männerschwarm Verlag (Berlin) 2021.Preis CHF 26.90 ISBN 978-3-86300-288-6GESELLSCHAFTKIRCHE

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12CRUISER SOMMER 2021KULTURBUCHTIPPBUCHTIPPAlfonso Reis Cabral: Aber wir lieben dich. Hanser Literaturverlag.Preis CHF 36.90 ISBN 978-3-446-26920-0VON BIRGIT KAWOHLWie lässt der 1990 in Portugal Reis Cabral seinen Erzähler zu Beginn seines Romans so schön sagen: «Der Zusam men stoss zweier prekärer Welten der Konikt aller Beteiligten, [...] eine Auseinander setzung mit dem Körper, die Folgen der Armut, [...] die Balance zwischen Verzwei ung und Honung. Nichts Besonderes also.» Dieses Nicht-Besondere macht genau den Kern und absurderweise auch das Besondere dieses Romans aus.Ausgehend von einer Struktur, die man von Novellen oder auch den «Märchen aus 1001 Nacht» kennt, spinnt der Erzähler aus der Rahmenhandlung in der Binnen-handlung eine verzweifelte Geschichte eines viel zu erwachsen wirkenden Zwölf-jährigen, der in seinem Leben schon so viel gesehen und erlebt hat, dass ihm eine todkranke trans Frau, die er in einem Abbruchhaus entdeckt, Honung gibt und ein Gefühl von Liebe schenkt.Rafael, dessen Geschichte vom – ktiven – Erzähler rekonstruiert und er-zählt wird, was dem Ganzen Glaub wür-digkeit und Realität gibt, lebt in einem Jugendheim zusammen mit anderen ver-lassenen, verlorenen und vergessenen Jugendlichen, die ihr Leben nehmen, wie es kommt und doch versuchen, etwas daraus zu machen, auch wenn Demü-tigung, Schläge und Hass hinter jeder Ecke lauern. Auf einem seiner Streifzüge ndet der Junge Gisberta, die sich in einer Ruine zwischen Müll und Abwasserlöchern eine Art Wohnung gebaut hat.Rafa ist nicht nur abgeschreckt-fas-ziniert von Gisberta, die trotz ihrer mise-rablen körperlichen Konstitution aufgrund einer fortgeschrittenen Tuberkulose etwas Magisch-Anziehendes hat – erst spät wird ihm klar, dass sich hinter Gisberta eigentlich Gisberto verbirgt – er hat auch das Gefühl, dass er, der immer umgeben ist von anderen Jungs, endlich einmal etwas für sich alleine hat. Irgendwann jedoch kann er es nicht mehr aushalten und verrät seinen besten Freunden das Versteck und muss enttäuscht feststellen, dass sein Freund Samuel Gi aus einem früheren Leben kennt. So prallen Eifersucht, Verletzlichkeit, Vertrauen und Freundschaft aufeinander, wobei der Leser schnell merkt, dass das Ganze kein gutes Ende nehmen kann und zwar nicht nur deswegen, weil von Anfang an klar ist, dass Gi ob ihrer Krankheit nicht mehr lange zu leben hat. Die Ansätze von Verständnis für die Transsexuelle kollidieren immer wieder mit dem Abscheu gegen alles Nicht-Hetero-sexuelle. Wie soll es auch anders sein, iegen im Heim, auf der Strasse und in der – selten besuchten – Schule doch im-mer wieder Wörter wie «Schwuchtel» als Schimpfwörter durch die Luft, Wörter, mit denen sich die Starken behaupten und von den vermeintlich Schwachen distanzieren.Auch Rafa versucht, die Welt, in die ihn Gisberta hineinzieht, durch eine Freund schaft mit einer Gleichaltrigen zu kompensieren und merkt doch, dass ihn das nicht glücklich macht. Eigentlich weiss er nämlich, dass viel mehr dazu gehört, ein «Glücklicher Prinz» zu werden, eine Figur, von der Gisberta früher im Bordell den Kindern der anderen Nutten erzählt hat.Als dann noch der gefürchtete Wort-führer des Heimes mitbekommt, was sich in der Ruine abspielt, weil Rafael denkt, durch den Verrat in eine bessere Position zu kommen, ist Gis Schicksal besiegelt. Eifersucht, Verletzlichkeit, Vertrauen und Freundschaft prallen aufeinander, wobei der Leser schnell merkt, dass das Ganze kein gutes Ende nehmen kann.Jugendliche, die auf eine brasilianische trans Frau treffen, eine Spirale, die sich abwärts bewegt, eine Geschichte, die im Tod endet.Ein Verhältnis zwischenAbscheu und Freundschaft Bilder © PD

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13CRUISER SOMMER 2021GESELLSCHAFTPRINCE CHARMINGVON BRITTA SCHULTEJANS & HAYMO EMPLMit dem Hashtag «lifechanger» hat der 21 Jahre alte Henry Frömmi-chen auf Instagram das Sele un-terschrieben, das womöglich tatsächlich sein Leben verändert hat. Es ist ein spon-tanes Foto mit Alexander Schäfer, dem «Prince Charming» aus der gleichnamigen Dating-Show, welche erfolgreich im deut-schen TV läuft, so quasi die schwule «Bachelor»-Variante. Aufgenommen wurde das Sele oenbar schon vor längerer Zeit an einem sichtlich kalten Abend an einer Bushaltestelle in München, den Odeons-platz im Hintergrund.Was passierte, nachdem Frömmichen das Bild postete, machte unlängst Schlag-zeilen. Nach seinen Angaben ist das Sele mit «Prince Charming» der Grund dafür, dass er nach nur drei Monaten aus dem ka-tholischen Priesterseminar og. Der Leiter des Priesterseminars habe das Foto auf Instagram entdeckt und das sei dann «der Auslöser» für seinen Rauswurf gewesen, sagt Frömmichen der Deutschen Presse-Agentur nach einem Segnungsgottesdienst für schwule und lesbische Paare in Mün-chen, bei dem er als Ministrant dabei war. Die Kirche will keine GaysDer Seminarleiter habe ihm nach der Ent-deckung des Fotos vorgeworfen, «ich würde mich mit homosexuellen Menschen solida-risieren und die Art von Homosexualität, wie sie da im Fernsehen dargestellt wird, propagieren», sagt Frömmichen, der nach eigenen Angaben vor seinem Eintritt in das Seminar drei Jahre lang mit einem Mann zusammen war.Das Erzbistum München und Frei-sing will sich zu den Gründen, warum der junge Mann das Priesterseminar verlassen musste, auf Anfrage nicht äussern. Ebenso auch der Seminarleiter Wolfgang Lehner. Er betont aber:«Wenn jemand homosexu-ell geprägt ist, es aber schat, unaufgeregt ein gesundes Beziehungsgefüge zu Män-nern und zu Frauen zu entwickeln, wenn also dieses ema der Sexualität nicht dau-ernd im Vordergrund steht, für den sehe ich keinen Grund, warum er nicht Priester werden kann.»Auch wenn ihn das Sele möglicher-weise seinen Traumberuf gekostet hat, be-reut Frömmichen es nicht, wie er betont. «Ich nde, es ist wichtig, gerade in der heu-tigen Zeit einfach Farbe zu bekennen und einfach für das einzustehen und für die Menschen einzustehen, die einem wichtig sind», sagt er. «Ich glaube, das ist vor allem wichtig für die jungen Menschen, die ein-fach sehen: Okay, da ist jemand, der ist zwar schwul, aber er will diesen Weg ge-hen, will Priester werden.» Ein spontanes Selfie mit dem Star der schwulen TV-Datingshow «Prince Charming» hat das Leben von Henry Frömmichen verändert. Er flog aus dem Priesterseminar.Wie ein Selfie mit «Prince Charming» ein Leben veränderteEin Selfie, das ein Leben veränderte: Henry Frömmichen mit «Prince Charming».Segnungen innerhalb der katholischen Kirche waren in letzter Zeit immer wieder Anlass für Ärger und Kritik.Bilder © PD

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14CRUISER SOMMER 2021Wenn Firmen sich für LGBT* engagieren, wollen sie damit meist Geld verdienen. Das sei nicht das Ende der Welt, findet Michi Rüegg.Aufarbeiten, statt AnbiedernVON MICHI RÜEGG«Es nervt», schrieb mir Haymo Empl, der Chefredaktor dieser ehrenwerten Publikation. Mit «es» meinte er Produkte, die auf LGBT* ma-chen, um sich bei unsereins anzubiedern. Zum Beweis schickt er mir ein Foto eines Trockenshampoos in Sprayform, übersäht mit Regenbogensymbolen. Und dem Hin-weis, es sei «fruity and bright», darunter steht «love is love». Ganz abgesehen davon, dass ich den Sinn von Trockenshampoos nie verstanden habe: Was an dem Ding besonders schwul sein soll, erschliesst sich mir nicht. Aber wir leben in einer freien, halbwegs liberalen Ge-sellschaft. Und das heisst: Jede*r hat das ga-rantierte Recht, eine saudumme Idee um-zusetzen und damit zu scheitern.«Pinkwashing» ist ein Begri, der mir gelegentlich begegnet. Er wird etwas unge-nau für Firmen verwendet, die sich schein-bar an die LGBT*-Community anbiedern, um daraus einen (meist) wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Die Grenze, wann ernst gemeintes Engagement aufhört und die An-biederung beginnt, scheint iessend zu sein.Gewisse besonders bewegte Gemüter schreien bereits auf, wenn Google an der Pride einen Wagen auf die Strasse schickt. Ich persönlich mag darin keinen Skandal erkennen. Ich habe mich immer wieder für LGBT*-Zeug engagiert, bei dem wir Sponso-ren gesucht haben. 2009, als ich für die Eu-ropride Zürich arbeitete, hätten wir gerne die SWISS irgendwie an Bord gehabt. Gibt ja wenig Unternehmen, die einerseits einen so hohen Gay-Anteil unter den Mitarbeitenden haben und andererseits so stark vom pinken Franken protieren – schliesslich braucht man für Bumstrips nach Berlin, Maspalo-Das Inferno auf der Bühne in «Afterhour» von Nadia Fistarol.Bild © Haymo Empl Trockenshampoo auf der Cruiser-Redaktion: Ein typisches Beispiel für «Pinkwashing» und damit verbunden auch für das Geschäft mit dem Regenbogen.KOLUMNEMICHI RÜEGG

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15mas und London massenhaft Flugtickets. Doch die SWISS zierte sich, wollte sich nicht so richtig exponieren. Erst Jahre später be-wegte sie sich, seither macht sie beim Pink Apple mit.Hier und da etwas Nettes reicht nichtGrosse Unternehmen geben Abermillionen für irgendwelche bekloppten Sportarten aus, die mich einen Scheiss interessieren. Der Hersteller des Tierfutters meiner Katze wurde mal dabei erwischt, wie er Bärenjag-den in Osteuropa nanzierte. Wenn Firmen also auch nur ein bisschen was von ihren Sponsoringbudgets in die Kassen von ge-meinnützigen LGBT*-Organisationen spü-len, mag ich darin nun wirklich keinen Skandal erkennen. Geht etwas weniger an korrupte Sportverbände.Allerdings sollten wir auch nicht gleich auf die Knie fallen vor Unternehmen, die ihre Sympathie mit uns oen zeigen. Manche von ihnen könnten nämlich durch-aus etwas mehr tun. Sie haben oft eigene Geschichten, die sie aufarbeiten sollten. Banken, Versicherungen, nicht zuletzt die öentliche Verwaltung bei Kantonen und Bund haben in der Vergangenheit schwieri-ge Episoden im Umgang mit gleichge-schlechtlich liebenden Menschen an den Tag gelegt. Wegen handfester oder schwam-miger Gerüchte sind Karrieren zerstört wor-den, Mitarbeiter*innen entlassen oder ge-mobbt worden. Partner*innen sind um Vorsorgegelder geprellt worden. Wahr-scheinlich fänden sich vielerorts unrühmli-che Episoden im Umgang mit schwulen und lesbischen Angestellten – wenn man denn danach suchen würde. Es reicht nicht, im Hier und Jetzt et-was Nettes zu tun. Wenn Unternehmen ihre neu entdeckten Bekenntnisgelüste ge-genüber der Regenbogenagge ernst näh-men, würden sie sich mit ihrer eigenen Ver-gangenheit auseinandersetzen. Unrecht ist genug geschehen. Und der Verweis, früher seien eben andere Zeiten gewesen, die Leute hätten nun einmal konservativer ge-dacht – das reicht nicht. Ich kenne ältere Schwule, denen im Beruf Steine in den Weg gelegt wurden, weil sie nicht hetero waren. Diese Leute leben noch. Man muss nicht unbedingt warten, bis sie verstorben sind, um dann irgendwann reumütig zu verkün-den, es sei halt in der Vergangenheit viel Unrecht geschehen. Generell würde ich sagen: Hände weg von Trockenshampoos. Und als Botschaft an Unternehmen, die LGBT*-Zeug unterstützen möchten: Vielleicht beauftragt ihr mal eine Historiker*innenkommission, die sich mit euren HR-Archiven auseinandersetzt. So-fern nicht schon alle Beweise vernichtet worden sind. Das würde eure Freude an uns ein wenig glaubhafter erscheinen lassen. Aktuell mit Coachings von Ärztinnen und Ärztenin Mosambik. Helfen Sie mit: solidarmed.chZusammenarbeit, die wirkt. Wir liefern keine Medikamente. Sondern medizinisches Fachwissen. Gaoussou Diakité, GynäkologeKOLUMNEMICHI RÜEGGGanz abgesehen davon, dass ich den Sinn von Trockenshampoos nie verstanden habe: Was an dem Ding besonders schwul sein soll, erschliesst sich mir nicht.ANZEIGE

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16CRUISER SOMMER 2021ADVERTORIALEine Laufchallenge, eine Hochzeitskappelle und regenbogenfarbige Cupcakes: Bei der Allianz Suisse wird Pride grossgeschrieben. René Engeler, Customer Experience Manager bei der Allianz Suisse und Vorstandsmitglied des LGBTIQ+-Netzwerks «Allianz Pride», erzählt, wie Unternehmensnetzwerke einen Beitrag an die Community leisten.So wird in Unternehmen Pride gefeiertRené, euer CEO hat kürzlich auf seinem LinkedIn-Profil ein Statement zur Ehe für alle abgegeben. Was bedeutet das für euer LGBTIQ+-Netzwerk «Allianz Pride»?Als ich erfuhr, dass sich Severin dazu äussern will, war ich völlig aus dem Häuschen. Es ist ein äusserst kraftvolles Statement eines Firmenchefs. Ihm als CEO der Allianz Suisse ist es wichtig, sich für die Gleichstellung aller Mitarbeiter*innen einzusetzen und auch danach zu handeln. Es ist schön zu sehen, wie weit wir bei der Allianz Suisse in Sachen Diversity & Inclusion schon sind, und es macht mich stolz, dies aktiv mitzugestalten. Für uns ist klar, es ist längst kein Lippenbekenntnis mehr: Bereits 2019 waren wir am Zurich Pride Festival mit der Allianz Wedding Chapel vor Ort. Dort standen wir zum ersten Mal öentlich für die Ehe für alle ein. Wir sind Sponsor des Swiss Diversity Awards und seit kurzem im neu geschaenen Wirtschaftsbeirat von Pink Cross vertreten, um noch mehr Gleichstellung zu erreichen. Die Hochzeitskapelle der Allianz an der Zurich Pride.Bild © zVg

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17CRUISER SOMMER 2021ADVERTORIALRené Engeler – Vorstandsmitglied des LGBTIQ+-Netzwerks «Allianz Pride».Ihr habt euch letztes Jahr aufgrund der Absage der Zurich Pride entschieden, einen eigenen Pridemonat zu veranstalten. Wie kam es dazu, was habt ihr gemacht und welche Rückmeldungen gab es?Mit der Pandemie und der daraus re sul-tierenden Absage des Zurich Pride Festivals ist ein wichtiger Teil der Visibilität für LGBTIQ+-Menschen weggefallen. Das woll-ten wir nicht untätig hinnehmen. Sicht-barkeit gegen aussen schufen wir, indem wir mit 20 anderen Unternehmen zusam-menspannten und für die Vielfalt am Ar-beitsplatz einstanden. Intern ver an stal teten wir Events wie eine vir tuelle Allianz Pride Chain, bei der sich Mitarbeitende als Zei-chen der Zusammengehörigkeit über den Bildschirm hinweg die Hände reichten, oder eine Food Challenge, bei der regenbo-genfarbige Cupcakes und Menüs entstan-den. Der Höhepunkt jedoch war der Allianz Pride Run, an dem jede*r mitmachen konn-te. Das Resultat: Sage und schreibe 6419 km wurden gerannt und dabei – symbolisch fürs Brückenschlagen – 1619 Brücken über-quert. Das ist die Distanz von hier nach New York! Unser Netzwerk rechnete die Anzahl Kilometer und Brücken in einen Geldbetrag um und spendete diesen dem Verein Zurich Pride. Damit wollten wir die vielen frei wil-ligen Helfer*innen unterstützen, denn sie machen einen tollen Job und leisten einen echten Mehrwert für die Gesellschaft. Ihr seid die erste Versicherung, die das Swiss LGBTI Label erhalten hat. Welche Geschichte steckt dahinter? Rückblickend ist es eine Geschichte mit Happy End, denn der Beginn war holprig. Wir wurden vor ein paar Jahren direkt vom Verein Network, der das Swiss LGBTI Label verleiht, angefragt, ob wir uns als Test unter-nehmen zur Verfügung stellen möchten. Die Ergebnisse der Testreihe haben das Ge-fühl, das bereits beim Aus füllen des Assess-ment-Bogens bei uns auf kam, dann bestä-tigt: Es gibt bei uns noch Luft nach oben. Statt lange Gesichter zu ziehen, haben wir uns daraufhin mit viel Motivation intern beraten und uns gefragt, bis wann wir Knackpunkte realistisch angehen können. Wir wollen eine Unternehmenskultur scha en, in der Oenheit, Inklusion und Wertschätzung für LGBTIQ+-Menschen ge-lebt wird. Und das hat sich gelohnt! Welche Formen der Interaktion und Begeg-nung nutzt ihr, um «Allianz Pride» zu leben und dessen Vision nach aussen zu tragen? In unserer Vision haben wir drei Pfeiler für unser LGBTIQ+-Netzwerk deniert: Das in-terne Netzwerk stärken, innerhalb der Alli-anz ein Bewusstsein für LGBTIQ+-emen schaen und die externe Kom munikation und Visibilität fördern. Unser internes Netzwerk stärken wir durch unsere Insight Lunches, in denen wir während des Mittag-essens aktuelle emen beleuchten. Wir treen uns auch ausserhalb der Bürozeiten, beispielsweise zu unserem traditionellen Glühwein am Weihnachts markt. In Corona-Zeiten ist es leider etwas schwieriger, den internen Austausch auf recht zuerhalten. Mit virtuel len Apéros ver suchen wir es trotzdem. Das Bewusstsein innerhalb der Allianz schaen wir neben Kommunikatio-nen im Intranet – zum Bei spiel als das Refe-rendum zur Ehe für alle eingereicht wurde oder am Coming-out-Day – auch über die Diskussion von LGBTIQ+-relevanten e-men im Allianz Diversity Board, in dem wir vertreten sind und auch Mitglieder der Ge-schäftsleitung Einsitz haben. Sicher eine der grössten Interaktions- und Begeg-nungschancen bot uns die Präsenz an der Zurich Pride mit der Allianz Wedding Cha-pel vor zwei Jahren. Damit erreichten wir viel Aufmerksamkeit für die Ehe für alle. Das war ein schöner Blick zurück und in die Gegenwart – was steht denn nun mit Blick nach vorne an?Gerne möchten wir, sofern möglich, auch dieses Jahr wieder an der Pride teilnehmen und den Pridemonat innerhalb der Allianz aktiv gestalten. Der letztjährige Allianz Pride Run generierte viel positives Echo, sodass wir ihn – erweitert um andere Sport-arten – auch in diesem Jahr durchführen wollen. Das Tolle ist ja, dass man überall Sport treiben und Brücken schlagen kann. Das geht also auch prima während der Coronakrise. Zudem möchten wir die Re-zertizierung des Swiss LGBTI Labels vor-bereiten, welche regelmässig ansteht sowie «Allianz Pride» wieder stärker beleben. Und ich kenne mich, wahrscheinlich fallen mir und dem Netzwerk noch viele weitere Ideen ein, mit welchen wir für mehr Diversität, Oenheit, Zugehörigkeit, Einheit und Ge-rechtigkeit für alle Menschen inner- und ausserhalb der Allianz einstehen können. So oder so, wir bleiben dran und das mit viel Motivation. «Der Höhepunkt jedoch war der Allianz Pride Run, an dem jede*r mitmachen konnte. Das Resultat: Sage und schreibe 6419 km wurden gerannt und dabei – symbolisch fürs Brücken - schlagen – 1619 Brücken überquert. Das ist die Distanz von hier nach New York!» René EngelerDie «Mut heisst machen»-Kampagne der Allianz Suisse ermutigt dich, deine Pläne Wirklichkeit werden zu lassen.

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18CRUISER SOMMER 2021COMMUNITYREGENBOGENHAUSHAZ begründet neue Ära für die queere Community in Zürich. Wir sprachen mit Geschäftsführer Hannes Rudolph.Das Regenbogenhaus schafft Raum für BegegnungenVON TEAM CRUISERHannes, Du bist ja neben deiner Tätigkeit als Geschäftsführer der HAZ auch im Vorstand des Regenbogenhauses tätig, beschreibe doch kurz, worum es sich beim Regenbogen-haus handelt.Hannes Rudolph: Das Regenbogenhaus ist ein Verein, zu dem ganz viele Vereine gehö-ren. Die HAZ – der Verein – sind nun ins Re-genbogenhaus eingezogen. Weiter ist das Regenbogenhaus auch die Geschäftsstelle der Milchjugend. Ganz viele andere Organi-sationen sind daran beteiligt und stellen Be-ratungen sowie andere Angebote zur Verfü-gung und nutzen die Räume für ihre Veranstaltungen. Das Regenbogenhaus ist eine halbe Etage im ersten Stock vom Zollhaus und liegt ebenerdig zur Gleisterasse ebenerdig. Welche Räume gibt es im Regenbogenhaus?Das Regenbogenhaus soll eine exible Raumaufteilung möglich machen. So kön-nen zwei oder auch drei Nutzungen parallel laufen. Insgesamt sind es vier Räume plus die Zollküche und die Terrasse, die wir mit-benutzen können. Die Räume sind das «House of Color», welches der vielseitigste Raum ist. Das «House of Books» ist der Raum, in dem die meisten Bücher stehen. Das «House of Fluid» kann aufgrund seiner Lage in der Mitte je nach Bedarf zu dem einen oder anderen Raum dazukommen.Diese drei Räume sind grundsätzlich ein grosser Raum, der durch Spiegelwände abgetrennt werden kann, auch die akusti-sche Trennung ist sehr gut. Zusätzlich gibt es das «House of Love». Dieser Raum heisst so, weil er sich gut für Gesprächsgruppen eignet und für andere Nutzungen, in denen die Community sich von ihrer liebevollen Seite zeigt. War der Abschied vom Centro schwer?(lacht) Ich würde lügen, wenn ich sagen würde «Nein». Es war eine sehr lange Zeit, die ich im Centro verbracht habe. Und es waren auch schöne Räume, mit dem Blick auf die Limmat. Ein bisschen werde ich das schon vermissen. Was ich aber ganz sicher nicht vermis-sen werde, sind die drei Etagen ohne Lift. Für Veranstaltungen die für alle zugänglich sein sollten, musste ein anderer Raum orga-nisiert werden. Und auch die Küche und die Enge werde ich ganz sicher nicht vermissen. Hannes Rudolph im Regenbogenhaus.Bild © zVg

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19CRUISER SOMMER 2021COMMUNITYREGENBOGENHAUSDas Regenbogenhaus schafft Raum für Begegnungen(lacht) Die Freude, im Regenbogenhaus zu sein, überwiegt ganz klar. Wie verlief der Umzug vom Centro ins Regen-bogenhaus?Die eigentliche Zügelei ging sehr schnell, nämlich genau einen Vormittag. Wir enga-gierten eine Zügelrma und es war toll zu sehen, wie die grossen Inventarstücke mit einem Kran ruckzuck von aussen vom drit-ten Stock nach unten transportiert wurden. Kleinere Dinge haben wir vorher und nach-her selbst separat transportiert. Letzte Wo-che brachten wir noch einige Archivdinge ins Regenbogenhaus. Mittlerweile ist alles gezügelt und im Centro sind nur noch Dinge, die wir gerne verkaufen, verschenken oder weitergeben wollen. Was ändert sich für die HAZ mit dem Umzug?Das Regenbogenhaus ist auf volle Flexibili-tät eingestellt. Das Büro ist nicht mehr klar abgetrennt. Jetzt ist es eher ein grosses Areal, in dem wir arbeiten. Und wir sind schon alleine durch die grosse Glasfront sichtbarer – da schauen sicherlich auch mal schneller Leute rein. Weitere Veränderungen bemerken wir wohl erst, wenn wieder mehr Events und Treen möglich sind. Viele Anlässe können noch nicht stattnden, zum Beispiel die Kochanlässe, da werden wir von der gros-sen Küche protieren können. Die Schwu-bliothek wird zur «Bibliothek im Regen-bogenhaus» und spricht nun alle Menschen aus dem queeren Alphabet an, nicht mehr nur schwule cis Männer. Im Centro konnte man mehr oder weniger anonym ins Haus kommen. Das Regenbogen-haus ist offen und sichtbar – was macht ein Mensch, der noch nicht so weit ist? Habt ihr daran gedacht?Ja, haben wir. Es gibt viele Möglichkeiten, uns zu besuchen. Die sichtbarste Variante ist über die Gleisterrasse, dort ist das Regen-bogenhaus auch prominent angeschrieben. Man kann aber auch durch den Hauptein-gang ins Zollhaus und von dort aus ins Re-genbogenhaus. Da sieht man nicht, wohin die Person genau geht. Im Zollhaus sind Wohnungen und verschiedene Gewerbe, man outet sich also nicht als Regenbogen-haus-Besucher, wenn man hineingeht. Es ist auch möglich, vorher anzurufen oder per Mail einen Termin zu vereinbaren. Gesprä-che können dann in einem geschützteren Raum stattnden. Abschliessend laden wir dich ein, noch ein bisschen zu träumen. Was wünschst du dir fürs Regebogenhaus?Das Regenbogenhaus soll ein Ort sein, in dem die Bedürfnisse, welche die Commu-nity heute oder auch morgen hat, Platz n-den. Die Community soll Unterstützung er-halten, es sollen Gruppen gegründet werden können, Anlässe sollen durchgeführt wer-den können. Das war auch schon der Wunsch der HAZ, als wir noch im Centro waren.Mein grösster Wunsch ist es, dass queere Menschen diesen Raum im Regen-bogenhaus nden und nutzen. ANZEIGEWIR SEHEN UNS IM REGENBOGENHAUS!QUEERZÜRICHAb Mai findet ihr uns hier: REGENBOGENHAUSZOLLSTRASSE 1178005 ZÜRICHHAZ.CH/MEMBER-WERDEN/2021_210x138_Inserat_HAZ_Regenbogenhaus.indd 12021_210x138_Inserat_HAZ_Regenbogenhaus.indd 1 18.03.21 13:2818.03.21 13:28

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20CRUISER SOMMER 2021LIFESTYLEBRUSTHAAREszene & subkulturBild © PDAuf 2,5 Zentimeter bringt es ein Brusthaar im Schnitt. Davon dürften diesen Sommer deutlich mehr zu sehen sein – denn Brustbehaarung liegt im Trend.VON MARCO KREFTINGDie Männerbrust wird wieder mehr zu einer haarigen Angelegenheit. Die Zeiten metrosexueller Glätte à la David Beckham sind vorbei. «Aktuell be-wegen wir uns in eine neue Hippie-Ära. Der perfekt glatte überstylte Prototyp der 1990er-Jahre trit endgültig nicht mehr den Modegeschmack», sagt Constantin Herr-mann, Beauty-Director des Stil-Magazins «GQ Gentleman's Quarterly». «In den kom-menden Jahren werden viele ästhetische Elemente der späten 60er- und frühen 70er-Jahre wiederkehren.» Heisst: Es wird auch wieder mehr Körperhaar kommen. «In Werbung, Filmen und – wenn man das Glück eines regelmässigen Haarwuchses hat – auch auf der eigenen Brust.»Wildwuchs wie einst bei Tom Selleck, welcher optisch an ein plattgelegenes Meerschweinchen erinnerte, ist aber auch nicht angesagt. Auch die Hersteller von Rasierern und Zubehör stellen einen «Trend zur In dividualität» fest, wie es bei Braun und Gillette heisst. «Der eine mag das Brusthaar eher getrimmt, während der andere eine glatte Brust bevorzugt.» Das ema Körper rasur sei zu einer Frage des Lifestyles ge worden und mittlerweile ein fester Bestandteil der (männlichen) Pege-Routine. Wobei die Firmen naturgemäss jene Kunden im Visier haben, die lieber einmal mehr zum Rasierer greifen.Laut einer repräsentativen Studie der Uni Leipzig (wir vom Cruiser wundern uns manchmal doch, was an Unis so alles er-forscht wird…) entfernten 2018 22 Prozent der Männer Haare am Oberkörper. Vor allem in der Gruppe der 25- bis 34- Jährigen war diese Art der Körperpege beliebt, dort wa-ren es mehr als ein Viertel (27,7 Prozent) der be fragten Personen, die zum Rasierer grien.Gillette verweist auf eine eigene Stu-die, wonach 56 Prozent der Männer in der D/A/CH-Region ihren Körper enthaaren. Viele machten das nicht nur aus ästhe ti-schen Gründen, sondern auch aus hygie ni-schen: «Schweiss, Hautzellen und schlechte Gerüche setzen sich im Körperhaar fest und lassen die Frische schnell verschwinden.» Da Seife nach der Haarentfernung doppelt so lange halte wie auf unrasierter Haut, bringe die Haarentfernung einen Frische-vorteil von bis zu 24 Stunden.Trend und GegentrendWenn nun das Brusthaar wieder spriesst, sieht die Psychologin Ada Borkenhagen der Uni Leipzig darin eine Art Gegentrend: Auf das recht androgyne Äussere mit jünglings-hafter Glattheit folgte zuerst der Bart, nun das Brusthaar. «Das kommt aus der Schwu-lenszene, wird aber inzwischen auch bei heterosexuellen Männern schick.» Tenden-ziell folgten eher junge Männer in Gross-städten der Mode zum gestutzten Brusthaar. «Aber auch auf Ältere, die jung erscheinen wollen, hat der Trend übergegrien.» Ein weiterer Grund: Heterosexuelle Frauen hätten bei Tätowierungen aufgeholt, sagt Borkenhagen. Brusthaar tauge da für Männer als Abgrenzungsmerkmal. Ein Re-vi val des Rückenhaars droht ihrer Ein-schätzung nach übrigens nicht: «Das erin-nert zu sehr an Aen», meint die Expertin. «Dann ist die Grenze zwischen den Arten nicht mehr gewährleistet.»Nichtsdestotrotz gibt es beim ema Brust haar einiges zu beachten. Ein durch-schnitt liches Brusthaar werde ungefähr 2,5 Zentimeter lang, sagt «GQ»-Stilexperte Herrmann. «Wer die Länge an sich mag, braucht nicht zu trimmen.» Ansonsten trage Mann Brusthaar länger als auf dem Bauch, idealerweise kürzer als zwei Zenti-meter. Die Schultern bleiben in jeder Ver-sion völlig haarfrei. Auch die Brustwarzen sollten gerne freigehalten werden. «Zu - ge wuchert wirken sie unsexy.» Wer ein Vorbild suche, werde bei Schauspielern fündig: «Bradley Cooper trägt das aktuell vielleicht schönste Brusthaar, gefolgt von Jason Statham.»Ausserdem mahnt Herrmann: «Oen zur Schau getragene Brusthaare sind eben-so wie eine völlig blankrasierte Brust immer noch sexuelle Attribute.» Wir vom Cruiser nden also: her damit! Ein Hoch aufs Brusthaar Bei diesem Exemplar von Mann sind wir uns nicht ganz so sicher, ob Brusthaare lassen oder weg damit. Tatsache ist, dass die ganz haarlose Zeit vorüber ist. Das sagen auf jeden Fall aktuelle Studien.

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szene & subkulturCRUISER SZENE: AM PULS DER LGBT*-COMMUNITY. AKTUELL, INFORMATIV UND MITTENDRIN.Bild © PD

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CRUISER SOMMER 2021FOKUSPRIDE 2021Kommt sie doch noch, die Pride 2021?Die Zurich Pride scheint doch noch als Parade stattzufinden. Wir schauen auf die Anfänge zurück und zeigen, wo es Baustellen gibt.VON ANDREAS FAESSLER / HAYMO EMPLWir kennen sie alle, die Geschichte des «Stonewall», jener legendären Bar an der Christopher Street in New York, wo sich im Juni 1969 die homose-xuelle und trans Gästeschar erstmals gegen die diskriminierenden Razzien der New Yorker Polizei auehnte – lautstark und mit Erfolg. Es war faktisch die Initialzündung für die in den folgenden Jahrzehnten in im-mer mehr Städten rund um den Globus jährlich in den Sommermonaten ausgetra-genen Christopher Street Days – kurz CSD. Waren es an den meisten Orten anfänglich bloss eine Handvoll Leutchen, die im Kampf für Gleichberechtigung auf die Strasse gin-gen, so sind es heute je nach Stadt gar meh-rere Hunderttausende. Das darf man frohen Gewissens als eine wunderbare Entwick-lung verbuchen, hinter welcher jedoch viel Aufklärungsarbeit sowie viel Sensibilisie-rung steckt und die nicht zuletzt auch mit viel menschlichem Leid verbunden ist. Und damals wie heute gilt: Wir sind noch nicht am Ziel. Diskriminierung ist und bleibt ema. Mancherorts werden wieder zuneh-mende Zahlen an Übergrien auf Homo-sexuelle verzeichnet, selbst in den aufge-klärtesten Ländern. So ernüchternd das ist, umso mehr soll es Motivation sein, den Kampf weiterzuführen. Und umso mehr zeigt sich: Der CSD – mancherorts mittler-weile «Pride» genannt – ist noch nicht zum Auslaufmodell geworden. Es braucht diese Märsche nach wie vor.Die Anfänge der Homobewegung in der SchweizGenau in der Mitte der Zeitachse von «Sto-newall» bis heute erlebte die Stadt Zürich ihren ersten oziellen CSD: Im Sommer 1994 nahm eine recht überschaubare Men-ge Homosexueller an einem bescheidenen Demonstrationszug teil. Die gemeinsamen Proteste und Feiern wurden auf mehreren ➔ So kennt man sie, die Pride. Ein Umzug gut gelaunter Menschen bei bestem Sommerwetter.22Bilder © PD

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CRUISER SOMMER 2021Auch im Cruiser war die Pride, vormals der CSD, eigentlich in jedem Jahr Thema. Hier ein paar besonders aparte Beispiele aus der eigenen Geschichte.23FOKUSPRIDE 2021

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CRUISER SOMMER 2021FOKUSPRIDE 2021kleinen Plätzen abgehalten – an der Gessner - allee, hinter dem Landesmuseum, beim Zeughaus oder auf dem damaligen Turbi-nenplatz abseits der Innenstadt.Allerdings nahm Zürich mit diesem kleinen, aber wirksamen ersten CSD nicht etwa die Schweizer Vorreiterrolle ein: Be-reits fast zwei Jahrzehnte zuvor, anno 1975, demonstrierten Homosexuelle in Basel ge-gen Diskriminierung, allerdings nicht ex-plizit im Gedenken an «Stonewall», sondern schlicht im Rahmen der 1. Mai-Kundgebun-gen. ematisch eigenständige Demonstra-tionen für die Rechte Homosexueller und die Aufhebung der sogenannten Homore-gister der Polizei fanden in Basel, Bern und Zürich seit den späten 1970er-Jahren in mehr oder weniger regelmässigen Abstän-den statt – eine Zeit lang unter dem Titel «Nationaler Schwulen- und Lesbentag». Mit dem ersten oziellen CSD in Zürich erhiel-ten Homosexuelle in der Schweiz schliess-lich ihren xen identitätsstiftenden Rah-men im internationalen Format, der sich folglich mit einer festen Regelmässigkeit und wachsender Grösse im Gedenken an «Stonewall» zu einem jährlichen Höhe-punkt entwickeln sollte. Nach und nach führten andere Schweizer Städte – vor allem in der Romandie – ebenfalls einen CSD ein. Aber nicht überall erfolgte die Erstausfüh-rung ohne kalten Gegenwind. Als etwa das erzkatholische Sion 2001 seinen ersten, vom Stadtrat bewilligten Christopher Street Day plante, gab es scharfen Widerstand von kirchlicher Seite. Der damalige Bischof von Sitten, Norbert Brunner, verurteilte die an-stehende Demo als «teuisches Spiel». Als schliesslich noch ein hetzerisches Anti-Ho-mo-Inserat in einer Walliser Tageszeitung erschien, war der Skandal perfekt. Die posi-tive Folge dieses Ungemachs waren zahlrei-che Solidarisierungsbekundungen mit den Homosexuellen – aus der Walliser Bevölke-rung und seitens mehrerer Organisationen. Der erste Sittener CSD wurde ein Erfolg mit Signalwirkung in einer der konservativsten Ecken der Schweiz.Die Popularität der jährlichen Para-den wuchs schnell. 1995 wurde der Verein CSD Zürich aus der Taufe gehoben. Der drit-te Zürcher CSD von 1996 verzeichnete be-reits die ansehnliche Teilnehmerzahl von rund 2000 Menschen. Gäste und Redner wurden immer prominenter, einussreiche Grössen aus der Schweizer Politik machten sich für die Gleichberechtigung stark, inter-nationale Menschenrechtsorganisationen sprachen vor den Scharen ein Machtwort. National- und kantonsrätlicher Besuch fand sich 1999 bei den Feierlichkeiten auf dem Platzspitz für je eine Rede ein. Ein Jahr spä-ter mischte die Schweizer grande Dame der Volksmusik, Nella Marinetti, die Menge auf und mahnte lautstark zur Gleichberechti-gung Homosexueller.Besonderes politisches Gewicht ver-lieh dem Zürcher CSD von 2001 kein Gerin-gerer als der damalige Bundespräsident Moritz Leuenberger höchstselbst, als er in seiner vielbeachteten Rede versprach, noch im selben Jahr den Vorentwurf für eine re-gistrierte Partnerschaft bei Gleichge-schlechtlichen in die Vernehmlassung zu geben. Mit dem Wissen um die Zähheit, mit welcher sich Homosexuelle im Kampf um ihre Rechte konfrontiert sehen, sprach Leu-enberger explizit von einer «Politik der klei-nen Schritte». An der Pride 2002 schliesslich verkündete ein erfreuter Zürcher Stadtprä-sident Elmar Ledergerber, dass im folgen-den September über das kantonale Partner-schaftsgesetz abgestimmt werde. Es war ein grosser Schritt: Mit 62,7 % Ja-Stimmen nah-men die Zürcher das Gesetz über die Regi-strierung gleichgeschlechtlicher Paare an. 2007 schliesslich trat das Gesetz endlich auch landesweit in Kraft, nachdem sich das Volk an der nationalen Volksabstimmung dafür ausgesprochen hatte und nun stehen wir wieder vor einer grossen Abstimmung: Die «Gegner*innen» der Ehe für alle haben ein Referendum eingereicht und nun muss Helvetien erneut an die Urne. Siehe dazu auch unseren Artikel auf Seite 30.Die Europride in ZürichJährlich stand der Zürcher CSD, welcher sei-nen Ausgangspunkt traditionell am Helve-tiaplatz hat, unter einem bestimmten Motto. Ging es einmal primär um die registrierte Partnerschaft, stand andernjahrs die Situati-on Homosexueller am Arbeitsplatz im Fokus. Dann wiederum stand der CSD im Zeichen der Regenbogenfamilie, ein andermal dreh-te sich alles um das neue Partnerschaftsge-setz. Die immer zahlreicheren Teilnehmen-den verliehen dem jeweiligen Motto Nach - druck – schrill und bunt. Ein besonders di-ckes Kreuz prangte im Kalender von 2009: Am 6. Juni war Zürich Austragungsort der gross angelegten Europride mit riesigem, mehrere Wochen dauerndem Rahmenpro-gramm. Rund 50 000 Menschen marschier-ten bei der grossen Parade mit, über doppelt so viele säumten die Route. Viele erinnern sich: Die Europride el leider sprichwörtlich ins Wasser, als sich der Himmel önete und sintutartige Regenschauer über Zürich nie-dergingen. Waren etwa die Fürbitten einer rechtskatholischen Gruppierung erhört wor-den, welche im Vorfeld öentlich dazu aufge-rufen hatte, für Regen zu beten, auf dass dem «Sündenpfuhl» die Freude genommen wer-de? Die Europride Zürich stand ferner im Zeichen einer wichtigen organisatorischen Neuerung: Der bisherige Trägerverein Gay Pride – Christopher Street Day Zürich wurde komplett erneuert, die Statuten revidiert und Basel und nicht etwa Zürich nahm die Vorreiterrolle im Kampf um die Gleichberechtigung Homosexueller ein.Kann der Prideumzug dieses Jahr tatsächlich wie geplant in der ersten Septemberwoche stattfinden, wäre das sicherlich äusserst positiv für die kom-mende Abstimmung am 26. Sep-tember.24Bilder © PD

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CRUISER SOMMER 2021FOKUSPRIDE 20211982 fand der CSD in Zürich als «Eidgenössi-sche Schwule Landsgemeinde 1982» statt. An der Demo gab es knapp 300, am abendlichen Fest 600 Personen. Der Frust bei den Organisa-toren sass tief. Man suchte Sündenböcke. Es ging vor allem um die verbissen gesellschafts-revolutionär Ideologisierten, die im Endlos-debattieren den einzigen Weg zur Schwulenbe-freiung sahen. Das hatte sich totgelaufen und viele pragmatische Taktiker mit durchsetzbaren Ideen zum Rückzug bewogen.1983 gab es trotz Uneinigkeit der organisieren-den Gruppierungen wieder einen CSD. Er fand in Luzern statt und war gut besucht und erfolgreich.1984-1989: Die Aids-Krise band viele Kräfte GESCHICHTE DER CSD-VERANSTALTUNGEN NACH 1981 UND DIE WELSCHEN PRIDE-AKTIONSTAGEin dem Kampf gegen Ausgrenzung und für eine wirksame Prävention. Trotzdem gab es weiter-hin jedes Jahr einen CSD bis 1989 in Zürich. Dann war fünf Jahre lang Pause.1994 entschloss sich ein extra dafür gegrün-deter Verein «25 Jahre Stonewall» zur Wieder-aufnahme und organisierte in Zürich ein vom 23. Mai bis 23. Juli dauerndes Programm mit Kultur, Politik und Party.Den Höhepunkt bildete der eigentliche CSD vom 25. Juni. Dieser stand sechs Jahre später Modell für den ersten «Warmen Mai», der 2000 als kulturelle Seite derEuroGamesin Zürich den grossen Sportanlass begleitete. 1995 kam es zur Gründung des Zürcher Vereins CSD, der die «Gay Parade» organisierte, an der 3000 Männer und Frauen teilnahmen. Seit 2009 heisst der Verein Zurich Pride Festival. Ihm obliegt die vollumfängliche Organisation des jährlichen CSDs.Am 5. Juli 1997 zog die Romandie nach mit der ersten Pride in Genf, weitere Orte folgten.Haymo Empl / Ernst Ostertag www.schwulengeschichte.chTransparent am CSD 1989 in Zürich.der Verein umbenannt in «Zurich Pride Fes-tival». Die einschlägigen Erfahrungen mit dem Grossanlass von 2009 sollten fortan in die Planung der Prides in Zürich einiessen. So dauert das Festival seither zwei Tage, und die Zurich Pride Weeks sind ins Leben geru-fen worden.Unter einem besonderen Zeichen stand schliesslich auch die Pride des Jahres 2014, als Zürich das 20-Jahr-Jubiläum des einsti-gen CSDs, resp. der nunmehrigen Pride fei-erte. Stargast an dieser sonnenverwöhnten Grossveranstaltung war Conchita Wurst aus Wien, welche von Kurt Aesch bacher den «Conchita Wurst Unstoppable Award» in die Hand gedrückt bekam. Die vergangenen zwei Ausgaben der Zurich Pride widmeten sich abermals brisanten emen mit höchs-ter Aktualität, etwa 2017 die Sicherheit für LGBT*-Flüchtlinge und 2018 der gleichge-schlechtlichen Ehe. Diesbezüglich hat sich die Schweiz bis heute keinen rühmlichen Status verschat, gehört sie doch nach wie vor zu den Ländern, welche die Ehe für ho-mosexuelle Paare noch immer nicht geönet hat. Für ein so hoch entwickeltes, progressi-ves Land geradezu beschämend. Gleiches Recht für gleiche Liebe, forderte die Pride 2018 lautstark. Und wir fordern es auch im Jahr 2021 noch. Kann der Prideumzug dieses Jahr tatsächlich wie geplant in der ersten Septemberwoche stattnden, wäre das si-cherlich äusserst positiv für die kommende Abstimmung am 26. September. Der Pride-Umzug wird am Samstag, 4. September 2021 in der Innenstadt von Zürich durchgeführt. Das Motto bleibt bei «Trau dich» (mit dem Zusatz «Ehe für alle – jetzt»).25Zurich Pride Demonstration im September!Der traditionelle Demon-strationsumzug durch die Zürcher Innenstadt findet neu am 4. September 2021 statt.VON MOEL MAPHYDer Zürcher Regierungsrat hat bei Re-daktionsschluss dieser Ausgabe die Corona-Sonderregeln aufgehoben. Da sich die epidemiologische Lage von Woche zu Woche verbessert, blickt der Vorstand optimistisch in die Zukunft. Das Komitee rechnet damit, dass bis im Spät-sommer alle Impfwilligen in der Bevölke-rung vollständig geimpft sind. Um mög-lichst vielen Menschen ein sicheres Gefühl zu geben, an einer Demonstration teilzu-nehmen, und aufgrund der verbesserten Planungssicherheit, hat der Vorstand be-schlossen, die Demonstration auf den 04. September 2021 zu verschieben. Die genaue Pride-Umzugsroute wird zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgege-ben. Mit dem neuen Termin - drei Wochen vor der Abstimmung zur «Ehe für alle» am 26. September - ist der Vorstand überzeugt, ein ideales Datum gefunden zu haben, um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf die wichtige Abstimmung zu lenken. CRUISER SOMMER 2021

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26CRUISER SOMMER 2021KULTURBOUYGERHLIch hör Musik nur, wenn sie schwul istKünstler der LGBT*-Community sind in den Medien immer noch erstaunlich unterrepräsentiert. Jetzt aber gibt es BOUYGERHL.VON BIRGIT KAWOHLZacker, ein umtriebiger Leipziger, der sich in Deutschland bereits lange sei-nen Namen unter anderem durch Veranstaltungen wie das (queere) Zacker Music Festival gemacht hat, ist der Initiator von BOUYGERHL, dem ersten Archiv für queere Musik, das seit Ende Mai online ist.Hier ndet man derzeit Kurzportraits und verlinkte Videos von etwa 700 Acts aus der LGBT*-Community, Tendenz quasi täg-lich steigend. Hinzu kommen Interviews mit Künstler*innen, aber auch Infos wie Neuerscheinungen und Tourdaten etc.Aber braucht es überhaupt solch eine Datenbank? Grundsätzlich kann man sich ja fragen, ob eine Hervorhebung der sexuellen Vorlieben nicht eher kontraproduktiv ist und genau das «Anderssein» so in den Fokus rückt. Zacker selbst ist da anderer Meinung. Ihm geht es um Bewusstseinsschärfung. Mit dem Archiv will er LGBT*-Künstler*innnen sichtbar machen, ihnen eine Plattform ge-ben und damit gesellschaftliche Selbstver-ständlichkeit kreieren. Andererseits kann man aber dagegen-halten, dass solche Archive sowieso nur von weltoenen, interessierten Menschen ge-sucht und gefunden werden, die wiederum haben mit der Akzeptanz von Queers aber in den seltensten Fällen Probleme. Trägt man damit nicht vielleicht nur Wasser an den See, um die alten Eulen einmal nicht nach Athen bringen zu müssen.Hier sieht man den Initiator des LGBT*-Musik-Archivs, Zacker, in einer künstlerischen Darstellung von Stefan Gunnesch.Bild links © Zacker by Stefan Gunnesch / Bild rechts © Zacker

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27KULTURBOUYGERHLANZEIGEKAMMERSPIELE SEEB DAS THEATERERLEBNIS IN BACHENBÜLACH!INFOS & TICKETSkammerspiele.ch +41 44 860 71 47Inserat_Kammerspiele_CruiserMagazin.indd 1Inserat_Kammerspiele_CruiserMagazin.indd 1 20.10.20 17:0520.10.20 17:05Allerdings ndet man in BOUYGERHL viel mehr als die Mainstream-Acts, die so-wieso jede*r kennt und die man daher auch gezielt suchen (und nden) kann. Hier kann man vielmehr wunderbar an einem verreg-neten Nachmittag oder einem lauen Som-merabend auf Entdeckungsreise gehen. Denn das ist das Tolle, die Künstler*innen, die hier gelistet sind, müssen sich zwar ir-gendwann man als queer benannt haben (bei Bands muss das übrigens nicht auf alle Mitglieder*innen zutreen), ansonsten ist der Musik aber keine Grenze gesetzt: egal ob Schlager oder Heavy Metal, Punk oder Techno, hier ist jeder willkommen. Es gibt auch keinen vorherigen «Qualitätscheck», denn jede*r hört Musik anders und nimmt sie anders war. Die Sortierung erfolgt alphabetisch und so kann man sich durchs komplette Ar-chiv klicken oder bei einem geselligen Abend ein Ratespiel kreieren, selbst Musik-experten werden hier einiges bisher Unge-hörte auf die Ohren bekommen.Bleibt noch die Frage nach dem Na-men: BOUYGERHL? Was ist das? Ein Akro-nym? Nein, der Name geht zurück auf zwei Songs der Musikerin Anohni (gleich mal im Archiv suchen, nden, reinhören und be-geistert sein), die mit diesem Kunstwort in der Genderdebatte einen ganz neuen Ak-zent setzt. Warum nicht mal lautmalerisch mit Worten spielen, Neues entstehen lassen und so für alle (oder zumindest viele) die Möglichkeit der Zugehörigkeit schaen. Mit BOUYGERHL hat die Musik in der Community jetzt jedenfalls eine super Plattform, die sicherlich den Wunsch der Macher erfüllt, für mehr Sichtbarkeit zu sor-gen, oder wie es Zacker formuliert: Identität ist Realität! Ist eine Hervorhebung der se xuellen Vorlieben nicht eher kontraproduktiv? Zacker selbst ist da anderer Meinung. Ihm geht es um Bewusstseins-schärfung.Zackers Beweggründe für das Projekt: Die Sicht-barkeit von queeren Musiker*innen zu fördern, die – im wahrsten Wortsinn – ihre Stimme heben.

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28CRUISER SOMMER 2021Dichter schiesst auf seinen GeliebtenVerknallt in einen Berufskollegen: Dichter verlässt Frau und Kind – es fallen sogar Schüsse.SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURFrédéric Bazille «Bildnis des Paul Verlaine» aus dem Jahr 1867. VON ALAIN SORELAnfang Juni 1944 im Zweiten Welt-krieg. Die Franzosen hören in ihrem von den Deutschen besetzten Land die britische BBC in London, denn sie war-ten sehnlichst auf eine ganz bestimmte An-kündigung. Eine verschlüsselte BotschaftUnd dann, tatsächlich, ist aus dem briti-schen Rundfunk plötzlich Folgendes zu hören: «Hier ist London. Die Franzosen sprechen zu den Franzosen. Hören Sie zu-erst einige persönliche Mitteilungen.» Un-vermittelt folgt jetzt die erste Strophe des «Herbstliedes» des französischen Dichters Paul Verlaine: «Les sanglots longs / des vio-lons / de l’automne / Blessent mon coeur / d’une langueur / monotone». Auf Deutsch: «Die langen Schluchzer / der Geigen im Herbst, / sie verletzen mein Herz, die Seuf-zer, / mit ihrer monotonen Länge – ganz, ganz fest.» Im Kampf gegen die BarbareiEs ist die Losung, die verschlüsselte Bot-schaft an die Résistance, die französische Widerstandsbewegung, die im Klartext lautet: «Wir kommen.» Am 6. Juni 1944 be-ginnt mit der grossangelegten Landung der Westalliierten der Anti-Hitler-Koalition an der französischen Küste die Operation Overlord (Deckname für die Landung), der Kampf dieser Armee gegen Unterdrü-ckung, Ausbeutung, Drangsalierung und millionenfache Ermordung von Menschen durch die Nationalsozialisten. Freiheit und Humanität fassen im Gefolge dieser alliier-ten Landung wieder Fuss in Europa. Neben vielen anderen Verfolgten und Gepeinigten dürfen auch die Homosexuellen wieder hof-fen, der Albtraum werde bald vorbei sein.Bilder © PD

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29CRUISER SOMMER 2021SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURMehr oder weniger versteckt findet sich das Thema Männerliebe in der Weltgeschichte, der Politik, in antiken Sagen und traditionellen Märchen – aber auch in Wissenschaft, Technik, Computerwelt. Cruiser greift einzelne Beispiele heraus, würzt sie mit etwas Fantasie, stellt sie in zeitgenössische Zusammenhänge und wünscht bei der Lektüre viel Spass – und hie und da auch neue oder zumindest aufgefrischte Erkenntnisse. In dieser Folge: zwei französische Dichter in einem Liebesverhältnis mit Gewalt-exzessen.Paul Verlaine selbst gehörte in seinem Jahrhundert zu dieser Gruppierung. Gebo-ren wird er am 30. März 1844, hundert Jahre vor den dramatischen Ereignissen in Euro-pa. Wie viele Schwule hot auch Verlaine zuerst, er könne ein «normales», heterose-xuelles Leben führen. Sohn eines Oziers, besucht er in Paris die Schule. Früh beginnt er, Gedichte zu schreiben. Ein Jurastudium bricht er ab und kommt schliesslich bei der Pariser Stadtverwaltung unter. Psychisch ist er in dieser Zeit instabil, und er trinkt. Dann aber scheint er die Kurve zu kriegen, er heiratet 1870 und praktisch gleichzeitig erscheint ein Gedichtband von ihm. Im Jahr darauf wird der Sohn Georges geboren.Sie schenken sich Himmel und HölleAber schon bald meldet sich sein Eros sehr, sehr heftig und zwar in der Gestalt des zehn Jahre jüngeren, am 20. Oktober 1854 gebore-nen Arthur Rimbaud aus Charleville, einer Grenzstadt zu Belgien. Es ist die Lyrik, die sie 1871 in Paris zusammenführt; vom wie Verlaine hochbegabten Rimbaud sind zu dieser Zeit auch bereits Gedichte veröent-licht worden. Über das erste Zusammentref-fen schreibt der Literaturwissenschaftler Hans Mayer: «Als Rimbaud kommt, präsen-tiert sich ein grosser blonder Junge vom Lan-de, ungeschickt und listig, kraftvoll und at-traktiv.» Als Verlaine seiner ansichtig wird, ist es um ihn geschehen. Und nun bescheren die beiden Dichter einander Himmel und Hölle, Glückseligkeit und Eifersucht, eksta-tische Liebe und endlosen Streit. Aber wie auch immer: Es ist prall volles Leben. Für den 27jährigen Verlaine gibt es kein Halten mehr. Er verlässt 1872 seine kleine Familie – seine Frau wird sich später scheiden lassen – und zieht mit Rimbaud herum. Sie lassen sich volllaufen und haben pausenlos Sex. Es wird angenommen, dass Verlaine sich unterwirft, aber sich dann doch nicht alles gefallen lässt, ausbricht, dann aber ehentliche Bitten um Rückkehr erhält, nachgibt – und alles beginnt von vor-ne. Ein Versuch Verlaines, in die bürgerliche «Normalität», also zu seiner Familie, zurück-zukehren, ist angesichts der Leidenschaft zwischen beiden Männern unmöglich.Sie verlassen Frankreich und ziehen nach London, ein erstes und dann, nach ei-ner Trennungsphase, ein zweites Mal. Spä-ter reisen sie zurück nach Brüssel. Dort kul-miniert die Situation zwischen den beiden Betrunkenen in einer Kurzschlusstat Ver-laines: Verlaine gibt zwei Schüsse aus dem Revolver auf Rimbaud ab, der am Handge-lenk verletzt wird. Rimbaud wird im Spital ohne viele Fragen verbunden, die Sache könnte vertuscht werden, wenn – ja, wenn Verlaine, aufgebracht, weil Rimbaud nun die Trennung will, nicht erneut die Wae auf ihn richtete. Er wird festgenommen und zu einer Strafe von zwei Jahren Gefängnis verurteilt. DiCaprio ist RimbaudEs kommt zum Bruch. Jeder verlässt den Lebenskreis des andern. Beide aber ver-ewigen sich gegenseitig in ihren Werken und leuchten darin auch die Abgründe ih-res Verhältnisses aus. 1995 wird dieses Ver-hältnis verlmt werden: «Total Eclipse – Die Aäre von Rimbaud und Verlaine», mit Leonardo DiCaprio in der Rolle des Arthur Rimbaud und David ewlis in jener des Paul Verlaine. Rimbaud wird spätere Schriftsteller, Musiker oder Sänger wie Van Morrison, Bob Dylan oder Henry Miller beeinussen. Selbst aber gibt er die Literatur auf. In sei-nem späteren Leben wird er ein erfolgrei-cher Geschäftsmann und stirbt am 10. No-vember 1891 qualvoll an Knochenkrebs. Verlaine, als Landwirt glücklos, bleibt der Poesie treu bis zum Tod am 8. Januar 1896, ndet Ansehen und Anerkennung. Beide haben erlebt, was Verlaine in der letzten Strophe seines «Herbstliedes» geschrieben hat: «Und ich gehe, das ist der Sinn. / Liefere mich dem Sturm aus, / der mich treibt, hierhin und dorthin. / Wie ein welkes Blatt im Gebraus.» Arthur Rimbaud war ein französischer Dichter, Abenteurer und Geschäftsmann. Heute gilt er als einer der einflussreichsten französischen Lyriker.Das Verhältnis von Paul Verlaine und Arthur Rimbaud wurde 1995 von Agnieszka Holland unter dem Titel «Total Eclipse – Die Affäre von Rimbaud und Verlaine» verfilmt. In der Hauptrolle der junge Leonardo DiCaprio.Sie lassen sich volllaufen und haben pausenlos Sex.

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30CRUISER SOMMER 2021POLITIKEHE FÜR ALLEEin rechts-konservatives Komitee hat das Referendum gegen die Ehe für alle ergriffen. Pink Cross blickt der Abstimmung zuversichtlich entgegen.Ehe für alle: Stimmvolk hat das letzte WortDie Gegner*innen der Ehe für alle haben die benötigten Unterschriften für das Referendum zustande gebracht – nun wird darüber abgestimmt, voraussichtlich noch in diesem Jahr.Manolito Steffen ist Community Manager bei Pink Cross. VON MANOLITO STEFFENNun also doch: Nachdem die Geg-ner*innen der Ehe für alle noch ein paar Wochen zuvor kläglich be-kanntgegeben hatten, dass der Unter-schriftenstand deutlich im Rückstand sei und daraufhin einen «Weckruf» inklusive Gebet zugunsten des Erfolgs des Referen-dums inszenierten, wurden unterdessen die benötigten Unterschriften in der Bun-deskanzlei eingereicht. Das zeigt uns, dass einige Gesellschaftsgruppen scheinbar im-mer noch nicht bereit sind, gleichge-schlechtliche Liebe als gleichwertig zu akzeptieren. Für uns ist dies ein wichtiger Antrieb, um mit viel Sichtbarkeit und Be-geisterung in den Abstimmungskampf zu starten. Die gute Nachricht ist: Wir haben eine tolle Community und gemäss reprä-sentativer Umfragen steht eine breite Mehrheit von 82 % der Schweizer*innen hinter der Ehe für alle. Wir sind überzeugt, dass wir klar gewinnen können.Unsere Kampagne in den StartlöchernDas Kampagnenteam und die sechs der Trägerorganisationen des Komitees «Ehe für alle» wollen endlich den historischen Schritt in Richtung Gleichstellung gehen. Die Schweiz erwartet ein intensiver Abstim-mungskampf und wir versprechen, dass es bunt werden wird. Wir stehen in den Start-löchern und sehen in der Abstimmung die Chance, die Schweiz für noch mehr Akzep-tanz und Gleichstellung zu mobilisieren. Das kann uns aber nur gelingen, wenn wir der Schweiz unsere vereinte Queerness zei-gen. Wenn du dich aktiv in der Kampagne für die «Ehe für alle» engagieren möchtest, kannst du dich auf der Webseite ehefueral-le.ch eintragen. Wie geht es weiterDie eingereichten Unterschriften für das Referendum werden jetzt von der Bundes-kanzlei geprüft. Wir rechnen fest damit, dass die Ehe für alle noch im September oder November dieses Jahres zur Abstim-mung kommen wird. Es verbleiben also hof-fentlich nur noch wenige Monate, bis die Schweiz als 29. Land auf der Welt die deni-tive Önung der Ehe für gleichgeschlechtli-che Paare beschliessen wird. Als starke Community und mit viel Einsatz und Freu-de werden wir das schaen.Unser Ziel ist, dass alle LGBT*-Men-schen gesetzlich gleichgestellt und gesell-schaftlich akzeptiert sind. Die Ehe für alle wird ein wichtiges Stück dazu beitragen und Signalwirkung ausstrahlen. Die junge Generation wird in einer Schweiz aufwach-sen, in der die Anerkennung von LGBT*-Personen als selbstverständlich gilt. Es geht also um einen Aufbruch in eine oene und inklusive Gesellschaft! PINK CROSSPink Cross ist der nationale Dachverband der schwulen und bisexuellen Männer in der Schweiz und repräsentiert deren Interessen in allen vier Sprachregionen. Eines der Ziele von Pink Cross ist die Anerkennung und Gleich-berechtigung von schwulen und bisexuellen Lebensformen in der Schweizer Gesellschaft. Foto Manolito Steffen © D. Rosenthal für Pink Cross

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31CRUISER SOMMER 2021KOLUMNEARTHUR MOLLWährend Corona hat sich gezeigt, wer deine wahren Freunde sind. Der Autor fragt sich, ob wir für die Zukunft etwas gelernt haben. So fürs richtige Leben.Falsche Freunde?Es sieht fast ein bisschen so aus, als ob wir nicht nur für unsere Rechte kämpfen müssen, sondern auch dafür, dass man uns die Pride-Fahne wieder zurückgibt.VON ARTHUR MOLLHui, war das eine Zeit. Eineinhalb Jah-re überlegen, wen man trit. Und wie man die Personen trit. Mit Maske? Überhaupt? Wie oft? Einige Freunde habe ich ganz verloren, andere sind immer noch da. Auch wenn man sich nicht wöchentlich zum Bier treen konnte. Für mich das Beste war, dass ich diese Mode des sich dauernd Dreimalküssens ein bisschen einschränken konnte. Also lieber weniger Menschen da-für heftiger küssen. Das möchte ich auch für die Zukunft beibehalten. Und das Beste ist: Ich kann diese Mechanik auch auf mein ganzes Leben ausbreiten.Es ist wieder Pride-Zeit. Also ein biss-chen. Gewisse Events sind verschoben oder abgesagt. Das Schöne ist, dass wir gefühlt über zehn neue Prides in der Schweiz haben. Endlich können wir wieder herumreisen und auch ländliche Prides feiern. Die erin-nern mich dann bestenfalls an einen wun-derbaren Pfadi-Abend. Aber auch alle Jahre wieder haben wir diese meist amerikani-schen oder hochkapitalistischen Buden mit Ihren Bannern und Ständen am Hals. Pinkwashing nennt sich das. Schwul tun, aber nichts verändern wollen. Ausser dem Shareholdervalue. Und das ärgert mich. Und da kommt das Corona-Wissen ins Spiel. Vielleicht ist es Zeit, die Firmen hinter den teuren, regenbogigen, commu-nity-integrierenden Kampagnen genauer anzuschauen. Und sie vielleicht nicht mehr drei Mal zu küssen. Lieber authentische Pri-des mit ein bisschen weniger Budget. Wir könnten auch schauen, wie die internatio-nalen Arbeitsbedingungen der Partnerr-men sind. Oder was sie so nanzieren mit ihren Geldern.Gebt uns unsere Prides zurück. Wir haben nicht Jahrzehnte dafür gekämpft um jetzt auf der falschen Seite eingereiht zu werden. Denn unser Kampf ist noch nicht ausgestanden.

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32CRUISER SOMMER 2021SERIEIKONEN VON DAMALSVON PHILIP DETHLEFS, DPA & HAYMO EMPLIhre rauchige Stimme und die blonde Mähne sind ihr Markenzeichen. Seit mehr als vier Jahrzehnten steht die briti-sche Rocksängerin Bonnie Tyler auf der Bühne. Und eigentlich hätte das mit der Karriere fast nicht geklappt, denn alles be-gann mit dem Irrtum eines Talentsuchers. Roger Bell hatte sich aus London auf den Weg nach Südwales gemacht, um einen vielversprechenden Sänger zu begutachten. «Er kam in diesen Club, in dem ich aufgetre-ten bin, weil er von einem Jungen gehört hatte, der im Obergeschoss mit seiner Band spielt», erzählt Tyler im Interview der Deut-schen Presse-Agentur. «Aber er kam im fal-schen Stockwerk rein und hat mich singen gehört.» Kurz darauf wurde sie nach Lon-don eingeladen, um eine Single aufzuneh-men. «Lost In France» war der Beginn einer Weltkarriere.Damals war Bonnie Tyler 25 Jahre alt. Am 8. Juni wurde Bonnie 70 Jahre alt (und so kamen wir beim Cruiser überhaupt auf die Idee, etwas über sie zu machen – denn niemand auf der Redaktion dachte mehr an die Sängerin, bis zu jenem Tag…) die blonde Sängerin mit der unverwechselbaren, hei-seren Stimme. «Das ist nur eine Zahl», sagt sie bestens gelaunt. Wichtiger als ihr Ge-burtstag ist ihr, dass sie bald endlich wieder Konzerte geben kann. «Das ist das erste Mal, seit ich 17 war, dass ich nicht arbeite», sagt Tyler, die wir in Portugal telefonisch er-reichen. «Ich liebe es, auf der Bühne zu ste-hen. Es ist so ungewöhnlich für mich, so viel Zeit zu haben. Aber um ehrlich zu sein, war es bisher wundervoll. Ich sitze hier gerade in meinem Bikini.» Sie lacht laut und herz-lich ins Telefon.Tyler stammt aus einer musikalischen Familie mit drei Schwestern und zwei Brü-dern, in der viel gesungen wurde. «Mein Va-ter hat sonntags «Top of the Pops» für mich aufgenommen, die Top 40», erinnert sie sich Bonnie, wie sie leibt und lebt. Selbst dem Foto sieht man die rauchige Stimme mit viel Timbre an.In unserer beliebten Serie «Ikonen von Damals» gehen wir auf den Grund, warum Bonnie Tyler irgendwann plötzlich zur Gay-Icon wurde.It’s a HeaaaaartacheBilder © PD

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33CRUISER SOMMER 2021SERIEIKONEN VON DAMALSan ihre Kindheit in der walisischen Klein-stadt Skewen. «Ich habe die Texte aufge-schrieben, um mitzusingen. In meine Haar-bürste, kein Mikrofon.»Bei einem Gesangswettbewerb im ört-lichen Rugbyclub wurde sie Zweite. Ihre Tante hatte sie angemeldet. «Ich war damals sehr, sehr schüchtern, das glaubt man kaum», sagt Energiebündel Tyler. Als Back-ground-Sängerin für Bobby Wayne & e Dixies lernte sie dazu, bevor sie mit ihrer eigenen Band in örtlichen Pubs auftrat.Ihr Name ist ein bisschen schwulIhren Geburtsnamen Gaynor Hopkins (mit diesem Namen hätten sicherlich auch alle gedacht, sie sei eine Draq Queen…) legte sie ab, um Verwechslungen mit Sängerin Mary Hopkin zu vermeiden. «Ich bin die Zeitung durchgegangen und habe alle Vornamen und alle Nachnamen aufgeschrieben. Dann habe ich probiert, welche Kombination gut klingt», erzählt sie amüsiert. «Es gab damals nicht viele Tylers in der Gegend. Lange Zeit dachten viele Leute, ich sei Amerikanerin. Aber ich bin denitiv Waliserin.» Daran lässt ihr deutlich hörbarer Akzent keine Zweifel.Nach ihrem Durchbruch mit «Lost In France» wurde «It's A Heartache» 1977 ein noch grösserer Hit und toppte in mehreren Ländern die Charts. Doch als ihr Platten-vertrag Anfang der 80er auslief, lehnte Tyler einen neuen ab. «Ich hatte keine Lust mehr, diese Country-Rock-Musik zu machen. Ich wollte mehr in Richtung Rock gehen.»Bei ihrem neuen Plattenlabel beharrte sie darauf, mit Jim Steinman zu arbeiten, der sich als Songwriter von Rocksänger Meat Loaf «Bat Out Of Hell» einen Namen gemacht hatte. «Und der Rest ist Geschich-te!», so Tyler. Die von Steinman geschriebe-ne und produzierte Powerballade «Total Ec-lipse Of e Heart» wurde ihr grösster Hit, erreichte Platz 1 in Grossbritannien und den USAund brachte ihr eine Grammy-No-minierung ein. Das Album «Faster an e Speed of Night», das überwiegend aus wuchtigen Coverversionen bestand, wurde ebenfalls ein grosser Erfolg.Plötzlich eine Gay-IkoneSteinmann schrieb auch die schmalzigsten Songs für Céline Dion und war sicher nicht ganz unschuldig daran, dass Bonnies Lieder von Gays geliebt wurden. Denn: Steinmann liebte Bombast, Pomp und manchmal durften es auch sehr klebrige Arrangements sein.Von dem kürzlich gestorbenen Stein-man stammt auch die Kulthymne «Holding Out For A Hero». Der theatralische Rock-song war 1984 im Kinolm «Footloose»zu hören. Die Szene, in der Kevin Bacon eine Mutprobe auf einem Trecker begeht, wirkt heute unfreiwillig komisch, aber Tylers bombastisches Lied ist ein Klassiker. Natür-lich darf «Holding Out For A Hero» bei kei-nem ihrer Konzerte fehlen. Bonnies Weg zur Gay-Icon hat aber noch andere Gründe als bombastische Songs, seit jeher setzt sie sich für gleiche Rechte ein. Und in ihrer Familie hat sie ebenfalls Menschen, die auf dasselbe Geschlecht stehen, erklärte sie dem Online-magazin PinkNews.co.uk: «Meine Nichte heiratete ihre Freundin am selben Tag, an dem Elton John eine Lebenspartnerschaft mit David Furnish einging und ich habe auch einen schwulen Neen, aber er und sein Partner haben noch nicht vor, zu heira-ten. Liebe ist Liebe, ein Herz ist ein Herz.»Und dann kam Dieter BohlenWarum Tylers 1988 erschienenes Album «Hide Your Heart» kein Erfolg wurde, ist ein Rätsel. Erfolgsproduzent Desmond Child schrieb für sie «Save Up All Your Tears», das aber erst als Coverversion von Robin Beck und dann von Cher erfolgreich wurde. Ihre unbeachtete Single «e Best» wurde ein Jahr später ein Riesenhit für Tina Turner.In den 90ern konzentrierte sich Tyler zeitweise auf Europa. Die Britin unter-schrieb beim deutschen Label Hansa Re-cords. Dieter Bohlen produzierte für sie drei Alben. «Es hat Spass gemacht, mit ihm zu arbeiten», sagt sie. 2013 nahm Tyler für Bonnie Tyler in den späten 1980er-Jahren im typischen Look der damaligen Zeit.Grossbritannien am Eurovision Song Con-test teil. Mit ihrem Song «Believe In Me» be-legte sie zwar nur den 19. Platz, fand das Er-lebnis aber trotzdem «wundervoll».Bis zur Pandemie ging Bonnie Tyler re-gelmässig auf Tournee. Die Band fehlt ihr. Diesen Monat soll es endlich wieder los-gehen. «Es ist mir so fremd, so lange nicht auf der Bühne zu stehen», sagt sie. Ihre Tour beginnt in Spanien. Daraus, dass sie sich gelegentlich Bo-tulinumtoxin spritzen lässt, macht Tyler kein Geheimnis. In über vier Jahrzehnten als Künstlerin hat sich auch ihre rauchige Stimme kaum verändert. Dreimal pro Wo-che arbeitet die Nichtraucherin mit einem Stimmtrainer. Und vor jedem Auftritt gönnt sich Tyler einen Schluck Jack-Daniel's-Whisky mit Red Bull. «Nur ein kleiner Schuss, das ist alles», betont sie. «Aber wenn ich von der Bühne komme und meine Show vorbei ist, dann mag ich gern Rotwein.»Mehr als 80 Singles hat die Waliserin während ihrer langen Karriere veröent-licht. Im Februar ist ihr 18. Studioalbum «e Best Is Yet To Come» erschienen, das mit eingängigen Melodien und den Gitar-ren- und Synthesizer-Sounds an die Musik der 80er-Jahre erinnert. «Es ist ein Feel-good-Album», sagt Bonnie Tyler und betont, dass der Albumtitel wörtlich zu nehmen ist. Schliesslich sei die Pandemie bald über-wunden. «Dann können wir wieder anfan-gen zu leben.»

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34CRUISER SOMMER 2021RATGEBERDR. GAYIST UNGESCHÜTZTER ANALSEX MIT EINEM PREP-USER GEFÄHRLICH?Ich hatte gerade ungeschützten Analsex, bei dem mein Sex-partner in mir abgespritzt hat. Er sagt, er sei HIV-negativ, auf PrEP und hat mir gleich die Dose des PrEP-Medikaments ge-zeigt. Muss ich mir da trotzdem Sorgen machen? Giovanni (38)EREKTIONSPROBLEME DURCH DAS KONDOMOft, wenn ich ein Kondom überziehe, wird mein Penis schlaff und aus dem Analverkehr wird nichts. Welche Möglichkeiten habe ich, dem entgegenzuwirken? Walter (40)Hallo GiovanniPrEP steht für Präexpositionsprophylaxe und ist ein medikamentöser Schutz vor HIV (mehr dazu auf drgay.ch/prep). Wenn du deinem Sexpartner mit Sicherheit glauben kannst, musst du dir keine Sorgen machen. Die Frage ist, kannst du das? Weisst du sicher, dass er auf PrEP ist? Die Dose des PrEP-Medikaments ist eigentlich kein wirklicher Beweis. Weisst du sicher, dass er HIV-negativ ist bzw. war, als er mit der PrEP begonnen hat? Weisst du sicher, ob er seine PrEP Medikamente wie vorgeschrieben einnimmt? Wenn du all diese Fragen mit Ja beantworten kannst und ihr nur zu zweit Hallo WalterNicht wenige Männer haben durch das Tra-gen eines Kondoms Erektionsschwierigkei-ten. Oft handelt es sich dabei um eine Kopfsache. Das Kondom wirkt sozusagen als Lustkiller. Versuche, das Kondom nicht als nötiges Übel zu sehen, sondern als Teil des Sexaktes. Es kann auch aus anderen Gründen immer wieder vorkommen, dass dein Schwanz schlappmacht. Das ist normal und keine Schande. Am besten, du sprichst oen darüber mit deinem Sexpartner. So kann er je nach dem, was deine Vorlieben sind, trotz Kondom für deine Standfestigkeit sorgen. Versuche herauszunden, was sonst deine Trigger sind (z. B. Sextoys, Pornos etc.). Wenn das nicht hilft, gäbe es neben dem Kondom auch die PrEP (Prä ex po si-tionsprophylaxe) als Schutz vor HIV und gerade für solche Situationen eine gute Sex hattet, musst du dir wie anfangs erwähnt um HIV keine Sorgen machen. Wenn aber andere Männer im Spiel waren (Gruppensex) oder du sonst unsicher bist, rate ich dir, in sechs Wochen einen HIV-Test machen zu lassen (Heimtest: nach 12 Wochen). Dein Schutz ist deine Verantwortung, du kannst diese nicht auf andere abwälzen. Darum macht es Sinn, dass du dich selber um deinen Schutz kümmerst. Mehr zu deinen Schutzmöglichkeiten ndest du auf drgay.ch unter Safer-Sex (Vorbeugen).Alles Gute, Dr. GayAlternative zum Kondom. Alle Infor ma-tionen über die PrEP ndest du auf drgay.ch/prep. Eine weitere Möglichkeit wäre der Einsatz von Potenzmitteln wie z. B. Viagra. Bedenke aber, dass Potenzmittel ver schrei-bungspichtige Medikament sind, die je nach dem Gesundheitsrisiken und gefähr-liche Wechselwirkungen mit anderen Medi-kamenten mit sich bringen können. Zum Beispiel kann die Kombination mit Poppers fatale Folgen haben und sogar tödlich en-den. Wenn du die Möglichkeit von Potenz-mitteln in Betracht ziehst, rede mit deinem Arzt oder deiner Ärztin. Er oder sie kennt deine Krankengeschichte und kann am besten beurteilen, ob Potenzmittel für dich in Frage kommen.Alles Gute, Dr. GayDR. GAYDr. Gay ist eine Dienstleistung der Aids-Hilfe Schweiz. Die Fragen werden online auf www.drgay.ch gestellt. Ein Team von geschulten Beratern beantwortet dort deine Fragen,welche in Auszügen und anonymisiert im «cruiser» abgedruckt werden. @drgay.ch drgay_officialDr. GayVON VINICIO ALBANI

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