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Cruiser im Sommer 2022

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cruiserSEIT 1986 DAS ÄLTESTE QUEERE MAGAZIN DER SCHWEIZ – SOMMER 2022 CHF 8.10KUNST, KULTUR & LEBENSSTIL FÜR DIE LGBT*-COMMUNITYTheater im Fin de Siècle 4Wie bringt man Schwulsein auf die Bühne?Bisexualität 10Der vernachlässigte Buchstabe der QueersLiva Tresch 22Ein Leben in Bildern für die Community

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AUF DEN SOMMER, AUF UNS!ISN’T THATWONDERFUL.SOM_004657-01_Inseart_Mannschaftsmagazin_210x280_DE_04.indd 1SOM_004657-01_Inseart_Mannschaftsmagazin_210x280_DE_04.indd 1 10.05.22 17:0310.05.22 17:03ANZEIGE

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EDITORIALLiebe Leser*innen Dass der Genderstern immer noch und immer wieder heftige Streitgespräche auslöst, ist etwas, was viele wundert, andere (zu Recht) nervt. Die Vielfalt, die in diesem Stern zum Ausdruck kommt, zelebrierten im Juni 40 000 best gelaunte Menschen bei strahlendem Sonnenschein an der Zurich Pride, die man als vollen Erfolg werten kann. Und das auch, weil zum ersten Mal trans Menschen deutlich thematisiert wurden. Andere Buch-staben sieht man hingegen weniger häufig: Wo sind z. B. die Bisexuellen, die sogar in der Grundformation der Queers (LGBT) schon ihren Platz hatten? Wir gehen dieser Frage auf Seite 10 nach. Zudem freuen wir uns, ein breit angelegtes Potpourri an Kulturthemen aus den Bereichen Theater, Fotografie und Litera-tur anbieten zu können. So lässt es sich den Sommer geniessen. Also, stürzt euch in den Sommer, in die Ferien, in die Liebe, lebt das Leben.Herzlich; Birgit Kawohl Co-Chefredaktorin6 KULTUR THEATER IM FIN DE SIÈCLE10 GESELLSCHAFT BISEXUALITÄT12 KULTUR CIRQUE DU SOLEIL14 SERIE HOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATUR16 KULTUR LUCERNE FESTIVAL17 KOLUMNE MICHI RÜEGG20 KULTUR BUCHTIPP22 FOTOGRAFIE LIVA TRESCH26 KULTUR EIN KRIMI AUS KREIS 434 RATGEBER DR. GAY IMPRESSUMCRUISER MAGAZIN PRINTISSN 1420-214x (1986 – 1998) | ISSN 1422-9269 (1998 – 2000) | ISSN 2235-7203 (Ab 2000)Herausgeber & Verleger medienHay GmbHInfos an die Redaktion redaktion@cruisermagazin.chChefredaktor Haymo Empl Stv. Chefredaktorin Birgit KawohlBildredaktion Haymo Empl, Astrid Affolter. Alle Bilder mit Genehmigung der Urheber.Art Direktion Astrid AffolterAgenturen SDA, DPA, KeystoneAutor*innen Vinicio Albani, Mark Baer, Haymo Empl, Birgit Kawohl, Michi Rüegg, Alain Sorel, Gregor Tholl Korrektorat | Lektorat Birgit KawohlAnzeigen anzeigen@cruisermagazin.chChristina Kipshoven | Telefon +41 (0)31 534 18 30WEMF beglaubigte Auflage 11 539 Exemplare (2016)Druck Druckerei Konstanz GmbHWasserloses DruckverfahrenREDAKTION UND VERLAGSADRESSECruiser | Clausiusstrasse 42, 8006 Zürichredaktion@cruisermagazin.chHaftungsausschluss, Gerichtsstand und weiterführende Angaben auf www.cruisermagazin.chDer nächste Cruiser erscheint am 1. September 2022Unsere Kolumnist*innen widerspiegeln nicht die Meinung der Redaktion. Sie sind in der Themenwahl, politischer /religiöser Gesinnung sowie der Wortwahl im Rahmen der Gesetzgebung frei. Wir vom Cruiser setzen auf eine grösst - mögliche Diversität in Bezug auf Gender und Sexualität sowie die Auseinandersetzung mit diesen Themen. Wir vermeiden darum sprachliche Eingriffe in die Formulierungen unserer Autor*innen. Die von den Schreibenden gewählten Bezeich- nungen können daher zum Teil von herkömmlichen Schreib- weisen abweichen. Geschlechtspronomen werden entspre - chend implizit eingesetzt, der Oberbegriff Trans* beinhaltet die entsprechenden Bezeichnungen gemäss Medienguide «Transgender Network Schweiz».Der Sommer ist da und was gibt es Schöneres, als gemeinsam einen Tag am Strand zu verbringen. Milo und Paul geniessen es jedenfalls sichtlich.

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Das Deutsche Kaiserreich war nicht für seine Weltoffenheit berühmt. Daher erstaunt es, dass damals Dramen mit schwulen Inhalten veröffentlicht wurden.4CRUISER SOMMER 2022«Das Vorurteil war stärker als ich!»KULTURTHEATER IM FIN DE SIÈCLE

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5VON BIRGIT KAWOHLWährend in der Schweiz gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahr-hunderts die Basis für die Grösse der eigenen Wirtschaft geschaen wurde, unter anderem dadurch, dass der Bundes-staat mit neuen Kompetenzen ausgestattet wurde, versuchte man im Deutschen Kaiser-reich Grösse durch Imperialismus zu errei-chen und schickte seine Landsleute weit in die Welt hinaus. Wilhelm II. propagierte deutsche Hegemonieansprüche – gut abzu-lesen an der leider eine gewisse Berühmt-heit erlangt habende «Hunnenrede» – und die Schweizer Industrie erstarkte in diver-sen Sektoren (u. a. Eisenbahn, Chemie, Ban-kenwesen und Nahrungsindustrie). Trotz-dem wanderten viele Schweizer*innen (und ebenso viele Deutsche) aufgrund miserab-ler Lebensbedingungen aus (zumeist in die USA). Zugleich entstand in der Heimat eine neue Gesellschaftsschicht, die Arbei-terklasse. Diese sollte in den kommenden Jahrzehnten zur treibenden Kraft werden, da sie zwar zunächst machtlos, aber sehr zahlreich an Mitgliedern war.Gleichzeitig aber trafen sich Bürger*-innen (Industrielle, Bankiers, Ärzte, Juris-ten) in gehobenen Zirkeln, man ging ins eater, kokettierte mit (zum Teil gar nicht vorhandener) Bildung und liess es sich gut-gehen. Ein Zeugnis dieses Aufstiegs legen heute die zahlreichen Bürgerhäuser ab, die man z. B. in Zürich noch im Kreis 1 nden kann. Hier atmet man förmlich den Reich-tum und das herrschende Lebensgefühl der Bürger ein, wenn man die Stuckdecken oder aber auch die Dienstbotenzimmer in Nähe des Estrichs betrachtet.Die Kunst der Zeit war von Extremen gekennzeichnet: Auf der einen Seite wurde der Dekadenz gehuldigt, andererseits der Verfall der Sitten und der Gesellschaft an-geprangert. Die Künstler*innen schwank-ten zwischen Aufbruch und Depression. Intellektuelle fühlten sich im Fin de Siècle ohnmächtig ob der Anonymität der Gross-städte – ein Gefühl, das sich in der Epoche des Expressionismus noch verstärken sol-lte – zugleich waren sie aber fasziniert von den Fortschritten in den Naturwissenschaf-ten und Technik.Langsame Öffnung Richtung SexualitätTypische Vertreter in der Literatur sind Oscar Wilde, Paul Verlaine oder Frank Wedekind, der seine Schulzeit in der Schweiz verbrachte und anschliessend in Lausanne und Zürich (erfolglos) studierte. Wenn man sich die Werke des Letztgenann-ten anschaut, merkt man, dass die Prüderie der Kaiserzeit in der Literatur (zumindest teilweise) ein Ende hat. In seinem Drama ➔ KULTURTHEATER IM FIN DE SIÈCLEDie Kunst der Zeit war von Extremen gekennzeichnet: Auf der einen Seite wurde der Dekadenz gehuldigt, anderer-seits der Verfall der Sitten und der Gesellschaft angeprangert.ANZEIGEwww.bodyesthetic.ch16 Jahre Erfahrung in Zürich, jetzt neu auch in LuzernBody EstheticBEZH 044 381 20 20 / LU 044 381 20 18 Bodyesthetic.ch+41 76 403 26 39 @bodyesthetic.chAlle Behandlungen unter ärztlicher LeitungNatürliche Hautstraffungmit Radio Frequenzz.B. Augen 89.–Kryolipolyse – Fett weg mit KälteInklusive Lymphdrainage1 Zone 199.–FaltenbehandlungBotulinumtoxin ab 180.– pro Zone Hyaluronsäure Filler z.B. Lippen 400.–Dauerhafte Haarentfernung SHRz.B. Bikini 69.– bis 99.–Achseln 69.–

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6CRUISER SOMMER 2022Kaiserreich. Diese Beschreibung muss man zwar ein wenig eingrenzen, denn sicherlich gilt die Formulierung nicht für das gesamte Reich, sondern vor allem für dessen Haupt-stadt Berlin, dort aber fanden Maskenbälle statt, in denen «Männer in Kleidern mit Männern im Frack» tanzten und sich auch sonst einiges abspielte, was wir der Zeit gar nicht zugetraut hätten. Noch bemerkens-werter ist dabei, dass das Ganze, so der Pod-cast, im Beisein der preussischen Polizei geschah, die sogar die Gäste namentlich gekannt habe.Wenig erstaunlich mag es daher an-muten, dass es durchaus eine Reihe von schwulen eaterstücken gab, die aller-dings selten das Licht der Bühne erblicken durften und die unter anderem deswegen heute nahezu unbekannt sind. Einige dieser Dramen ndet man in dem im Männer-schwarm Verlag erschienenen Band «Jas-minblüthe», herausgegeben von Manfred Herzer, der in seiner Einführung auch ein paar erklärende und erhellende Worte zum ema schwule eaterstücke um das Jahr 1900 beiträgt. Stücke zwischen Mut und mangelhafter QualitätHerzer stellt dabei auch die Ambivalenz dieser Stücke heraus, die zwischen inhaltli-chem Mut und qualitativen Mängeln schwanken, eine Einschätzung, die sich ab-«Frühlings Erwachen», ein frühes Coming-of-Age-Werk, ndet man zum Beispiel eini-ge sadomasochistische Motive und auch in «Lulu» spielt die Sexualität keine unterge-ordnete Rolle. Aber trotz aller Freizügigkeit, die sich ein Literat wie Wedekind herausnahm – die Familie Wedekind war eng mit der Familie Mann befreundet, die später auch wegen ih-rer Oenheit immer wieder in die Schlag-zeilen geriet –, alles in allem waren be-stimmte emen zu dieser Zeit immer noch ein Tabu. Eines dieser emen war, wen mag es verwundern, schwuler Sex, auch wenn der Godfather der schwulen Aufklä-rung, Magnus Hirschfeld, schon im Jahr 1897 das «Wissenschaftlich-humanitäre Komitee» gründete, das die Entkriminali-sierung schwulen Sexes und die Streichung des Paragrafen 175 zum Ziel hatte. Daneben gab es, wie man aus dem Pod-cast «Geschichte Daily» in der Folge vom 31. Mai 2022 erfahren kann, fast so etwas wie eine «queere Partyszene» im Deutschen KULTURTHEATER IM FIN DE SIÈCLEOscar Wilde (ganz links) und Frank Wedekind waren schon damals für ihre nahezu anrüchigen Texte be-kannt. Die schwule Theatergruppe aus den USA zeigt, wie gut sich die damalige Mode (Frack und Bärte) mit frivolen Inhalten (erkennbar an den Kleidern) verbinden liess.Es gab durchaus eine Reihe von schwulen Theaterstücken, die allerdings selten das Licht der Bühne erblicken durften und die unter anderem deswegen heute nahezu unbekannt sind.Bilder © Wikimedia Commons

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7ANZEIGE 3 ACADEMY AWARD® NOMINATIONSBEST A NIM ATE D FE ATURE F IL M BEST DOCUM ENTAR Y FE ATURE BEST INT ER NAT ION AL F EATURE FILMWINNER 2021BEST E UROPEA N ANIMATE D FEATURE F ILM BEST EUROPEAN DOCUMENTARYEIN FILM VON JONAS POHER RASMUSSENAB 21. JULI IM KINO«Die animierten Bilder entwickeln eine derartige Kraft, dass sie einen in den Bann ziehen.» OutNow«Der Film ist ein unglaublich intimer Akt des Anteilnehmens.» Variety_Flee_InsD_105x280_cruiser.indd 1_Flee_InsD_105x280_cruiser.indd 1 15.06.22 16:2315.06.22 16:23solut bestätigt, wenn man sich die Dramen durchliest. Dies mag auch ein gewichtiger Grund dafür gewesen sein – neben der durchaus heiklen ematik – dass nur eins der Stücke, nämlich der Einakter «Robert Anstey» von Max Meyerfeld aus dem Jahr 1912, zur öentlichen Auührung gekom-men ist. Dass die Qualität ein nicht zu ver-nachlässigender Faktor gewesen sein wird, lässt sich daran erkennen, dass wir diese Dramen auch heute noch nicht auf den Spielplänen nden und auch die (im Falle des Bandes «Jasminblüthe») allesamt männlichen Autoren der zwischen 1898 und 1913 entstandenen eaterstücke in Vergessenheit geraten sind.Zur damaligen Zeit erlangte aber zu-mindest der eine oder andere durchaus eine gewisse Berühmtheit. So zum Beispiel der 1871 in Düsseldorf geborene Hanns Heinz Ewers, der mit seinen als trivial und unmo-ralisch eingestuften Werken, zum «skandal-umwitterten Bestsellerautor» (so Wikipe-dia) wurde. Von zu Hause aus mit Kultur aufgewachsen – der Vater war Maler, die Mutter der Literatur zugetan – geriet er früh mit dem starren Bildungssystem in Kon-ikt, schate das Abitur knapp und führte danach ein Leben, das weniger an berui-chem Aufstieg und Bildung als am Nachtle-ben, aber auch an Okkultismus und Spiritis-mus interessiert war.Ewers verehrte Oscar Wilde und äus-serte sich empört über dessen Verurteilung wegen Unzucht. Aber er war eine ambiva-lente Person, die sich niemals leicht fassen liess, so setzte er sich im aufkommenden und existierenden Nationalsozialismus für Juden ein, trat aber zugleich schon im Jahr 1931 der NSDAP bei und engagierte sich dort im Bereich Propaganda. Das feite ihn allerdings nicht vor einem Publikationsver-bot, oenbar war den strengen Parteigenos-sen sein Werk nicht «arisch» genug. Das mag einen nicht verwundern, wenn man sich sein im Band «Jasminblüthe» abge-drucktes Drama «Enterbt» aus dem Jahr 1905 anschaut. Kurz zum Inhalt: Landgerichtsrat Ewald Riemerschmid ist seit zwei Jahrzehn-ten verheiratet und hat einen 19-jährigen Sohn. Schnell merkt man, dass der Mann schwul ist. Auch seine Frau hat davon erfah-ren und versucht nun, ihn mit diesem Um-stand zu erpressen, denn sie selbst hat eine Aäre mit dem Staatsanwalt Ahlfeld. In ei-nem Gespräch erklärt die Mutter dem Sohn aufgebracht und polemisch, warum sie von ihrem Mann nicht geliebt werden kann: «Dein Vater ist einer von jenen erbärmli-chen Menschen, deren innerste Natur per-vers ist, jenen Verabscheuungswerten, ➔

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8CRUISER SOMMER 2022KULTURTHEATER IM FIN DE SIÈCLEdie das andere Geschlecht missachten und nur für ihr Eigenes [sic!] empnden, einer von jenen Ausgestossenen, denen der Volks-mund den Namen --»Erbärmlich, pervers und ausgestossenDer Sohn wendet sich daraufhin subito von seinem Vater, zu dem er zum ersten Mal eine gewisse Nähe und Liebe verspürt hat, ange-ekelt ab. Kein Wunder, bei der Oenbarung der Mutter: erbärmlich, pervers, verab-scheuungswert, ausgestossen. Wer möchte schon einen solchen Vater haben? Dazu kommt die Angst, dass der Vater aufgrund seiner Homosexualität ein Auge auf ihn, den Sohn, geworfen haben könnte. Neben dem Ekel kommt also noch eine gehörige Portion Angst dazu. Es nützt auch nichts, dass der beste Freund des Sohnes, der auch zugegen ist, Partei für den Vater ergreift: «Klage die Natur an, die solche Menschen in die Welt setzte, aber verachte diese Armen nicht, die schwer genug an ihre Qualen tragen.» Wir merken, die Ambivalenz der Epoche tritt auch in diesem Drama auf, Modernität kämpft gegen das Reaktionäre, noch ge-winnt leider die konservative Sicht, was sich auch auf absehbare Zeit nicht ändern soll.Die Erklärung der Mutter und die Reaktion des Sohnes reichen jedenfalls, um den Vater in ein unendliches Dilemma zu stürzen, das schliesslich – Achtung Spoi-ler! – im Selbstmord endet. Trotz dieses na-len Suizids endet das Drama nicht komplett negativ, denn im Sterbemoment kommt es zu einer Art Versöhnung innerhalb der Familie: «Wie starb er?» «Ganz ruhig, bei vollem Bewusstsein. Seine Frau hielt ihn in den Armen, sein Sohn kniete vor ihm.» Da fragt man sich schon, warum diese Toleranz erst mit der Selbstrichtung des Homosexu-ellen stattnden konnte, so nach dem Mot-to: Wenn er tot ist, darf er ruhig schwul sein, er kann dann ja keinen Schaden mehr an-richten. Von Ewers scheint dies als eine Art Happy End verstanden werden zu wollen, nach heutigem Massstab sieht man das si-cherlich nicht mehr so positiv. Der Suizid als der einzige AuswegÜberhaupt Selbstmord bzw. schlechtes Ende: Dies scheint eines der hervorste-chendsten Merkmale der schwulen Dramen dieser Zeit zu sein, denn der Grossteil der hier versammelten Werke endet mit dem Tod eines Protagonisten. Dies macht schon die Grundstimmung deutlich, die gegen-über dem ema herrscht: Der Betroene ist schwer geschädigt, wird von seiner Umwelt nicht akzeptiert, sieht überhaupt keinen Ausweg mehr aus seiner Misere. Die Um-welt reagiert mit Unverständnis, was noch eine nahezu harmlose Reaktion ist, oder mit Ablehnung und Ekel, so wie im oben zitier-ten Drama von Hanns Heinz Ewers oder auch in dem dem Band seinen Namen ge-benden Stück von Ludwig Dilsner, in dem der junge Rudolf den Pfarrer aneht, bei dem er um Hilfe und Verständnis nach-sucht: «Ich will dasselbe Recht, das jede Kreatur für sich beansprucht: das Recht auf Liebe!» Für den Pfarrer ein unmögliches Ansinnen: «Verucht seid ihr, Söhne des dritten Geschlechts! Ihr, die der Liebe er-mangeln!» Wenn so derjenige reagiert, bei dem man in letzter Instanz Hilfe, wenn nicht sogar so etwas wie Absolution sucht, verschliesst sich schnell jede Tür der Ho-nung und man sieht nur noch einen Aus-weg: den Suizid. Und dann nützt es auch nichts, wenn die Eltern anschliessend trau-ern und sich grämen.Bei allen formalen und sprachlichen Mängeln, diese Dramen gewähren einen in-teressanten, bisher wenig vorhandenen Ein-blick in die Literatur und darüber hinaus in die Gesellschaft um die Wende zum 20. Jahrhundert. Erschreckend ist dabei, dass sich in mancherlei Hinsicht auch über 100 Jahre später noch nicht in allen Bereichen viel geändert hat und dass der Schwule im-mer noch mit Ausgrenzung und Ablehnung zu kämpfen hat, sodass auch weiterhin die Rate der Suizide und Suizidversuche unter Queers grösser ist als im Mittel der Gesell-schaft. LiteraturManfred Herzer (Hg.): Jasminblüthe. Schwule deutschsprachige Theaterstücke um 1900. Männerschwarm Verlag 2018. ISBN 978-3-86300-254-1.Anmerkung: Der Titel des Artikels ist ein Zitat aus Ludwig Dilsners Drama «Jasminblüthe» aus dem Jahr 1898.Kreis 1 in Zürich lädt dazu ein, sich die Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorzustellen, die Gebäude bieten dazu ausreichend Raum.

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9CRUISER SOMMER 2022RUBRIKENTITELRUBRIKENUNTERTITELTICKETS AUF:THREE DAYS GRACE26.09.2022 - VOLKSHAUS ZÜRICHBEYOND THE BLACK & AMARANTHE23.10.2022 - X-TRA ZÜRICHTHE SCRIPT09.11.2022 - THE HALL ZÜRICHWITHIN TEMPTATION &WITHIN TEMPTATION &EVANESCENCE12.11.2022 - HALLENSTADION ZÜRICHKISHI BASHI16.11.2022 - PLAZA ZÜRICHALTER BRIDGE & HALESTORM23.11.2022 - THE HALL ZÜRICHCAVALLUNA CAVALLUNA GEHEIMNIS DER EWIGKEIT03. & 04.12.2022 - HALLENSTADION ZÜRICHPOPPY12.12.2022 - X-TRA ZÜRICHTICKETS AUF:THREE DAYS GRACE26.09.2022 - VOLKSHAUS ZÜRICHBEYOND THE BLACK & AMARANTHE23.10.2022 - X-TRA ZÜRICHTHE SCRIPT09.11.2022 - THE HALL ZÜRICHWITHIN TEMPTATION &WITHIN TEMPTATION &EVANESCENCE12.11.2022 - HALLENSTADION ZÜRICHKISHI BASHI16.11.2022 - PLAZA ZÜRICHALTER BRIDGE & HALESTORM23.11.2022 - THE HALL ZÜRICHCAVALLUNA CAVALLUNA GEHEIMNIS DER EWIGKEIT03. & 04.12.2022 - HALLENSTADION ZÜRICHPOPPY12.12.2022 - X-TRA ZÜRICHANZEIGE

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10CRUISER SOMMER 2022GESELLSCHAFTBISEXUALITÄTVON GREGOR THOLL, DPA UND HAYMO EMPLTeenager Nick, der scheinbar selbst-sichere Rugby-Star und Mädchen-schwarm der Schule, ndet sowohl Keira Knightley als auch Orlando Bloom im Piratenlm «Fluch der Karibik» gut. Und dass er Gefühle für den schüchternen Char-lie entwickelt, der neben ihn in der Klasse gesetzt wurde, verwirrt den 16-Jährigen noch mehr. Die Netix-Serie «Heartstop-per» zeigt feinfühlig Nicks Identitätsn-dung und erwachende Liebe für den oen schwulen Charlie.In den letzten Wochen sensibilisierte die britische Serie weltweit ein Millionen-publikum für die Gefühlslage von Men-schen, die sowohl hetero- als auch homo-sexuell fühlen, die romantisch oder sexuell eine Anziehung zu mehr als einem Ge-schlecht empnden können.Bisexualität komme oft zu kurz im ge-sellschaftlichen Diskurs, legt auch das neue Sachbuch «Bi – Vielfältige Liebe entdecken» (Hanser-Verlag) dar. Dessen Autorin, die Rechtspsychologin Julia Shaw, sagt: «Bi-sexualität ist kein Trend.» Das Konzept dieser Neigung gebe es schon seit Ende des 19. Jahrhunderts. Aus der Zoologie gebe es auch die Erkenntnis, dass viele Tiere bi-sexuelles Verhalten zeigten, kurz: «dass Bi-sexualität die Norm ist».«In der Psychologie nde ich interes-sant, wie viele Menschen, die sich als hetero-sexuell beschreiben, bisexuelle Erfahrungen haben», sagt Shaw (35), die in Köln geboren wurde, in Kanada aufwuchs und in London als Wissenschaftlerin und Autorin lebt.Wo sind die Bisexuellen?Doch das «B» etwa bei der Abkürzung LGBT* wird zwar gerade jetzt im sogenann-ten Pride-Monat Juni oft mitgesagt, aber sel-ten wirklich mitgedacht. Die gesellschaft-liche Debatte über Bisexualität hinke der Akzeptanz von Homosexualität etwa 30 Jahre hinterher, meint Shaw. So sei ihr «Bi»-Buch das erste populärwissenschaftliche Sachbuch bei einem Bestseller-Verlag zu diesem ema. Viele Menschen hätten Angst vor Fluidität, meint Shaw. Es werde sich hinter einseitigen Identitäten ver-schanzt. Als bisexuelle Frau habe sie sich oft gefragt, wo sie überhaupt hingehöre. Sie habe deshalb nun das Buch geschrieben, was ihr als «Atlas derBi-Welt» gefehlt habe.Leider sei auch die queere Community für «Bi’s» nicht unbedingt ein sicherer Ha-fen, also ein «Safe Space»/Schutzraum, wie es heute oft heisst. Während Heteros Bi-sexuellen mit einer Art «Hypersexualisie-rung» begegneten – nach dem Motto: «Du kannst wohl nicht treu sein und willst es mit jedem treiben» – reagierten Lesben und Schwule oft ablehnend, weil sie Bisexuelle als unehrlich oder mutlos betrachteten, wohl noch auf dem Weg zum «richtigen Coming-out».Die Folge: Es gibt wohl mehr Men-schen, die sich zu mehr als einem Geschlecht hingezogen fühlen als «hundertprozentige» Im scheinbar offenen Diskurs über Queers wird Bisexualität oft ausgeblendet. Zurzeit wird dieser Umstand verstärkt zum Thema gemacht.Das vergessene BUnter queer werden mittlerweile viele Buchstaben zusammengefasst, von denen das B häufig etwas stiefmütterlich behandelt wird.

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11GESELLSCHAFTBISEXUALITÄTLesben und Schwule. Die meisten Bisexuel-len sprechen aber nicht darüber – weder in der Beziehung noch in der Familie noch im Freundeskreis und schon gar nicht am Arbeitsplatz. Bisexuelle versteckten ihre Orientierung doppelt so häug wie Homo-sexuelle, zitiert Shaw Studien.Laut Shaw wird oft missverstanden, dass das «Bi» (von lateinisch «bi-» für «zwei») für Männer und Frauen steht. Das sei aber die falsche Binarität. «Es geht seit der Be-grisgründung um Menschen, die sowohl homosexuell als auch heterosexuell sind.»Ein bisschen bi schadet nieVom apsigen deutschen Spruch «Ein biss-chenbischadet nie» hält Shaw eher wenig. «Das ist oberächlich positiv, da Akzeptanz natürlich der notwendige erste Schritt für eine ‹bi-inklusive› Gesellschaft ist», sagt sie der Deutschen Presse-Agentur. «Aber wenn wir uns den Spruch genauer anschauen, meint er, dass viele Menschen in homose-xuellen Situationen ‹nur spielen›, sie aber ‹in echt› heterosexuell sind.» Ein solcher Spruch untergrabe bisexuelle Identitäten. «Bisexualität muss ernst genommen wer-den, wie inzwischen Homosexualität meis-tens auch ernst genommen wird.»Die Netix-Produktion «Heartstopper» ndet Shaw dagegen hilfreich: «Solche Se-rien sind ganz wichtig, um Bisexualität sichtbar zu machen. In der Serie wird der bisexuelle Junge Nick sogar in denBi-Pride-Farben – Pink, Lila, Blau – in dem Moment beleuchtet, in dem er sich selber seine Ge-fühle für seinen Freund Charlie eingesteht.» Die Coming-of-Age-Geschichte zeige da-mit, dass diese Gefühle euphorisieren kön-nen. «Sie zu akzeptieren – statt sie zu ver-drängen – ist ein gesunder Aspekt des Le- bens.» Vielfältige Liebe gelte es zu feiern – «und zwar so, wie wir andere Liebeserfah-rungen auch feiern». ANZEIGE«Es geht seit der Begriffs-gründung ‹bi› um Menschen, die sowohl homosexuell als auch heterosexuell sind.» Julia ShawDie deutsch-kanadische Rechtspsychologin Julia Shaw untersucht in ihrem neuen Buch die Besonderheiten des Umgangs der Gesellschaft mit Bisexualität.

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12CRUISER SOMMER 2022KULTURCIRQUE DU SOLEILErstmals in Zürich: Cirque du Soleil mit LUZIAVON TEAM CRUISERMit visuellen Überraschungen und atemberaubenden akrobatischen Darbietungen nimmt LUZIA das Publikum mit auf eine surrealistische Reise durch eine lebendige Welt voller Wunder, Verspieltheit und beeindruckender Artistik. Von einer alten Filmkulisse über den Ozean bis hin zu einem verrauchten Tanzsaal oder einer trockenen Wüste bringt LUZIA ge-schickt verschiedene Orte, Gesichter und Klänge Mexikos auf die Bühne, die sowohl der Tradition als auch der Moderne entstam-men. LUZIA ist reich an atemberaubenden Momenten und verzaubert durch die Ein-bindung von Regen – eine Premiere für eine Tourneeproduktion des Cirque du Soleil. Atemberaubende ArtistikMit hypnotisierenden und erfrischenden akrobatischen Darbietungen zelebriert LU-ZIA traditionelle und zeitgenössische Zir-kusdisziplinen in einer völlig neuen Art. Ar-tisten in rollenden Reifen vollbringen die Kunst, sich im Regen zu drehen, während ein am Trapez hängender Luftakrobat durch die Luft schwebt. Spektakuläre Sprünge durch Reifen auf gigantischen Laufbändern, deren Geschwindigkeit und deren Anzahl an gewagten Sprüngen exponentiell gestei-gert werden. Zu den atemberaubenden Hö-hepunkten gehören ein männlicher Schlan-genmensch, der seinen Körper gekonnt in die unvorstellbarsten Positionen verrenkt, ein kraftvoller Strapaten-Künstler, der den Gesetzen der Schwerkraft trotzt, ein Jong-leur, der in halsbrecherischer Geschwindig-keit sieben Keulen durch die Luft wirbelt, und zwei Fussball-Freestyler, die geschickt Streetdance mit sensationellen Ballmanipu-lationen kombinieren. Unter der Regie von Daniele Finzi Pasca und in enger Zusammenarbeit mit Brigitte Poupart entführt LUZIA in ein ima-ginäres Mexiko wie in einen Wachtraum, in dem das Licht (spanisch «luz») den Geist erfrischt und der Regen (spanisch «lluvia») die Seele besänftigt. Cirque du Soleil – LUZIA20. September bis 23. OktoberHardturm-Areal, ZürichWeitere Informationen & Tickets: www.cirquedusoleil.com/luziawww.ticketcorner.ch Ticketcorner 0900 800 800 (CHF 1.19/Min) sowie übliche VorverkaufsstellenCirque du Soleil kehrt nach vierjähriger Abwesenheit zurück nach Zürich:Die gefeierte und atemberaubende Produktion LUZIA ist zu Gast im GrandChapiteau auf dem Hardturm-Areal.Cirque du Soleil hat die Zirkuswelt neu definiert: von Strassenkünstlern zu einer bekannten Marke. Die kanadische Organisation mit Sitz in Montreal hat sich zu einem weltweit führenden Live-Entertainment-Unternehmen entwickelt und setzte bereits sehr früh auf Diversität.

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13RUBRIKENTITELRUBRIKENUNTERTITELErstmals in Zürich: Cirque du Soleil mit LUZIAzkb.ch/zooAls Kunde erhalten Sie Zoo-Tickets 20% günstiger exklusiv über unsere Website.ERD*CHENFoto: Zoo Zürich, Peter BolligerINS_ZKB_LGBT_Erdmaennchen_210x280mm_20210406_RZ.indd 1 06.04.21 11:28zkb.ch/zooAls Kund*in erhalten Sie Zoo-Tickets 20% günstiger exklusiv über unsere Website.ANZEIGE

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14CRUISER SOMMER 2022VON ALAIN SORELGiovanni Antonio Bazzi ist eigentlich unter seinem Beinamen in die Kunstgeschichte eingegangen: So-doma. Ja, Sodoma. Und den hat er nicht von ungefähr erhalten. Der Fresken- und Tafel-bildmaler, 1477 in Vercelli im Piemont gebo-ren, 1549 in der toskanischen Stadt Siena gestorben, verstand es, zu leben. Zwar war er verheiratet und hatte mit seiner Frau so-gar einen Sohn, aber das scheint keine aus-schlaggebende Rolle in seinem Dasein ge-spielt zu haben. Erotische Signale auf den FreskenSeine Zuneigung galt ganz oensichtlich seinem eigenen Geschlecht, mit dem er opulente Feste feierte, und gutaussehende junge Männer senden auf seinen Fresken Signale aus, die durchaus erotisch gedeutet werden können. Der Künstlerbiograph Gi-orgio Vasari, ein etwas jüngerer Zeitgenosse Sodomas und als Architekt und Maler selbst vom Fach, schrieb: «In seiner Nähe befan-den sich immer heranwachsende Burschen und ganz junge Männer, die er missbrauch-te, weshalb er ‹Sodoma› geheissen wurde. Das kümmerte ihn jedoch nicht – im Gegen-teil: Er dichtete Liedtexte, sang diese und begleitete sich dazu auf der Laute.» Giovanni Antonio Bazzi umgab sich gerne mit jungen hübschen Männern und verstand es, sie auf seinen Bildern und Fresken für die Ewigkeit darzustellen.Sodoma führte ein aufwändiges, exzentrisches und ausgesprochen geselliges Leben und liebte es, aufzufallen und zu provozieren. So hielt er sich in seiner Wohnung in Siena u. a. eine exotische Tier-Menagerie mit Dachsen, Papageien, Affen und sprechenden Raben. Diese «Üppigkeit» spiegelt sich auch in seinen Bildern wider.Gutaussehende junge Männer senden auf den Fresken erotische Signale aus.SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURBilder © Wikimedia CommonsSodoma lässt nichts aus

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15CRUISER SOMMER 2022SERIEHOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURSchwerpunkt von Sodomas künstleri-schem Schaen war Siena. Über einem der Stadttore prangt der Satz: «Weiter [als ande-re Städte] önet dir Siena sein Herz.» Der immer extravagant gekleidete Sodoma muss sich diese Worte auch für sein Leben zum Motto gemacht haben, denn er hatte ganz oensichtlich ein grosses Herz, zu-mindest für junge Männer. Er lebte mit all dem nicht ungefähr-lich. «Sodoma» ist sprachlich verwandt mit der Sodomie, einem Wort, das im deutschen Sprachgebrauch eine Bedeutungswandlung durchgemacht hat. Umfasste es früher alle sexuellen Praktiken, die wie die Homosexu-alität nicht der Fortpanzung dienten und damit nach Auassung der alles dominie-renden Kirche als «widernatürlich» und «pervers» galten, hat sich der Begri heute auf die Unzucht mit Tieren verengt. Aber in seiner erweiterten Bedeutung in jener Zeit war er eine ständige Bedrohung für schwule Männer. «Offiziere der Nacht» – die SittenpolizeiZwar waren die Regierenden in den italieni-schen Stadtstaaten grosszügig gegenüber Künstlern, holten sie an ihre Höfe, gaben ihnen Aufträge – Sodoma war auch im Vati-kan und ausser in Siena in verschiedenen anderen Städten tätig –, aber das Pendel des öentlichen Lebens schlug immer wieder aus in Richtung Prüderie und moralische Sittenstrenge. Man glaubte, Städte wie Rom oder Florenz vor dem Schicksal von Sodom und Gomorrha bewahren zu müssen, die gemäss biblischen Berichten als Hochbur-gen der Sünde von Gott vernichtet worden waren. Überall auf der Welt, quer durch alle Kulturen und Gesellschaften, Regierungs- und Herrschaftsformen, wurde die schwule Liebe und damit die Sodomie – die Ablei-tung von Sodom ist augenfällig – an den Pranger gestellt, hagelte es Verbote und Ver-schärfungen von bereits bestehenden Stra-fen bis zur Hinrichtung. In Florenz wurde in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine Sittenpolizei ge-bildet, die «Oziere der Nacht», wie sich deren Mitglieder nannten, eigens geschaf-fen zur Bekämpfung der Sodomie, die oen-bar nach Meinung der Behörden haupt-sächlich in der Nacht praktiziert wurde. Allzu unerbittlich wurde die Verfolgung nicht gehandhabt: Viele Betroene konnten durch Bezahlung eines Strafgeldes weitere Nachforschungen abwenden. Junge Körper für die NachweltNun, Sodoma erstarrte nicht in Angst vor der Obrigkeit, und er hatte Glück, konnte ungehindert seinem Talent frönen und sei-ne Kunst ausleben. Bedeutende Fresken zeugen noch heute für sein Können: In der Römer Villa Farnesia hat er sicher gerne das Fresko angefertigt, das den jungen, sport-lich gestählten Alexander den Grossen dar-stellt. Der Mazedonenkönig war verheiratet, hatte aber auch gleichgeschlechtliche Be-ziehungen wie vermutlich zu Hephaistion, dem engen Freund der Jugendzeit und dann auch im Mannesalter, in dem dieser Gene-ral und Leibwächter des Königs war. Oder dann ist da das Tafelbild mit dem Heiligen Sebastian zu erwähnen, mit dem Moment, in dem er den Märtyrertod erlei-det: Man spürt, dass sich Sodoma sehr ger-ne an die traditionelle Bildgebung dieser Figur gehalten hat. Wie jener von anderen Künstlern steht auch Sodomas Sebastian nur mit einem Lendenschurz bekleidet und von Pfeilen durchbohrt an einen Baum ge-fesselt da. Über dem wohlproportionierten, gut gebauten Körper bendet sich ein wei-ches, aber nicht weichliches Gesicht, die Augen blicken ehentlich zu einem herab-schwebenden Engel empor, der sich an-schickt, eine Märtyrerkrone auf das Haupt des Gemarterten zu setzen. So hat Giovanni Antonio Bazzi seine Sehnsüchte und Neigungen in seinen Wer-ken ausgelebt: Sodoma hat der Nachwelt viele junge Männer als Beispiele seiner Meisterschaft geschenkt. Er selbst hat sich ihr auf einem Fresko auch erhalten. Sein Beiname wurde ein Programm. Sicher malte er Alexander den Grossen sehr gern.Selbstporträt Sodomas in Monte Oliveto (Aus-schnitt). Der Maler ist weniger mit seinen Bildern als mit seinem Namen bis heute präsent.Der heilige Sebastian, hier dramatisch von Sodo-ma in Szene gesetzt. In seinen letzten Lebens-jahren war Sodoma in Siena als Künstler wenig geschätzt, obschon seine späten Bilder seine besten Werke sind.HOMOSEXUALITÄT IN GESCHICHTE UND LITERATURMehr oder weniger versteckt findet sich das Thema Männerliebe in der Weltgeschichte, der Politik, in antiken Sagen und traditionellen Märchen – aber auch in Kunst, Wissenschaft, Technik, Computerwelt. Cruiser greift einzelne Beispiele heraus, würzt sie mit etwas Fantasie, stellt sie in zeitgenössische Zusammenhänge und wünscht bei der Lektüre viel Spass – und hie und da auch neue oder zumindest aufgefrischte Erkenntnisse. In dieser Folge: Ein Maler, der sein Handwerk verstand und schöne junge Männer mochte.

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16CRUISER SOMMER 2022KULTURLUCERNE FESTIVALDiversität: gelebte musikalische Vielfalt in LuzernVON TEAM CRUISERDie Wahl des emas zeigt die Not-wendigkeit eines strukturellen Wan-dels in der Klassik-Branche auf, die noch immer von Weissen und Männern dominiert wird. Eingeladen sind Künst-ler*innen aus Bevölkerungsgruppen, die in der Szene bis heute unterrepräsentiert sind. Dabei stehen auch Werke vergessener oder verdrängter Komponist*innen auf dem Pro-gramm. Darüber hinaus sucht das Festival die Grenzüberschreitung zu anderen Mu-sikstilen wie dem Jazz und der Volksmusik und präsentiert Werke, die Einüsse ande-rer Kulturen aufgreifen. Die beiden Orchester der Chineke! Foundation spielen im «Diversity»-Sommer eine Schlüsselrolle. Gegründet von der Kon-trabassistin Chi-chi Nwanoku, setzen sich beide Klangkörper aus ethnischen Minder-heiten zusammen. Das Jugendorchester Chineke! Junior Orchestra tritt im Rahmen von Music for Future auf: Seine Mitglieder sind junge Musiker*innen im Alter von 11 bis 22 Jahren. Das ozielle Abschlusskon-zert von Lucerne Festival bestreitet das Er-wachsenenensemble, das Chineke! Orches-tra, mit Kevin John Edusei am Pult und Sheku Kanneh-Mason am Violoncello. Chi-chi Nwanoku hält zudem am 12. August die Erönungsrede des Festivals vor dem Kon-zert des Lucerne Festival Orchestra mit Chefdirigent Riccardo Chailly. Musikalische Diversität«Diversity» spiegelt sich auch in der Werk-auswahl des Sommers: In zahlreichen Kon-zerten wird der Bogen zu anderen Mu-sikrichtungen geschlagen. Tyshawn Sorey lässt das Lucerne Festival Contemporary Orchestra (LFCO) an der Grenze zwischen Jazz und Avantgarde improvisieren. Mit George Gershwins «Porgy and Bess» er-klingt die erste Oper, die ausschliesslich un-ter People of Color spielt und Songs, Spiri-tuals und jazzige Elemente enthält. Juan Diego Flórez widmet sich der spanischen Operette und präsentiert mit dem Sinfonía por el Perú Youth Orchestra Melodien aus Zarzuelas. Und die Wiener Philharmoniker spielen die monumentale «Turangalîla»-Sinfonie, in die Olivier Messiaen indische Rhythmen und indonesische Gamelan-Klänge einiessen liess. Lucerne Sommer-Festival vom 8. August bis 11. September. Eine Über-sicht der Künstler*innen, Locations und Spiel-daten gibt’s auf www.lucernefestival.chMit dem diesjährigen Motto «Diversity» setzt das Lucerne Festival ein Zeichen für Chancengleichheit – eine spannende Idee.Mehr ethnische Vielfalt in der klassischen Musik! Das hat sich das von der Kontrabassitin Chi-chi Nwanoku gegründete Chineke!-Orchester auf die Fahnen geschrieben – und sie macht mit ihrem Orchester vor, wie es gehen kann und dass es perfekt funktioniert.Bild © Orlando Gili

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17CRUISER SOMMER 2022Die Stadt Zürich führt den Genderstern ein. Seine Ankündigung führt uns vor Augen: Homo- und Transphobie lebt! Michi Rüegg nervt sich.Ein Sternchen bringt die Wut zum KochenVON MICHI RÜEGGEs war eine erfreuliche Nachricht, die der Zürcher Stadtrat kürzlich verkün-dete: Neu soll bei der Ansprache der Bevölkerung auch der Genderstern ver-wendet werden können. Dies diene dazu, auch trans und nonbinäre Menschen sprachlich sichtbarer zu machen. Dazu gab’s ein kleines Manual, das erklärte, was möglich ist. Wohlgemerkt: Empfohlen wer-den geschlechtsneutrale Formulierungen oder der Genderstern. Möglich ist auch die Kombination von weiblicher und männli-cher Form, wo dies Sinn ergibt.Die Nachricht stand auch auf dem städtischen Intranet. Dort wird allerlei ge-postet, in der Regel bleiben Reaktionen aus. Im Falle des Genderstern-Posts hagelte es innerhalb von zwei Tagen 32 Kommentare. Das kommt eigentlich nie vor.Ins Auge stechen vor allem die meist hämischen, negativen Kommentare. Ein grosser Teil davon stammt übrigens von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtpolizei, die sich vermutlich davor fürchten, künftig als Gender-Polizei zu agieren. Man ärgere «den produktiven Teil der Belegschaft», ist da zu lesen. Eine Mut-ter aus dem Sozialbereich schreibt, sie wolle ihre Kinder «vor diesem Irrsinn» schützen. Eine Polizistin meint, sie arbeite seit 24 Jah-ren bei der Stapo und man begegne dort allen auf Augenhöhe.Tatsächlich? Ist das dieselbe Stadtpo-lizei, deren Beamte mit gefakten Grindr-Prolen Jagd auf mögliche Escorts machen? Neulich erfuhr ich über einen Freund von einem Masseur aus Frankreich, bei dem zweimal innerhalb einer Woche die Bullen vor der Tür standen, um seine Arbeitsbewil-ligung zu kontrollieren (die er besass). Er meinte, er verstehe ja, dass es Kontrollen gebe. Doch koste ihn eine solche verdeckte Aktion jedes Mal einen Kunden und daher einen Teil seines Einkommens. Doch die Polizei schat es oenbar nicht, sich abzu-sprechen. Jeder der verdeckten «Sexermitt-ler» wurstelt vor sich hin. Ist ja auch irgend-wie geil, Schwule zu bedrängen. Hat schon auf dem Pausenhof Spass gemacht. Und ist einfacher und vor allem aufregender, als Arbeitsbewilligungen auf Baustellen zu kontrollieren. Schön auch, dass uns das ent-sprechende Gesetz, das dies ermöglicht, als Prävention gegen pädosexuelle Straftäter verkauft wurde. Aber wer will denn beim gesetzgeberischen Willen so genau hin-schauen. Sind ja nur Scheiss-Schwule, wie-so kümmern einen da Grundrechte und Verhältnismässigkeit?Alle Kommentare zum Genderstern sind unter Klarnamen veröentlicht. Jede*r städtische Mitarbeiter*in kann nachschauen, wer denn hier gegen Nichtheterosexuelle wettert. Gerade deshalb wird die Abnei-gung meist in Ironie verpackt. «Ich bin so froh, dass ENDLICH wichtige emen ange-gangen und Steuergelder sinnvoll einge-setzt werden», schreibt ein Buschaueur. Welche Steuergelder ein typograsches Zei-chen verschlingt, erschliesst sich nicht. Und ein junger Mann sorgt sich seltsamerweise um seine Grossmutter, die sich wohl in die Hose pinkelt, weil sie angesichts einer mög-lichen Einführung von Toiletten für Non-Binäre nicht mehr rechtzeitig das richtige Klo ndet. Der Tenor in all diesen Kommen-taren: «Gibt es nicht grössere Probleme?»Ich denke, es ist an der Zeit, diese im-mer wieder gestellte Frage ein für alle Mal zu beantworten:Nein.Gerade für trans Personen und Non-binäre (sowie diverse weitere Minderhei-ten) ist die alltägliche Diskriminierung ihr grösstes Problem. Es gibt kein grösseres Problem im Leben eines Menschen, als re-gelmässig vom Rest der Gesellschaft zu er-fahren, dass man nicht erwünscht ist, nicht akzeptiert und nicht respektiert wird. Dass man nicht dazugehört und daher ein Mensch zweiter Klasse ist. Daher noch einmal, weil oenbar he-terosexuelle cis*Menschen das extrem schwierig nachzuvollziehen nden: Nein. Es gibt kein grösseres Problem als die Diskriminierung, wenn man von ihr betrof-fen ist. Ist das wirklich so schwer zu verste-hen? Es gibt kein grösseres Problem im Leben eines Menschen, als regelmässig vom Rest der Gesellschaft zu erfahren, dass man nicht erwünscht ist, nicht akzeptiert und nicht respektiert wird.KOLUMNEMICHI RÜEGG

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LESS WORRY ABOUT TOMORROW MORE DAYS LIKE THESE Zu wissen, was alles in deiner HIV-Therapie steckt, kann dich gelassener machen. Sprich mit deinem Arzt oder deiner Ärztin, was für dich und dein langfristig gesundes Leben am besten ist. LESS HIVMORE YOUNP-CH-HVU-ADVT-220003/02.22

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LESS WORRY ABOUT TOMORROW MORE DAYS LIKE THESE Zu wissen, was alles in deiner HIV-Therapie steckt, kann dich gelassener machen. Sprich mit deinem Arzt oder deiner Ärztin, was für dich und dein langfristig gesundes Leben am besten ist. LESS HIVMORE YOUNP-CH-HVU-ADVT-220003/02.22ANZEIGE

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20CRUISER SOMMER 2022szene & kulturKULTURBUCHTIPPBUCHTIPPStephen Spender: Der Tempel. Albino Verlag 2022.Preis CHF 28.90 ISBN 978-3-86300-337-1VON BIRGIT KAWOHLBeim Beginn von «Der Tempel» fühlt man sich stark an den 1944 verfassten Roman «Wiedersehen mit Brides-head» («Brideshead Revisited») von Evelyn Waugh erinnert, der im deutschsprachigen Raum – nicht nur durch seine Fernseh-produktion aus dem Jahr 1981 (genial: Jere-my Irons und Anthony Andrews!) und die Kinoversion aus dem Jahr 2008 – eine grosse Breitenwirkung erzielte. Hier wie dort erlebt man englisches Studentenleben, man taucht ein in die Welt der Liebe unter (männlichen) Studenten, erlebt Pein(lichkeiten) und Qua-len. Danach wechselt der Handlungsort nach Deutschland und die Stimmung wird bodenständiger. Zwar bewegt man sich im-mer noch in höheren Gesellschaftsschich-ten, aber die Erlebnisse scheinen bekannter und nicht mehr ganz so vergeistigt wie am Anfang. Im Gegenteil: Die Leser*innen erhal-ten mit «Der Tempel» ein queeres Zeitbild der Weimarer Republik, in dem es viel um (enttäuschte) Liebe, aber auch um Kunst und Kultur und um damals aktuelle Fragen und gesellschaftliche Erscheinungen geht. So zum Beispiel als sich der Protagonist über Schiessereien in er Natur wundert und sein deutscher Begleiter erklärt, dies seien die «neuen» Deutschen, die hier Übungen machten. An anderen Stellen mag man gar nicht glauben, dass der Roman bereits als Ent-wurf Ende der 1920er-Jahren entstand, so aktuell sind die darin zu ndenden Aussa-gen. Der Protagonist wundert sich in Köln über turnende Menschen und «[er dachte], dass das selbstbezogene Getue der Deut-schen um ihren Körper ihn allmählich an-ödete. Sie beteten den Körper an, als wäre er ein Tempel. Aber warum können sie sich nicht so akzeptieren, wie sie sind [...]». Wenn man heutzutage (weltweit) in Fitnessstu-dios etc. schaut, hat man das Gefühl, dass sich diesbezüglich nicht viel geändert hat, im Gegenteil.Der britische Autor Stephen Spender (1909-1995) erklärt in der Nachbemerkung aus dem Jahr 1987, dass sich junge englische Autoren – so auch er - in den 1920er-Jahren immens viel Sorgen um die Zensur mach-ten, hatte doch das britische Gesetz unter anderem «Ulysses» von James Joyce verbo-ten. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. Deswegen eben Deutsch-land, das Land der Freizügigkeit, in das der Protagonist – ein Alter Ego Spenders – reist. Hier erlebt er die Liebe (mit Männern und Frauen), man spürt etwas von der Wander-vogel-Bewegung und dem generellen Auf-bruch nach dem I. Weltkrieg. Das Ganze ist in einer klaren und doch sehr plastischen Sprache verfasst, sodass man sich selbst quasi am Rheinufer liegen und bald danach in den Rhein springen sieht.Ein Glück, dass dieser Roman nun wiederentdeckbar geworden ist. Die Leser*innen erhalten mit «Der Tempel» ein queeres Zeit-bild der Weimarer Republik, in dem es viel um (enttäuschte) Liebe, aber auch um Kunst und Kultur und um damals aktuelle Fragen und gesellschaftliche Erscheinungen geht. Kaum vorstellbar, aber vor der Machtübernahme durch die Nazis war Deutsch-land für Engländer ein Land der Freiheit, herrschte dort doch strenge Zensur.Deutschland – ein Ort der Promiskuität

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Bild © Liva Tresch / Sozialarchiv ZürichCRUISER SZENE: AM PULS DER LGBT*-COMMUNITY. AKTUELL, INFORMATIV UND MITTENDRIN.szene & kultur

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22CRUISER SOMMER 2022Liva Tresch war Hoffotografin des Barfüssers in Zürich. Sie hofft, bei der Neueröffnung dabei zu sein.Liva Tresch (2014). Mit ihren über 6000 Fotografien der queeren Community ist sie nicht nur mutige Pionierin der «Szene», sondern auch eine wichtige Zeitzeugin.Bild Liva Tresch © Corinne Rufli / Bilder rechts © Liva Tresch / Sozialarchiv ZürichFOTOGRAFIELIVA TRESCH«Ich komme nicht in den Himmel, ich bin es schon.»

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23SPECIALDER NEUE ALTE BARFÜSSER AKA «KWEER-BAR»VON MARK BAER Wenn man mit Liva Tresch spricht, fühlt man sich als Journalist wie ein Goldgräber. Jeder Satz aus dem Mund der liebenswürdigen Frau ähnelt ei-nem Gold-Nugget. Sie spricht in schönen Bildern und haut eine Weisheit nach der anderen heraus. Bilder in Form von Foto-gra en waren schon immer ihr Metier. Als uneheliches Kind einer Gurtneller Bauern-tochter geboren, wuchs sie bei Pegeeltern im Kanton Uri auf und üchtete als Teen-ager aus Angst vor einer Vormundschaft. Sie wollte frei sein. Mit 13 arbeitete Tresch zu-erst in einem Hotel als Küchenmädchen und später in Fabriken im Tessin. «Ich woll-te nie klauen müssen, um zu essen», sagt sie rückblickend. Dass Liva Tresch Frauen liebte, ent-deckte sie mit 22 im Sündenpfuhl Zürich. «Vorher war ich in der Pfadi und dort gab es keine Sexualität.» Sex sei damals auch eine Sünde gewesen. Wenn, dann habe sie es sich höchstens mal selbst gemacht, gibt die ältere Frau ganz unverhohlen zu. Heute wisse sie, dass es sehr wichtig sei, den eigenen Körper liebzuhaben. Von der katholischen Kirche hat sich Liva Tresch schon mit 20 befreit. Heute spreche sie mit Gott (oder «der Ursache», wie sie das auch nennt) stets direkt. «Das ist das, was mich führt, was mich am Leben hält.» Respekt zu haben vor allen Menschen, Tieren und generell der Natur ist der be-kannten Fotogran deshalb auch sehr wichtig. «Das geht soweit, dass ich mich fast entschuldige, wenn ich mal eine Mü-cke totschlage.»Jeder Mensch sei gleich, betont sie im-mer wieder. «Es ist niemand besser oder schlechter!» Hier liegt vielleicht auch ein Grund dafür, weshalb die Personen auf ih-ren Fotograen sich stets authentisch geben konnten. Tresch versuchte die Seele der Portraitierten zu zeigen. «Ich liebe Men-schen.» Als Kind habe sie Hass gehabt, heu-te habe sie Respekt.Auch in der Natur sieht sie nur das Schöne. Gerade bewundert die Wahl-Zür-cherin die Bäume draussen. Die Regentrop-fen der Nacht hätten alle Panzen mit Per-len geschmückt. ➔An Liva Treschs Fotos kann man gut ablesen, dass die Commumnity immer schon gerne feierte- und dass sich die meisten dabei auch gerne in Szene setzten.

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24CRUISER SOMMER 2022Portraits einer queeren SubkulturMithilfe ihrer feinen Augen, ihrem künstle-rischen Flair und ihrer Kamera ng sie in den 1960er- und 70er-Jahren das Leben der queeren Subkultur in der legendären Zür-cher Schwulen- und Lesben-Bar, dem Bar-füsser, ein. «Wir hatten alle den gleichen Kampf zu kämpfen, schliesslich konnten wir nichts dafür, dass wir damals von der Mehrheit und dem Staat geplagt wurden.» Dabei seien wir alle gleich, ob wir als Mann nun Männer oder als Frau eben Frauen lie-ben würden. «Unser Kampf für unsere Rechte hat uns damals verbunden, sonst waren wir alle gleich, wie die Mehrheit. Auch wenn die einen rothaarig und die an-dern blond waren.»Liva Tresch bezeichnet sich heute noch selbst als «schwul», wie das noch bis in die 1980er-Jahre für viele frauenliebende Frauen üblich war. Deshalb habe sie immer mal wieder «Lesbenfrauenauseinander-setzungen». «Viele Frauen sind auf das Wort ‹Lesbe› xiert», bemerkt sie. Früher dachte Tresch, dass Lesben studierte Frauen seien, weshalb sie lieber normal schwul gewesen sei. Tresch meint hier die Lesbenbewegung der 1970er-Jahre, denen viele junge, linke Studentinnen angehörten. Viele wollten nichts mehr mit dem diskreten «Milieu» im «Fuess» zu tun haben, sie trugen ihre Forde-rungen auf die Strasse.«Es geht doch um die Haltung und die Gesinnung, nicht um die Verpackung», sagt sie über die unterschiedlichen Begriich-keiten. Die Menschen müssten anfangen sich innerlich zu verändern, dann käme auch der Respekt. «Egal, ob du eine Alpen-rose oder eine Gladiole bist, das spielt keine Rolle.» Wir sollten aber endlich aufhören, uns ständig miteinander zu vergleichen.Vom Selbstmitleid zur KöniginLiva Tresch hat in den letzten Jahrzehnten Ruhe und Zufriedenheit gefunden. «Früher bin ich in Selbstmitleid fast vergangen», sagt sie. «Heute bin ich eine Königin und glücklich.» Auch, wenn sie schon viele Jah-re keine Lebenspartnerin hat und «der Chlapf» nicht mehr richtig will, gehe es ihr innerlich so gut wie noch nie. Sie ist umge-ben von einem grossen Umfeld mit vielen jungen Menschen. Bilder © Liva Tresch / Sozialarchiv ZürichLiva Treschs Aufnahmen sind wichtige und einmalige Zeugnisse der Lesben- und Schwulen-geschichte der 1960er- und 1970er-Jahre in der Schweiz.«Unser Kampf für unsere Rechte hat uns damals verbunden, sonst waren wir alle gleich, wie die Mehrheit.» Liva Tresch

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25FOTOGRAFIELIVA TRESCHMit dem «Chlapf» meint die grauhaa-rige Dame ihren Körper. Dieser tue nicht mehr so wie er sollte. Seit vielen Jahren lei-det sie einer komplizierten Multisystemer-krankung. «Wenn ich ein Auto wäre, müsste ich einen neuen Anlasser haben.» Vor ein paar Wochen ist Liva Tresch in ein Zürcher Altersheim gezogen. «Körper-lich bin ich wirklich schlecht dran», verrät sie. «Aber ich habe unheimliches Glück!» Sie habe ein schönes Zimmer bekommen mit Aussicht auf den Üetliberg und den See. Am neuen Ort kennen sie ganz viele Leute, weil sie seit 50 Jahren im Quartier wohnt, wo sie früher auch ihr Fotogeschäft hatte. Im Altersheim lasse sie sich nun «auf-brezeln». Sie werde hier mit «Physio und so» wieder beweglich gemacht. «In den letzten Jahren habe ich meinen Körper kaum be-wegt.» Sie sei zu faul gewesen, um zu kochen und habe so auch schlecht gegessen. Jetzt im Altersheim habe sie jeden Tag eine wunder-bare Hotel-Küche, schwärmt die Rentnerin.Ein kürzlicher Sturz und ein böser Zahn haben ihr schwer zugesetzt. Wenn sie das überstehe, habe sie es geschat, sagt sie mit positivem Unterton. Gern würde sie bei der Erönung der «Kweer»-Bar in den heiligen Barfüsser-Hallen an der Spital-gasse 14 im kommenden Herbst mit dabei sein. «Wunderbar, dass aus dem Fuess wie-der ein richtiger ‹Schwulenladen› wird», freut sie sich. «Das ‹Christchindli› soll entscheiden»Angst vor dem Sterben habe sie nicht. «Bis im Herbst wissen wir, ob ich tot bin oder wieder wirklich auf den eigenen Beinen ste-he.» Sie würde das «Christchindli» ent-scheiden lassen. «Ich hatte immer gute Schutzengel und habe deshalb keine Angst. Wenn ich sterbe, werde ich als Kind gehen; oen und lieb.»Und wieder kommt ein Bild, das man sofort versteht: «Schau mal, ein ‹Chabis-blatt› ist nichts anderes als ich. Es wird ir-gendwann gefressen und geht dann wieder in den Boden zurück.» Wir sollten alle ver-suchen, uns weniger wichtig zu nehmen, betont die weise Frau. «Ich komme nicht in den Himmel, ich bin es schon.» Ihre Arbeit habe sie nämlich immer ausgefüllt. Ein Leben lang. Sie habe ihr Hobby zum Beruf machen können. Das sei ein grosses Privileg gewesen. Sagt es und dreht mit ihrem Rollator, an dem ein Regen-bogenbändel prangt, noch ein Runde in ih-rem neuen Zuhause im Kluspark. Jeder Mensch sei gleich, betont Liva Tresch immer wieder. Hier liegt vielleicht auch ein Grund dafür, weshalb die Personen auf ihren Fotografien sich stets authentisch geben konnten. Tresch versuchte die Seele der Portraitierten zu zeigen.LIVA TRESCHLiva Tresch (* 8. Mai 1933) wurde – so schreibt Wikipedia – «mit ihrer Fotokamera zur Chronis-tin der lesbisch-schwulen Subkultur in Zürich». Ihre Bilder stellen ein einmaliges Zeugnis der Geschichte von Lesben, Schwulen und queeren Menschen der Schweiz dar. Vor allem fotogra-fierte sie die legendären Fastnachtsbälle im «Barfüsser». Ihre Aufnahmen sind wichtige und einmalige Zeugnisse der Lesben- und Schwu-lengeschichte der 1960er- und 1970er-Jahre in der Schweiz. Alle Bilder sind mittlerweile im Schweizerischen Sozialarchiv Zürich für die Nachwelt archiviert, es sind mittlerweile über 6000 Negative (Liva fotografierte auch andere, für die damalige Zeit wichtige Ereignisse). Liva Treschs Fotografien wurden mehrfach für Bü-cher oder Filme gebraucht oder ausgestellt, zu-letzt in der Ausstellung «Imagine 68» im Jahr 2018 im Landesmuseum Zürich.Die Geschichte von Liva Tresch gibt es im wunderbaren Buch Corinne Rufli nachzulesen: «SEIT DIESER NACHT WAR ICH WIE VERZAU-BERT» Frauenliebende Frauen über siebzig erzählen. 4. Auflage, 978-3-03919-352-3. Erschienen im Hier und Jetzt Verlag, CHF 36.–

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26CRUISER SOMMER 2022KULTUREIN KRIMI AUS KREIS 4VON BIRGIT KAWOHLAuf der Cruiser-Redaktion trudeln täg-lich die merkwürdigsten Mails ein. Viele davon enthalten die Bitte, dass wir doch bitte etwas zu dem beworbenen Projekt oder Produkt schreiben sollen. Su-per, denken wir uns dann jeweils, wer von uns geht denn heute an die Hotel-Erönung in Oberägeri – oder war es doch Niederägeri, wer fährt auf den Bauernhof mit Familien-anschluss und Streichelzoo in den Vorarl-berg, wer wohnt der Party zur Erscheinung eines neuen Songs eines landauf landab unbekannten Sängers in Buxtehude bei? Je nach Stimmung gibt es dann nur ein müdes Kopfschütteln oder aber eine geharnischte Mail an die Absender.Umso erfreuter glänzen daher unsere Augen, wenn Mails ankommen, die zielge-richtet und passend sind. So geschehen mit der Ankündigung eines Romans. Der Autor ist der Zürcher Christof Vorster. Hm, mögen Christof Vorster hat sich bisher vor allem in der Filmbranche einen Namen gemacht. Wir sprechen mit ihm über seinen soeben erschienenen Roman «First Lady».Eine Jagd durch die WeltDer in Zürich lebende Christof Vorster hat in seinem Leben viel Zeit an Filmsets verbracht. Das merkt man seinem Roman auch an.Bild links © HENKO Media Zürich / Bild rechts © TRILUNA FILM AG

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27CRUISER SOMMER 2022KULTUREIN KRIMI AUS KREIS 4einige denken und dabei ihre Gehirngänge ins Rotieren bringen, Vorster, der Name sagt mir doch etwas? Das kann sehr gut sein. Vorster, geboren 1960 im schönen Scha-hausen, arbeitet als Schauspieler, Produk-tions- und Aufnahmeleiter und nicht zu-letzt als Regisseur sowie Drehbuchautor. Dabei stechen solche Jobs wie die als Dreh-buchautor für die SRF-Kultserie «Lüthi und Blanc» oder auch sein Spiellm «Hildes Rei-se» (2004) heraus. Nun hat er also seinen ersten Roman veröentlicht und uns sofort neugierig ge-macht. «Schwul, dekadent, dieselben Fin-gerabdrücke wie Osama bin Laden. Das waren die ersten Gedankenblitze zu ‹First Lady› Ich sah ehrlich gesagt wenig Ho-nung für eine erbauliche Geschichte.» Das klang spannend und so entschieden wir spontan, über Christof und seinen Roman etwas zu bringen.Der Roman selbst erscheint mit einem interessant und gelungen gestalteten Cover als Paperbackausgabe, lässt sich also ge-trost im Sommer in den Koer oder den Badirucksack packen, ohne für allzu viel Gewicht zu sorgen. Die Story dreht sich um den Zürcher Jesse Baumgartner – ob es sich dabei um das Alter Ego von Christof Vorster handelt, wird uns dieser hoentlich im Interview verraten – den die Leser*innen durch eine rasante Hetzjagd um den Glo-bus begleiten dürfen. Dass dabei einige ➔ «‹FirstLady› ist ungeschönt, direkt, überbordend, sexistisch, zynisch, zärtlich, hoffnungsvoll, ein Abenteuerroman, eine Satire. Du wirst die Story lieben oder du wirst sie hassen.» Christof VorsterIm Spielfilm «Hildes Reise» aus dem Jahr 2004 geht es um das Verleugnen der Homosexualität eines Verstorbenen durch seine Familie.ANZEIGESchreinerstrasse 44 | 8004 Zürich | Telefon 044 291 39 90 | www.haargenau.chDeine fabelhafte LGBT*-friendly Hairstylistin freut sich auf deinen Besuch.

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28CRUISER SOMMER 2022KULTUREIN KRIMI AUS KREIS 4 Ungereimtheiten auftreten (Warum spricht ein zufälliger Retter Jesse in Ungarn spon-tan auf Deutsch an?) und auch die Anfangs-szene letztendlich nicht aufgeklärt wird (Wie kam es zum Flugzeugabsturz und in was war Jesse da verwickelt?), verzeiht man dem Autor weitgehend, da die Geschichte insgesamt gut geschrieben und mit ziemli-chem Drive daherkommt. Zudem lernt man einiges über Überlebensmöglichkeiten ohne Geld und bekommt auch sonst noch einige Lebenstipps, z. B. niemals Drogen dort zu verkaufen, wo man schläft.Wer im Sommer nicht verreisen kann, sollte sich vielleicht diesen Roman mit in die Badi nehmen, da man hier viele Des-tinationen kennenlernt – und wegen der ku-riosen bis dramatischen Erlebnisse des Pro-tagonisten anschliessend sicherlich nicht mehr dorthin will.Cruiser: Christof, du hast viel in der Film-branche – sowohl vor als auch hinter der Kamera – gearbeitet. Jetzt hast du deinen ersten Roman, «FirstLady», veröffentlicht. Was hat dich dazu inspiriert?Im Film mit Oliver Stokowski in der Hauptrolle (links) gibt es viele berührende und nachdenkliche Momente, die noch nichts an Aktualität eingebüsst haben.Bild © TRILUNA FILM AGChristof Vorster: Die liebenswerte Verrückt-heit dieser Welt und die Lust, aus meiner Sicht darüber zu berichten. Es ist ja einiges, was da täglich unsere Köpfe utet. Bilder, (Fake) News, Filme, Serien, Messages, Posts, dann die eigenen Träume, das Erlebte, das Erhote. Daraus entsteht ein wilder Mix, der in meinem Fall zum Material von «FirstLady» wurde. Was ist für dich der Hauptunterschied zwischen der Arbeit als Regisseur und der als Autor?Als Regisseur gibst du nach aussen, willst ein Ziel erreichen, kämpfst für dein Pro-dukt. Als Autor gräbst du in deinem Innern, bist im Minimum allein, oft einsam. Es sind zwei völlig konträre Energien. Hektik und Ruhe, Expansion und Meditation. Beides hat seinen Reiz.«Die Veränderungen zum Guten lassen mich stolz auf Zürich sein, auch wenn ab und zu noch der Geist Zwinglis durch die Gassen weht. Doch, ja, hier lebt es sich gut als queere Seele.» Christof Vorster

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29CRUISER SOMMER 2022ANZEIGEKAMMERSPIELE SEEB DAS THEATERERLEBNIS IN BACHENBÜLACH!INFOS & TICKETSkammerspiele.ch +41 44 860 71 47Inserat_Kammerspiele_CruiserMagazin.indd 1Inserat_Kammerspiele_CruiserMagazin.indd 1 20.10.20 17:0520.10.20 17:05Christof Vorster: First Lady. Tredition 2022. ISBN 978-3-347-53218-2. Das Buch ist als Paperback und als E-Book erhältlich.KULTUREIN KRIMI AUS KREIS 4Wieviel steckt von dir selbst im Protagonisten deines Romans «First Lady»?Schwul, dekadent, dieselben Fingerabdrü-cke wie Osama bin Laden. So wird die Hauptgur Jesse charakterisiert. Ich würde mal sagen, die ersten zwei Eigenschaften treen auch auf mich zu. Jedes Jahr erscheinen unzählige Romane, sodass man als Leser*in eine geschickte und wohlüberlegte Auswahl treffen muss, ist doch die Lesezeit begrenzt. Warum sollte man sich deinen Roman nicht entgehen lassen?«First Lady» ist ungeschönt, direkt, über-bordend, sexistisch, zynisch, zärtlich, ho-nungsvoll, ein Abenteuerroman, eine Sati-re. Du wirst die Story lieben oder du wirst sie hassen. Keine nette Mitte. Der ideale Sto für mutige Leser*innen. Dein Spielfilm «Hildes Reise» kam 2004 in die Kinos. Darin geht es um das Leugnen der Homosexualität von Martin (und der Todes-ursache, AIDS) durch die Verwandtschaft. In der Zwischenzeit hat sich einiges in der Ge-sellschaft und der Community getan. Hältst du die Thematik trotzdem noch für aktuell?Es ist wunderbar, dass die Aids-Tragödie in ihrer Brutalität Vergangenheit ist. Medizi-nisch gesehen haben wir es geschat. Im Stillen nden aber viele kleine und grosse Dramen statt. Ich wünsche mir, dass wir die Betroenen nicht vergessen. Und auch nicht die Tatsache, wie schnell alles kippen kann. Ein blödes Viech, ein Idiot mit einer abge-drehten Weltsicht, und schon geht’s wieder los mit Diskriminierung und Ausgrenzung. Eine gewisse Wachsamkeit ist angebracht.Du bist seit deinem 18. Lebensjahr viel in der Welt herumgekommen und lebst jetzt in Zü-rich. Was macht für dich den Reiz dieser Stadt aus?Vor 35 Jahren bin ich hierhergekommen. Da-mals gab es ein Schwulenregister, Razzien im «Barfüsser» und oene Feindseligkeit gegen unsere Community. Heute haben wir eine lesbische Stadtpräsidentin, Pink Cops und ein Regenbogenhaus. Diese Verände-rungen zum Guten lassen mich stolz auf die Stadt sein, auch wenn ab und zu noch der Geist Zwinglis durch die Gassen weht. Doch, ja, hier lebt es sich gut als queere Seele.Dein Wunsch für diesen Sommer?Lachen, Lust, Vernunft, Menschlichkeit.

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31CRUISER SOMMER 2022Wer kennt es nicht? Man(n) hat Lust auf et-was Neues, möchte mal wieder etwas aus-probieren, hat aber keine Zeit und Lust, in ein Geschäft zu gehen, um sich nach Sex- und Fetisch-Spielzeug umzusehen. Genau in diese Lücke springt nun das vierköpge, schwule Team von «simontoys.ch» aus dem Zürcher Unterland. Denn der vom Namen-geber Simon gegründete Webshop bietet alles, was das schwule Herz begehrt; und das auch noch mit einer gut strukturierten und einfach zu bedienenden Webseite, auf der alle Produkte mit Foto und detaillierter Beschreibung (inkl. Grössenangaben, Ma-terial etc.) vorgestellt werden.Dabei kann das Team von simontoys.ch in vielen Bereichen punkten: Zum einen wird unbedingt darauf geachtet, dass die Silikon-Produkte keine schädlichen Weich-macher enthalten, sodass sie unbedenklich auf nackter Haut nutzbar sind. Zudem ist der Webshop natürlich rund um die Uhr erreich-bar und liefert prompt vom einen auf den anderen Tag. Beträgt der Bestellwert über CHF 80 wird die Ware sogar versandkosten-frei innerhalb der Schweiz geliefert. Die Be-stellung und Bezahlung ist einfach und vor allem sicher.Dass die Community das Angebot in-zwischen gut angenommen hat, kann man daran erkennen, dass die Vielfalt der Pro-dukte stetig steigt, um auch Stammkunden immer wieder Neues zu bieten. Sex soll schliesslich niemals langweilig werden, n-den Simon, Philipp, Liam und Andrin.Der neue Marktplatz für Sex- und Fetisch-SpielzeugADVERTORIALDie fairen Preise machen den Einkauf zum Vergnügen, schwierig kann höchstens die Entscheidung werden, welches Produkt man in den Einkaufswagen legen will. Wei-tere Infos ndet ihr auf simontoys.ch. @simontoys.chANZEIGE5 CRUISER SommER 2017sliPPerySubjeCt SVoN MARTIN MüHLHEIMC oming-out-Filme gibt es mittlerweile viele, und entsprechend unterschied-lich kommen sie daher: leichtfüssig- komisch wie der britische Klassiker Beautiful ing (1996), eher nachdenklich wie das brasilianische Kleinod Seashore (2015), bisweilen auch zutiefst tragisch – so im israelischen Drama Du sollst nicht lieben (2009), das in der ultraorthodoxen Gemein-de in Jerusalem spielt.Angesichts solcher Unterschiede er-staunt es umso mehr, mit welcher Regel- mässigkeit uns Coming-out-Filme Jungs oder Männer zeigen, die – alleine, zu zweit oder in Gruppen – schwimmen gehen. Nun könnte man das natürlich als Zufall oder Neben-sächlichkeit abtun. Bei genauerem Nachden-ken zeigt sich allerdings, dass sich gleich mehrere Gründe für diese erstaunliche Häu-gkeit nden lassen.Nackte Haut ohne allzu viel SexEine erste, nur scheinbar oberächliche Er-klärung ist, dass (halb)entblösste Körper sich nicht bloss auf der Leinwand, sondern auch auf Filmpostern und DVD-Covern äus- serst gut machen. Schwimmszenen bieten ein perfektes Alibi für das Zeigen von nack-ter Haut: Sex sells, wie es so schön heisst.Warum «Alibi»? Weil man – gerade bei Filmen mit jungen Protagonisten – aufpas-sen muss: «Sex sells» mag zwar zutreen, aber allzu explizite Sexszenen können schnell mal zu hohen Altersfreigaben füh-ren. Dies wiederum möchten Filmemacher in der Regel vermeiden: Filme, die erst ab 18 freigegeben sind, lassen sich nämlich weni-ger einfach vermarkten. Auf Amazon.de zum Beispiel werden Filme mit Altersfreiga-be 18 nur an nachweislich volljährige Perso-nen verkau – und gerade für Coming- out-Filme, die sich auch an ein junges Publi-kum richten, ist dies sicher kein wünschens-werter Eekt.Schwimmszenen bieten hier eine per-fekte Kompromisslösung: Man kann nackte Haut lmisch ansprechend inszenieren, da-bei aber allzu heisse Techtelmechtel tugend-ha vermeiden (beispielsweise, indem der Wasserspiegel immer über der Gürtellinie bleibt, wie im niederländischen Film Jon-gens, 2014). Um das Rezept knapp zusam-menzufassen: Man nehme eine grosszügige Portion feuchter Erotik, eine vorsichtige Pri-se Sex – und um Himmels Willen kein Körn-chen Porno. Eingetaucht ins TrieblebenMan täte den lesBischwulen Filmemache-rInnen aber unrecht, wenn man ihre erzäh-lerischen Entscheidungen allein auf nan-zielles Kalkül reduzieren wollte. Es gibt nämlich auch ästhetisch-symbolische Grün-de, die Schwimmszenen für das Genre inter-essant machen. Da wäre zunächst die Funktion des Wassers als Symbol für das Unbewusste. Dieses Unbewusste, so weiss man spätestens seit Sigmund Freud, hat viel mit der Triebna-tur des Menschen zu tun – und so erstaunt es nicht, dass Hauptguren auf der Suche nach ihrer sexuellen Identität sozusagen symbo-lisch in die Tiefen des Unbewussten eintau-chen müssen, um ihr gleichgeschlechtliches Begehren zu entdecken. Figuren in der SchwebeDarüber hinaus hat die Filmwissenschale-rin Franziska Heller in ihrem Buch über die Filmästhetik des Fluiden (2010) gezeigt, dass schwimmende Figuren immer wieder als «schwebende Körper» inszeniert werden: o in Zeitlupe und seltsam herausgelöst aus dem sonst zielstrebig voranschreitenden Erzählprozess. Dieser Schwebezustand wie-derum ist eine wunderbare visuelle Meta-pher für die Phase kurz vor dem Coming-out: Man ist nicht mehr der oder die Alte, aber auch noch nicht ganz in der neuen Identität angekommen. Ein Film macht das Schweben sogar explizit zum ema: In Kinder Gottes aus dem Jahr 2010 zeigt Romeo dem neuro-tisch-verklemmten Johnny, wie befreiend das «Floating» im Meer sein kann.Neben der Inszenierung von Schwebe-zuständen und dem Wasser als Symbol für das Unbewusste ist drittens das Motiv von ➔ Filme, die ersT ab 18 FreiGeGeben sind, lassen sicH nämlicH WeniGer einFacH VermarKTen.ANZEIGE«Was geht mich meine Gesundheit an!» Wilhelm Nietzsche Wir sind die erste Adresse für diskrete Beratung in allen Gesundheitsfragen.Stampfenbachstr. 7, 8001 Zürich, Tel. 044 252 44 20, Fax 044 252 44 21 leonhards-apotheke@bluewin.ch, www.leonhards.apotheke.chIhr Gesundh eits-Coach .rz_TP_Leonhards_Apotheke_210x93.3_Cruiser_4c_280317.indd 1 28.03.2017 10:07:37Die Homepage ist ebenso übersichtlich wie das Lager, was das Bestellen und Liefern bequem und schnell macht.Fotos: © simontoys.ch / © Adobe Stock

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32CRUISER SOMMER 2022VON TEAM CRUISERUnschön sieht es aus: Dann nämlich, wenn das Gesicht altershalber be-ginnt zu «hängen» und charmante Lachfalten plötzlich zu Furchen werden. Be-reits ab 40 Jahren zeigt die Kollagenstruktur des Gesichtes Ermüdungserscheinungen. Mittlerweile steht eine Armada von plastischen Chirurgen, Beautyberatern und Spezialisten für jedes optische Pro-blem(chen) bereit; entsprechend unüber-schaubar sind die Behandlungsmethoden. «Schnell einfach schön sein» ist im Trend, immer mehr auch bei den Männern. Aber bitte ohne Skalpell & Blut! «Männer lassen sich vor allem am Ge-sicht behandeln», bestätigt Robinson Mo-rett, Inhaber der Zürcher Klinik «Body Es-thetic». Aber nicht nur: «Mittlerweile sind Für Cruiser hat sich Stefan für ein Fadenlifting entschieden – die vorher-nachher-Bilder sind authentisch und wurden nicht nachbearbeitet.Ab 40 tendieren unsere Gesichtskonturen zu erschlaffen, wir wirken dadurch älter, als wir uns fühlen und tatsächlich sind. Gut gibt’s das Faden-Lifting.Mit Fäden gegen Faltenvorher nachherADVERTORIAL

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33CRUISER SOMMER 2022Der Eingriff erfolgt mittels örtlicher Betäubung und ist praktisch schmerzfrei. aber auch Haarentfernung beispielsweise am Rücken ein grosses ema und Fett-reduktion am Bauch». Allerdings: «Männer sprechen generell weniger über Eingrie und machen es einfach – das gilt auch fürs Fadenlifting», so Robinson Morett weiter.Fäden für straffe Haut Body Esthetic ist eine der führenden Praxen rund um «nicht invasive Beauty» in der Schweiz und daher stets am Puls der Zeit (und des Trends). Aber wie geht eine solche Männergesichtsverjüngung von-statten? Beispielsweise mittels Fadenlif-ting. Das klingt spektakulär und ist es auch. Hierbei werden spezielle Fäden, welche mit kleinen Widerhaken einen Zug auf das Ge-webe in die gewünschte Richtung erwir-ken, unter der Haut durchgezogen. Cruiser probierte das aus; der Eingri dauerte we-niger als 40 Minuten und war dank der ört-lichen Betäubung praktisch schmerzfrei. Die Widerhaken piekten zwar etwas – ähn-lich wie das Gefühl beim Augenbrauen-zupfen (was Mann ja mittlerweile auch macht), aber sonst war wenig zu spüren. Klar, angenehm war es nicht, aber das er-wartet auch niemand. Die eingesetzten Fäden sind synthe-tisch, es handelt sich um dasselbe Material, welches auch seit Jahrzehnten in der Chirur-gie zum Nähen «unter der Haut» eingesetzt wird. Diese Fäden lösen sich nach 3-6 Mona-ten auf – jedoch bleibt das neu gebildete Kollagengerüst unter der Haut (als Reaktion des Gewebes auf das Fadenmaterial) länger bestehen – im Idealfall bis zwei Jahre. Natürliche ErgebnisseJe nachdem, wie viele Fäden verwendet wer-den, können so auch «Hamsterbacken» oder ein Doppelkinn gestrat werden. Bei «Body Esthetic» werden alle Eingrie von Dr. Alva-rez und Dr. Aslan durchgeführt. Dr. Alvarez erklärt: «Bei dieser Methode kann exakt auf das individuelle Bedürfnis der Patienten eingegangen werden. Ist die Haut beispiels-weise sehr schla, braucht es mehr Zug als bei jüngerer, noch straerer Haut. Wir ver-suchen aber in jedem Fall, ein möglichst na-türliches Ergebnis zu erzielen.» Die Kosten richten sich nach der An-zahl der Fäden; je mehr gezogen / gestrat werden soll, desto mehr Fäden werden ge-braucht. Die benötigte Fadenanzahl hängt von der zu behandelnden Zone ab. Bei den Wangen können problemlos zwei Fäden auf jeder Seite «gelegt» werden, bei der Stirn greifen die Ärzte eher lediglich zu einem Faden auf jeder Seite. Beim Hals sieht es wiederum anders aus, dort gibt es Patien-ten, welche beispielsweise vier Fäden wün-schen. Auch hier spielen das Alter und der Hautzustand jeweils eine Rolle. In unserem Fall waren das sechs Fäden und diese koste-ten total 600 SFr.Es versteht sich von selbst, dass ein solcher Eingri nur von einem geschulten Arzt durchgeführt werden soll. Ausserdem muss dieser auch über ein gutes Auge in Sachen Optik und Symmetrie verfügen – denn nur so kann absolute Symmetrie ga-rantiert werden. Und nur geschulte, spezia-lisierte Ärzte wissen genau, wo welche Nerven liegen und wie tief sie in welchem Bereich gehen dürfen, um keinen Schaden anzurichten. Body EstheticFiliale ZürichSeefeldstrasse 758008 Zürich044381 20 20Filiale LuzernWinkelriedstrasse 30a6003 Luzern044381 20 18www.bodyesthetic.ch @bodyesthetic.chDie Fäden lösen sich nach 3-6 Monaten auf – jedoch bleibt das neu gebildete Kollagengerüst unter der Haut länger bestehen – im Idealfall bis zwei Jahre.Die eingesetzten Fäden sind synthetisch, es handelt sich um dasselbe Material, welches auch seit Jahrzehnten in der Chirurgie zum Nähen «unter der Haut» eingesetzt wird.ADVERTORIAL

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34CRUISER SOMMER 2022RATGEBERDR. GAYDR. GAYAuf drgay.ch findest du viele Infos und kannst eigene Fragen stellen. Hinter Dr. Gay stehen Mitarbeiter*innen der Aids-Hilfe Schweiz. Wir engagieren uns für die sexuelle Gesundheit von schwulen, bi & queeren Männern. drgay.ch drgay_official @drgay_officialIch bin 56, schwul und immer geil auf Sex. Manchmal mache ich mir Gedanken, ob das in meinem Alter noch normal ist. Bin ich sexsüchtig? Anton (56)Wie kann ich mehr und weiter abspritzen? Nils (28)Hallo Anton«Normal» ist, was für dich stimmt. Wenn du mit 56 viel Lust auf Sex hast und es dir Spass macht, ist das eine tolle Sache. Denn Sex ist etwas Gutes und soll Spass machen. Die logische Schlussfolgerung wäre also, dass viel Sex viel Spass macht. Anders ist es, wenn du keinen Spass (mehr) daran hast und Sex ein Zwang, Laster oder eine Sucht ist. Sexuell sehr aktiv oder sexsüchtig? Das ist nicht immer leicht zu erkennen. Wie oft du Sex hast, ist nicht so wichtig. Auch wenn du viel Sex hast, ist das alleine kein Hinweis auf eine Sexsucht. Krankhaft oder zwang-haft wird es dann, wenn du dein sexuelles Verhalten nicht mehr im Gri hast und da-runter leidest, aber trotzdem weitermachst, obwohl es oensichtlich negative Folgen hat, wie zum Beispiel das Vernachlässigen Hallo NilsViele Männer wünschen sich, möglichst viel und weit abzuspritzen, weil damit ein besonders intensiver Orgasmus und Potenz assoziiert wird. In der Realität stimmt das nicht so ganz. Trotzdem kann viel und weit abzuspritzen, für alle Beteiligten sehr geil sein. Wie viel und wie weit ein Mann spritzt, ist in erster Linie von seinem Körper bzw. der Veranlagung abhängig. Männer mit viel Spermaproduktion und einer dünnen Harnröhre tendieren dazu, weiter zu sprit-zen. Im Rahmen der anatomischen Mög-lichkeiten gibt es aber auch Techniken, um weiter abzuspritzen. Grundsätzlich ist es so: Je geiler du bist, desto weiter spritzt du. Du kannst die Geilheit steigern, indem du für eine Zeit enthaltsam bist. Oder du kannst den Orgasmus immer wieder hin-von Pichten, Hobbies, anderen Interessen, Freundschaften, Beziehung, Job etc. Wie das bei dir aussieht, kannst nur du selbst einschätzen. Ein grosser und oft schwie-riger Schritt ist die Selbsterkenntnis. Auf suchtberatung-ags.ch ndest du unter «An-gebot» einen Selbsttest, der dir bei der Ein-schätzung helfen kann. Dieser dient aller-dings nur als Richtung. Wenn du unsicher bist, lass dich in einer Beratungsstelle per-sönlich beraten. Die schwulen Gesund-heitszentren Checkpoint haben zum Teil entsprechende Angebote im Programm oder können dich vermitteln. Adressen und Kontaktdaten ndest du auf drgay.ch unter «Deine Kontakte».Alles Gute, Dr. Gayauszögern, z.B. durch Edging. Dabei stoppst du immer kurz vor dem Orgasmus und «sparst» ihn dir für einen späteren, bom-bastischeren Moment auf. Auch das Mas-sieren der Prostata kann dazu führen, dass du mehr und weiter spritzt. Diese Techni-ken setzen einiges an Geschick voraus. Wie so oft gilt auch hier: Übung macht den Meister. Schlussendlich liegt es aber an dir selber herausnden, was dich besonders geil macht. Wenn du deine Vorlieben selber noch nicht so richtig kennst, sei neugierig, experimentiere und probiere Sachen aus. Inspiration ndest du unter drgay.ch/schwuler-sex/inspiration. Ich wünsche dir viel Spass dabei!Alles Gute, Dr. Gay

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Wir brauchen jetzt deine Unterstützung!1. Twint-App önen2. QR-Code scannen3. Adresse angeben4. CHF 100.– sendenFertig2022 Du bist Mitglied bei schwulengeschichte.ch Die Website schwu len ge schich te.ch macht die Ge schich te von Schwulen in der Schweiz in all ihren Facetten zu gäng lich. Betrieb und Wei ter ent wick lung wird von eh ren amt li chen Mit ar bei tern si cher ge stellt.WERDE MITGLIED UND HILF, DASS UNSERE GESCHICHTE NICHT VERGESSEN WIRD 1930 1940 1950 1960 1970 19801990 2000 2010 20201943 Der Kreis1957 Kreis-Ball1973 Gay-Liberation1986 AIDS2004 Partnerschafts-gesetz Demoschwulengeschichte-inserat.indd 1schwulengeschichte-inserat.indd 1 11.06.22 11:5511.06.22 11:55ANZEIGE