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CRUISER Edition Sommer 2010 Prominent
Judith Butler
Ob im Juni der Sommer kommt, hat sich als un-
sic he r e r wiese n. E ines kom mt je do ch m it Sic her -
heit: die Saison der Gay-Paraden rund um den
Globus, vom illegalen Marsch in Peking über
den 3-Millionen-Event in São Paulo bis nach Zü-
rich, wo die Veranstaltung erstmals nicht mehr
CSD hiess, sondern etwas weniger politisch und
historisch schlicht Pride. Am CSD in Berlin kam
es zu einem Eklat, und nein, damit meinen wir
nicht die absurde Meldung, Big-Brother-Kan-
didat Fassanelli sei festgenommen worden,
nachdem er im Vollrausch mehrere Menschen
gebissen hat. Judith Butler, die renommierte
Geschlechterforscherin aus Berkeley und Mit-
begründerin der Queer-Theorie, sollte den Zivil-
courage-Preis in Empfang nehmen. Sollte, denn
sie lehnte ihn ab. Der Anlass sei ihr zu kommer-
ziell und zu unkritisch. Lobenswert, dass sich
die Wegbereiterin nicht auf ihren Lorbeeren
ausruht, ihr Augenmerk weiterhin auf diskri-
minierte Minderheiten wie etwa homosexuelle
Migranten richtet. Trotzdem irgendwie scha-
de, dass sie die Anerkennung für ihre Leistung
nicht zulässt und mit angezogener Spassbremse
weiterfährt. «Es ist eine Form von Freiheit, auf
der Strasse sich selbst sein zu dürfen», sagte sie
in ihrer brillanten Rede. Solange es eine Gender-
Polizei gebe, mache sich ein Staat kriminell.
Konnten nicht gerade am Berliner CSD Tausen-
de so auf die Strasse treten, wie sie eben sind,
nicht zuletzt dank intellektuellen Vordenke-
rinnen wie Judith Butler? Alles eine Frage der
Perspektive. Dass Butler dahin schaut, wo noch
Handlungsbedarf besteht, darf ihr bestimmt
keiner verübeln, und damit ist ihre Verweige-
rung paradoxerweise als einer der Gründe zu
sehen, warum sie den Preis mehr als verdient
hat. (rg)
Scissor Sisters
2006 landete eine schrille New Yorker Band mit
«I don’t feel like dancing» einen gigantischen
Hit, das dazugehörige Album der Scissor Si-
sters ging über zwei Millionen Mal über den
Ladentisch. Mit ihrer bunten und tanzbaren
Mischung aus Disco, Rock und Exzentrik eta-
blierten sie sich allmählich als neue Ikonen
der Gay-Community. Nun ist ihr neues Werk
am Start, «Night Work», die Quintessenz ihres
Schaffens, wie sie selbst sagen. Sowohl die Hym-
ne «Fire with Fire» als auch das knackige Platten-
cover versprechen Grosses. Sänger Jake Shears
war lange Zeit nicht zufrieden mit dem neuen
Songmaterial, doch auf einer Sexparty in Berlin
hatte er angeblich plötzlich eine inspirierende
Eingebung. Das neue Album sollte klingen, als
wären die hedonistischen 80er nie zu Ende ge-
gangen. Eine Anekdote, die nur auf den ersten
Blick überrascht, schliesslich haben wir es mit
einer Band zu tun, deren Namen sich von einer
Sexstellung herleitet. «Ich habe das Gefühl, dass
es jetzt richtig losgehen kann», so Bassist Scott
Hoffman zum neuen Wurf mit Hitpotenzial.
Also Vorsicht: Die Scissor Sisters auf dem Plat-
tenteller sind ein ziemlich scharfes Gericht und
werden diesen Sommer bestimmt für manch
heisse Partynacht sorgen… (rg)
Ronald
McDonald
Wie echt das Lachen eines Clowns ist, weiss man
nie genau. Ronald, das bekannte Maskottchen
des Burger-Riesen, zwinkert in Frankreich den
Schwulen zu. In einem Werbespot mit dem Slo-
gan «Venez comme vous êtes» (kommt wie ihr
seid) wird eine rührende Gay-Lovestory erzählt.
Auf grosses Lob folgte grössere Empörung: Kon-
servative Familienorganisationen in den USA
liefen Sturm, ein TV-Moderator stellte sogar die
Frage, ob es auch einen «Come as you are»-Spot
für Al Kaida-Terroristen gebe. Sofort krebste die
McDonalds-Geschäftsleitung zurück und liess
verlauten, so was werde in den USA selbstver-
ständlich nie zu sehen sein. Vorsicht also bei
Flirtversuchen von Werbeclowns! Überhaupt
scheinen sich prominente globale Unternehmen
mit ihrer Gay-Policy derzeit ziemlich schwer zu
tun. Dass man neben Clowns auch polierten Äp-
feln nicht blind trauen sollte, auch das wissen
wir noch aus der Märchenstunde. Apple sorgte
für Kopfschütteln, als eine Homo-Kuss-Szene in
einem Oscar-Wilde-Comic für den iPad zensu-
riert wurde, während vergleichbare Heterosze-
nen frei zugänglich sind. McDonalds hat seinen
Mitarbeitern inzwischen geraten, sich in der
Gay-Frage «neutral» zu verhalten. Was das genau
heissen mag, versteht nicht mal ein Schweizer,
sondern wohl nur ein Clown. (rg)
Märchenhochzeit
Wir kommen zur Königsdisziplin: Hochzeit
des Jahres. Als Favoritenpaar gehen Schwedens
K ronpri nzessin Victoria u nd ih r Dan iel ins Ren -
nen. Sie einst unglücklich und magersüchtig,
er ohne Uni- und Adelstitel, gemeinsam haben
sie alle Hindernisse überwunden und sich nun
überglücklich das Ja-Wort gegeben. Die Heraus-
forderer heiraten auf der Leinwand, denn vor-
erst ist offenbar nur da die Prinz-trifft-Prinz-
Version vorstellbar. Stanford und Anthony, die
schwulen Freunde der «Sex and the City»-Ladies,
eröffnen mit ihrer Traumhochzeit die lang er-
wartete Fortsetzung der Serie im Kino. Schwäne
und Swarovski, Glitzer und Glamour, und als
Samantha grinsend fragt, ob es noch schwuler
werden kann, tritt Liza Minnelli auf, um die
Trauung zu vollziehen. Alice Schwarzer hatte
«Sex and the City» einst als sexistische schwu-
le Männerfantasie kritisiert, ein Journalist der
deutschen Zeitung «die Welt» will nun heraus-
gefunden haben, dass die Rolle der Samantha
eigentlich eine heterosexuell besetzte Schwu-
lenrolle ist. Aha, selbständige Frauen, die Spass
an Sex haben, sind eigentlich schwule Män-
ner. Über 200 000 mehrheitlich weibliche Besu-
cher hatten hierzulande bisher dennoch ihren
Kinospass. In Schweden jubelten 300 000 dem
glücklichen Royal-Paar zu, womit der erste Platz
in der Disziplin Märchenhochzeit 2010 denitiv
an Victoria und Daniel geht. Übrigens: Wenige
Tage danach gaben Fürst Albert von Monaco
und seine bezaubernde Charlene ihre Verlo-
bung bekannt, und bei so viel Erfolg wird «Sex
and the City 2» wohl auch nicht das letzte Aben-
teuer von Carrie und Co. gewesen sein. Auf in
die nächste Runde! (rg)